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Inhaltsangabe Italien Herbst 2003 - Tischri 5764

Editorial - September 2003
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Rosch haschanah 5764
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Das Massaker der ardeatinischen graben

Von Dr Efraïm Zuroff
Am 23. März 1944 liessen italienische Widerstandskämpfer, die einer nazifeindlichen kommunistischen Gruppe angehörten, eine mächtige Bombe auf der Via Rasella in Rom explodieren, als gerade eine SS-Einheit vorbeifuhr. Dabei wurden 33 deutsche Soldaten getötet. Am nächsten Tag gab das höchste deutsche Kommando in Berlin im Namen Hitlers den Befehl, für jeden getöteten Deutschen zehn Italiener hinrichten zu lassen. Der Mann, der damit beauftragt wurde, war SS-Obersturmbannführer Herbert Kappler, Chef der Gestapo in Rom. Mit der Unterstützung von Pietro Caruso, dem Chef der italienischen Polizei, trieb Kappler im Laufe einer Razzia 335 Italiener zusammen, d.h. fünf Geiseln mehr als erforderlich.
Sie wurden in das Hinterland von Rom geführt, in die ardeatinischen Grotten, wo sie von 73 SS-Offizieren, die je mindestens einen Italiener töten mussten, in Fünfer-Gruppen ermordet wurden. Die Opfer wurden vor Ort begraben. Unter ihnen befanden sich 75 Juden, die im Hinblick auf ihre Deportation nach Auschwitz bereits festgenommen worden waren. Erinnern wir daran, dass der Transport der in Rom lebenden Juden in die Vernichtungslager am 16. Oktober 1943 mit der Verhaftung zahlreicher einheimischer Juden begonnen hatte.
Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Kappler von den britischen Streitkräften verhaftet und 1947 den Italienern ausgeliefert. Ein Jahr später verurteilte ihn ein Militärgericht zu lebenslänglicher Haftstrafe, jedoch nicht wegen des Massakers in den adreatinischen Grotten, sondern für die Ermordung der fünf überzähligen Geiseln, die zusätzlich zur ursprünglich verordneten Zahl hingerichtet worden waren. Einige seiner Komplizen, darunter sein Adjutant SS-Sturmbannführer Durant Domizlakk, wurden freigesprochen, und zwar mit der Begründung, sie hätten nur den Befehlen ihrer Vorgesetzten gehorcht. 1977 wurde Kappler in Rom ins Krankenhaus gebracht und nutzte die Gelegenheit zur Flucht nach Deutschland, wo er ein Jahr später starb.
Während einige unter dem Befehl von Kappler stehende Offiziere kurz nach dem Krieg in Italien vor Gericht kamen und freigesprochen wurden, hat man die meisten von denen, die persönlich am Massaker beteiligt gewesen waren, nie gerichtlich verfolgt, so dass sie dem Gesetz entkommen konnten. Nur zwei von ihnen wurden schliesslich verhaftet und viele Jahre nach ihrer Tat verurteilt, obwohl niemand mehr daran glaubte, dass sie sich eines Tages für ihre Verbrechen rechtfertigen müssten. Wir berichten an dieser Stelle darüber, wie ein Projekt betreffend eine Untersuchung über deutsche Neonazis in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zur Verhaftung von zwei Nazis führte, die am 24. März 1944 in den ardeatinischen Grotten italienische Zivilpersonen – Juden und Nichtjuden - ermordet hatten.
