In der jüngsten Geschichte Israels traten
seltsamerweise in den Monaten September
und Oktober der Jahre, die auf 3
enden, jeweils dramatische Ereignisse
auf, welche die Nation in ihren Grundfesten
erschütterten. So leiteten vor 30 Jahren
Ägypten und Syrien am 6. Oktober 1973
den Jomkippurkrieg ein. Zwanzig Jahre später,
am 13. September 1993, wohnten wir
dem schändlichen Händedruck zwischen
Rabin und dem Terroristen Arafat und der
Unterzeichnung der Osloer Verträge bei,
deren Folgen weiterhin jüdisches Blut in
den Strassen Israels fliessen lassen. Wir
wollten uns erklären lassen, welche Lehre
die Verantwortlichen der israelischen Verteidigung
auf konzeptueller und strategischer
Ebene diesen Katastrophen entnehmen,
und haben dazu ein exklusives Gespräch
mit Generalmajor YFTACH RON-TAL, Chef
der Landstreitkräfte der «Israel Defence
Forces» (IDF), geführt.
General Ron-Tal, Angehöriger der Panzertruppen und
Doktor der Rechtswissenschaften, ist 47 Jahre alt und
Vater von sieben Kindern, von denen das älteste 25
Jahre und das jüngste 1 Jahr alt ist! Trotz der riesigen
Verantwortung, die auf seinen Schultern lastet, ist dieser
Mann einfach, direkt, fröhlich und liebenswürdig geblieben.
Bei seinen sehr tiefschürfenden und fundierten
Ausführungen kann er auch sehr geistreich und humorvoll
sein.
Der Terminus «Landstreitkräfte» ist eigentlich ein
Oberbegriff, der alle fünf Departements bezeichnet,
nämlich: die menschlichen Ressourcen, das Organigramm
und die Verwaltung der Truppen (interne Organisation
und Aufmarsch der Divisionen und Bataillons),
die Kampfausrüstungen (Entwicklung und Anschaffung),
die Verteidigungs- und Kampfdoktrin (Ausarbeitung
und Vermittlung) und das Engineering. Diese grossen
Departements umfassen die Infanterie, die Panzer,
die Fallschirmspringer und den militärischen Nachrichtendienst,
kurz, alle Aspekte der Armee ausser der Luftwaffe
und der Marine. Die Grenzpolizei (die berühmten
Grünmützen) ist teilweise in die zivilen Polizeikorps und
in die Landstreitkräfte integriert. Was den medizinischen
Bereich angeht, so funktioniert er unabhängig in
Bezug auf die direkten Einsätze, gehört aber der Abteilung
der Kampfdoktrin an, was die medizinische Methodologie
auf dem Schlachtfeld angeht. Alle diese Elemente
bewirken, dass Generalmajor Yftach Ron-Tal als
Kommandant 300’000 Leute befehligt!
In diesen komplexen Zeiten besitzen seine Analysen
und seine Meinung besonders viel Gewicht, denn sie
entspringen einer Erfahrung, die im Alltag auf dem
Terrain erworben wurde.
Wir stehen kurz vor dem 30. Jahrestag des Ausbruchs
des Jomkippurkrieges. Können Sie uns sagen, welche
Lehren Israel auf strategischer Ebene aus diesem arabischen
Angriff gezogen hat?
Bis zum Kippurkrieg gab es keine übergeordnete Organisation,
in der alle Landstreitkräfte zusammengefasst
wurden; jede Abteilung war völlig unabhängig
von den anderen. Die wichtigste Erkenntnis aus diesem
schrecklichen Krieg besteht nun darin, dass man
sämtliche Einheiten unter einem einzigen Kommando
zusammengezogen hat. Daraus besteht die wesentliche
Lehre und Konsequenz aus dem Krieg von 1973.
Man muss sich klar machen, dass es sich auf rein militärischer
Ebene um eine grundlegende Veränderung
handelt, die gegebenenfalls eine bessere Koordination
und vor allem eine grössere Effizienz ermöglicht.
Seit kurzem haben die Vereinigten Staaten den Mittleren
Osten zu einem militärischen Stützpunkt gemacht.
