Der berühmte jüdisch-amerikanische
Komiker Jacky Mason, bekannt für seinen
sowohl beissenden, aber auch realitätsnahen
Humor, sagt immer, dass
man sich nur dadurch vergewissern
könne, ob ein Wirtschaftssystem funktioniert,
«indem man die Politiker, die Abgeordneten
und die Beamten ausschliesslich
auf Kommission bezahlt...
und zwar ohne festes Gehalt!» Nun
weiss aber jeder, der sich ein Minimum
in der Wirtschaft auskennt, dass ein derartiger
Vorschlag auf den ersten Blick
vielleicht sinnvoll erscheint, letztendlich
aber nicht realistisch ist, da keine Verwaltung
so funktionieren kann. Ein wenig
im Sinne dieser Idee des Komikers
hat nun aber der umtriebige und hochintelligente
Finanzminister des Staates
Israel, S.E. BENJAMIN NETANYAHU,
seine revolutionäre Wirtschaftsreform
lanciert.
Um uns die näheren Umstände seiner Initiative zu
erklären, empfing uns der Minister während fast einer
Stunde zu einem Exklusivinterview in Jerusalem, das
wir in den wesentlichen Punkten hier zusammenfassen.
Sie haben vor kurzem ein sehr ehrgeiziges Programm
im Hinblick auf Wirtschaftsreformen gestartet. Welche
Motive stecken dahinter?
Wir versuchen einen grundlegenden Wandel zu bewirken,
indem wir die israelische Wirtschaft und Gesellschaft
zu einem freien Markt hin führen. Es ist erstaunlich
zu sehen, dass das jüdische Volk, das überall
auf der Welt erfolgreiche Geschäfte abschliesst, im
eigenen Land hinterherhinkt. Die Schuld daran liegt
einzig und allein bei einem starren Wirtschaftssystem,
das unter zahlreichen Überresten einer überholten
sozialistischen Doktrin leidet. Die einzige Möglichkeit,
über die wir verfügen, um Israel Aufschwung und
Wohlstand zu garantieren, besteht darin, den hier lebenden
Talenten zum Durchbruch zu verhelfen. Dies
kann nur dann Realität werden, wenn wir unsere
Wirtschaft rasch und in allen Bereichen vollständig
liberalisieren.
Aus welchen wesentlichen Punkten und Zielen besteht
Ihr Ansatz?
Unser erstes Ziel ist es, die Aktivität der öffentlichen
Hand zu verringern und den Privatsektor zu erweitern.
Zur Veranschaulichung meiner Worte möchte ich daran
erinnern, dass die öffentliche Hand 55 % des BIP
(Bruttoinlandsprodukt) verkörpert, während die Privatwirtschaft
nur 45% ausmacht. Das ist, als ob ein
Mann, der 45 kg wiegt, auf seinen Schultern ständig
einen 55 kg schweren Menschen herumschleppen würde.
Auf die Dauer ist das einfach nicht tragbar. Darüber
hinaus wies alles darauf hin, dass die öffentliche
Hand immer mehr an Bedeutung gewinnen und der
Privatbereich, und mit ihm unsere gesamte Wirtschaft,
zusammenbrechen würde. Noch vor wenigen Monaten
waren wir um Haaresbreite von einer derartigen Entwicklung
entfernt, denn wir gaben wesentlich mehr
aus als wir einnahmen, die Ausgaben der Regierung
waren enorm und bewirkten ein bodenloses Defizit.
