Würde und Entschlossenhiet | |
Von Roland S. Süssmann | |
In der jüngsten Geschichte Israels traten
seltsamerweise in den Monaten September
und Oktober der Jahre, die auf 3
enden, jeweils dramatische Ereignisse
auf, welche die Nation in ihren Grundfesten
erschütterten. So leiteten vor 30 Jahren
Ägypten und Syrien am 6. Oktober 1973
den Jomkippurkrieg ein. Zwanzig Jahre später,
am 13. September 1993, wohnten wir
dem schändlichen Händedruck zwischen
Rabin und dem Terroristen Arafat und der
Unterzeichnung der Osloer Verträge bei,
deren Folgen weiterhin jüdisches Blut in
den Strassen Israels fliessen lassen. Wir
wollten uns erklären lassen, welche Lehre
die Verantwortlichen der israelischen Verteidigung
auf konzeptueller und strategischer
Ebene diesen Katastrophen entnehmen,
und haben dazu ein exklusives Gespräch
mit Generalmajor YFTACH RON-TAL, Chef
der Landstreitkräfte der «Israel Defence
Forces» (IDF), geführt. General Ron-Tal, Angehöriger der Panzertruppen und Doktor der Rechtswissenschaften, ist 47 Jahre alt und Vater von sieben Kindern, von denen das älteste 25 Jahre und das jüngste 1 Jahr alt ist! Trotz der riesigen Verantwortung, die auf seinen Schultern lastet, ist dieser Mann einfach, direkt, fröhlich und liebenswürdig geblieben. Bei seinen sehr tiefschürfenden und fundierten Ausführungen kann er auch sehr geistreich und humorvoll sein. Der Terminus «Landstreitkräfte» ist eigentlich ein Oberbegriff, der alle fünf Departements bezeichnet, nämlich: die menschlichen Ressourcen, das Organigramm und die Verwaltung der Truppen (interne Organisation und Aufmarsch der Divisionen und Bataillons), die Kampfausrüstungen (Entwicklung und Anschaffung), die Verteidigungs- und Kampfdoktrin (Ausarbeitung und Vermittlung) und das Engineering. Diese grossen Departements umfassen die Infanterie, die Panzer, die Fallschirmspringer und den militärischen Nachrichtendienst, kurz, alle Aspekte der Armee ausser der Luftwaffe und der Marine. Die Grenzpolizei (die berühmten Grünmützen) ist teilweise in die zivilen Polizeikorps und in die Landstreitkräfte integriert. Was den medizinischen Bereich angeht, so funktioniert er unabhängig in Bezug auf die direkten Einsätze, gehört aber der Abteilung der Kampfdoktrin an, was die medizinische Methodologie auf dem Schlachtfeld angeht. Alle diese Elemente bewirken, dass Generalmajor Yftach Ron-Tal als Kommandant 300’000 Leute befehligt! In diesen komplexen Zeiten besitzen seine Analysen und seine Meinung besonders viel Gewicht, denn sie entspringen einer Erfahrung, die im Alltag auf dem Terrain erworben wurde. Wir stehen kurz vor dem 30. Jahrestag des Ausbruchs des Jomkippurkrieges. Können Sie uns sagen, welche Lehren Israel auf strategischer Ebene aus diesem arabischen Angriff gezogen hat? Bis zum Kippurkrieg gab es keine übergeordnete Organisation, in der alle Landstreitkräfte zusammengefasst wurden; jede Abteilung war völlig unabhängig von den anderen. Die wichtigste Erkenntnis aus diesem schrecklichen Krieg besteht nun darin, dass man sämtliche Einheiten unter einem einzigen Kommando zusammengezogen hat. Daraus besteht die wesentliche Lehre und Konsequenz aus dem Krieg von 1973. Man muss sich klar machen, dass es sich auf rein militärischer Ebene um eine grundlegende Veränderung handelt, die gegebenenfalls eine bessere Koordination und vor allem eine grössere Effizienz ermöglicht. Seit kurzem haben die Vereinigten Staaten den Mittleren Osten zu einem militärischen Stützpunkt