Wie beurteilen Sie auf strategischer Ebene diese
neue Situation?
Der militärische Sieg der Amerikaner in Irak hat ganz neue Gegebenheiten geschaffen, deren Auswirkungen
weltweit, ganz besonders aber im Mittleren Osten
spürbar sind, da sie unsere Beziehungen zu den hier
lebenden palästinensischen Arabern direkt beeinflussen.
Heute gibt es weder eine irakische Nation noch
eine irakische Armee mehr. Es mag sein, dass das Land
mit der Zeit wieder erstarkt, doch heute ist davon
wirklich nichts übrig geblieben. Darüber hinaus wird
auch die von uns Nordachse genannte Verbindung,
bestehend aus Libanon, Hizbollah, Syrien, Irak und
Iran, immer schwächer werden, solange in der Region
eine amerikanische Präsenz vorhanden ist. Für uns ist
es ausnehmend wichtig, dass diese Entwicklung positiv
verläuft, denn dies gibt uns in einiger Zeit vielleicht die
Möglichkeit, unsere Verteidigung der nördlichen Grenzen
neu zu konzipieren, ohne auch nur eine Sekunde
lang in unserer Wachsamkeit nachzulassen. Zu diesem
Thema möchte ich betonen, dass die Situation in dieser
Region seit unserem Rückzug aus dem Südlibanon
viel komplizierter geworden ist. Wenn wir nämlich auf
dem Landweg in Libanon selbst eingreifen müssen,
wird dies schwieriger sein als in der Vergangenheit, als
wir noch dort stationiert waren. Wir haben nicht die
geringste Absicht Aggressionen zu tolerieren, die gegen
unsere im Norden lebende Bevölkerung gerichtet
sind. Unabhängig davon, ob uns die Hizbollah oder ihr
Geldgeber Syrien angreift, wir werden jeweils mit
grösstmöglicher Härte überall dort zurückschlagen,
wo sich ein Eingreifen als notwendig erweist. Wir erleben
allerdings eine äusserst widersprüchliche Situation.
Betrachtet man nämlich die Entwicklung unserer
Beziehungen zu den angrenzenden arabischen Staaten,
stellen wir fest, dass wir seit dem Ende der 1970er
oder dem Beginn der 1980er Jahre in einem relativ
friedlichen und stabilen Umfeld leben. Dies gilt für die
südliche Grenze mit Ägypten sowie für die Front zu
Jordanien, und ich würde sogar behaupten, dass wir
auch im Norden mit Syrien keine gravierenden
Probleme gehabt haben, obwohl dieses Land mit Hilfe
der Hizbollah einen verkappten Guerillakrieg gegen
uns führt, und zwar in enger Zusammenarbeit mit
Iran. Wir beobachten hingegen täglich - und hier
springt der Widerspruch besonders deutlich ins Auge -
zwei Formen der Aggression und der Gefahr. Die erste
ist der Terrorismus, der Tag für Tag an den Grundfesten
der israelischen Gesellschaft rüttelt. Die zweite
ist das Wettrüsten der muslimischen Staaten, darunter
auch Ägypten, dessen Hauptgefahr die hartnäckige
Bemühung um den Erwerb von Atomwaffen darstellt.
Pakistan besitzt sie bereits, Iran ist nahe daran, Libyen
unternimmt alles, um sie zu erhalten, und wir haben
gute Gründe anzunehmen, dass Saudi-Arabien sich
ebenfalls darum bemüht, seine Streitkräfte mit nuklearen
Waffen auszurüsten. Meiner Ansicht nach
verkörpern diese beiden Elemente, der Terror und die
atomare Aufrüstung des Mittleren Ostens, die beiden
Herausforderungen, denen sich die USA stellen
möchten und die von ihnen aktiv bekämpft werden. Amerika hat, vor allem seit den Attentaten vom 11.
September 2001, begriffen, dass der Terrorismus eine
weltweite Geissel ist, unter der nicht nur Israel leidet,
und hat folglich Schritte unternommen, die sich als
zwingend notwendig erwiesen, um den Zugang bestimmter
Staaten, insbesondere Iran, zu Nuklearwaffen
zu verhindern. Wir selbst sind uns selbstverständlich
dieser Probleme vollkommen bewusst und unternehmen
alles Notwendige, um uns zu schützen und eine
eventuelle Katastrophe zu vermeiden.
