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Inhaltsangabe Italien Herbst 2003 - Tischri 5764

Editorial - September 2003
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Rosch haschanah 5764
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Politik
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Inerview
    • Die wirtschaftliche Revolution in Israel [pdf]

Strategie
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Reportage
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Medizinische Forschung
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Vatikan
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Italien
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    • Mit Lieb und Seele! [pdf]
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Kunst und Kultur
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Ethik und Judentum
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Mit Lieb und Seele!

Von Roland S. Süssmann
In den letzten fünfzig Jahren kam einem nur ein Name in den Sinn, wenn man von einem Rabbi in Italien sprach, derjenige des Grossrabbiners von Rom, Professor Elio Toaff. Im Alter von 86 Jahren wollte dieser hohe Würdenträger nun in den wohlverdienten Ruhestand treten und übergab das Amt seinem Nachfolger, dem Grossrabbiner Dr. RICCARDO SCHMUEL DI SEGNI, der Ende 2001 auf diesen ehrenvollen Posten ernannt wurde und im Februar 2002 seine Arbeit aufnahm. Grossrabbiner Di Segni ist 52 Jahre alt, verheiratet und Vater von drei Kindern. Er ist Chefarzt der Radiologieabteilung eines der grössten Krankenhäuser von Rom, studierte an der Universität von Minnesota Medizin und war seit 1999 Leiter des rabbinischen Kollegiums von Rom. Er hat ebenfalls zahlreiche Werke veröffentlicht und setzte sich schon immer intensiv für den Dialog zwischen den Religionen ein.

Wir wollten wissen, mit welcher Einstellung der neue Oberrabbiner von Rom arbeiten wird, der in Wirklichkeit auch die Aufgaben eines Grossrabbiners von Italien übernimmt, obwohl dieser Titel und diese Funktion offiziell nicht existieren, und wurden zu diesem Zweck in seinem phantastischen, mit alten Möbeln ausgestatteten Büro empfangen, in dem eine Atmosphäre der grossen Ruhe herrscht.

Unsere allererste Frage lautet: wer sind Ihre Gläubigen?

In Italien werden die Gemeinden nach dem Ort, an dem sie sich befinden, eingeteilt und aufgeführt. Jeder Mensch, der gemäss den Regeln der Halachah als Jude geboren wird (nämlich von einer jüdischen Mutter), ist berechtigt ein Mitglied der Gemeinde zu sein. Im Allgemeinen tragen die Eltern das Kind sofort nach seiner Geburt ein. Natürlich steht es jedem frei, die Gemeinschaft auf Wunsch wieder zu verlassen, doch diese Gesuche sind sehr selten. Unsere Gemeinde ist auf dem Papier orthodox, doch natürlich führt jeder sein Leben, wie er es für richtig hält. Interessanterweise kann man feststellen, dass heute eine bedeutende Wiederbelebung der Religion stattfindet und dass wir gleichzeitig vor einem Problem stehen, das heftige Meinungsverschiedenheiten auslöst, nämlich die Konvertierung von Kindern aus gemischten Ehen, deren Mutter keine Jüdin ist. Wir befinden uns folglich in einer etwas paradoxen Situation: einerseits tun wir alles, um den Zusammenhalt der Gemeinschaft zu verstärken, und andererseits müssen wir mit einer Reihe von Spannungen umgehen, was nicht wirklich zur Schaffung einer echten, ruhigen Atmosphäre beiträgt. Was die Ausübung des Glaubens angeht, so besuchen im Winter am Schabbatmorgen ungefähr tausend Gläubige die römischen Synagogen. In den Monaten Juni und Juli verdoppelt sich diese Zahl sozusagen und zwar aufgrund der zahlreichen Eheschliessungen und anderer Familienfeiern. Natürlich behagt mir diese Situation nicht sonderlich und ich bin der Ansicht, dieser Anteil sei im Verhältnis zu den hier lebenden Juden eindeutig unzureichend. Es ist hingegen interessant zu sehen, dass es in Rom viele koschere Restaurants gibt, was sehr viel über die Lebenskraft und Solidität der Gemeinschaft aussagt. Dies beweist nämlich, dass die Juden im Ausgang nicht zögern koscher essen zu gehen, was an vielen anderen Orten nicht der Fall ist. Darüber hinaus vermerken wir einen deutlichen Anstieg der strengen Observanz der Gesetze über die Reinheit der Familie und demnach auch der Besuche in den rituellen Bädern (Mikvaoth).

