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Inhaltsangabe Medizinische Forschung Herbst 2003 - Tischri 5764

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Den Zucker bekämpfen!

Prof. Zvi Laron

Von Professor Zvi Laron*
Als der Staat Israel noch jung war, beschrieb die Karikatur den typischen Israeli als einen «Bauern mit Doktortitel», was irgendwie nicht ganz falsch war. Doch seither hat sich einiges verändert, die Bauern sind Experten für biologische Landwirtschaft geworden und die Ärzte gehören zu den besten Forschern weltweit. Welches andere kleine Land, das sich seit seiner Gründung im Kriegszustand befindet, kann sich rühmen, eine so intensive, moderne und erfindungsreiche wissenschaftliche und technologische Forschung zu betreiben wie Israel? Heute möchten wir uns mit einem Problem auseinandersetzen, das die gesamte Welt heimsucht, mit einer Erkrankung, die schwer auf den Gesundheitskosten der öffentlichen Hand lastet, dem Diabetes mellitus juvenile. Wir haben eine weltweite Koryphäe auf diesem Gebiet, Professor ZVI LARON, gebeten, uns darüber zu informieren und uns den gegenwärtigen Stand der Forschung in diesem Bereich zu erläutern.

Der Diabetes mellitus ist eine Erkrankung, die von einer ungenügenden Insulinproduktion oder -wirkung verursacht wird. Es existieren mehrere Typen des Diabetes mellitus (DM oder Zuckerkrankheit). Der Typ-IDiabetes entsteht durch einen autoimmunen Prozess, der mit der Zeit die B-Zellen zerstört, die das Insulin in der Bauchspeicheldrüse produzieren. Der Typ-IIDiabetes, eine Form der Resistenz gegenüber dem Insulin, geht in den meisten Fällen mit Übergewicht einher; der Schwangerschaftsdiabetes gehört ebenfalls zum Typ II. Darüber hinaus gibt es noch eine Form von etwas selteneren genetischen Krankheiten, die entweder die Insulinproduktion oder die Wirkung des Insulins beeinträchtigen. Die Diabeteserkrankungen sowohl vom Typ I wie auch vom Typ II hängen von Genen ab, die bestimmte Menschen im Laufe ihres Lebens anfälliger machen für die Entwicklung der Erkrankung, oder sie aber davor schützen.
Im Folgenden werden wir uns mit den verschiedenen Formen des juvenilen oder primären Diabetes auseinandersetzen, die in den meisten Ländern (ausser in den USA) dem Typ angehören, der von einem autoimmunen Prozess verursacht wird (d.h. DM des Typs I); dabei befassen wir uns vor allem mit dem Beitrag Israels zu den Forschungsarbeiten in diesem Bereich.
Bis zur ersten Hälfte des 20. Jh. wurden Kinder und Jugendliche von allgemeinen Diabetologen und Endokrinologen behandelt, so dass man heute keine genauen Daten betreffend den juvenilen Diabetes besitzt. Die ersten statistischen Berichte entstanden zu Beginn der 60er Jahre und wurden vom Internationalen Symposium des Krankenhauses Beilinson in Israel angeregt, das von Professor Zvi Laron organisiert wurde: an diesem Kongress kamen Pädiater aus aller Welt zusammen, die Kinder mit Diabetes behandelten. Die Diskussionen führten zum Schluss, dass die Kenntnisse betreffend den juvenilen Diabetes vertieft werden müssten, um dadurch die Behandlung der betroffenen Kinder zu verbessern.
Von diesem Zeitpunkt an begann man nationale und regionale Berichte zu erstellen, es wurde eine Internationale Diabetes-Gesellschaft für Kinder und Jugendliche gegründet, die von einem Vorstand bestehend aus H. Lestradet (Paris), A. Loeb (Brüssel) und Zvi Laron (Petach Tikwah/ Tel Aviv) geführt wird. Auf diese Weise wurde das Endokrinologische Institut für Kinder und Jugendliche des Krankenhauses Beilinson (seit 1991, an das Schneider Children’s Medical Center angegliedert) zu einem der wichtigsten Forschungs- und Behandlungszentren für juvenilen Diabetes. In Pittsburgh und Helsinki entwickelten sich andere bedeutende Zentren.
Das von der Gruppe von Prof. Laron geführte nationale Register von Israel hat ein verstärktes Auftreten der Erkrankung in den Jahren 1965-1993 nachgewiesen. Beim Vergleich der Inzidenz in den verschiedenen ethnischen Gruppen der Bevölkerung treten verblüffende Resultate zutage: die höchste Inzidenz der Erkrankung ist bei den jemenitischen Juden zu beobachten, während sich die schwächste Inzidenz bei den israelischen Arabern zeigt. Auch in anderen Ländern stellt man ein vermehrtes Auftreten des juvenilen Diabetes fest. Finnland und die skandinavischen Länder im Allgemeinen sind besonders betroffen, desgleichen auch Sardinien. Angesichts der Tatsache, dass die genetischen Faktoren sich nicht stark verändert haben, schloss man daraus, dass die Erhöhung der Inzidenz wahrscheinlich auf Umweltfaktoren zurückzuführen ist.
