Die Juden in Rom können nicht oft
genug daran erinnern, dass sie die Nachfahren
der ältesten Gemeinde in der
Diaspora sind. Sie sind nämlich weder
Aschkenasim noch Sefarden... sie sind
Italiener. Glaubt man gewissen Historikern,
ist dies vermutlich auch wahr, da
Jehudah Macabbi im Jahr 167 vor unserer
Zeitrechnung einen Botschafter namens
Eupolemus Ben Jochanan nach Rom geschickt
hatte, um den Schutz des Reiches
gegen die Gräko-Syrer zu erbitten. Später
wurden in den Jahren 150 bis 139 vor
unserer Zeit andere Delegationen von den
hasmonäischen Anführern nach Rom
entsandt. Und schliesslich verschleppten
die Römer, als sie 63 Judäa eroberten,
jüdische Sklaven in ihre Hauptstadt.
Obwohl die Juden in Palästina oft sehr
brutal behandelt wurden, ging man in
Rom recht pfleglich mit ihnen um. Die
bereits bestehende Gemeinschaft hatte
überdies einen Fonds geschaffen, um die
jüdischen Sklaven freizukaufen.
Julius Cäsar war bekannt für die Freundschaft, die er
den Juden gegenüber empfand, er verlieh ihnen das
Recht auf freie Wahl ihres Wohnorts im gesamten
römischen Reich. Als er ermordet wurde, waren die
Juden in Rom so tief betroffen, dass viele von ihnen
die Nacht und den Tag vor seiner Beerdingung bei seinem
Leichnam verbrachten und weinten. Auch sein
Nachfolger Augustus war den Juden gegenüber freundlich
gesinnt, er berücksichtigte sogar den Schabbat in
den Zeitplänen für die Getreideverteilung. Die Verschleppung
der Kriegsgefangenen, die zu Sklaven gemacht
wurden, von Palästina nach Rom, stellte die
Grundlage für die Entstehung einer Gemeinde dar,
die mit der Zeit an Bedeutung gewann. In den Jahren
95-96 reisten Rabbiner speziell aus Palästina ein, um
der jüdischen Bevölkerung von Rom geistlichen Beistand
zu leisten. Im Jahr 212 gewährte der römische
Kaiser Caracalla (mit richtigem Namen Marcus
Aurelius Antoninus Bassianus) den Juden von Rom
das Privileg, vollwertige Staatsbürger zu werden. In
der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts fasste die
jüdische Gemeinschaft in Rom wirklich Fuss und es
entwickelte mit der Zeit sowohl im Handel wie auch
auf intellektueller Ebene ein echtes jüdisches Leben.
Im Verlauf der gesamten römischen Geschichte, von
der klassischen Periode, über das christliche Reich, das
Mittelalter und die Renaissance bis zum 19. und zum
Anfang des 20. Jahrhunderts lebten Juden in Rom.
Wie überall in Europa erlebte die jüdische Gemeinde
Roms in ihrer Geschichte glückliche Zeiten der Blüte
und eine ganze Reihe von Zeiten der Erniedrigung,
der Ausgrenzung und der Verfolgung in jeder erdenklichen
Form. 1555 beschloss Papst Paul IV., dass die
Juden separat, in eigenen Vierteln leben mussten,
getrennt von der übrigen römischen Bevölkerung. So
entstand das berühmte Ghetto von Rom. Die Juden
durften nachts nicht mehr ausgehen, man untersagte
ihnen die meisten körperlichen Arbeiten, sie wurden
aus den Fakultäten für Recht, Pharmazie und Kunst
ausgeschlossen, ohne aber dafür Architekten, Notare
oder Politiker werden zu dürfen. Die jüdischen Ärzte
durften nur noch ihre eigenen Glaubensbrüder behandeln.
