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Inhaltsangabe Interview Herbst 2000 - Tischri 5761

Editorial - Herbst 2000
    • Editorial

Rosch Haschanah 5761
    • Die Demut

Politik
    • Barak – Alles oder Nichts

Interview
    • Mosche Katsav Präsident!
    • Mein Leben für Israel

Reportage
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Wissenschaftliche Forschung
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Mosche Katsav Präsident!

Von Roland S. Süssmann
Stellen Sie sich die Szene vor: ein Festsaal in den Vereinigten Staaten, in dem sich die bedeutendsten Donatoren des UJA (United Jewish Appeal) versammelt haben. Eine kleine grauhaarige Dame ergreift das Wort und sagt: «Wir haben Bagdad verlassen um nach Bombay zu ziehen, dann reisten wir nach Amerika, wo mein Sohn studieren konnte und Richter des Obersten Gerichtshofes wurde. Ich bin diesem wunderbaren Land von Herzen dankbar». Ein junger israelischer Minister erhebt sich und antwortet: «Wenn meine Mutter hier wäre, würde sie folgendes berichten: Wir haben den Iran verlassen und kamen als Einwanderer in eine kleine Entwicklungsstadt in Israel. Mein Sohn hatte das Glück studieren zu können und ist heute Minister des freien, souveränen und unabhängigen jüdischen Staates!». Dieser Minister, MOSCHE KATSAV, ist heute Präsident von Israel.
Jedermann kennt den amerikanischen Traum – doch gibt es auch einen israelischen Traum? Ja, denn dieser ist am 31. Juli 2000 auf die wunderbarste Art Wirklichkeit geworden, als Mosche Katsav zum Präsidenten des Staates Israel gewählt wurde. Er hat sich einverstanden erklärt, sein allererstes Interview mit einem jüdischen Magazin der Diaspora SHALOM zu gewähren, und wir wurden sehr herzlich zu einem Exklusivgespräch empfangen.
Mosche traf 1951 im Alter von sechs Jahren aus dem Iran in Israel ein und verbrachte sein gesamtes bisheriges Leben in Kiriath Malachi, einer kleinen Entwicklungs- und Einwanderungsstadt, deren Bürgermeister er zweimal wurde, 1969 und 1974-1981. Nachdem er an der Universität von Jerusalem ein Diplom in Ökonomie und Geschichte erworben hatte, trat Katsav 1977 in die Politik ein und wurde im selben Jahr zum ersten Mal in die Knesset gewählt. Er arbeitete sich im Likud die Hierarchie des politischen Lebens hoch, wurde zunächst stellvertretender Innen- und Erziehungsminister, dann Minister für Wohnungsbau, Minister für Arbeit und soziale Angelegenheiten und schliesslich stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Tourismus. Gleichzeitig war er als Mitglied verschiedener Kommissionen, darunter der sehr geheimen für Verteidigung und auswärtige Angelegenheiten, in der Knesset tätig. Katsav arbeitete sehr eng mit den Ministerpräsidenten Menachem Begin s.A., Yitzchak Schamir und Benjamin Netanyahu zusammen.
Unsere Leserinnen und Leser sollen den Präsidenten Katsav dank diesem Interview besser kennenlernen und erfahren, mit welcher Einstellung er sein Amt antritt. Es geht nicht darum, seine Positionen im Hinblick auf spezifische Probleme zu definieren, die gegenwärtig das politische Leben Israels erschüttern.

Mit welchen Gedanken gehen Sie an Ihre so wichtige Aufgabe an der Spitze des jüdischen Volkes heran?