Dies alles klingt sehr ermutigend, doch wie steht es um die Jugend?

Im Grossen und Ganzen besitzt sie eine recht ausgeprägte jüdische Identität und fühlt sich mit Israel sehr verbunden. Wir stehen allerdings vor einem ernsthaften Problem, denn da wir ein kleine Gemeinde sind, ist es alles andere als einfach, den Partner fürs Leben zu finden. Es gibt viele gemischte Ehen und viele gemischte Paare, die zusammenleben. Wir müssen uns bei der Jugend also ganz besonders anstrengen. Vor kurzem wurde ich zu einem privaten Diskussionsabend mit jungen Erwachsenen eingeladen und war überrascht zu sehen, dass 150 Personen an diesem Anlass erschienen. Dies bedeutet, dass ein Potential und eine gewisse Erwartung uns gegenüber vorhanden ist, auf die ich in jedem Fall reagieren möchte. In Bezug auf die Ausbildung gibt es die formelle Erziehung im Rahmen der Schule. Was die Erwachsenenbildung betrifft, werden zahlreiche Kurse und Vorträge zu jüdischen Themen im Rahmen des rabbinischen Kollegiums angeboten, die Menschen aus allen Altersgruppen anziehen, darunter auch viele Jugendliche. Es existieren auch einige jüdische kulturelle Organisationen und zwei Jugendbewegungen, Bne Akiva und Hachomer Hatsaïr.
Mir ist aufgefallen, dass sich unsere Bemühungen bezahlt machen. Die verschiedenen Aktivitäten werden in der Tat immer rege besucht und es ist unsere Pflicht, noch mehr Lehrer und Betreuer für die Jugend bei uns zu verpflichten. Es stellt manchmal ein Problem dar, Leute zu finden, die Italienisch sprechen; in diesem Bereich müssen wir noch mehr in die Ausbildung von jungen Leuten investieren, die später die Botschaft des Judentums verbreiten können und bereit sind, im Rahmen der Gemeinschaft zu arbeiten. Heute gibt es noch zu wenig von ihnen.

Beim Lesen des offiziellen Textes, den Ihnen Johannes Paul II. zukommen liess, in dem es insbesondere heisst: «Ich möchte den tiefen Wunsch der katholischen Kirche betonen, die Bande der Freundschaft und der Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde zu verstärken», könnte man annehmen, dass alles unternommen wird, damit die Beziehungen wirklich gut sind. Wie sieht die Realität aus?

In seinen Briefen ist der Vatikan immer perfekt gewesen. Ich war aber trotzdem überrascht, dass der Papst unmittelbar nachdem er mich und eine Delegation von Honoratioren der jüdischen Gemeinde empfangen hatte, am selben Ort auch Tarek Aziz empfing... Dies nur so am Rande. Wir haben um diese Audienz gebeten, weil der gegenwärtige Papst ausgezeichnete Beziehungen mit meinem Vorgänger pflegte und wir dem Vatikan mitteilen wollten, dass die Gemeinschaft an der Aufrechterhaltung guter Beziehungen sehr interessiert sei. Dies war unser einziges Ziel bei diesem Treffen. Doch seither hat sich ein interessantes Ereignis abgespielt. Eine Delegation von israelischen Grossrabbinern hat nämlich eine Woche im Vatikan verbracht, um mit den Kardinälen an wesentlichen Fragen betreffend die zukünftigen Beziehungen zwischen dem jüdischen Volk und der Kirche zu arbeiten. Nach dieser Sitzung wurde ein gemeinsames Dokument veröffentlicht, das die Grundlage für die gemeinsame Tätigkeit in der Zukunft darstellen kann.