Kehren wir zum Thema Terrorismus zurück. Eine im
August 2003 erschienene Studie hat gezeigt, dass seit
September 2000 über 18’000 Angriffe durchgeführt
wurden, von denen die meisten vereitelt werden konnten.
Wie wird sich diese Situation Ihrer Ansicht nach
entwickeln?
Bevor ich Ihnen in Bezug auf konkrete Gegenmassnahmen
antworte, muss ich einige grundlegende Tatsachen
in Erinnerung rufen. Der Konflikt zwischen
den arabischen Staaten und Israel weist zahlreiche
Facetten sowohl religiöser wie auch politischer Natur
auf, doch letztendlich handelt es sich in erster Linie um
eine territoriale Frage. Der strittige Punkt ist dermassen
wesentlich, dermassen wichtig, dass er nicht durch
eine globale oder allgemeine Lösung aus der Welt geschafft
werden kann. Die benachbarten arabischen
Staaten haben ihre Absicht, das israelische Territorium
zu erobern und den jüdischen Staat als unabhängige
politische Einrichtung von der Erdoberfläche
verschwinden zu lassen, nie aufgegeben. Ich kann
daher ohne Zögern bestätigen, dass die Juden in ihrer
Heimat nie in Frieden werden leben können, solange
diese Absicht bei unseren Feinden weiter besteht. In
diesem Sinne glaube ich auch, dass der Teufelskreis
des gegen uns gerichteten arabischen Terrors unterbrochen
und besiegt werden muss. Ich denke aber
nicht, dass es uns gelingen wird, den Terrorismus völlig
auszumerzen. Wir leben hier nun seit 1881 mit dieser
Geissel, seit der ersten Immigration (Alyah Rischonah),
eigentlich seit dem Moment, da sich das
jüdische Volk entschied, sich wieder in seinem Land
niederzulassen. Aus diesem Grund sind die arabischen
Palästinenser mit der Waffe des Terrors wohl vertraut,
da sie sich ihrer seit über hundert Jahren bedienen.
Vor drei Jahren haben sie unter der Initiative und
Leitung von Arafat den militärischen und strategischen
Beschluss gefasst, erneut eine Terrorkampagne
gegen die israelische Bevölkerung zu starten, um
dadurch politische und territoriale Vorteile zu erwirken.
Sie haben damals beschlossen, den Terrorismus
zur wichtigsten Waffe in ihren Bestrebungen zu unserer
Vernichtung zu machen. Ich glaube aber, wie ich
bereits sagte, nicht daran, dass man den Terrorismus
als Ganzes aus der Welt schaffen kann. Es ist jedoch
unsere Pflicht alles daran zu setzen, insbesondere auf
militärischer Ebene, dass unsere Feinde endlich begreifen, dass sie nichts, keinen einzigen Vorteil erhalten
werden, wenn der Terror ihr Hauptinstrument
bleibt. Wir verfügen über diverse Mittel, diese veränderte
Einstellung bei ihnen zu bewirken. Dazu gehört
natürlich die militärische Abschreckung, doch auf einer
allgemeineren Ebene sollten wir auch von einem uns
günstigen Umfeld profitieren. Die ganze Welt, ganz
besonders die USA, geben heute zu, dass der Terrorismus
nicht die Waffe der Schwachen, der Unterworfenen
oder der Freiheitskämpfer, ja sogar der Widerstandskämpfer
ist, sondern dass er eine Form der illegalen
und feigen Aggression darstellt, welche die gesamte
freie Welt gefährdet. Zurzeit führt Amerika einen
Kampf gegen den Terror, der mit der Phase I in Afghanistan
begann, dann mit der Phase II in Irak fortgesetzt
wurde, und nun in diesem Sinne weitergeführt
wird. Für Israel bietet sich durch die aktuelle Situation
die vielleicht nicht so schnell wiederkehrende Gelegenheit,
seinen Kampf gegen den palästinensischen
Terrorismus erfolgreich abzuschliessen.