Um dieses Ungleichgewicht zu beheben mussten wir
die Steuern erhöhen, was das Defizit noch vergrösserte,
da die finanziellen Mittel über ein bestimmtes
Besteuerungsniveau hinaus nur noch sehr langsam
hereinfliessen. Daher mussten wir an den internationalen
Börsen, an denen uns aber niemand auch nur
einen Dollar leihen wollte, Darlehen aufnehmen. Wir
waren folglich gezwungen, die Zinssätze auf dem lokalen
Markt immer mehr heraufzusetzen und befanden
uns plötzlich auf einem sehr rutschigen und äusserst
gefährlichen Terrain, auf dem uns der rasche und vollständige
Zusammenbruch unseres gesamten Wirtschaftssystems
drohte. Da haben wir unser Programm
der Budgetrestriktionen und vor allem der Gehaltsreduktionen
auf Regierungsebene gestartet, da die Löhne in der Verwaltung um 2% gestiegen waren, während
der Durchschnitt im Privatsektor landesweit in
den letzten zwei Jahren um 8% gesunken war. Zum
ersten Mal in der Geschichte des Landes erklärte sich
die Histadruth (die nationale Gewerkschaft) mit einer
Senkung der Löhne um zwei Milliarden Schekalim pro
Jahr während einer Periode von zwei Jahren einverstanden.
Dadurch entsteht nicht nur ein Präzedenzfall,
dies vermittelt auch eine klare Botschaft in Bezug auf
die Höchstbeträge, die der öffentliche Sektor verlangen...
und erhalten kann. Der andere wichtige Punkt
betrifft die Entscheidung, die automatischen Transfers
von Mitteln für die Sozialhilfe einzustellen. Die Zahl
der von dieser spontanen Unterstützung profitierenden
Menschen war sprunghaft in die Höhe geschnellt:
innerhalb von 12 Jahren war sie um 600% angestiegen,
obwohl die Bevölkerung im selben Zeitabschnitt nur
um 30% zugenommen hatte. Es war rentabler geworden,
gar nicht zu arbeiten und sich an eine Sozialhilfestelle
zu wenden, um dort staatliche Unterstützung
zu erhalten. Gleichzeitig zählten wir 300’000 ausländische
Arbeitnehmer. Die Situation beschränkte
sich demzufolge auf diese dreifache Katastrophe: eine
gewerkschaftlich ausgerichtete und durch unverhältnismässige
Ausgaben künstlich aufgeblähte Regierung,
eine beständige Zunahme eines Bevölkerungsteils, der
nicht arbeitete, sondern auf Kosten der Steuerzahler
lebte, und die viel zitierten 300’000 ausländischen Arbeitnehmer,
welche die Arbeit verrichteten, die von
unseren 300’000 Arbeitslosen hätte erledigt werden
können! Dieser Zustand erwies sich natürlich als unhaltbar
und wir haben daher Massnahmen gegen jeden
einzelnen der erwähnten Punkte ergriffen. Wir haben
ebenfalls die Steuern auf ausländische Arbeitnehmer
erhöht und schwere Strafen gegen diejenigen eingeführt,
die sie illegal beschäftigen. Ausserdem haben
wir beschlossen, einige Monopole zu durchbrechen,
und haben z.B. ein Gesetz zur Auflösung unseres
grössten Unternehmens und unserer grössten Gewerkschaft,
der Stromgesellschaft, verabschiedet.
Gleichzeitig haben wir die Privatisierung von EL AL
verwirklicht, die seit siebzehn Jahren angekündigt
wurde und die wir nun innerhalb weniger Monate
durchführten. Wir werden nun die Privatisierung der
Bank Leumi und der Discount Bank in Angriff nehmen,
die sich teilweise noch im Besitz des Staates
befinden. Wir werden, in anderen Worten, die Konkurrenz
ankurbeln, die Privatisierung fördern und Monopole
aufbrechen. Ein weiterer wichtiger Aspekt
unseres Programms besteht aus der unverzüglichen
Senkung der Steuern. Es lag ein alter Reformplan vor,
in dem eine schrittweise Herabsetzung des Steuersatzes
auf das Einkommen vorgesehen war und der im
Jahr 2008 vollständig umgesetzt werden sollte: wir
haben diesen Übergang auf zwei Jahre komprimiert.
In dieser Zeit zahlt in Israel niemand mehr über 49%,
einschliesslich der Sozialabgaben und der Krankenkasse,
was eigentlich immer noch zu viel ist, aber dem
Steuerzahler die Möglichkeit gibt, den grössten Teil
seines Einkommens zu behalten. Je nach Entwicklung des wirtschaftlichen Aufschwungs denke ich, dass wir
die Steuern unter den Satz senken können, der von
Präsident Reagan festgelegt worden war und der bei
rund 23% liegt.
