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Inhaltsangabe Lettland Herbst 2000 - Tischri 5761

Editorial - Herbst 2000
    • Editorial

Rosch Haschanah 5761
    • Die Demut

Politik
    • Barak – Alles oder Nichts

Interview
    • Mosche Katsav Präsident!
    • Mein Leben für Israel

Reportage
    • Vor den Toren Libanons

Lettland
    • Jerusalem und die Baltischen Republiken
    • «Notke» - «Riga un Latvijas Virsrabins»
    • Juden in Riga
    • Riga – Gestern – Heute – Morgen
    • «Post Tenebras… Lux»
    • Das Zentrum für jüdische Studien
    • Versuch einer Selbstbiographie
    • Das Jüdische Museum in Riga

Schweden
    • Jerusalem und Stockholm
    • «Judiska Museet i Stockholm»

Antisemitismus
    • Hass im Internet
    • Sachsenhausen

Erziehung
    • Yemin Orde

Forschung und Wissenschaft
    • Maulwurfsratten – Weizen - Pilze

Wissenschaftliche Forschung
    • Pilze fürs Leben

Kunst und Kultur
    • Das Zentrum Für Jüdische Geschichte in Manhattan

Ethik und Judentum
    • Wohltätigkeit und Selbständigkeit

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Das Zentrum für jüdische Studien

Von Roland S. Süssmann
Stellen Sie sich folgende Szene vor: dicht gedrängt sitzen in einem Hörsaal ca. vierzig athletisch gebaute blonde Letten, die einer Vorlesung über jüdische Philosophie lauschen… vorgetragen von einem jungen Rabbiner der Lubawitscher Bewegung. Traum oder Zukunftsvision? Weder noch. Es handelt sich um einen regelmässig stattfindenden Kurs des Zentrums für jüdische Studien der Universität Riga, der «Latvijas Universitate». Dieses Institut mit seinem anspruchsvollen, ehrgeizigen und hochstehenden Lehrangebot wird von Professor RUVIN FERBER geleitet.
Eine genaue Beobachtung des jüdischen Lebens in Lettland im allgemeinen und in Riga im besonderen lässt die Feststellung zu, dass eine gewisse Belebung zu verzeichnen ist. Auch wenn diese auf der Ebene der religiösen Frömmigkeit kaum zum Ausdruck kommt, ist im intellektuellen Leben eine andere Tendenz zu beobachten. Vor dem Zweiten Weltkrieg existierte ein sehr grosses Zentrum für jüdische Studien in Tartu in Estland, doch daneben hat ein Institut für jüdische Studien in den baltischen Republiken nie bestanden, weder auf Regierungs- noch auf Universitätsebene. Das Zentrum von Riga ist demnach das allererste seiner Art, das in diesen Staaten gegründet wurde. Die Schaffung einer solchen Institution erwies sich als notwendig aufgrund der Bedeutung der Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Lettland, die nicht nur im Verlauf der Jahrhunderte, sondern auch in den verschiedenen Provinzen des Landes eine eigene Prägung aufweist. Diese historischen Elemente wurden noch nie auf akademischem Niveau untersucht, wie auch der phantastische Beitrag der Grossrabbiner wie des Gaon von Rogatschow oder anderer, zur Zeit der ersten lettischen Republik vor dem Zweiten Weltkrieg weltweit bekannter Persönlichkeiten nie berücksichtigt wurde.
Die Idee, ein derartiges Institut innerhalb der bedeutendsten Universität der baltischen Staaten zu gründen, entstand gleichzeitig bei ihrem Rektor, Professor Yuri Zarkis, bei Professor Herman Branover der Universität von Beer Schewa, beim Grossrabbiner Lettlands, Natan Barkan, sowie bei einer Reihe von Universitätsprofessoren in Lettland, darunter Ruvin Ferber und Aivars Stranga, Historiker und Mitglied des Universitätssenats, der eine entscheidende Rolle spielte. 1995 fand in Riga die erste Konferenz mit dem Titel «Jews in a changing world» statt, die seither alle zwei Jahre abgehalten wird. Sie stellte den eigentlichen Grundpfeiler für die Schaffung des Instituts dar, das erst am 15. Juli 1998 wirklich ins Leben gerufen wurde. Man muss sich klar machen, dass die Tatsache, dass ein offizielles Institut der Universität von Riga in ihrem Namen das Wort «jüdisch» trägt, keinesfalls selbstverständlich ist. Diese Einrichtung existiert nur dank dem Mut und der Entschlossenheit des Rektors: das Institut ist keiner Fakultät angeschlossen und untersteht direkt dem Rektor selbst. Die Lehre wurde in zwei Bereiche aufgeteilt: einerseits die jüdische Geschichte, andererseits die jüdische Kultur und Philosophie. Diese Kurse wurden in die obligatorischen Lehrgänge der verschiedenen Fakultäten integriert, darunter natürlich in diejenigen für Geschichte, Philosophie und Theologie. Interessanterweise befindet sich unter den Dozenten eine Frau, Dr. Yvetta Leitane, die ihr Diplom in Judaika an der Universität Tübingen erwarb und einen Einführungskurs in die rabbinische Literatur gibt, in dem sie die Gedanken von Maïmonides, Nachmanides, des Rabbi Akiba usw. analysiert. Sie verlangt von ihren Studenten die Beherrschung der hebräischen Sprache der Bibel und einige Kenntnisse der aramäischen Sprache (A.d.R. es wäre schön, wenn dieses Niveau in vielen jüdischen Schulen erreicht würde…).
Neben der Vermittlung dieser jüdischen Fächer möchte das Institut auch die jüdischen Studenten der anderen Fakultäten anziehen, die zwar die jüdische Schule besucht haben, jedoch keinerlei wissenschaftliche Methode der jüdischen Studien kennengelernt haben. Das Institut ist auch im Bereich der Forschung tätig, die vier getrennte Aufträge besitzt: kulturelle Geschichte der Juden in Lettland, jüdisches Denken und Philosophie in den Regionen des Baltikums und Osteuropas, Torah und Wissenschaften, jüdische Erziehung und Zusammentragen von Zeugenberichten der Überlebenden. Das letztgenannte Projekt wendet sich an die älteren Menschen, damit sie ihre Erinnerungen in bezug auf das jüdische Leben in Lettland vor und während des Zweiten Weltkriegs vermitteln. Die meisten von ihnen haben übrigens hebräische Schulen in Lettland besucht. Dieses Programm wird von Anna Antane geleitet, die im Studienzentrum als Direktorin in der Verwaltung arbeitet und als Historikerin die Gespräche über die Vergangenheit durchführt und aufzeichnet. Sämtliche Tätigkeiten des Zentrums werden mit dem Rabbinat und der jüdischen Gemeinde von Riga abgesprochen, da beide sich sehr aktiv an seiner Organisation und Entwicklung beteiligen. Das Institut empfängt immer wieder Professoren aus dem Ausland, insbesondere den berühmten Professor Yoël Weinberg von der Universität von Beer Schewa, weltweit geachteter Spezialist in Bibelstudien und selbst aus Lettland stammend. Das Zentrum arbeitet auch intensiv mit zahlreichen europäischen und israelischen Universitäten zusammen.
Am Ende unserer Begegnung sagte Professor Ruvin Ferber: «Ich denke, dass unser Zentrum eine sehr wichtige Rolle spielt, um das Verständnis und folglich auch die Beziehungen zwischen Juden und Letten zu verbessern.»


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