Anfang 1993 wurde ein israelischer Agent namens Yaron Svoray vom Simon Wiesenthal Center nach Deutschland geschickt, um heimlich die dortige Bewegung der Neonazis und ihre Verbindungen zu rechtsradikalen Elementen in anderen Ländern zu untersuchen. Unter dem Deckmantel von «Ron Furey, Berichterstatter von The Right Way», einer Pseudo-Publikation der Rechtsextremen in Österreich, gelingt es Svoray in die Kreise der Neonazis aufgenommen zu werden und das Vertrauen einiger Führer der Bewegung zu gewinnen. Auf diese Weise erfährt er, dass Juan Maler, ein argentinischer Herausgeber antisemitischer Literatur, in Wirklichkeit Reinhard Kops hiess und früher Nazi-Offizier der Abwehr (militärischer Geheimdienst) gewesen war, der in Bulgarien, Serbien und Mazedonien gedient hatte. Die von ihm befehligte Einheit spielte eine aktive Rolle bei der Unterdrückung der lokalen Partisanen dieser Regionen. Später floh er über die «Rattenorganisation» nach Argentinien; dieses Netzwerk wurde von früheren Nazis und von katholischen Priestern aufgebaut, um die Flucht von Kriegsverbrechern nach Südamerika zu erleichtern. Zu den Nazis, die über diese Organisation nach Argentinien geflohen sind, gehören auch Adolf Eichmann und Dr. Josef Mengele.
Ein Jahr später bat Sam Donaldson, ein amerikanischer Reporter des Senders ABC für die Sendung Prime Time Live, das Simon Wiesenthal Center um Unterstützung; da er ein Programm über nationalsozialistische Kriegsverbrecher vorbereitete, die in Argentinien Unterschlupf gefunden hatten, war er für seine Untersuchung auf der Suche nach Informationen, Hinweisen usw. Das Center nannte den Namen von Kops und so reiste Anfang 1994 das Team von Donaldson nach San Carlos de Bariloche, einen Wintersportort in den Anden, ca. 1800 km südwestlich von Buenos Aires. Dort wohnte eine grosse deutsche Kolonie, auch Kops gehörte dazu.
Bei seiner Konfrontation mit Donaldson erklärte Kops, es gebe in Bariloche wichtigere Nazis als er, z.B. seinen Nachbarn Erich Priebke, der in der Gestapo von Rom gedient habe. Der Journalist hatte Priebke schnell aufgestöbert und erfuhr, dass er einer der SS-Offiziere gewesen war, welche die Massaker in den ardeatinischen Grotten durchgeführt hatten. Als ihn Donaldson nach seiner Tätigkeit während des Zweiten Weltkriegs befragte, gab der ehemalige Hauptsturmführer seine Teilnahme an den Hinrichtungen offen zu, beteuerte aber zuvor, er habe persönlich niemanden getötet und schliesslich seien diese Exekutionen gerechtfertigt gewesen, da es sich um «kommunistische Terroristen … gehandelt habe, die deutsche Soldaten auf dem Gewissen hatten».
Priebke war, wie auch Kappler, am Ende des Krieges in britische Gefangenschaft geraten, doch 1946 aus einem Gefangenenlager geflohen; im Jahr 1952 befand er sich bereits in Bariloche, zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen. Im Gegensatz zu anderen geflüchteten nationalsozialistischen Kriegsverbrechern änderte Priebke seinen Namen nicht und versuchte auch nie, seine Vergangenheit zu vertuschen. Viele Jahre lang besass er ein Feinkostgeschäft, in dem Wiener Spezialitäten, geräuchertes Fleisch und Käse verkauft wurden und das seine Mitbürger «Nazi Delicatessen» nannten. Priebke bekleidete ebenfalls das Amt des lokalen Präsidenten der deutsch-argentinischen Kulturvereinigung.
Nun, da der Aufenthaltsort von Priebke bekannt war, stellte ein italienisches Militärgericht einen Haftbefehl gegen ihn aus, und die italienische Regierung unternahm offizielle Schritte im Hinblick auf seine Auslieferung. In Bariloche selbst verhängte ein argentinischer Richter Hausarrest über ihn. Während Priebke auf den Entscheid der argentinischen Regierung betreffend seine Auslieferung wartete – da er in diesem Fall in Italien vor Gericht kommen würde –, brachte man weitere Einzelheiten über seine Rolle bei der Ermordung der italienischen Zivilpersonen ans Licht. Es gab da in erster Linie seine eigene, von 1946 stammende Erklärung, in der er seine Teilnahme an der Razzia der Opfer und den Mord an zwei der Zivilisten zugab. Vom italienischen Rundfunk befragte Zeugen bestätigten, dass Priebke einige der Geiseln vor ihrer Hinrichtung gefoltert hatte.