Ihr Plan ist nicht nur ehrgeizig, er entspricht einer
eigentlichen wirtschaftlichen Revolution in Israel. Ein
derartiges Unterfangen erfordert aber eine Phase der
Einführung und Anpassung. Es herrscht der Eindruck
vor, dass die Öffentlichkeit Sie einerseits nicht versteht
und dass Sie andererseits nicht genügend Anstrengungen
unternehmen, um zu erklären, dass letztendlich
alle von diesen Neuerungen profitieren werden. Glauben
Sie, dass Sie sich ausreichend darum bemühen,
den Leuten Ihre Pläne zu erläutern?
Die Antwort lautet ja, doch man muss sich klar machen,
dass wir uns in einer Situation befinden, in der
man den Patienten während der Operation fragt, wie
er sich fühlt. Er wird sich nicht nur über alle seine
Schmerzen beklagen, er wird auch den Chirurgen ver-
fluchen. Ich hatte ein wenig damit gerechnet, und zu
meiner grossen Überraschung spielt es sich nicht
genauso ab. Ich werde mir der Tatsache bewusst, dass
eine Form des Respekts und ein Anflug von Verständnis
für meine Wirtschaftspolitik vorhanden sind. Ein
Beispiel kann meinen Worten vielleicht mehr Gewicht
verleihen: das Problem der ledigen Mütter. Ich habe
verlangt, dass sie deutlich weniger Unterstützung erhalten
und arbeiten gehen. Zu Beginn haben die
Medien ausführlich über ihre Demonstrationen berichtet,
die Öffentlichkeit stand hinter ihnen. Mit der Zeit
versiegten diese beiden Quellen der Unterstützung
und heute versteht und akzeptiert der grösste Teil der
Bevölkerung meinen Standpunkt. Die Grosszügigkeit
der Sozialprogramme, die seit Beginn der 90er Jahre in
Kraft waren, überstieg jedes Mass. Eine ledige Mutter
mit zwei Kindern, die zwölf Stunden pro Woche arbeitete,
erhielt eine Unterstützung, die den durchschnittlichen
Lohn von 70% der Berufstätigen in Israel überstieg.
Sie hatte absolut keinen Grund arbeiten zu gehen,
ganz zu schweigen von der Tatsache, dass diese
Situation die Paare zu fiktiven Scheidungen veranlasste.
Ich habe also ein neues System eingeführt, das fordert,
dass unverheiratete Mütter mindestens halbtags
arbeiten, bevor sie Sozialhilfe empfangen dürfen. Es
war wichtig, diese Forderung zu stellen, um die Leute
allmählich von der Idee des Goldesels mit den automatischen
Unterstützungsleistungen abzubringen. In
diesem Zusammenhang möchte ich hier daran erinnern,
dass unser grosser Meister, der Rambam (Maimonides),
uns lehrte, dass es zehn Ebenen der Wohltätigkeit
gibt: die unterste ist die Spende, in der Mitte
liegt das Darlehen und die höchste Stufe ist die Ermutigung
eines Menschen zu arbeiten oder ihm eine
Stelle zu verschaffen. Unsere Wirtschaftspolitik ist
demnach fest in den Lehren der grossen Denker Israels
verankert. Kurz, wir müssen uns von der Mentalität
der Sozialhilfeempfänger verabschieden und sie durch
eine Einstellung der Bemühung, sowie die Denkart, in der eine zentralisierte Regierung alles dirigiert und
kontrolliert, durch einen Ansatz der freien Marktwirtschaft
ersetzen. Die Finanzmärkte haben sehr positiv
auf unsere neue Politik reagiert, was einer Bestätigung
gleichkommt. Auf internationaler Ebene klang mir ein
sehr positives Echo entgegen und ich habe erfahren,
dass Israel als das Land gilt, das seine Reformen zu
Gunsten einer freien Marktwirtschaft am aggressivsten
durchführt, was weltweit sehr geschätzt wird.