Es scheint, dass der Antisemitismus in Italien etwas zunimmt. Glauben Sie, dass dies wirklich so ist?

Wir erleben tatsächlich, wie andernorts auch, eine Vermischung der Situation in Israel mit dem Antisemitismus. Dies trifft insbesondere in den höchsten intellektuellen Sphären der Linken zu, wo alles mit einem Anflug von offen zur Schau getragenem Antisemitismus in einen Topf geworfen wird: der Kampf des Ostens gegen den Westen, der Kampf der Armen gegen die Reichen, mit dem das Anliegen der «Palästinenser» eng verknüpft wird. Die Auswirkungen dieser Publikationen sind verheerend und finden leider auf zahlreichen Ebenen der Intelligentsija Anklang, einschliesslich bei einer gewissen Presse.

Neben der riesigen Verantwortung, die Ihnen für die geistliche Führung der jüdischen Gemeinde von Rom übertragen wurde, und als «primus inter pares» in Italien sind Sie weiterhin als Arzt tätig. Wie vereinen Sie diese beiden Aktivitäten?

Es stimmt, dass diese beiden Funktionen nur schwer miteinander vereinbar sind. Ich habe aber mein Rabbinerstudium nicht absolviert, um als Rabbi in einer Gemeinde zu dienen. Ich habe schon immer meine Freizeit dem Studium, der Forschung, der Lehre und dem Schreiben gewidmet. Mein Ziel bestand darin, das Judentum so weit wie möglich zu verbreiten. Die Einbindung in dieser Form in das Leben der Gemeinschaft stellt für mich also etwas Neues dar. Früher, und nicht nur zur Zeit der Talmudmeister und im Mittelalter, sondern fast bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts, war es in Italien üblich, dass die Rabbiner einen Beruf ausübten. Als das rabbinische Kollegium von Padua 1559 gegründet wurde, gestattete das ursprüngliche Reglement nur denjenigen Personen die Zulassung zum Studium, die ein Lizentiat in Literatur, Medizin oder Recht besassen, damit die Rabbiner von ihren Gemeinden finanziell unabhängig sein konnten. Die Schwierigkeit, beide Tätigkeiten miteinander zu verbinden, wurde auf meisterliche Art von Rambam (Rabbi Mosche Ben Maïmon, auch Maïmonides genannt, 1135-1204) ausgedrückt, der an seinem Lebensende schrieb, wie sehr er es bedauere, dass sein beruflicher Erfolg ihn daran gehindert habe, mehr Zeit in das Studium der Torah zu stecken. Es gibt also keine festen Regeln für den Umgang mit dieser Situation. Das Leben lehrt es uns. Für mich handelt es sich um eine neue Erfahrung, und heute kann ich eigentlich nur eines sagen: beide Aufgaben zusammen sind mit grossen Anstrengungen verbunden. Eines meiner Erfolgsgeheimnisse besteht aus der Art und Weise, wie die Zeit zwischen beiden Tätigkeiten aufgeteilt wird.

Seit Sie Grossrabbiner von Rom sind, kann man behaupten, dass Sie Ihre Mitmenschen auf Leib und Seele prüfen. Glauben Sie, dass Sie aufgrund Ihrer neuen Aufgabe ein besserer Arzt geworden sind, oder dass Sie im Gegenteil ein guter Rabbiner sind, weil Sie auch als Arzt arbeiten?

Ich habe mich in beiden Bereichen verbessert. Von meinem Büro als Rabbiner aus sehe ich die Welt und die Menschen aus einer ganz anderen Perspektive. Die Beziehung zu meinen Patienten und mein Verständnis für ihre Probleme haben sich grundlegend verändert, seit ich dieses Amt hier ausübe. Darüber hinaus kann ich in meine Arbeit als Rabbi wissenschaftliche und technische Elemente einführen, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich meine Beziehungen zu meinen Glaubensbrüdern ganz anders angehe als ausschliesslich über die Welt der Torah, deren riesige Bedeutung ich aber keinesfalls schmälern möchte. Abschliessend würde ich sagen, dass ich gegenwärtig zwei sich ergänzende Berufe ausübe und erst mit der Zeit erfahren werde, ob ich darin erfolgreich war.