gemacht. Wie beurteilen Sie auf strategischer Ebene diese neue Situation? Der militärische Sieg der Amerikaner in Irak hat ganz neue Gegebenheiten geschaffen, deren Auswirkungen weltweit, ganz besonders aber im Mittleren Osten spürbar sind, da sie unsere Beziehungen zu den hier lebenden palästinensischen Arabern direkt beeinflussen. Heute gibt es weder eine irakische Nation noch eine irakische Armee mehr. Es mag sein, dass das Land mit der Zeit wieder erstarkt, doch heute ist davon wirklich nichts übrig geblieben. Darüber hinaus wird auch die von uns Nordachse genannte Verbindung, bestehend aus Libanon, Hizbollah, Syrien, Irak und Iran, immer schwächer werden, solange in der Region eine amerikanische Präsenz vorhanden ist. Für uns ist es ausnehmend wichtig, dass diese Entwicklung positiv verläuft, denn dies gibt uns in einiger Zeit vielleicht die Möglichkeit, unsere Verteidigung der nördlichen Grenzen neu zu konzipieren, ohne auch nur eine Sekunde lang in unserer Wachsamkeit nachzulassen. Zu diesem Thema möchte ich betonen, dass die Situation in dieser Region seit unserem Rückzug aus dem Südlibanon viel komplizierter geworden ist. Wenn wir nämlich auf dem Landweg in Libanon selbst eingreifen müssen, wird dies schwieriger sein als in der Vergangenheit, als wir noch dort stationiert waren. Wir haben nicht die geringste Absicht Aggressionen zu tolerieren, die gegen unsere im Norden lebende Bevölkerung gerichtet sind. Unabhängig davon, ob uns die Hizbollah oder ihr Geldgeber Syrien angreift, wir werden jeweils mit grösstmöglicher Härte überall dort zurückschlagen, wo sich ein Eingreifen als notwendig erweist. Wir erleben allerdings eine äusserst widersprüchliche Situation. Betrachtet man nämlich die Entwicklung unserer Beziehungen zu den angrenzenden arabischen Staaten, stellen wir fest, dass wir seit dem Ende der 1970er oder dem Beginn der 1980er Jahre in einem relativ friedlichen und stabilen Umfeld leben. Dies gilt für die südliche Grenze mit Ägypten sowie für die Front zu Jordanien, und ich würde sogar behaupten, dass wir auch im Norden mit Syrien keine gravierenden Probleme gehabt haben, obwohl dieses Land mit Hilfe der Hizbollah einen verkappten Guerillakrieg gegen uns führt, und zwar in enger Zusammenarbeit mit Iran. Wir beobachten hingegen täglich - und hier springt der Widerspruch besonders deutlich ins Auge - zwei Formen der Aggression und der Gefahr. Die erste ist der Terrorismus, der Tag für Tag an den Grundfesten der israelischen Gesellschaft rüttelt. Die zweite ist das Wettrüsten der muslimischen Staaten, darunter auch Ägypten, dessen Hauptgefahr die hartnäckige Bemühung um den Erwerb von Atomwaffen darstellt. Pakistan besitzt sie bereits, Iran ist nahe daran, Libyen unternimmt alles, um sie zu erhalten, und wir haben gute Gründe anzunehmen, dass Saudi-Arabien sich ebenfalls darum bemüht, seine Streitkräfte mit nuklearen Waffen auszurüsten. Meiner Ansicht nach verkörpern diese beiden Elemente, der Terror und die atomare Aufrüstung des Mittleren Ostens, die beiden Herausforderungen, denen sich die USA stellen möchten und die von ihnen aktiv bekämpft werden. Amerika hat, vor allem seit den Attentaten vom 11. September 2001, begriffen, dass der Terrorismus eine weltweite Geissel ist, unter der nicht nur Israel leidet, und hat folglich Schritte unternommen, die sich als zwingend notwendig erwiesen, um den Zugang bestimmter Staaten, insbesondere Iran, zu Nuklearwaffen zu verhindern. Wir selbst sind