Was die konkreten Massnahmen angeht, kann ich natürlich
die Einzelheiten der von uns geplanten Interventionen
nicht in der Öffentlichkeit bekannt geben.
Ich kann Ihnen aber bestätigen, dass der Krieg gegen
den Terror jederzeit und überall stattfindet. Es gibt
keine neutralen Zonen. Alle, die eng oder weitläufig
mit dem Terrorismus in Verbindung stehen, werden
auf die härteste Weise bekämpft, ganz besonders die
Anführer von terroristischen Organisationen. Natürlich
führen wir vor Ort einen extrem erbitterten Kampf,
doch er muss mit einer radikalen Umstrukturierung
der Führung in der palästinensischen Gesellschaft einhergehen.
Ich bin überzeugt, dass die Mehrheit der arabischen
Bevölkerung, die in Judäa-Samaria-Gaza lebt,
eigentlich nur eines anstrebt: in Frieden leben zu können
um arbeiten und die vielköpfigen Familien ernähren
zu können. Ich gehe sogar einen Schritt weiter mit
der Behauptung, dass viele dieser Leute müde sind
und von der Politik des Terrors und ihren Folgen, die
ihnen von der PLO-Behörde aufgezwungen werden,
genug haben. Die Palästinenser müssen eine politische
Führung wählen, die bereit ist im Kampf gegen den
Terror mit uns zusammen zu arbeiten. Abu Mazen war
dreissig Jahre lang der erste Leutnant von Arafat und
es ist kaum denkbar, dass ihre strategischen und politischen
Ideen voneinander abweichen. Gleichzeitig ist
die Ausweisung Arafats unumgänglich, denn solange
er in der Region präsent ist, ist eine positive Entwicklung
nicht absehbar. Auf internationaler Ebene
befinden wir uns heute übrigens in einer Position, in der
unsere militärischen Operationen und unser Kampf
gegen den Terrorismus besser verstanden werden als
je zuvor. Das kann ich durch folgende Annahme veranschaulichen:
wenn den USA morgen die gesicherte
Information zugespielt wird, dass Bin Laden oder
Saddam Hussein sich in einem bestimmten Gebäude
in Gaza verstecken, in dem sich auch zahlreiche
Zivilisten, Frauen und Kinder aufhalten, würden sie
keinen Moment zögern, dieses Haus mit allen
Einwohnern zu bombardieren. Deswegen denke ich unter anderem, dass wir in unserem Kampf gegen die
terroristischen Anführer nicht übertrieben viele moralische
Vorbehalte haben müssen. Gegenwärtig kämpfen
wir an allen Fronten und mit allen Mitteln gegen
den arabischen Terrorismus und unternehmen alles,
um die Terrororganisationen führerlos zu machen.
Doch wir handeln auch mit einem anderen Ziel: wir
möchten der palästinensischen Öffentlichkeit klar machen,
dass ihre Lage sich verbessern wird, wenn wieder
Ruhe herrscht. Wir unternehmen alle erdenklichen
Anstrengungen, um diese Gegend vom Terror zu befreien,
doch wir hoffen, dass es der palästinensischen
Bevölkerung aus eigener Kraft gelingen wird, sich
ihrer terroristischen Führung zu entledigen. Unsere
Gegenpartei muss begreifen, dass wir nicht akzeptieren
können, dass die Sicherheit der israelischen Bürger
gefährdet wird, ganz egal, ob diese in Tel Aviv oder in
Hebron wohnen. Der Staat Israel erlebt seit drei Jahren
seinen wohl härtesten Kampf beim bewaffneten
Vorgehen gegen den Terror. Es handelt sich dabei um
ein weiteres Kapitel im Kampf des jüdischen Volkes
um sein historisches und grundlegendes nationales
Recht, in Frieden und Sicherheit im eigenen Land leben
zu dürfen - auf dem Territorium Israels. Die Landstreitkräfte
spielen in diesem Krieg gegen die Terroristen
eine entscheidende Rolle. Ihre Soldaten und
Offiziere handeln mit Entschlossenheit und führen
einen unermüdlichen Kampf, in dem sie Sieg um Sieg
erringen. Die Schlagkraft der Landarmee muss folglich
immer wieder gestärkt werden. Es hat sich nämlich
Tag für Tag und Stunde um Stunde gezeigt, dass die
Siege in den Schlachten dieses Feldzugs vom direkten
Vorgehen im Kontakt mit dem Feind bestimmt werden.