Darüber hinaus waren die Juden verpflichtet, ein
Kennzeichen zu tragen, eine gelbe Brosche. Jeden
Sonntag wurden sie gezwungen, an den Messen in den
Kirchen teilzunehmen. Es gab zahlreiche Erniedrigungen,
und trotzdem haben die Juden ihre Identität
bewahrt und verstärkt. 300 Jahre lang haben sie im
Ghetto gelebt! Erst 1870 gab König Vittorio Emanuele
III einen Erlass heraus, dass die Tore des Ghettos
geöffnet würden und die Juden von Rom die vollwertige
Staatsbürgerschaft erhielten, wodurch sie wieder
in die italienische Gesellschaft aufgenommen wurden
- sowohl in die Universitäten als auch in den höchsten Rangstufen der Armee und der Politik. Während
des Ersten Weltkriegs kämpften zahlreiche Juden
in der italienischen Armee. Die Zeit der Schoah
kann hingegen nicht in wenigen Zeilen zusammengefasst
werden. Es muss aber betont werden, dass die
Historiker trotz der Rassengesetze und der rechtlichen
Einschränkungen, die gegen die Juden erlassen wurden
(Ausschluss von allen möglichen Institutionen
usw.)im Allgemeinen davon ausgehen, dass sowohl die
Bevölkerung als auch die Regierungsbeamten eigentlich
alles zum Schutz ihrer jüdischen Nachbarn unternahmen.
Zu Beginn des Kriegs lebten ca. 35’000 Juden
in Italien, von denen 8’000 von den Nazis und ihren
lokalen Komplizen ermordet wurden. Man schätzt,
dass 80% der jüdischen Bevölkerung gerettet wurden.
Es ist nicht uninteressant zu wissen, dass die 2’000 von
den Deutschen verschleppten Juden Roms meist noch
in ihren alten Wohnungen im Ghetto lebten. Für die
Nazis war es aus diesem Grund äusserst einfach, sie
aufzufinden.
Die zweitausendjährige Präsenz der Juden in Rom hat
ausserdem eine besondere Tradition hervorgebracht,
den «Minhag Romi» (von dem es heisst, er sei vor
2’200 Jahren direkt aus Palästina importiert worden),
der vor allem beim Sprechen der Gebete sichtbar wird
und in der Reihenfolge der aufgesagten Texte, in der
Musik und in den Tonarten der Liturgie zum Ausdruck
kommt. Es gibt auch eine besondere Sprache
der lokalen Juden, eine Mischung aus römischem Dialekt
und hebräischen Ausdrücken, eine Art Jiddisch
mit italienischem Einschlag.
Dank diesem kurzen und oberflächlichen historischen
Abriss verstehen wir das jüdische Leben im modernen
Rom besser. Wir haben LEONE PASERMAN getroffen,
den Präsidenten der Comunità Ebraica di Roma,
der uns Näheres darüber berichten sollte.
Bevor wir uns dem jüdischen Leben in der Gegenwart
zuwenden, wäre es interessant Ihre Meinung dazu zu
hören, weshalb die Juden trotz der ständigen Unterdrückung
durch die Jahrhunderte hindurch nie aus
Rom vertrieben wurden?
Ich glaube, die Päpste wollten die Juden hier im Ghetto
behalten, wo sie unter entsetzlichen Umständen
lebten - einige tausende Menschen waren auf einer
Fläche von 250 x 200 Metern zusammengepfercht -
und dienten als abschreckendes Beispiel für die Strafe,
die einen ereilte, wenn man den christlichen Glauben
ablehnte. Dennoch ist es auffallend, dass sich viele
Juden nach ihrer Vertreibung aus Spanien in Rom niederliessen.
Seit dem 16. Jh. befanden sich fünf Synagogen
im selben Gebäude, von denen drei spanisch
waren: eine katalanisch, eine kastilisch und eine sizilianisch,
da Sizilien und der Süden Italiens eine spanische
Kolonie waren, aus der die Juden 1507 vertrieben
wurden. Dies ist auch der Grund, weshalb es südlich von Rom fast keine Juden gibt, ausser ungefähr
hundert Personen in Neapel.
Wie sieht es mit der jüdischen Gemeinde in Rom aus?
Sie setzt sich gegenwärtig aus ca. 14’000 Menschen zusammen,
von denen die meisten in Rom geboren sind
und aus Familien stammen, die seit langem hier leben.
Ungefähr 1’500 bis 2’000 unserer Mitglieder sind
Juden, die nach dem Sechstagekrieg aus Libyen hierher
kamen. Im Grossen und Ganzen sind wir keine
überalterte Gemeinschaft, letztes Jahr haben wir rund
60 Beschneidungen gefeiert, was insgesamt 150 Geburten
entspricht. Dies bedeutet ebenfalls, dass wir
mit der Bevölkerungsentwicklung dem nationalen
Durchschnitt entsprechen...