uns selbstverständlich dieser Probleme vollkommen bewusst und unternehmen alles Notwendige, um uns zu schützen und eine eventuelle Katastrophe zu vermeiden. Kehren wir zum Thema Terrorismus zurück. Eine im August 2003 erschienene Studie hat gezeigt, dass seit September 2000 über 18’000 Angriffe durchgeführt wurden, von denen die meisten vereitelt werden konnten. Wie wird sich diese Situation Ihrer Ansicht nach entwickeln? Bevor ich Ihnen in Bezug auf konkrete Gegenmassnahmen antworte, muss ich einige grundlegende Tatsachen in Erinnerung rufen. Der Konflikt zwischen den arabischen Staaten und Israel weist zahlreiche Facetten sowohl religiöser wie auch politischer Natur auf, doch letztendlich handelt es sich in erster Linie um eine territoriale Frage. Der strittige Punkt ist dermassen wesentlich, dermassen wichtig, dass er nicht durch eine globale oder allgemeine Lösung aus der Welt geschafft werden kann. Die benachbarten arabischen Staaten haben ihre Absicht, das israelische Territorium zu erobern und den jüdischen Staat als unabhängige politische Einrichtung von der Erdoberfläche verschwinden zu lassen, nie aufgegeben. Ich kann daher ohne Zögern bestätigen, dass die Juden in ihrer Heimat nie in Frieden werden leben können, solange diese Absicht bei unseren Feinden weiter besteht. In diesem Sinne glaube ich auch, dass der Teufelskreis des gegen uns gerichteten arabischen Terrors unterbrochen und besiegt werden muss. Ich denke aber nicht, dass es uns gelingen wird, den Terrorismus völlig auszumerzen. Wir leben hier nun seit 1881 mit dieser Geissel, seit der ersten Immigration (Alyah Rischonah), eigentlich seit dem Moment, da sich das jüdische Volk entschied, sich wieder in seinem Land niederzulassen. Aus diesem Grund sind die arabischen Palästinenser mit der Waffe des Terrors wohl vertraut, da sie sich ihrer seit über hundert Jahren bedienen. Vor drei Jahren haben sie unter der Initiative und Leitung von Arafat den militärischen und strategischen Beschluss gefasst, erneut eine Terrorkampagne gegen die israelische Bevölkerung zu starten, um dadurch politische und territoriale Vorteile zu erwirken. Sie haben damals beschlossen, den Terrorismus zur wichtigsten Waffe in ihren Bestrebungen zu unserer Vernichtung zu machen. Ich glaube aber, wie ich bereits sagte, nicht daran, dass man den Terrorismus als Ganzes aus der Welt schaffen kann. Es ist jedoch unsere Pflicht alles daran zu setzen, insbesondere auf militärischer Ebene, dass unsere Feinde endlich begreifen, dass sie nichts, keinen einzigen Vorteil erhalten werden, wenn der Terror ihr Hauptinstrument bleibt. Wir verfügen über diverse Mittel, diese veränderte Einstellung bei ihnen zu bewirken. Dazu gehört natürlich die militärische Abschreckung, doch auf einer allgemeineren Ebene sollten wir auch von einem uns günstigen Umfeld profitieren. Die ganze Welt, ganz besonders die USA, geben heute zu, dass der Terrorismus nicht die Waffe der Schwachen, der Unterworfenen oder der Freiheitskämpfer, ja sogar der Widerstandskämpfer ist, sondern dass er eine Form der illegalen und feigen Aggression darstellt, welche die gesamte freie Welt gefährdet. Zurzeit führt Amerika einen Kampf gegen den Terror, der mit der Phase I in Afghanistan begann, dann mit der Phase II in Irak fortgesetzt wurde, und nun in diesem Sinne weitergeführt wird. Für Israel bietet sich durch die aktuelle Situation die vielleicht nicht so schnell wiederkehrende Gelegenheit, seinen Kampf gegen