Was halten Sie vom Sicherheitszaun?
In Bezug auf die Sicherheit ist es zweifellos eine hervorragende
Vorsichtsmassnahme. Ich fürchte aber, dass
die jüdischen Siedler, die vollkommen legal «auf der
anderen Seite» des Zauns leben, von den Palästinensern
als «aufgegeben» angesehen und von ihnen
auf schlimmste Weise angegriffen werden. Einen
Sicherheitszaun - ja, aber unter der Bedingung, dass er
mit wohl überlegten und effizienten Sicherheitsmassnahmen
für alle unsere Bürger unabhängig von ihrem
Wohnort in Israel einhergeht.
Was halten Sie von der berüchtigten «Hudnah», diesem
Waffenstillstand, der es letztendlich den Arabern
ermöglichte, ihre Waffen aufzupolieren?
Die Art und Weise, wie die «Hudnah» von der PLO
wahrgenommen ist, verkörpert die Antithese des
Kampfs gegen den Terrorismus. Es gibt nur ein einziges
Mittel, gegen diese Geissel vorzugehen, wenn
nämlich die Palästinenser diese Auszeit verwendet
hätten, um die arabischen Terrororganisationen, die in den von ihnen kontrollierten Zonen aktiv sind, mit
aller Härte zu bekämpfen. Sie haben es aber nicht nur
unterlassen, gegen sie vorzugehen, wir haben in Wirklichkeit
auch täglich Hamas- und Fatah-Mitglieder
gesehen, die ungehindert herumspazierten und sich neu
organisierten, vor allem aufrüsteten, und dies alles völlig
ungestraft. Die Armee hat eine Reihe von Präventivschlägen
durchgeführt, denn ohne sie wäre es unmöglich
gewesen, die Sicherheit unserer Mitbürger zu
gewährleisten. Wir haben ebenfalls mit allem Nachdruck
gefordert, dass die palästinensische Führung
interveniert und den Aktivitäten der terroristischen
Gruppierungen ein Ende bereitet, doch sie hat nichts
unternommen. Die «Hudnah», die von Israel nie offi-
ziell akzeptiert worden ist, hat also genau das Gegenteil
von dem bewirkt, was geplant war. Unsere Regierung
wie auch die amerikanische Administration
sind sich dieser Realität bewusst. Wir können keine
Situation tolerieren, in der die Armee sich zurückhalten
und dabei alle wichtigen Prinzipien im Kampf
gegen den Terror mit Füssen treten muss.
Auf einer etwas weiteren Ebene muss man wissen, mit
welcher Einstellung wir unseren Kampf führen. Im
Verlauf der vergangenen drei Jahre hat die Armee alle
ihre Kräfte und Mittel in den Kampf gegen den Terror
und für die Verteidigung der Bürger investiert. Wir
sind die einzige Volksarmee auf der ganzen Welt, denn
die meisten unserer Soldaten sind normale Bürger und
nicht Berufsmilitärs. Doch bis heute wehrt sich der
Staat Israel immer wieder für seine Existenzberechtigung
und sein Recht auf Überleben. Dies mag 55
Jahre nach der Staatsgründung merkwürdig erscheinen,
doch es entspricht der Realität. Unsere aus dem
Volk stammenden Soldaten sind sich dieser Tatsache
bewusst, und diese Notwendigkeit des Überlebens motiviert
sie. Eine Armee, eine Gesellschaft, ein Land,
das um seine Existenzberechtigung kämpft, können
diese Schlacht nicht mit Hilfe einer Armee von Rekruten
oder Berufssoldaten gewinnen, der Antrieb
muss «aus dem Bauch» des Volkes kommen. Dies ist
der Fall in Israel, wo jeder Bürger mit 18 Jahren
Militärdienst leisten muss und nach dem Absolvieren
der Dienstpflicht jedes Jahr Wiederholungskurse
besucht, bis er 45 ist. Aus diesem Umstand ziehen wir
unsere Kraft und unsere Entschlossenheit, auch wenn
wir täglich erneut mit riesigen Schwierigkeiten fertig
werden müssen.