Man muss sich bewusst sein, dass nicht beliebig viele
Wege zum Erfolg führen. Ich glaube nicht, dass die
Menschen, die für eine Verwaltung arbeiten, weniger
Talent oder weniger Ehrgeiz besitzen als diejenigen in
der Privatindustrie. Doch in einer Verwaltung gibt es
kein System, das die Mitarbeiter bei ihrer Tätigkeit
oder in der Herstellung irgendeines Produkts motiviert,
während es im Privatsektor diesen Gedanken
gibt - er wird allgemein «die Gewinnmotivation» genannt.
Aus diesem Grund müssen wir so viele Funktionen
des Staates wie möglich abschaffen und von der
Regierung verlangen, dass sie uns erklärt, weshalb sie
eine Abteilung oder eine Institution beibehalten möchte,
und dass sie diese dann kontrolliert, verwaltet und
betreibt. Sogar im Rahmen der Landesverteidigung
könnten bestimmte Tätigkeiten ausgelagert werden.
Es gibt demnach nur einen Weg zum Erfolg: man muss
gemäss den Richtlinien der freien Marktwirtschaft
handeln. Dies wurde in Singapur, Irland, Grossbritannien,
Spanien und heute in Russland und Argentinien
umgesetzt, wo die Steuern vor kurzem beträchtlich
gesenkt wurden. Zum ersten Mal erleben die beiden
letztgenannten Länder einen wirtschaftlichen Aufschwung.
Unsere Hauptschwierigkeit liegt nicht darin,
Gesetze zu verabschieden, sondern die Mentalität
einer Bevölkerung zu verändern, die von einem Regime
mit pseudo-sozialistischen Vorstellungen verwöhnt
wurde. Man muss allen begreiflich machen, dass
die einzige Möglichkeit des Erfolgs aus dem wirtschaftlichen
Aufschwung besteht.
Dazu möchte ich auch betonen, dass unser Ansatz
nicht nur ausländische Investoren anzieht. Die Zahlen
beweisen, dass in den vergangenen vier Monaten die
Israelis, die Milliarden in Grossbritannien und in die
osteuropäischen Länder investiert hatten, nun damit
begonnen haben, ihre Anlagen im Ausland zu verringern
und ihr Vermögen wieder in Israel investieren.
Einige Monate nach der Lancierung unserer wirtschaftlichen
Revolution kann ich ohne zu zögern behaupten,
dass die Wirtschaftsindikatoren zwar noch keine
andauernde Schönwetterlage anzeigen, dass wir aber
erste ermutigende Anzeichen eines Umschwungs
erkennen.
Wir leben in einer Zeit, in der die Ideologie bei weitem
nicht mehr der wichtigste Anreiz dafür darstellt, dass
Juden der Diaspora den Rücken kehren und sich in
Israel niederlassen. Die meisten von ihnen emigrieren
nach Israel, weil sie in ihrem Herkunftsland mit ökonomischen
Schwierigkeiten kämpfen. Sie haben nun
einen grossen Teil der Vorteile aufgehoben, die der Staat den neuen Einwanderern anbot. War dies wirklich
notwendig?
Wir standen kurz vor dem vollständigen wirtschaftlichen
Zusammenbruch und waren daher zu drastischen
Massnahmen gezwungen. Sobald es die Situation aber
erlaubt, möchte ich wieder einige Vorteile für die neuen
Immigranten einführen. Wenn unsere Reform endgültig
umgesetzt wurde und Erfolg gezeitigt hat, wird
Israel sowieso zu einem ganz anderen Staat als bisher.
Es wird nicht mehr ein gewerkschaftlich denkender
Staat sein mit Monopolen und hohen Steuern, sondern
eine Nation, die über eine freie Marktwirtschaft mit
einer minimalen Besteuerung verfügt. Wir planen
ebenfalls ein ehrgeiziges Eisenbahnprogramm für das
ganze Land, so dass sich neue Industriezweige auch in
den Regionen niederlassen können, die heute schwer
erreichbar sind, und die Transportdauer zu Gunsten
einer effizienteren Arbeitsweise deutlich gesenkt wird.
