In den letzten fünfzig Jahren kam einem
nur ein Name in den Sinn, wenn man
von einem Rabbi in Italien sprach, derjenige
des Grossrabbiners von Rom, Professor
Elio Toaff. Im Alter von 86 Jahren
wollte dieser hohe Würdenträger nun in
den wohlverdienten Ruhestand treten
und übergab das Amt seinem Nachfolger,
dem Grossrabbiner Dr. RICCARDO
SCHMUEL DI SEGNI, der Ende 2001 auf
diesen ehrenvollen Posten ernannt
wurde und im Februar 2002 seine Arbeit
aufnahm. Grossrabbiner Di Segni
ist 52 Jahre alt, verheiratet und Vater
von drei Kindern. Er ist Chefarzt der
Radiologieabteilung eines der grössten
Krankenhäuser von Rom, studierte an
der Universität von Minnesota Medizin
und war seit 1999 Leiter des rabbinischen
Kollegiums von Rom. Er hat
ebenfalls zahlreiche Werke veröffentlicht
und setzte sich schon immer intensiv
für den Dialog zwischen den Religionen
ein.
Wir wollten wissen, mit welcher Einstellung der neue
Oberrabbiner von Rom arbeiten wird, der in Wirklichkeit
auch die Aufgaben eines Grossrabbiners von Italien
übernimmt, obwohl dieser Titel und diese Funktion
offiziell nicht existieren, und wurden zu diesem
Zweck in seinem phantastischen, mit alten Möbeln
ausgestatteten Büro empfangen, in dem eine Atmosphäre
der grossen Ruhe herrscht.
Unsere allererste Frage lautet: wer sind Ihre Gläubigen?
In Italien werden die Gemeinden nach dem Ort, an
dem sie sich befinden, eingeteilt und aufgeführt. Jeder
Mensch, der gemäss den Regeln der Halachah als Jude
geboren wird (nämlich von einer jüdischen Mutter), ist
berechtigt ein Mitglied der Gemeinde zu sein. Im
Allgemeinen tragen die Eltern das Kind sofort nach
seiner Geburt ein. Natürlich steht es jedem frei, die
Gemeinschaft auf Wunsch wieder zu verlassen, doch
diese Gesuche sind sehr selten. Unsere Gemeinde ist
auf dem Papier orthodox, doch natürlich führt jeder
sein Leben, wie er es für richtig hält. Interessanterweise
kann man feststellen, dass heute eine bedeutende
Wiederbelebung der Religion stattfindet und
dass wir gleichzeitig vor einem Problem stehen, das
heftige Meinungsverschiedenheiten auslöst, nämlich
die Konvertierung von Kindern aus gemischten Ehen,
deren Mutter keine Jüdin ist. Wir befinden uns folglich
in einer etwas paradoxen Situation: einerseits tun
wir alles, um den Zusammenhalt der Gemeinschaft zu
verstärken, und andererseits müssen wir mit einer Reihe
von Spannungen umgehen, was nicht wirklich zur
Schaffung einer echten, ruhigen Atmosphäre beiträgt.
Was die Ausübung des Glaubens angeht, so besuchen
im Winter am Schabbatmorgen ungefähr tausend
Gläubige die römischen Synagogen. In den Monaten
Juni und Juli verdoppelt sich diese Zahl sozusagen und
zwar aufgrund der zahlreichen Eheschliessungen und
anderer Familienfeiern. Natürlich behagt mir diese
Situation nicht sonderlich und ich bin der Ansicht, dieser
Anteil sei im Verhältnis zu den hier lebenden
Juden eindeutig unzureichend. Es ist hingegen interessant
zu sehen, dass es in Rom viele koschere Restaurants
gibt, was sehr viel über die Lebenskraft und
Solidität der Gemeinschaft aussagt. Dies beweist nämlich,
dass die Juden im Ausgang nicht zögern koscher
essen zu gehen, was an vielen anderen Orten nicht der
Fall ist. Darüber hinaus vermerken wir einen deutlichen
Anstieg der strengen Observanz der Gesetze
über die Reinheit der Familie und demnach auch der
Besuche in den rituellen Bädern (Mikvaoth).