Inwiefern ist diese Entschlossenheit direkt mit dem
Kampf gegen den arabischen Terrorismus verbunden?
Die Entschlossenheit der Araber, einen terroristischen
Feldzug zu starten, zielte nicht nur auf das Erreichen
gewisser politischer oder militärischer Vorteile, sondern
bezweckte in erster Linie die Unterwanderung
der Moral der Israelis. Wir sind eine Gesellschaft, die
gerne ein friedliches Leben führt, die Familie hoch hält
und die Probleme des Lebens hasst. Aufgrund dieser Tatsache haben die Palästinenser eine ganz simple
strategische Berechnung angestellt: «Wenn wir die
Waffe des Terrorismus intensiv einsetzen, wenn wir den
jüdischen Familien schreckliches Leid zufügen, werden
wir diese Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttern.
Sie wird der Belastung nicht standhalten und letztendlich
die blau-weisse Fahne vor uns einziehen und die
weisse Flagge hissen. Wir werden bei allen unseren
Forderungen Recht bekommen, vor allem in Bezug auf
das Recht auf Rückkehr, so dass wir das Land wieder in
unsere Gewalt bekommen, indem wir mehrere Millionen
Palästinenser hier ansiedeln.» Diese Strategie ist
aber völlig fehlgeschlagen, es traf genau das Gegenteil
ein. In den letzten drei Jahren hat die israelische
Bevölkerung einen unglaublichen und weltweit einzigartigen
Widerstandswillen an den Tag gelegt und hat
dem Leid in Würde und Entschlossenheit getrotzt. Die
Araber haben sowohl im Hinblick auf ihre offensive
Strategie unter Einsatz der Waffe des Terrors, als auch
in ihrem Wunsch, die Grundfesten der israelischen
Gesellschaft zum Einsturz zu bringen, eine Niederlage
erlitten. Es ist ihnen gelungen, unsere Wirtschaft zu
zerrütten, und aus diesem Grund hat die gegenwärtige
Regierung den wirtschaftlichen Aufschwung zu einer
Priorität erklärt. Es stimmt, dass der neue Wirtschaftsplan
drastische Budgetkürzungen für die Armee beinhaltet,
doch wir werden unseren Kampf gegen den
Terror weiterführen, denn es ist nicht von der Hand zu
weisen, dass Ruhe und Ordnung ein wesentliches
Element für ein erfolgreiches Gelingen der wirtschaftlichen
Erholung darstellt.
Sie haben gesagt, eines der Ziele des arabischen Terrorismus
sei es, den jüdischen Familien möglichst grosses
Leid und viel Schaden zuzufügen. Glauben Sie
nicht, dass es an der Zeit wäre, auf noch radikalere
Weise gegen die Palästinenser vorzugehen?
Wir sind die Armee mit den höchsten moralischen
Standards der Welt. Jede Plünderung und jede Erniedrigung
eines Feindes werden bei uns sehr streng bestraft.
Natürlich kommt es von Zeit zu Zeit zu Ausschreitungen,
doch sie werden immer mit einer exemplarischen
Strafe geahndet. Als ich nach der Vertreibung
der PLO in Beirut war, bin ich Dutzenden
von sehr jungen Mädchen begegnet, die von Palästinensern
vergewaltigt worden waren und Kinder
bekommen hatten. Ich spreche dabei nicht einmal von
den Diebstählen, die sie in den Wohnungen verübt
hatten. Bei uns wäre ein solches Verhalten unvorstellbar.