Wir besitzen eine jüdische Schule, die täglich von 200
Kleinen im Kindergarten, 450 Kindern in den Primarschulklassen,
230 Jugendlichen in der Sekundarschule
und weiteren 120 Schülern im Gymnasium besucht
wird, wo letztere die Mittelschule abschliessen. Im
Bereich von Primar- und Sekundarschule sind ca. 60%
der schulpflichtigen Kinder bei uns eingeschrieben,
doch auf gymnasialer Stufe ist dieser Anteil wesentlich
kleiner. Wir verfügen über die üblichen sozialen Dienstleistungen,
über ein Altersheim und ein jüdisches Krankenhaus.
Im Moment beschränkt sich das Altersheim
auf ein einziges Stockwerk im jüdischen Krankenhaus,
das in das nationale Gesundheitswesen eingebunden
ist und allen offen steht. Wir arbeiten aber gegenwärtig
an einem Bauprojekt für ein Mehrzweckgebäude
für ein Geriatriezentrum, das ein Heim, eine Pflegeabteilung,
ein Begegnungszentrum mit einem weiten
Angebot an Aktivitäten usw. umfassen soll.
Haben Sie nach dem Krieg die Vermögenswerte, insbesondere
die Immobilien, der Juden zurückfordern
können?
Es handelt sich hier um eine sehr unglückliche Geschichte,
denn nach dem Krieg hat die jüdische Führung
nicht nachdrücklich auf eine Rückerstattung dieses
Vermögens bestanden. Unsere damaligen Verantwortlichen
wollten nämlich zeigen, dass sie «Italiener wie
alle anderen» waren. Alle hatten unter dem Faschismus
und der deutschen Besetzung gelitten, und so
waren sie der Ansicht, die Juden sollten nicht bevorzugt
werden. Es gab zwar einige Gesetze, die verlangten,
dass die Menschen ihre frühere Position wieder
einnehmen konnten, doch in Bezug auf Guthaben und
Immobilien wurden leider nicht die notwendigen
Schritte unternommen. Seit einiger Zeit und vor allem, seitdem andere europäische Länder sich mit dieser
Frage befasst haben, wurde in Italien eine Regierungskommission
gebildet, deren Aufgabe darin besteht,
die gesamte Angelegenheit zu prüfen. Dazu muss
man auch sagen, dass es bis 1943 in Italien kaum zur
Konfiszierung von jüdischen Vermögen gekommen war.
Glauben Sie, dass das jüdische Leben in Ihrer Gemeinde
gegenwärtig einen neuen Aufschwung
erfährt?
Ganz bestimmt. Einerseits haben, seit ich vor ca. drei
Jahren zum Präsidenten gewählt wurde, viele
Veränderungen stattgefunden, wobei die wichtigste
daraus bestand, dass der Grossrabbiner von Rom nach
fast fünfzigjähriger Amtsdauer ersetzt wurde, ausserdem
auch der Schuldirektor und der Verantwortliche
der Schochatim (Darbringer des rituellen Schächten).
Andererseits bringen wir die Schule ins Ghetto
zurück, eine ganz besonders bezeichnende und hoch
symbolische Geste, denn wir kehren als Hausbesitzer
in eine Gegend von Rom zurück, in der die Juden von
1555 bis 1870 keine Grundstücke erwerben durften.
Unsere Gemeinde ist einzigartig, weil sie zu einem
grossen Teil aus Werktätigen im eigentlichen Sinne
des Wortes besteht. Die Mehrheit verkauft Postkarten
und Souvenirs in der Nähe der Sehenswürdigkeiten,
einige verkleiden sich als römische Legionäre am Eingang
des Kolosseums und verdienen ihren Lebensunterhalt,
indem sie sich mit Touristen fotografieren lassen.