Am 4. Mai 1995 wurde die Auslieferung Priebkes von einem argentinischen Richter gutgeheissen, doch drei Monate später annullierte ein Appellationsgericht dieses Urteil mit der Begründung, der Vorfall sei angesichts der seither verstrichenen Zeit verjährt. Zu diesem Zeitpunkt stellte Deutschland einen Auslieferungsantrag wegen Mordanklage (wobei Priebke nichts gegen dieses Verfahren unternehmen wollte), doch letztendlich wurde er in Italien ausgeliefert. Sein Prozess begann am 8. Mai 1996 in Rom.
Während der Gerichtsverhandlung kam es zu verschiedenen Überraschungen. Die erste war der Zeugenbericht des SS-Sturmbannführers Karl Hass, der 1944 in der deutschen Botschaft in Rom gedient hatte. Nach der Verhaftung Priebkes gab er mehrere Interviews, in denen er antönte, dass der Angeklagte eine Teilnahme an den Hinrichtungen hätte ablehnen können. Er begab sich nach Rom, um am Prozess als Zeuge aufzutreten, doch nach einer vorgängigen Befragung versuchte Hass aus seinem Hotelzimmer zu fliehen und brach sich beim Sprung aus dem zweiten Stock die Hüfte. Die italienischen Staatsanwälte überwiesen ihn ins Militärspital Celio in Rom und Hass änderte seine Version der Dinge ab: Priebke hatte keine andere Wahl als den Befehlen zu gehorchen, sagte er, doch gleichzeitig liess er keinerlei Zweifel aufkommen betreffend seine eigene aktive Teilnahme an den Hinrichtungen. Er gab überdies zu (und widersprach somit den früheren Interviews), er habe selbst zwei der Geiseln umgebracht. Dieses Geständnis bedeutete, dass er selbst auch wegen des Massakers in den ardeatinischen Grotten vor Gericht gestellt werden konnte, und die italienischen Staatsanwälte klagten ihn schliesslich an. Die zweite Überraschung bestand aus der Entdeckung durch das italienische Radio eines Interviews, das Kappler persönlich im Jahr 1974 gegeben hatte und in dem er ebenfalls bestätigte, Priebke hätte die Teilnahme an den Hinrichtungen ablehnen können.
1996 wurde Priebke vom Gericht zwar für seine Verbrechen verurteilt, jedoch wegen der Bestimmungen zur Verjährung und wegen anderer mildernder Umstände auf freien Fuss gesetzt. Diese Entscheidung schockierte die Angehörigen und Freunde der Opfer zutiefst, die an der Urteilsverkündung teilnahmen: sie machten ihrer Wut und Bestürzung Luft. Eine protestierende Menge, hauptsächlich junge Juden aus Rom, hinderten Priebke und die Richter während acht Stunden am Verlassen des Gebäudes. Infolge des Skandals um diese Angelegenheit wurde das Urteil annulliert und Priebke wurde ein zweites Mal verhaftet.
1977, ein Jahr später, wurde Priebke erneut vor Gericht gestellt, diesmal zusammen mit Hass. Sie wurden beide verurteilt, ersterer zu 15 Jahren Haft, der zweite zu zehn Jahren und acht Monaten. Hass wurde aufgrund von mildernden Umständen freigesprochen und Priebkes Strafe in fünf Jahre Gefängnis umgewandelt; dennoch legten beide Berufung ein. Die italienischen Staatsanwälte reagierten darauf, indem sie noch schwerwiegendere Strafen aussprachen: am 28. März 1998 hoben die Richter die früheren Urteile ganz auf und verurteilten beide Angeklagten zu lebenslänglicher Haftstrafe.

Dr. Efraim Zuroff, Nazi-Jäger, Historiker, Schoah-Spezialist und Direktor des Jerusalemer Büros des Simon Wiesenthal Centers von Los Angeles.

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