den palästinensischen Terrorismus erfolgreich abzuschliessen. Was die konkreten Massnahmen angeht, kann ich natürlich die Einzelheiten der von uns geplanten Interventionen nicht in der Öffentlichkeit bekannt geben. Ich kann Ihnen aber bestätigen, dass der Krieg gegen den Terror jederzeit und überall stattfindet. Es gibt keine neutralen Zonen. Alle, die eng oder weitläufig mit dem Terrorismus in Verbindung stehen, werden auf die härteste Weise bekämpft, ganz besonders die Anführer von terroristischen Organisationen. Natürlich führen wir vor Ort einen extrem erbitterten Kampf, doch er muss mit einer radikalen Umstrukturierung der Führung in der palästinensischen Gesellschaft einhergehen. Ich bin überzeugt, dass die Mehrheit der arabischen Bevölkerung, die in Judäa-Samaria-Gaza lebt, eigentlich nur eines anstrebt: in Frieden leben zu können um arbeiten und die vielköpfigen Familien ernähren zu können. Ich gehe sogar einen Schritt weiter mit der Behauptung, dass viele dieser Leute müde sind und von der Politik des Terrors und ihren Folgen, die ihnen von der PLO-Behörde aufgezwungen werden, genug haben. Die Palästinenser müssen eine politische Führung wählen, die bereit ist im Kampf gegen den Terror mit uns zusammen zu arbeiten. Abu Mazen war dreissig Jahre lang der erste Leutnant von Arafat und es ist kaum denkbar, dass ihre strategischen und politischen Ideen voneinander abweichen. Gleichzeitig ist die Ausweisung Arafats unumgänglich, denn solange er in der Region präsent ist, ist eine positive Entwicklung nicht absehbar. Auf internationaler Ebene befinden wir uns heute übrigens in einer Position, in der unsere militärischen Operationen und unser Kampf gegen den Terrorismus besser verstanden werden als je zuvor. Das kann ich durch folgende Annahme veranschaulichen: wenn den USA morgen die gesicherte Information zugespielt wird, dass Bin Laden oder Saddam Hussein sich in einem bestimmten Gebäude in Gaza verstecken, in dem sich auch zahlreiche Zivilisten, Frauen und Kinder aufhalten, würden sie keinen Moment zögern, dieses Haus mit allen Einwohnern zu bombardieren. Deswegen denke ich unter anderem, dass wir in unserem Kampf gegen die terroristischen Anführer nicht übertrieben viele moralische Vorbehalte haben müssen. Gegenwärtig kämpfen wir an allen Fronten und mit allen Mitteln gegen den arabischen Terrorismus und unternehmen alles, um die Terrororganisationen führerlos zu machen. Doch wir handeln auch mit einem anderen Ziel: wir möchten der palästinensischen Öffentlichkeit klar machen, dass ihre Lage sich verbessern wird, wenn wieder Ruhe herrscht. Wir unternehmen alle erdenklichen Anstrengungen, um diese Gegend vom Terror zu befreien, doch wir hoffen, dass es der palästinensischen Bevölkerung aus eigener Kraft gelingen wird, sich ihrer terroristischen Führung zu entledigen. Unsere Gegenpartei muss begreifen, dass wir nicht akzeptieren können, dass die Sicherheit der israelischen Bürger gefährdet wird, ganz egal, ob diese in Tel Aviv oder in Hebron wohnen. Der Staat Israel erlebt seit drei Jahren seinen wohl härtesten Kampf beim bewaffneten Vorgehen gegen den Terror. Es handelt sich dabei um ein weiteres Kapitel im Kampf des jüdischen Volkes um sein historisches und grundlegendes nationales Recht, in Frieden und Sicherheit im eigenen Land leben zu dürfen - auf dem Territorium Israels. Die Landstreitkräfte spielen in diesem Krieg gegen die Terroristen eine entscheidende Rolle. Ihre Soldaten und Offiziere