Dies alles klingt sehr ermutigend, doch wie steht es um
die Jugend?
Im Grossen und Ganzen besitzt sie eine recht ausgeprägte
jüdische Identität und fühlt sich mit Israel sehr
verbunden. Wir stehen allerdings vor einem ernsthaften
Problem, denn da wir ein kleine Gemeinde sind, ist
es alles andere als einfach, den Partner fürs Leben zu
finden. Es gibt viele gemischte Ehen und viele gemischte
Paare, die zusammenleben. Wir müssen uns bei
der Jugend also ganz besonders anstrengen. Vor kurzem
wurde ich zu einem privaten Diskussionsabend
mit jungen Erwachsenen eingeladen und war überrascht
zu sehen, dass 150 Personen an diesem Anlass
erschienen. Dies bedeutet, dass ein Potential und eine
gewisse Erwartung uns gegenüber vorhanden ist, auf
die ich in jedem Fall reagieren möchte. In Bezug auf
die Ausbildung gibt es die formelle Erziehung im
Rahmen der Schule. Was die Erwachsenenbildung betrifft,
werden zahlreiche Kurse und Vorträge zu jüdischen
Themen im Rahmen des rabbinischen Kollegiums
angeboten, die Menschen aus allen Altersgruppen
anziehen, darunter auch viele Jugendliche. Es
existieren auch einige jüdische kulturelle Organisationen
und zwei Jugendbewegungen, Bne Akiva und
Hachomer Hatsaïr.
Mir ist aufgefallen, dass sich unsere Bemühungen
bezahlt machen. Die verschiedenen Aktivitäten werden in der Tat immer rege besucht und es ist unsere
Pflicht, noch mehr Lehrer und Betreuer für die Jugend
bei uns zu verpflichten. Es stellt manchmal ein
Problem dar, Leute zu finden, die Italienisch sprechen;
in diesem Bereich müssen wir noch mehr in die
Ausbildung von jungen Leuten investieren, die später
die Botschaft des Judentums verbreiten können und
bereit sind, im Rahmen der Gemeinschaft zu arbeiten.
Heute gibt es noch zu wenig von ihnen.
Beim Lesen des offiziellen Textes, den Ihnen
Johannes Paul II. zukommen liess, in dem es insbesondere
heisst: «Ich möchte den tiefen Wunsch der katholischen
Kirche betonen, die Bande der Freundschaft
und der Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde
zu verstärken», könnte man annehmen, dass alles
unternommen wird, damit die Beziehungen wirklich
gut sind. Wie sieht die Realität aus?
In seinen Briefen ist der Vatikan immer perfekt gewesen.
Ich war aber trotzdem überrascht, dass der Papst
unmittelbar nachdem er mich und eine Delegation von
Honoratioren der jüdischen Gemeinde empfangen
hatte, am selben Ort auch Tarek Aziz empfing... Dies
nur so am Rande. Wir haben um diese Audienz gebeten,
weil der gegenwärtige Papst ausgezeichnete Beziehungen
mit meinem Vorgänger pflegte und wir dem
Vatikan mitteilen wollten, dass die Gemeinschaft an
der Aufrechterhaltung guter Beziehungen sehr interessiert
sei. Dies war unser einziges Ziel bei diesem
Treffen. Doch seither hat sich ein interessantes Ereignis
abgespielt. Eine Delegation von israelischen
Grossrabbinern hat nämlich eine Woche im Vatikan verbracht, um mit den Kardinälen an wesentlichen
Fragen betreffend die zukünftigen Beziehungen zwischen
dem jüdischen Volk und der Kirche zu arbeiten.
Nach dieser Sitzung wurde ein gemeinsames Dokument
veröffentlicht, das die Grundlage für die gemeinsame
Tätigkeit in der Zukunft darstellen kann.
Es scheint, dass der Antisemitismus in Italien etwas
zunimmt. Glauben Sie, dass dies wirklich so ist?