Ich strebe als Ziel an, drei wesentliche Probleme in Angriff zu nehmen, die heute das Fundament der israelischen Gesellschaft gefährden. Leider existieren sehr heftige Spannungen, unüberbrückbare politische Divergenzen, und diese politischen Feindseligkeiten traten in brutalster Weise in der Ermordung des Ministerpräsidenten Rabin zutage. Meine erste Aufgabe besteht demnach darin alles zu unternehmen, damit diese Spannungen gemildert werden und die politische Diskussion wieder in einem normalen, gemässigten Ton stattfindet. Dies ist im Hinblick auf die historischen und grundlegenden Entscheidungen besonders wichtig, die wir demnächst werden treffen müssen: sie werden sich auf die Zukunft der kommenden Generationen auswirken und betreffen auch Jerusalem, die endgültige Festlegung unserer Ostgrenze und die Frage der arabischen Flüchtlingen. Es geht darum, wie die israelische Gesellschaft alle diese Probleme in Angriff nehmen und bewältigen wird, während unser Land von Spannungen zwischen Juden und israelischen Arabern, Frommen und Nichtgläubigen, Sepharden und Aschkenasim, neuen Einwanderern und Sabras sowie zahlreichen anderen Zwistigkeiten zerrissen wird. Es müssen dringend Brücken zwischen diesen unterschiedlichen Ausrichtungen geschlagen werden, um sie einander anzunähern. Meine zweite Sorge betrifft das schwerwiegende und immer grösser werdende Problem der immer tieferen Kluft zwischen den ärmsten und den wohlhabendsten Bürgern unseres Landes. In dieser Hinsicht möchte ich alle Hebel in Bewegung setzen, damit dieser Graben beträchtlich verringert wird. Und schliesslich werde ich mich auch an die Juden der Diaspora wenden. Im Verlaufe der vergangenen zwei Jahrtausende waren die Juden in der Lage, sich gegen die Assimilierung zu schützen, denn sie brachten bereitwillig jedes Opfer dafür auf. Dies ist heute nicht mehr der Fall, und Untersuchungen haben gezeigt, dass wir in den kommenden zehn Jahren Gefahr laufen, zwei Millionen Juden durch Assimilierung zu verlieren. Ich hoffe, dass mich die Juden der Diaspora als Gesprächspartner und Mitstreiter akzeptieren, damit wir gemeinsam Lösungen finden können, dank denen diese Katastrophe vermieden und der Prozentsatz der Assimilierung reduziert werden kann, der in bestimmten Gemeinschaften 80% erreicht.

Wie gedenken Sie konkret vorzugehen, um sich Ihren drei Zielen ganz tatkräftig zu nähern?

Die Präsidentschaft bietet zahlreiche Hilfsmittel, dank denen man aktiv vorgehen kann, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich die Möglichkeit besitze, das Prestige und die Macht meines Amtes in den Dienst einer Aktion zu stellen und Lösungen für diese drei grossen Probleme zu finden. Ich habe beispielsweise vor, regelmässig die armen Quartiere und die Entwicklungsstädte überall in Israel aufzusuchen, den Menschen entgegenzugehen und die Angehörigen der verschiedenen rivalisierenden Gruppen der israelischen Gesellschaft einzuladen, um dadurch die Einigkeit in unserem Volk zu fördern, und mich auch in die jüdischen Gemeinschaften der Diaspora zu begeben. Mein Ziel ist es, die Einheit in der jüdischen Gesellschaft in Israel zu verstärken. Es ist meine Pflicht allen begreiflich zu machen, dass wir uns an einem entscheidenden Wendepunkt unserer Geschichte befinden und dass wir unsere Art des Denkens verändern müssen. Wir können es uns nicht erlauben zerstritten zu sein, und wir müssen die Juden der Diaspora zu unseren vollwertigen Partnern machen, um weiterhin am Aufbau und an der Weiterentwicklung Israels zu arbeiten. Ich kann gar nicht genug betonen, wie wertvoll die Förderung und Verbreitung der jüdischen Erziehung als Instrument zu unserem Erfolg sind, dass diese allein jedoch nicht ausreicht. Sie verkörpert nur ein Element eines Ganzen, das uns in unseren Überlegungen heute anleiten und es uns erlauben soll, angesichts der grossen Schwierigkeiten, denen wir gegenüberstehen, die richtigen und nachhaltigen Entscheidungen zu treffen. Um in den drei oben erwähnten Bereichen tätig werden zu können, habe ich Teams von Fachleuten gebildet, die den Auftrag haben, ein sehr spezifisches Programm mit einer Reihe konkreter Schritte auszuarbeiten, die ich nach und nach verwirklichen kann.