Es sind keine armen Leute, sie sind aber oft schon
sehr früh von der Schule abgegangen und sind daher
nicht sehr gebildet, sie fühlen sich sehr stark mit der
jüdischen Gemeinschaft und mit Israel verbunden. So
haben wir, in Zusammenarbeit mit der israelischen
Botschaft, im Jahr 2000, als die Intifada einsetzte, zwei
Wochen nach dem Beginn der Feindseligkeiten eine
Solidaritätsveranstaltung organisiert. Unter der Anwesenheit
von Schimon Peres und Silvio Berlusconi
kamen zweitausend Menschen in die Synagoge, um
ihre Solidarität und ihr Zusammengehörigkeitsgefühl
kundzutun. Dies war auch der Fall, als der neue israelische
Botschafter zum ersten Mal die Synagoge aufsuchte:
es waren viele Menschen gekommen und sie zeigten ihm ihre Verbundenheit. Im selben Sinne erleben
wir seit einigen Jahren einer Wiederbelebung des
Glaubens, die nichts mit einem Anstieg der Orthodoxie
zu tun hat, sondern mit dem spürbaren Ausdruck
eines verstärkten religiösen Gefühls. Es gibt
heute zehn koschere Metzgereien, eine ganze Reihe
von Restaurants, einige Synagogen, von denen neun
sowohl morgens wie auch abends einen Gottesdienst
anbieten. Im vergangenen Juni hat Chabad seine neue
Synagoge eingeweiht. Ich denke, dass gegenwärtig
ungefähr 25% der Mitglieder unserer Gemeinde
fromm sind, die anderen sind mehr oder weniger traditionalistisch.
In Bezug auf Konvertierungen stehen
wir einem Problem gegenüber, denn zahlreiche Paare,
in denen die Frau keine Jüdin ist, möchten, dass ihre
oft noch kleinen Kinder konvertieren. Unser sehr
orthodoxes Rabbinat ist kaum bereit, sich diesen
Anfragen gegenüber flexibel zu zeigen. Wir haben ein
besonderes Programm entwickelt, in dem die Eltern
sich verpflichten müssen ihre Kinder jüdisch zu erziehen,
was damit beginnt, dass sie sie in die jüdische
Schule schicken.
Verspüren Sie einen Anstieg des Antisemitismus?
Zweifellos. Er ist, wie überall, unentwirrbar mit der
Israelfeindlichkeit verwoben. Wir werden mit dem
«Antizionismus» der extremen Rechten konfrontiert,
einer offen zur Schau getragenen Form des Antisemitismus.
Dasselbe geschieht in der radikalen Linken,
bei den Grünen und ehemaligen Kommunisten,
die zwar nicht alle antisemitisch, aber unverhohlen
und eindeutig antizionistisch sind. Am erstaunlichsten
ist aber die Veränderung, die wir in diesem Bereich
zurzeit im Vatikan erleben.
Johannes Paul II. besitzt doch den Ruf, in seinen Botschaften
den Antisemitismus zu bekämpfen und alles
zu tun, um die Kirche und die jüdische Welt einander
näher zu bringen. Worauf spielen Sie also an?
Es ist sonnenklar, dass die vom Papst ausgelöste Bewegung,
der dadurch gute Beziehungen zum Staat
Israel und der jüdischen Gemeinde im weitesten Sinne
knüpfen wollte, nur bis ins Jahr des Jubiläums anhielt, d.h. bis ins Jahr 2000! Seit seiner berühmten Reise
nach Israel im März 2000 mussten wir einen Umschwung
und eine endgültige Verriegelung der Türen
feststellen. Ich glaube, dass der Papst einer sehr heftigen
Opposition innerhalb des Vatikans gegenüber
stand, vor allem nach der Rede, in der er im Namen
der Kirche die Juden um Vergebung bat für alles Leid,
das sie ihnen zugefügt hatte. Die jüdische Gemeinschaft
von Rom fühlte sich durch die Seligsprechung
von Papst Pius IX. gedemütigt, der im Laufe des 19.
Jahrhunderts darauf bestanden hatte, dass die Juden
weiterhin im Ghetto von Rom eingepfercht blieben,
obwohl es die einzige Stadt in Europa war, wo diese
Art von Einrichtung über hundert Jahre nach der
Emanzipation der Juden in Frankreich noch existierte.
Ich denke, dass der Papst eigentlich Pius XII. selig
sprechen wollte, dass er aber aufgrund der sehr starken
Widerstände seine Meinung änderte und Pius IX.
wählte. Seither mussten wir eine Reihe von wenig
sympathischen Erklärungen und Vorfällen über uns
ergehen lassen, meiner Ansicht nach ist dies alles
andere als ein gutes Zeichen. Ausserdem sind die aussenpolitischen
Verantwortlichen des Vatikans offen
israel- und amerikafeindlich eingestellt. Auch da ist
eine Veränderung zu beobachten, denn im Allgemeinen
besitzt der Vatikan seine eigene Terminologie und
drückt sich sehr diplomatisch aus. Was aber Israel und
die USA betrifft, kann man dies nicht mehr behaupten.