Die Verwirklichung dieses neuen Transportnetzwerks
ist ein eindeutig wirksameres Mittel als die Verteilung
von Prämien an Einzelpersonen, an Investoren oder
Unternehmen.
Sie gehören der Regierung von Ariel Sharon an, der
eine neue Verhandlungsrunde mit der PLO aufgenommen
hat. Eine der Gesten, die den guten Willen
Israels gegenüber den Arabern zeigt und im Rahmen
der «Roadmap» gar nicht vorgesehen ist, besteht aus
der Freilassung von Häftlingen. Sie haben diese
Massnahme befürwortet. Weshalb ?
Für mich umfasst eine derartige Entscheidung drei
Aspekte. Zunächst ist es ausgeschlossen, Gefangene
frei zu lassen, die Blut an den Händen haben, das habe
ich, als ich noch Premierminister war, nie getan und
nie hätte ich eine derartige Verordnung unterstützt.
Ausserdem muss jede Befreiung dieser Art mit einer
Geste der Gegenseitigkeit seitens der Gegenpartei
einhergehen. Und schliesslich muss jedes Dossier von
unserem Sicherheitsdienst untersucht werden, der uns
bestätigen muss, dass der frei gelassene Gefangene
keine potentielle Gefahr für uns darstellt. In der
Gruppe, die am 6. August 2003 befreit wurde, befand
sich kein Mörder, und die palästinensische Autonomiebehörde
hat sich als kooperativ erwiesen, natürlich
nur in unzureichendem Ausmass, indem sie uns
einige Informationen zukommen liess, dank denen wir
präventiv gegen Terroranschläge vorgehen konnten.
Sie hat jedoch bis heute rein gar nichts getan, um gewisse
terroristische Organisationen und Infrastrukturen
in den von ihr kontrollierten Zonen auffliegen zu
lassen. Dazu muss man erwähnen, dass unser Premierminister
nach Washington gereist ist und dort der amerikanischen Administration unseren guten Willen beteuerte,
der natürlich den drei oben genannten Bedingungen
unterworfen ist. Sharon hat insbesondere
betont, dass unser «guter Wille» seine Grenzen hat
und dass die palästinensische Behörde die Folgen zu
tragen hat, falls sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommt,
da sie ja dann ihr Wort, das sie den USA gegeben
hat, bricht. Es wäre falsch zu glauben, dass Israel
weiterhin Gefangene befreien wird, wenn der Vertragspartner
seine Gegenleistungen nicht erbringt.
Was halten Sie von der Errichtung der Trennwand?
Es handelt sich hierbei um eine der Präventionsmassnahmen,
die wir parallel zu anderen direkten Militäraktionen
ergreifen müssen, da die palästinensische Autonomiebehörde
ja nichts zur Bekämpfung des Terrors
unternimmt. Wir können nicht tatenlos zusehen und
abwarten, dass das nächste Attentat stattfindet. Man
muss sich vor Augen führen, dass die Abschirmung den
Transport der winzigsten Bombe verhindert, die weltweit
existiert: die menschliche Bombe. Das ist das
Mindeste, was wir zum Schutz unserer Mitbürger tun
können, nämlich die Selbstmordattentäter daran hindern,
ungehindert in unser Land zu spazieren. Ein ähnlicher
Wall besteht übrigens seit geraumer Zeit in Gaza
und aus dieser Region ist bisher keine einzige menschliche
Bombe durchgedrungen.
Es stimmt, dass die Terroristen andere Waffen benützen
können, z.B. Raketen, die über die Schranke geschossen
werden. Doch ihre wirksamste und tödlichste
Waffe ist die Menschenbombe, und dies können wir
dank diesem Wall verhindern. Vergessen wir nicht,
dass es heute Hunderte, wenn nicht gar Tausende von
Kandidaten gibt, die bereit sind ihr Leben in den israelischen
Städten als menschliche Bombe zu opfern.
Darüber hinaus dämmen wir mit dieser Abriegelung
auch die demographische Entwicklung ein, die in Wirklichkeit
eine verdeckte Form der Umsetzung des von
den Arabern geforderten Rechts auf Rückkehr ist.