Eine der ersten Einladungen, die Sie als Präsident ausgesprochen haben, wandte sich an die geistlichen Führer der reformierten Bewegung in Israel. Handelt es sich dabei um den konkreten Ausdruck Ihres Wunsches, die Einheit des jüdischen Volkes zu stärken?

Ich bin, wie Sie wissen, orthodoxer Jude, doch ich empfinde viel Respekt für alle anderen Ausübungsformen unserer Religion. Meinen muslimischen und christlichen Gesprächspartnern sage ich immer, dass sie uns mit Respekt und Toleranz gegenübertreten sollen. Diese Worte richten sich jedoch in erster Linie an die verschiedenen religiösen Tendenzen innerhalb unserer Gesellschaft. Wir müssen den Prozess fördern, der es uns ermöglichen wird, dass wir uns untereinander besser verstehen, den anderen besser akzeptieren, kurz eine stärkere Einheit bilden, und dies kann nur über einen offenen, ehrlichen und wohlüberlegten Dialog erreicht werden. Wenn ich in eine Stadt der Diaspora reisen werde, in der es eine reformierte oder liberale Gemeinschaft gibt, wird es mir eine Freude sein mit ihr zusammenzutreffen, um über die Alyiah und andere Themen zu sprechen, die mir am Herzen liegen. Meine Rolle besteht zunächst darin, die Einheit der Juden untereinander zu verstärken, dies besonders im weiteren Rahmen der israelischen Gesellschaft. Ich wurde mit Stimmen der Linken, der Linksradikalen und sogar der israelischen Araber gewählt. Dies ist mir bekannt, obwohl es eine geheime Wahl war. Ich werde also von allen angehört, was ich auch nutzen möchte, um in den oben genannten Bereichen erfolgreich zu sein.

Eines Ihrer Programme befasst sich mit dem Problem, die Kluft zwischen der sehr reichen Minderheit und der recht zahlreichen Masse der armen Bürger zu verringern. Wie gedenken Sie vorzugehen?

Ich habe vor, mich an die verschiedenen Ministerien zu wenden, um Lösungen zu finden. Doch ich bin der Ansicht, dass das Finanzministerium, dessen Politik in erster Linie die Bekämpfung der Inflation und die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums anstrebt, sich ebenfalls die Vollbeschäftigung und vor allem die Verbesserung der finanziellen Situation der Ärmsten unter uns zum Ziel setzen müsste. Ich glaube natürlich nicht, dass ein Vorgehen der Regierung allein das Problem beseitigen kann, da auch der private Sektor eine wichtige Rolle zu spielen hat.

Befürchten Sie in Israel eine soziale Explosion?

Mein angeborener Sinn für soziale Gerechtigkeit verpflichtet mich, der Situation der Ärmsten in Israel besondere Aufmerksamkeit zu schenken, doch ich bin nicht der Einzige, der sich damit befassen sollte. Diese Frage sollte die gesamte politische Führung Israels beschäftigen, und ich glaube, dass es möglich ist alles zu unternehmen, damit wir das Stadium einer sozialen Explosion nicht erreichen.

Zu Ihren Vorgängern gehörten auch Chaim Herzog s.A., der viel reiste, und Ezer Weizman, der sich kaum ins Ausland begab. Welche Art von Präsident werden Sie auf internationaler Ebene sein?

In diesem Punkt betrachte ich mich als Werkzeug in den Händen der israelischen Regierung. Sollte sie der Ansicht sein, meine Reisen dienten der Förderung des Ansehens des jüdischen Staates bei den anderen Staatschefs der Welt, werde ich es sofort tun. Es ist jedoch selbstverständlich, dass ich in internationalen Fragen immer den Ministerpräsidenten Israels gegenüber einem ausländischen Gesprächspartner unterstützen werde. Ich werde jedoch in keiner Weise eingreifen, wenn es um interne politische Divergenzen zwischen dem Chef der Opposition und der amtierenden Regierung geht.