Wir hören eindeutig feindliche Äusserungen, die
eher ins Lager der Pazifisten gehören. Die Tatsache,
dass der Papst Tarek Aziz empfangen hat, stellt eine
unmissverständliche Erklärung dar. Diese ganze
Dialektik findet selbstverständlich sofort Eingang in
den Schulen und Kirchen, was direkt zum Anstieg des
Antisemitismus im Land beiträgt.
Welche Zukunft sehen Sie für Ihre Gemeinde in
Rom?
Seit über zweitausend Jahren gibt es hier jüdisches
Leben und wir haben weitaus schwierigere Phasen
durchgemacht als heute, wo wir trotz einem Anstieg
des Antisemitismus einer Wiederbelebung der Lebenskraft
des Glaubens beobachten können; dies
kommt in der wieder erwachten Frömmigkeit zum
Ausdruck, die ich bereits erwähnte und die recht überraschend
ist. Ich habe gute Gründe zu glauben, dass
unsere Gemeinde eine viel versprechende Zukunft vor
sich hat, aber wer weiss... eine Überraschung ist sehr
schnell eingetreten.
Deportationen in Rom
Die 1938 vom faschistischen Regime eingeführten
Rassengesetze haben die Juden überrumpelt. Letztere
waren zu vollwertigen Bürgern geworden, viele von
ihnen hatten im Ersten Weltkrieg für Italien gekämpft.
Im Gegensatz zu den reicheren Juden im Norden
Italiens gehörte die Gemeinde von Rom zu den ärmsten
und die meisten ihrer Mitglieder besassen nicht
die Mittel wegzuziehen. Darüber hinaus waren sie
davon überzeugt, dass die Präsenz des Vatikans Deportationen
verhindern würde. Zu Beginn hatten die
Deutschen Rom zur offenen Stadt erklärt, was innerhalb
der jüdischen Gemeinschaft etwas Hoffnung aufkeimen
liess. Ende September 1943 sagte der deutsche
Kommandeur von Rom, Herbert Keppler, den jüdischen
Honoratioren, sie könnten der Deportation entgehen,
wenn sie innerhalb von 36 Stunden 50 Kilo
Gold zahlen würden. Obwohl die Gemeinde dank
jüdischen und nichtjüdischen Quellen 51 kg Gold zusammenbrachte,
wurde sofort mit den Deportationen
begonnen. Am 16. September 1943 umzingelte eine
Sondereinheit der Polizei das Ghetto und verschleppte
2’000 Juden. In den darauf folgenden Tagen richteten
sich die Deutschen in den Büros der Gemeinschaft
ein, die im selben Gebäude lagen wie die Synagoge,
beschlagnahmten die Register und stahlen alle Wertgegenstände
und seltenen Bücher aus der Bibliothek.
Der Bericht eines überlebenden Zeugen hilft uns, die
damalige Situation besser zu begreifen: «Wir wussten
nicht genau, was vor sich ging. Wir wurden zuerst in
Lastwagen, dann in Zügen transportiert. Einigen von
uns gelang die Flucht dank der Hilfe einiger Römer. Es
gab in der Bevölkerung Menschen, die den Juden halfen,
und jene, die auf der Seite der Deutschen standen, da
diese für jeden ergriffenen Juden eine Prämie zahlten.»
Die Ironie der Geschichte will traurigerweise, dass sich
hinter dem Haus, an dem sich heute eine Tafel zur
Erinnerung an die deportierten Juden befindet, von
denen nur 15 von 2’000 zurückkehrten, eine archäologische
Fundstelle aus dem alten Rom befindet, der
«Portico d’Otavia». An dieser Stelle liess Vespasian
den Siegeszug seines Sohnes Titus durchziehen, als
dieser die Eroberung und Zerstörung Jerusalems
feierte. In seinem Zug befanden sich auch jüdische
Sklaven, welche die aus dem Tempel Salomons gestohlene
Beute trugen, darunter auch die berühmte
siebenarmige Menorah aus Gold.
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