Durch das Verhindern von Eheschliessungen zwischen
israelischen Arabern und arabischen Frauen, die in
Judäa-Samaria leben, schränken wir den sprunghaften
Anstieg dieser Bevölkerung in Israel ein. Es gibt natürlich
Gesetze in diesem Bereich, doch es ist sehr viel
einfacher, den verbotenen Grenzübergang ganz konkret
zu unterbinden. Letztendlich erlaubt uns die
Trennwand auch eine Reglementierung des Arbeitsmarktes
und eine Kontrolle, damit nicht jeder bei uns
arbeiten und sich eventuell hier niederlassen kann.
Die Scheidelinie ist also absolut unerlässlich im Hinblick
auf die Sicherheit, die Bevölkerungskontrolle
und die Wirtschaft.
In letzter Zeit haben einige Entführungen stattgefunden.
Dazu muss man wissen, dass diese schwer zu organisieren
sind und nur gelingen können, wenn man auf
einheimische Komplizen zählen kann, in diesem Fall auf
israelische Araber. Ich kann Ihnen versichern, dass wir
die Sache sehr ernst nehmen und sie energisch bekämpfen.
Es herrscht der Eindruck vor, dass die Regierung, der
Sie angehören, durch das Akzeptieren der Roadmap
der gegnerischen Partei den Anschein von Schwäche
vermittelt, was letztere natürlich sofort ausnützen wird. Inwiefern können Sie sich mit der aktuellen Politik
identifizieren?
Ich möchte Sie zunächst daran erinnern, dass ich mich
in keiner Weise für die Roadmap ausgesprochen habe
und mich bei der Abstimmung darüber der Stimme
enthielt. Ausserdem haben ich wie auch unser Premierminister
immer darauf bestanden, dass der Zusatz
zur Roadmap, die berüchtigten 14 Restriktionen, als
fester Bestandteil dieses Abkommen gelten. Der erste
Punkt betrifft die Auflösung der Terrororganisationen
und -infrastrukturen. Nach der ersten Etappe müssen
wir die zweite in Angriff nehmen. In diesem Moment
werden wir sehen, ob unsere Gegenpartei sich an die
Abmachungen gehalten hat. Wir beharren auf dem
Konzept der Gegenseitigkeit und werden keinen
Schritt weiter tun, wenn es nicht genauestens eingehalten
wird. Dazu möchte ich an dieser Stelle daran
erinnern, dass der Premierminister und ich selbst uns
über das Problem der Gegenseitigkeit absolut einig
sind. Er hat zu diesem Thema eine sehr bedeutende
Erklärung abgegeben, in der er die Welt daran erinnerte,
dass eines der schwer wiegenden Versagen der
Demokratien in den 1930er Jahren auf die mangelnde
Beharrlichkeit in Bezug auf eben die Gegenseitigkeit
zurückzuführen war, und zwar gegenüber
Nazi-Deutschland, das von niemandem gezwungen
wurde, die in Versailles unterzeichneten Verpflichtungen
zu erfüllen. Meiner Ansicht nach hat er diese
Erklärung abgegeben, um den Zweiflern begreiflich zu
machen, dass die Politik unserer Regierung unter seiner
Leitung nicht die geringste Absicht hegt, in der
Forderung nach Gegenseitigkeit nachzugeben.
Sind Sie für die Auflösung der jüdischen Siedlungen in
Judäa-Samaria-Gaza?
Nicht im Geringsten, es war überhaupt nie die Rede
davon. Die Frage stellt sich bei einigen Vorhutposten,
die ohne Bewilligung errichtet wurden und deren
Schicksal von Fall zu Fall entschieden wird.
Sie scheinen insgesamt eher optimistisch zu sein. Glauben
Sie, dass die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft
den richtigen Weg eingeschlagen haben?