Wir erleben tatsächlich, wie andernorts auch, eine
Vermischung der Situation in Israel mit dem
Antisemitismus. Dies trifft insbesondere in den höchsten
intellektuellen Sphären der Linken zu, wo alles
mit einem Anflug von offen zur Schau getragenem
Antisemitismus in einen Topf geworfen wird: der
Kampf des Ostens gegen den Westen, der Kampf der
Armen gegen die Reichen, mit dem das Anliegen der
«Palästinenser» eng verknüpft wird. Die Auswirkungen
dieser Publikationen sind verheerend und finden
leider auf zahlreichen Ebenen der Intelligentsija
Anklang, einschliesslich bei einer gewissen Presse.
Neben der riesigen Verantwortung, die Ihnen für die
geistliche Führung der jüdischen Gemeinde von Rom
übertragen wurde, und als «primus inter pares» in Italien
sind Sie weiterhin als Arzt tätig. Wie vereinen Sie
diese beiden Aktivitäten?
Es stimmt, dass diese beiden Funktionen nur schwer
miteinander vereinbar sind. Ich habe aber mein
Rabbinerstudium nicht absolviert, um als Rabbi in
einer Gemeinde zu dienen. Ich habe schon immer meine
Freizeit dem Studium, der Forschung, der Lehre
und dem Schreiben gewidmet. Mein Ziel bestand
darin, das Judentum so weit wie möglich zu verbreiten.
Die Einbindung in dieser Form in das Leben der
Gemeinschaft stellt für mich also etwas Neues dar.
Früher, und nicht nur zur Zeit der Talmudmeister und
im Mittelalter, sondern fast bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts,
war es in Italien üblich, dass die Rabbiner
einen Beruf ausübten. Als das rabbinische Kollegium
von Padua 1559 gegründet wurde, gestattete das ursprüngliche
Reglement nur denjenigen Personen die
Zulassung zum Studium, die ein Lizentiat in Literatur,
Medizin oder Recht besassen, damit die Rabbiner von
ihren Gemeinden finanziell unabhängig sein konnten.
Die Schwierigkeit, beide Tätigkeiten miteinander zu
verbinden, wurde auf meisterliche Art von Rambam
(Rabbi Mosche Ben Maïmon, auch Maïmonides genannt,
1135-1204) ausgedrückt, der an seinem Lebensende
schrieb, wie sehr er es bedauere, dass sein beruflicher
Erfolg ihn daran gehindert habe, mehr Zeit in
das Studium der Torah zu stecken. Es gibt also keine
festen Regeln für den Umgang mit dieser Situation.
Das Leben lehrt es uns. Für mich handelt es sich um
eine neue Erfahrung, und heute kann ich eigentlich
nur eines sagen: beide Aufgaben zusammen sind mit
grossen Anstrengungen verbunden. Eines meiner
Erfolgsgeheimnisse besteht aus der Art und Weise,
wie die Zeit zwischen beiden Tätigkeiten aufgeteilt
wird.
Seit Sie Grossrabbiner von Rom sind, kann man
behaupten, dass Sie Ihre Mitmenschen auf Leib und
Seele prüfen. Glauben Sie, dass Sie aufgrund Ihrer
neuen Aufgabe ein besserer Arzt geworden sind, oder
dass Sie im Gegenteil ein guter Rabbiner sind, weil Sie
auch als Arzt arbeiten?
Ich habe mich in beiden Bereichen verbessert. Von
meinem Büro als Rabbiner aus sehe ich die Welt und
die Menschen aus einer ganz anderen Perspektive. Die
Beziehung zu meinen Patienten und mein Verständnis
für ihre Probleme haben sich grundlegend verändert,
seit ich dieses Amt hier ausübe. Darüber hinaus kann
ich in meine Arbeit als Rabbi wissenschaftliche und
technische Elemente einführen, ganz zu schweigen
von der Tatsache, dass ich meine Beziehungen zu meinen
Glaubensbrüdern ganz anders angehe als ausschliesslich
über die Welt der Torah, deren riesige
Bedeutung ich aber keinesfalls schmälern möchte.