DAS BETH DIN

Rav Shalom Bahbut ist im rabbinischen Gericht (Beth Din) für Scheidungsfragen und Konvertierungen zuständig. Eines der grossen Probleme, vor denen die jüdische Gemeinde von Rom heute steht, betrifft die Konvertierung der Kinder, deren Mütter nicht Jüdinnen sind. Rabbi Bahbut hat ein Konvertierungsverfahren eingeführt, das nicht zwingend den Glaubenswechsel der Mutter vorschreibt, jedoch verlangt, dass die Kinder eine jüdische Schulbildung erhalten und dass die Familie die Regeln der Kaschruth und den Schabbat einhalten. Was die Konvertierung von Erwachsenen angeht, erhält die Gemeinschaft gegenwärtig sehr viel mehr Anfragen als in der Vergangenheit. Die Regeln sind sehr streng und Rav Bahbut studiert jeden Fall äusserst gründlich, bevor er ihn dem Beth Din vorlegt. Das rabbinische Gericht muss sich natürlich auch mit zahlreichen Scheidungsfällen und anderen Streitsachen aller Art auseinandersetzen. Es arbeitet ebenfalls mit einem israelischen Rabbiner an der Schaffung eines «Eruv» (Festlegung einer sogenannten privatisierten Zone, in der es erlaubt ist, am Tag von Schabbat und Jom Kippur etwas auf sich zu tragen). Dies erfordert eine von der Stadt ausgestellte Sondergenehmigung, über die zurzeit verhandelt wird.

DAS JÜDISCHE SPITAL IN ROM

In ganz Europa gibt es nur noch ein einziges jüdisches Krankenhaus: es liegt auf der Tiber-Insel mitten im Stadtzentrum von Rom. Das Krankenhaus befindet sich in einem ehemaligen Kloster und ist vollständig in das nationale Krankenversicherungssystem integriert. Es umfasst ca. 125 Betten und ist in erster Linie für ältere Menschen bestimmt. Es werden fast alle traditionellen medizinischen und chirurgischen Dienstleistungen angeboten. Der Unterschied besteht in der Tatsache, dass an Schabbat und anderen Feiertagen weder Aufnahmen noch Entlassungen stattfinden, dass die Mahlzeiten streng koscher sind und dass chirurgische Eingriffe (ausser im Notfall) weder am Schabbat oder anderen Feiertagen vorgenommen werden. Interessanterweise nimmt das Spital auch nichtjüdische Patienten auf.
Im obersten Stock des Gebäudes befinden sich ein Altersheim sowie eine Synagoge.
Das Krankenhaus wird seit 1986 von Professor Raffaele Sadun geleitet, einem Chirurgen des Oberarms, der dieser fast hundertjährigen Einrichtung neuen Auftrieb verliehen hat. Heute geniesst das jüdische Krankenhaus einen ausgezeichneten Ruf, zahlreiche Persönlichkeiten, insbesondere aus Politik und Kirche, lassen sich hier gesund pflegen. Darüber hinaus fungiert der Klinikchef Dr. Zuccaro auch als Arzt des Papstes. Als Anekdote wird erzählt, dass die jüdischen Ärzte des Krankenhauses sich köstlich darüber amüsieren, dass der Arzt des Papstes während seiner Arbeitszeit koscher essen muss und an Pessach Matzoth serviert bekommt...