handeln mit Entschlossenheit und führen einen unermüdlichen Kampf, in dem sie Sieg um Sieg erringen. Die Schlagkraft der Landarmee muss folglich immer wieder gestärkt werden. Es hat sich nämlich Tag für Tag und Stunde um Stunde gezeigt, dass die Siege in den Schlachten dieses Feldzugs vom direkten Vorgehen im Kontakt mit dem Feind bestimmt werden. Was halten Sie vom Sicherheitszaun? In Bezug auf die Sicherheit ist es zweifellos eine hervorragende Vorsichtsmassnahme. Ich fürchte aber, dass die jüdischen Siedler, die vollkommen legal «auf der anderen Seite» des Zauns leben, von den Palästinensern als «aufgegeben» angesehen und von ihnen auf schlimmste Weise angegriffen werden. Einen Sicherheitszaun - ja, aber unter der Bedingung, dass er mit wohl überlegten und effizienten Sicherheitsmassnahmen für alle unsere Bürger unabhängig von ihrem Wohnort in Israel einhergeht. Was halten Sie von der berüchtigten «Hudnah», diesem Waffenstillstand, der es letztendlich den Arabern ermöglichte, ihre Waffen aufzupolieren? Die Art und Weise, wie die «Hudnah» von der PLO wahrgenommen ist, verkörpert die Antithese des Kampfs gegen den Terrorismus. Es gibt nur ein einziges Mittel, gegen diese Geissel vorzugehen, wenn nämlich die Palästinenser diese Auszeit verwendet hätten, um die arabischen Terrororganisationen, die in den von ihnen kontrollierten Zonen aktiv sind, mit aller Härte zu bekämpfen. Sie haben es aber nicht nur unterlassen, gegen sie vorzugehen, wir haben in Wirklichkeit auch täglich Hamas- und Fatah-Mitglieder gesehen, die ungehindert herumspazierten und sich neu organisierten, vor allem aufrüsteten, und dies alles völlig ungestraft. Die Armee hat eine Reihe von Präventivschlägen durchgeführt, denn ohne sie wäre es unmöglich gewesen, die Sicherheit unserer Mitbürger zu gewährleisten. Wir haben ebenfalls mit allem Nachdruck gefordert, dass die palästinensische Führung interveniert und den Aktivitäten der terroristischen Gruppierungen ein Ende bereitet, doch sie hat nichts unternommen. Die «Hudnah», die von Israel nie offi- ziell akzeptiert worden ist, hat also genau das Gegenteil von dem bewirkt, was geplant war. Unsere Regierung wie auch die amerikanische Administration sind sich dieser Realität bewusst. Wir können keine Situation tolerieren, in der die Armee sich zurückhalten und dabei alle wichtigen Prinzipien im Kampf gegen den Terror mit Füssen treten muss. Auf einer etwas weiteren Ebene muss man wissen, mit welcher Einstellung wir unseren Kampf führen. Im Verlauf der vergangenen drei Jahre hat die Armee alle ihre Kräfte und Mittel in den Kampf gegen den Terror und für die Verteidigung der Bürger investiert. Wir sind die einzige Volksarmee auf der ganzen Welt, denn die meisten unserer Soldaten sind normale Bürger und nicht Berufsmilitärs. Doch bis heute wehrt sich der Staat Israel immer wieder für seine Existenzberechtigung und sein Recht auf Überleben. Dies mag 55 Jahre nach der Staatsgründung merkwürdig erscheinen, doch es entspricht der Realität. Unsere aus dem Volk stammenden Soldaten sind sich dieser Tatsache bewusst, und diese Notwendigkeit des Überlebens motiviert sie. Eine Armee, eine Gesellschaft, ein Land, das um seine Existenzberechtigung kämpft, können diese Schlacht nicht mit Hilfe einer Armee von Rekruten oder Berufssoldaten gewinnen, der Antrieb muss «aus dem Bauch» des Volkes kommen. Dies ist der Fall in Israel, wo jeder Bürger mit 18 Jahren Militärdienst leisten muss und nach dem Absolvieren