Abschliessend würde ich sagen, dass ich gegenwärtig
zwei sich ergänzende Berufe ausübe und erst mit der
Zeit erfahren werde, ob ich darin erfolgreich war.
DAS BETH DIN
Rav Shalom Bahbut ist im rabbinischen Gericht (Beth
Din) für Scheidungsfragen und Konvertierungen
zuständig. Eines der grossen Probleme, vor denen die
jüdische Gemeinde von Rom heute steht, betrifft die
Konvertierung der Kinder, deren Mütter nicht
Jüdinnen sind. Rabbi Bahbut hat ein Konvertierungsverfahren
eingeführt, das nicht zwingend den Glaubenswechsel
der Mutter vorschreibt, jedoch verlangt,
dass die Kinder eine jüdische Schulbildung erhalten
und dass die Familie die Regeln der Kaschruth und
den Schabbat einhalten. Was die Konvertierung von Erwachsenen angeht, erhält die Gemeinschaft
gegenwärtig sehr viel mehr Anfragen als in der
Vergangenheit. Die Regeln sind sehr streng und Rav
Bahbut studiert jeden Fall äusserst gründlich, bevor er
ihn dem Beth Din vorlegt. Das rabbinische Gericht
muss sich natürlich auch mit zahlreichen Scheidungsfällen
und anderen Streitsachen aller Art auseinandersetzen.
Es arbeitet ebenfalls mit einem israelischen
Rabbiner an der Schaffung eines «Eruv» (Festlegung
einer sogenannten privatisierten Zone, in der es
erlaubt ist, am Tag von Schabbat und Jom Kippur
etwas auf sich zu tragen). Dies erfordert eine von der
Stadt ausgestellte Sondergenehmigung, über die zurzeit
verhandelt wird.
DAS JÜDISCHE SPITAL IN ROM
In ganz Europa gibt es nur noch ein einziges jüdisches
Krankenhaus: es liegt auf der Tiber-Insel mitten im
Stadtzentrum von Rom. Das Krankenhaus befindet
sich in einem ehemaligen Kloster und ist vollständig in
das nationale Krankenversicherungssystem integriert.
Es umfasst ca. 125 Betten und ist in erster Linie für
ältere Menschen bestimmt. Es werden fast alle traditionellen
medizinischen und chirurgischen Dienstleistungen
angeboten. Der Unterschied besteht in der
Tatsache, dass an Schabbat und anderen Feiertagen
weder Aufnahmen noch Entlassungen stattfinden,
dass die Mahlzeiten streng koscher sind und dass chirurgische
Eingriffe (ausser im Notfall) weder am
Schabbat oder anderen Feiertagen vorgenommen werden.
Interessanterweise nimmt das Spital auch nichtjüdische
Patienten auf.
Im obersten Stock des Gebäudes befinden sich ein
Altersheim sowie eine Synagoge.
Das Krankenhaus wird seit 1986 von Professor Raffaele
Sadun geleitet, einem Chirurgen des Oberarms, der dieser
fast hundertjährigen Einrichtung neuen Auftrieb
verliehen hat. Heute geniesst das jüdische Krankenhaus
einen ausgezeichneten Ruf, zahlreiche Persönlichkeiten,
insbesondere aus Politik und Kirche, lassen sich
hier gesund pflegen. Darüber hinaus fungiert der
Klinikchef Dr. Zuccaro auch als Arzt des Papstes. Als
Anekdote wird erzählt, dass die jüdischen Ärzte des
Krankenhauses sich köstlich darüber amüsieren, dass
der Arzt des Papstes während seiner Arbeitszeit koscher
essen muss und an Pessach Matzoth serviert bekommt...