Klar. Was die wirtschaftlichen Massnahmen angeht,
liegt ihr Erfolg in unseren Händen, was viel Weitblick
und Verständnis für die vordringlichen Angelegenheiten
verlangt. Glücklicherweise scheinen in Israel
immer mehr Menschen begriffen zu haben, was nötig
ist, damit unsere Reform funktioniert. Wir sind unsererseits
zutiefst davon überzeugt, dass unsere Wirtschaftspolitik
richtig ist, und wir sind entschlossen,
alles zu unternehmen, damit sie gelingt, auch wenn
dies mit zahlreichen Problemen verbunden ist. Israel
besitzt zum ersten Mal seit langer Zeit wieder eine
kohärente Regierung, in der alle am selben Strick ziehen.
Noch keine Regierung vor uns war so stark auf
die freie Marktwirtschaft ausgerichtet wie wir. Das Gelingen der Reform liegt also in unserer Hand. Die
Politik wiederum wird vom Sicherheitsproblem dominiert,
das die Fortführung des oben angesprochenen
Wandbaus, die Abschreckung, falls nötig mit militärischen
Aktionen, und die grösstmögliche Reduzierung
des Terrors beinhaltet. Die Verhandlungen mit der
Palästinenserbehörde hängen von den Gegenleistungen
ab. Wenn der Beweis erbracht wird, dass ihr
Hauptziel - die Vernichtung des Staates Israel - aufgegeben
wurde und sie offiziell und tatsächlich auf das
verzichtet, was sie «das Recht auf Rückkehr» nennt,
was nichts anderes bedeutet als die Überflutung unseres
Landes mit mehreren hunderttausend Arabern,
und wenn sie endlich ihre Methode aufgibt, mit der sie
uns bekämpft, nämlich den Terrorismus, wage ich zu
behaupten, dass uns ein Partner gegenüber steht, mit
dem wir harte und ernsthafte Verhandlungen führen
können. Sollte die Autonomiebehörde der Palästinenser
in nur einem einzigen dieser Punkte versagen,
haben wir keinen Partner mehr. In diesem Fall sind wir
gezwungen, eine Reihe von einseitigen Massnahmen
zu treffen, um unser Land in Sicherheit verteidigen
und entwickeln zu können.
Denken Sie, dass die Schaffung eines palästinensischen
Staates einen gangbaren Weg darstellt?
Es ist allgemein bekannt, dass ich diese Idee ablehne.
Doch selbst diejenigen, die eine derartige Lösung befürworten,
darunter auch unser Premierminister, sind nicht
bereit, dies zu jedem beliebigen Preis zu akzeptieren.
Alle stellen eine Reihe von Bedingungen auf: die Festlegung
der Grenzen, die Entmilitarisierung dieses hypothetischen
Staates, die Einfuhr von Waren, aber nicht
von Waffen, die Ausfuhr von Gütern, aber nicht von
Gegenständen im Zusammenhang mit dem Terrorismus,
wie beispielsweise Raketen, die Kontrolle des Luftraums,
des Wassers, des Stroms usw. durch Israel. Dabei
handelt es sich um einige grundlegende Mindestforderungen,
die selbst die überzeugtesten Befürworter eines
palästinensischen Staates weiterhin in unserer Hand
wünschen. Es ginge also um die allfällige Schaffung eines
Gebildes mit beschränkter Souveränität. Der Begriff
«Staat» trifft auf dieses Konzept nicht zu, denn es setzt
eine umfassende Souveränität und Unabhängigkeit voraus,
die einem derartigen palästinensischen Gebilde unbeschränkte
Macht verleihen würden. Wenn man nun
davon ausgeht, dass die Palästinenserbehörde den Beweis
für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen erbringt,
was noch nicht geschehen ist, besteht in Israel ein sehr
breiter Konsens, dass ein staatsähnliches palästinensisches
Gebilde unter der Bedingung zustande kommt,
dass eine Reihe von Befugnissen in israelischer Hand
verbleiben. Wir werden eventuell eine Vereinbarung mit
unserem Verhandlungspartner abschliessen können, in
deren Rahmen er die notwendigen Mittel erhält, um
seine Verwaltung zu betreuen. Wir werden ihm unter
keinen Umständen die Befugnisse erteilen, dank denen
er in der Lage wäre, den einzigen und einmaligen jüdischen
Staat zu vernichten.
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