der Dienstpflicht jedes Jahr Wiederholungskurse besucht, bis er 45 ist. Aus diesem Umstand ziehen wir unsere Kraft und unsere Entschlossenheit, auch wenn wir täglich erneut mit riesigen Schwierigkeiten fertig werden müssen. Inwiefern ist diese Entschlossenheit direkt mit dem Kampf gegen den arabischen Terrorismus verbunden? Die Entschlossenheit der Araber, einen terroristischen Feldzug zu starten, zielte nicht nur auf das Erreichen gewisser politischer oder militärischer Vorteile, sondern bezweckte in erster Linie die Unterwanderung der Moral der Israelis. Wir sind eine Gesellschaft, die gerne ein friedliches Leben führt, die Familie hoch hält und die Probleme des Lebens hasst. Aufgrund dieser Tatsache haben die Palästinenser eine ganz simple strategische Berechnung angestellt: «Wenn wir die Waffe des Terrorismus intensiv einsetzen, wenn wir den jüdischen Familien schreckliches Leid zufügen, werden wir diese Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttern. Sie wird der Belastung nicht standhalten und letztendlich die blau-weisse Fahne vor uns einziehen und die weisse Flagge hissen. Wir werden bei allen unseren Forderungen Recht bekommen, vor allem in Bezug auf das Recht auf Rückkehr, so dass wir das Land wieder in unsere Gewalt bekommen, indem wir mehrere Millionen Palästinenser hier ansiedeln.» Diese Strategie ist aber völlig fehlgeschlagen, es traf genau das Gegenteil ein. In den letzten drei Jahren hat die israelische Bevölkerung einen unglaublichen und weltweit einzigartigen Widerstandswillen an den Tag gelegt und hat dem Leid in Würde und Entschlossenheit getrotzt. Die Araber haben sowohl im Hinblick auf ihre offensive Strategie unter Einsatz der Waffe des Terrors, als auch in ihrem Wunsch, die Grundfesten der israelischen Gesellschaft zum Einsturz zu bringen, eine Niederlage erlitten. Es ist ihnen gelungen, unsere Wirtschaft zu zerrütten, und aus diesem Grund hat die gegenwärtige Regierung den wirtschaftlichen Aufschwung zu einer Priorität erklärt. Es stimmt, dass der neue Wirtschaftsplan drastische Budgetkürzungen für die Armee beinhaltet, doch wir werden unseren Kampf gegen den Terror weiterführen, denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Ruhe und Ordnung ein wesentliches Element für ein erfolgreiches Gelingen der wirtschaftlichen Erholung darstellt. Sie haben gesagt, eines der Ziele des arabischen Terrorismus sei es, den jüdischen Familien möglichst grosses Leid und viel Schaden zuzufügen. Glauben Sie nicht, dass es an der Zeit wäre, auf noch radikalere Weise gegen die Palästinenser vorzugehen? Wir sind die Armee mit den höchsten moralischen Standards der Welt. Jede Plünderung und jede Erniedrigung eines Feindes werden bei uns sehr streng bestraft. Natürlich kommt es von Zeit zu Zeit zu Ausschreitungen, doch sie werden immer mit einer exemplarischen Strafe geahndet. Als ich nach der Vertreibung der PLO in Beirut war, bin ich Dutzenden von sehr jungen Mädchen begegnet, die von Palästinensern vergewaltigt worden waren und Kinder bekommen hatten. Ich spreche dabei nicht einmal von den Diebstählen, die sie in den Wohnungen verübt hatten. Bei uns wäre ein solches Verhalten unvorstellbar. Ich rufe übrigens jedem Soldaten, der bei uns in die Armee eintritt, die drei Grundprinzipien in Erinnerung, die unser Vorgehen regieren: «Sieg, Heimatliebe und Respekt des Individuums, sei er nun einer unserer Soldaten (unserem Befehl unterstellt) oder ein Feind». Dies ist nicht