VON TRIPOLIS NACH ROM

1912 wurde Libyen, das sich noch in den Händen der Osmanen befand (Friedensvertrag von Ouchy), von Italien erobert. Sofort nach der Machtübernahme der Italiener schickte die jüdische Gemeinde von Rom Rabbiner nach Tripolis. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten fast 30’000 Juden in Libyen. Nach dem Aufkommen des Faschismus in Italien kam es zu einer Reihe von judenfeindlichen Ausschreitungen, «kleine lokale Führer» verlangten von den Juden, dass sie ihre Geschäfte auch am Schabbat öffneten, was diese trotz der Angriffe und Strafen nie taten. Während der Schoah hatte der italienische Gouverneur in Italien judenfeindliche diskriminierende Massnahmen eingeführt. Ab 1942 wurden die jüdischen Geschäfte während der erneuten Besetzung von Benghazi durch die Achsenmächte systematisch geplündert, 2’600 Menschen wurden in ein Zwangsarbeitslager in der Wüste Giado deportiert. Dieses Exil dauerte 14 Monate, in deren Verlauf 562 Juden an Hunger und am Typhus starben. Im April 1942 wurden 1’400 jüdische, aus Tripolis stammende Männer zwischen 18 und 45 Jahren in ein Zwangsarbeitslager nach Homs gebracht, wo sie unter den britischen Bombenangriffen am Bau der Eisenbahnlinie zwischen Libyen und Ägypten mitarbeiteten. Sobald die Briten eintrafen und das Land besetzten, insbesondere zwischen 1945 und 1948, führten die Araber mehrere Pogrome gegen die jüdische Gemeinschaft durch, natürlich ohne dass die Besatzungsmacht auch nur einen kleinen Finger zum Schutz der Juden gerührt hätte. Zwischen 1948 und 1952 emigrierte der grösste Teil der jüdischen Gemeinschaft von Tripolis nach Israel. Nach der Schaffung des unabhängigen Bundesstaates unter der Herrschaft von König Idris I. beschlossen die Juden nämlich auszuwandern. 1953 lebten nur noch 5’000 Juden in Libyen, von denen die meisten in Tripolis wohnten; mit der Zeit verliessen die Juden aber das Land und liessen sich wieder in Italien nieder. Diese 1953 einsetzende Entwicklung weitete sich 1956 während des Sinai-Kriegs aus und endete mit der Ausreise der letzten Juden nach dem Sechstagekrieg und der Machtübernahme durch Ghadafi 1969. Bei dieser Gelegenheit fand in Tripolis ein Pogrom statt, zwanzig Juden wurden dabei ermordet. Die meisten libyschen Juden, die nach Italien emigrierten, leben heute in Rom, die anderen verteilten sich auf die übrigen Gemeinden Italiens. In Rom bauten sie Synagogen, so dass heute drei Synagogen dem Ritus von Tripolis verpflichtet sind. Die aus Libyen stammenden Gemeinschaften haben sich aber freiwillig in die jüdische Gemeinde von Rom und deren Struktur integriert und besitzen keinen eigenen Rabbiner.
Im Allgemeinen war das jüdische Leben in Rom recht eintönig, doch das Eintreffen der libyschen Juden verlieh dem Gemeindeleben neue Impulse. Obwohl ein Teil der aus Libyen stammenden Gemeinschaft sich assimiliert hat, wirkte sich dieser massive Einwanderungsstrom von Juden vom gegenüberliegenden Mittelmeerufer direkt auf den Alltag aus. Es gab plötzlich zehn Mal mehr koschere Metzgereien und Restaurants und das jüdische Leben im Allgemeinen wurde im Vergleich zu früher viel dynamischer. Die Juden von Tripolis hängen sehr an ihren liturgischen wie auch an ihren kulinarischen Traditionen.
Es ist interessant zu sehen, dass die Ankunft der libyschen Juden dieselbe Wirkung auf die italienische Gemeinde hatte wie das Eintreffen der Juden aus Nordafrika auf Frankreich. Ohne diese beiden Einwanderungswellen hätten die zwei Gemeinschaften, die eine alarmierende Assimilierung verzeichneten, wahrscheinlich nie den frischen Aufschwung erlebt, von dem sie heute noch profitieren.

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