Was erwarten Sie von der Diaspora?

Als ich noch Bürgermeister von Kiriath Malachi war, hatte mich Menachem Begin s.A. eingeladen und zu mir gesagt: «Mosche, ich möchte dich zum stellvertretenden Minister für Wohnungsbau und Unterkunft ernennen mit der Verantwortung für das Projekt des Wiederaufbaus». Wir erstellten eine Liste mit den 84 ärmsten Quartieren Israels, und mit Hilfe der Diaspora haben wir ein Programm entwickelt, in dem jede Gemeinde eine benachteiligte Zone adoptierte. Auf diese Weise haben wir einerseits die Beziehungen zwischen den Juden in aller Welt und Israel verstärkt, und andererseits verliehen wir den benachteiligten Menschen in unserem Land das Gefühl, dass sie voll und ganz zu unserer Gesellschaft und zu unserem Volk gehören, dass sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen und sozialen Situation nicht isoliert sind oder in einer Ecke vergessen werden. Es stimmt, dass Israel eine Verantwortung gegenüber der Diaspora besitzt, doch auch die jüdischen Gemeinschaften besitzen Pflichten in bezug auf die soziale Situation der ärmsten Bürger der israelischen Gesellschaft. Durch diese Form der Wechselbeziehung können wir gemeinsam das Schicksal derjenigen unter uns verbessern, die sich in einer schwierigen Lage befinden. Zu diesem Thema bereite ich überdies eine Studie vor, um eine Konferenz des Präsidenten für die soziale Zusammenarbeit Diaspora – Israel ins Leben zu rufen. Neben dieser gemeinsamen sozialen Tätigkeit erwarte ich aber natürlich von der Diaspora, dass wir zusammen an der allgemeinen Verbesserung der Situation des jüdischen Volkes und Israels in allen Bereichen arbeiten können.

In sieben Jahren werden Sie von Ihrem Amt als Präsident zurücktreten, ohne es erneuern zu können. Wie sollen sich die Menschen an Sie erinnern?

Ich möchte der Präsident gewesen sein, der innerhalb der israelischen Gesellschaft eine Einheit schaffen konnte, der eine Annäherung der Juden der Diaspora an Israel bewirkt hat und hauptsächlich in bedeutendem Ausmasse dazu beigetragen hat, die soziale Situation der ärmsten Bürger dieses Landes zu verbessern.

Möchten Sie anlässlich von Rosch Haschanah eine besondere Botschaft an unsere Leser richten?

In meiner Eigenschaft als Präsident des jüdischen Staates appelliere ich an alle Leser von SHALOM mit diesen Worten: die grösste historische Herausforderung unserer Generation besteht darin, den wieder erwachten jüdischen Staat aufzubauen und weiterzuentwickeln. Die Staatsgründung liegt zwar schon 52 Jahre zurück, doch die Herausforderung des Erfolgs befindet sich in weitem Ausmass vor uns. Freunde der Diaspora, lasst nicht zu, dass die Assimilierung euch einholt, gebt euren Kindern und Enkeln die Möglichkeit, an dieser einzigartigen und historischen Chance teilzunehmen. Lasst euch in Israel nieder, helft uns dabei das Land gemeinsam aufzubauen. Denken wir daran, dass wir mit einer Million Einwohnern mehr den Friedensprozess mit der arabischen Welt vereinfachen und unsere Position wesentlich verstärken würden. Das grösste Geschenk, das jüdische Eltern ihren Kindern heute machen können, ist die Möglichkeit sich in Israel niederzulassen. Nach 2000 Jahren ist der jüdische Staat eine Realität geworden, und die Zeit war noch nie so günstig wie heute nach Israel zu ziehen, denn alle jungen Juden aus der gesamten Welt können jetzt hier eine brillante Karriere auf höchstem Niveau erreichen, sei es im wissenschaftlichen, akademischen, militärischen, wirtschaftlichen oder politischen Bereich.
In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern von SHALOM ein ausgezeichnetes Jahr. Le Schanah Towah Tikatewu!


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