immer einfach, vor allem, wenn man einem Terroristen und nun Gefangenen gegenüber steht. Doch wir verlangen von unseren Soldaten und vor allem von den Befehlshabern, dass sie sich vorbildlich verhalten. Ohne ins Detail zu gehen, kann ich ihnen sagen, dass das spezielle Niveau der menschlichen Beziehungen in unserer Armee sich hauptsächlich heute in der schwierigen Wirtschaftslage widerspiegelt, in der wir stecken. In gewissen Fällen muss die Armee ihren Soldaten elementare finanzielle Unterstützung zukommen lassen, und es kommt nicht selten vor, dass bestimmte Befehlshaber einem ihrer mittellosen Soldaten aus ihrer eigenen Tasche einen direkten Zustupf zahlen. In der Bevölkerung gilt der Militärdienst nicht als Arbeit oder Pflicht, sondern als eine Art Mission, deren Bedeutung in der Maxime des Propheten Zacharia enthalten ist (IV,6), wo es heisst: «Es soll nicht durch Macht und nicht durch Stärke, sondern durch meinen Geist geschehen...». Sie haben den «Respekt des Individuums» erwähnt. Was empfinden Sie denn, wenn Sie die Truppen zu einem Angriff auf jüdische Dörfer in Judäa-Samaria kommandieren, um Familien zu vertreiben? Sind Sie wirklich glücklich bei dem Gedanken, jüdische Soldaten gegen jüdische Bürger einzusetzen? Zunächst möchte ich daran erinnern, dass wir eine Verteidigungsarmee sind und in einem Rechtsstaat leben, nicht in einer Militärdiktatur. Die Armee fungiert demnach als ausführende Gewalt der Entscheidungen, die von der amtierenden politischen Macht getroffen werden. Darüber hinaus möchte ich betonen, dass jeder israelische Staatsbürger unabhängig von seinem Wohnort ein Recht auf unseren umfassenden Schutz besitzt, wohne er nun in Tel Aviv oder in Judäa-Samaria-Gaza. Wenn nun aber jemand etwas tut, was gegen die Gesetze des Landes verstösst, wie z.B. das Wohnen auf einem Grundstück, das ihm nicht gehört, müssen die Ordnungskräfte ihre Pflicht erfüllen. Meines Erachtens sollte nicht die Armee das Werkzeug oder die Organisation sein, die sich um solche Dinge kümmern muss, doch wenn wir den Befehl erhalten, es zu tun, führen wir diesen Befehl aus. Wie sehen Sie die Zukunft? Unsere Moral und unsere Einstellung sind zwar bestens, gleichzeitig verfügen wir aber auch über eine ausgezeichnete Truppe, über einmalige Nachrichtendienste und über eine revolutionäre Technologie, die von der israelischen Militärindustrie entwickelt und hergestellt wurde und von denen ein Teil sich bereits in den vergangenen drei Jahren bewährt hat, während ein anderer Teil demnächst auf die Feuerprobe im Kampf gestellt wird. Ausserdem haben wir vor kurzem den besten Panzer der Welt in betrieb genommen, den Merkawah IV, der im Rhythmus von 50 Einheiten pro Jahr produziert wird. Ich bin alles in allem recht optimistisch, denn trotz aller Probleme werden wir in den kommenden Jahren über eine Armee verfügen, die zwar vielleicht zahlenmässig etwas reduziert wurde, jedoch effizienter und professioneller ist. Die neue strategische Situation im Nahen Osten infolge der amerikanischen Präsenz in Irak gibt uns die Möglichkeit, die kalkulierten Risiken neu zu evaluieren, die wir sinnvollerweise eingehen können. In Bezug auf Schutz und Verteidigung ergibt sich daraus, dass wir in der Lage sein werden, die Sicherheitsprobleme des Staates Israel auf nachdrücklichere und modernere Weise zu lösen; unsere Priorität besteht weiterhin daraus, die Sicherheit der israelischen Bürger angesichts des arabischen Terrorismus zu garantieren. |