VON TRIPOLIS NACH ROM
1912 wurde Libyen, das sich noch in den Händen der Osmanen
befand (Friedensvertrag von Ouchy), von Italien
erobert. Sofort nach der Machtübernahme der Italiener
schickte die jüdische Gemeinde von Rom Rabbiner
nach Tripolis. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten
fast 30’000 Juden in Libyen. Nach dem Aufkommen des
Faschismus in Italien kam es zu einer Reihe von judenfeindlichen
Ausschreitungen, «kleine lokale Führer» verlangten
von den Juden, dass sie ihre Geschäfte auch am
Schabbat öffneten, was diese trotz der Angriffe und
Strafen nie taten. Während der Schoah hatte der italienische
Gouverneur in Italien judenfeindliche diskriminierende
Massnahmen eingeführt. Ab 1942 wurden die jüdischen
Geschäfte während der erneuten Besetzung
von Benghazi durch die Achsenmächte systematisch
geplündert, 2’600 Menschen wurden in ein Zwangsarbeitslager
in der Wüste Giado deportiert. Dieses Exil
dauerte 14 Monate, in deren Verlauf 562 Juden an Hunger
und am Typhus starben. Im April 1942 wurden 1’400
jüdische, aus Tripolis stammende Männer zwischen 18
und 45 Jahren in ein Zwangsarbeitslager nach Homs gebracht,
wo sie unter den britischen Bombenangriffen am
Bau der Eisenbahnlinie zwischen Libyen und Ägypten
mitarbeiteten. Sobald die Briten eintrafen und das Land
besetzten, insbesondere zwischen 1945 und 1948, führten
die Araber mehrere Pogrome gegen die jüdische Gemeinschaft
durch, natürlich ohne dass die Besatzungsmacht
auch nur einen kleinen Finger zum Schutz der
Juden gerührt hätte. Zwischen 1948 und 1952 emigrierte
der grösste Teil der jüdischen Gemeinschaft von Tripolis
nach Israel. Nach der Schaffung des unabhängigen Bundesstaates
unter der Herrschaft von König Idris I. beschlossen
die Juden nämlich auszuwandern. 1953 lebten
nur noch 5’000 Juden in Libyen, von denen die meisten
in Tripolis wohnten; mit der Zeit verliessen die Juden
aber das Land und liessen sich wieder in Italien nieder.
Diese 1953 einsetzende Entwicklung weitete sich 1956
während des Sinai-Kriegs aus und endete mit der Ausreise
der letzten Juden nach dem Sechstagekrieg und der
Machtübernahme durch Ghadafi 1969. Bei dieser Gelegenheit
fand in Tripolis ein Pogrom statt, zwanzig
Juden wurden dabei ermordet. Die meisten libyschen
Juden, die nach Italien emigrierten, leben heute in Rom,
die anderen verteilten sich auf die übrigen Gemeinden
Italiens. In Rom bauten sie Synagogen, so dass heute
drei Synagogen dem Ritus von Tripolis verpflichtet sind.
Die aus Libyen stammenden Gemeinschaften haben
sich aber freiwillig in die jüdische Gemeinde von Rom
und deren Struktur integriert und besitzen keinen eigenen
Rabbiner.
Im Allgemeinen war das jüdische Leben in Rom recht
eintönig, doch das Eintreffen der libyschen Juden verlieh
dem Gemeindeleben neue Impulse. Obwohl ein
Teil der aus Libyen stammenden Gemeinschaft sich assimiliert
hat, wirkte sich dieser massive Einwanderungsstrom
von Juden vom gegenüberliegenden Mittelmeerufer
direkt auf den Alltag aus. Es gab plötzlich zehn Mal
mehr koschere Metzgereien und Restaurants und das
jüdische Leben im Allgemeinen wurde im Vergleich zu
früher viel dynamischer. Die Juden von Tripolis hängen
sehr an ihren liturgischen wie auch an ihren kulinarischen
Traditionen.
Es ist interessant zu sehen, dass die Ankunft der libyschen
Juden dieselbe Wirkung auf die italienische Gemeinde
hatte wie das Eintreffen der Juden aus Nordafrika
auf Frankreich. Ohne diese beiden Einwanderungswellen
hätten die zwei Gemeinschaften, die eine
alarmierende Assimilierung verzeichneten, wahrscheinlich
nie den frischen Aufschwung erlebt, von dem sie
heute noch profitieren.
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