Ich rufe übrigens jedem Soldaten, der bei uns in
die Armee eintritt, die drei Grundprinzipien in Erinnerung,
die unser Vorgehen regieren: «Sieg, Heimatliebe
und Respekt des Individuums, sei er nun einer
unserer Soldaten (unserem Befehl unterstellt) oder ein
Feind». Dies ist nicht immer einfach, vor allem, wenn
man einem Terroristen und nun Gefangenen gegenüber
steht. Doch wir verlangen von unseren Soldaten
und vor allem von den Befehlshabern, dass sie sich
vorbildlich verhalten. Ohne ins Detail zu gehen, kann
ich ihnen sagen, dass das spezielle Niveau der menschlichen
Beziehungen in unserer Armee sich hauptsächlich
heute in der schwierigen Wirtschaftslage widerspiegelt,
in der wir stecken. In gewissen Fällen muss die
Armee ihren Soldaten elementare finanzielle Unterstützung
zukommen lassen, und es kommt nicht selten
vor, dass bestimmte Befehlshaber einem ihrer mittellosen
Soldaten aus ihrer eigenen Tasche einen direkten
Zustupf zahlen. In der Bevölkerung gilt der Militärdienst
nicht als Arbeit oder Pflicht, sondern als eine
Art Mission, deren Bedeutung in der Maxime des Propheten
Zacharia enthalten ist (IV,6), wo es heisst: «Es soll nicht durch Macht und nicht durch Stärke, sondern
durch meinen Geist geschehen...».
Sie haben den «Respekt des Individuums» erwähnt.
Was empfinden Sie denn, wenn Sie die Truppen zu
einem Angriff auf jüdische Dörfer in Judäa-Samaria
kommandieren, um Familien zu vertreiben? Sind Sie
wirklich glücklich bei dem Gedanken, jüdische Soldaten
gegen jüdische Bürger einzusetzen?
Zunächst möchte ich daran erinnern, dass wir eine
Verteidigungsarmee sind und in einem Rechtsstaat
leben, nicht in einer Militärdiktatur. Die Armee fungiert
demnach als ausführende Gewalt der Entscheidungen,
die von der amtierenden politischen Macht
getroffen werden. Darüber hinaus möchte ich betonen,
dass jeder israelische Staatsbürger unabhängig
von seinem Wohnort ein Recht auf unseren umfassenden
Schutz besitzt, wohne er nun in Tel Aviv oder
in Judäa-Samaria-Gaza. Wenn nun aber jemand
etwas tut, was gegen die Gesetze des Landes verstösst,
wie z.B. das Wohnen auf einem Grundstück,
das ihm nicht gehört, müssen die Ordnungskräfte
ihre Pflicht erfüllen. Meines Erachtens sollte nicht
die Armee das Werkzeug oder die Organisation
sein, die sich um solche Dinge kümmern muss, doch
wenn wir den Befehl erhalten, es zu tun, führen wir
diesen Befehl aus.
Wie sehen Sie die Zukunft?
Unsere Moral und unsere Einstellung sind zwar bestens,
gleichzeitig verfügen wir aber auch über eine ausgezeichnete
Truppe, über einmalige Nachrichtendienste
und über eine revolutionäre Technologie, die
von der israelischen Militärindustrie entwickelt und
hergestellt wurde und von denen ein Teil sich bereits
in den vergangenen drei Jahren bewährt hat, während
ein anderer Teil demnächst auf die Feuerprobe im
Kampf gestellt wird. Ausserdem haben wir vor kurzem
den besten Panzer der Welt in betrieb genommen, den
Merkawah IV, der im Rhythmus von 50 Einheiten pro
Jahr produziert wird. Ich bin alles in allem recht optimistisch,
denn trotz aller Probleme werden wir in den
kommenden Jahren über eine Armee verfügen, die
zwar vielleicht zahlenmässig etwas reduziert wurde,
jedoch effizienter und professioneller ist. Die neue
strategische Situation im Nahen Osten infolge der
amerikanischen Präsenz in Irak gibt uns die Möglichkeit,
die kalkulierten Risiken neu zu evaluieren, die
wir sinnvollerweise eingehen können. In Bezug auf
Schutz und Verteidigung ergibt sich daraus, dass wir in
der Lage sein werden, die Sicherheitsprobleme des
Staates Israel auf nachdrücklichere und modernere
Weise zu lösen; unsere Priorität besteht weiterhin daraus,
die Sicherheit der israelischen Bürger angesichts
des arabischen Terrorismus zu garantieren.
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