Klinische Studien und Laborversuche haben gezeigt, dass der Typ-I-Diabetes ausser bei Säuglingen einen progressiven Krankheitsverlauf aufweist. Sobald die autoimmune Erkrankung ausgebrochen ist, wird ein zerstörerischer Prozess in Gang gesetzt, der anhand der Messung der Inselzellantikörper (ICA) beobachtet werden kann. Von dem Zeitpunkt an, da 70-80 % der Pankreas-Inselzellen zerstört worden sind, treten die klinischen Symptome (Gewichtsverlust, Polyurie, Polydipsie) während der Stoffwechseldekompensation auf und führen zu Hyperglykämie. Bleibt eine Behandlung aus, folgt nun die Ketoazidose (Störung des Säurehaushaltes im Blut infolge des Fettabbaus) oder gar das Koma (Bewusstlosigkeit und Tod).
Da die zweite Hälfte des vergangenen Jahrhunderts von einer wachsenden Verstädterung und einer radikalen Veränderung der Lebensgewohnheiten geprägt war, scheint die Hypothese, dass Umweltfaktoren für die schnell wachsende Inzidenz von Diabetes verantwortlich sind, eigentlich plausibel. Es stellt sich nun die Frage, wie diese Faktoren genau aussehen. Handelt es sich um chemische Giftstoffe der Umweltverschmutzung, um bestimmte Nahrungsmittel (Kuhmilch), Nahrungszusätze oder infektiöse Stoffe?
Aufgrund einiger Fakten kann der Typ-I-DM auf einen viralen Ursprung zurückgeführt werden. Seit 1972 weiss man, dass die anfänglichen klinischen Symptome der Erkrankung häufiger im Herbst und im Winter auftreten, wenn virale Epidemien umgehen; der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, scheint demnach eine Virusinfektion zu sein. Man kann sich fragen, ob der ursprüngliche Auslöser des autoimmunen Prozesses ebenfalls von einem Virus ausgeht. Das Auftreten von Diabetes bei Kindern nach einer Rötelnepidemie in den Vereinigten Staaten schien diese Hypothese zu bestätigen. Andere Fakten weisen ebenfalls in diese Richtung, wie z.B. das ungewöhnliche Vorkommen von Viren (CMV, der Zytomegalievirus oder Coxackie B4) in den pankreatischen B-Zellen der an akutem Diabetes gestorbenen Kinder. Die Frage nach dem Auslöser von Typ-I-DM ist grundlegend für die Entwicklung präventiver Studien. Bei der Analyse der Gruppe von 1865 Kindern, die in Israel an Typ-I-Diabetes leiden, haben wir folgende Tatsache festgestellt: während die ursprünglichen klinischen Symptome der Erkrankung eher im Herbst oder im Winter auftreten, werden Kinder, die später an Diabetes erkranken, vor allem im Frühling und im Sommer befallen. Diese Daten (die eine Art Spiegeleffekt aufweisen) können wie folgt interpretiert werden: die schwangeren Mütter übertragen im Herbst und im Winter pathogene Viren auf den Fötus, wodurch der autoimmune Prozess ausgelöst wird; die betroffenen Kinder kommen in den meisten Fällen im Frühjahr oder im Sommer zur Welt, und bei denjenigen, die genetisch prädisponiert sind, bricht die Krankheit früher oder später aus.
Um die Gültigkeit unserer Beobachtungen zu bestätigen, haben wir in anderen Ländern epidemiologische Studien durchgeführt, zunächst in Europa (in Sardinien, wo eine grosse Inzidenz von Typ-I-DM zu beobachten ist, in Süddeutschland, in Berlin, in Belgien und Irland), wo ähnliche Ergebnisse auftraten. Anschliessend untersuchten wir Neuseeland in der südlichen Hemisphäre und erhielten dieselben Resultate. In den Ländern, in denen Typ-I-DM weniger häufig auftritt, gab es in der Gesamtbevölkerung keine saisonale Häufung in Bezug auf den Geburtsmonat (in Kuba, China und Japan). In den Regionen mit gemischter Population, mit gleichzeitiger starker und schwacher Inzidenz (USA, Sidney) waren die Ergebnisse statistisch nicht aussagekräftig.
In Schweden und Finnland durchgeführte Studien beweisen, dass die Viren in der Lage sind, die Schutzhülle der Plazenta zu durchdringen und den Fötus zu erreichen. Durch Blutproben, die den Müttern nach der Niederkunft und ihren Neugeborenen entnommen und dann aufbewahrt wurden, konnte gezeigt werden, dass die Mütter der Kinder, die später Typ-I-Diabetes entwickelt haben, mehr antivirale Antikörper aufwiesen als die Mütter von Kindern, bei welchen die Erkrankung nicht ausbrach.
Bei einer vor kurzem durchgeführten Studie, an der mehrere Zentren, darunter auch unsere Gruppe, mitwirkten, analysierte man in den Wintermonaten das Blut von Frauen in ihrer 20. Schwangerschaftswoche. Finnischen Virologen gelang es, eine umgekehrte Relation zwischen der Inzidenz des Typ-I-DM und den Enterovirusinfektionen innerhalb der Gesamtbevölkerung nachzuweisen. Diese Ergebnisse bedeuten, dass die infizierten Mütter ihrem Fötus auch antivirale Antikörper übertragen können, die ihn somit gegen den infektiösen Agens schützen.
Israel ist ein kleines Land mit einer Reihe von ethnischen Gruppen; hier ist sowohl eine grosse Inzidenz von Typ-I-DM (jemenitische Juden), als auch eine mittlere (aschkenasische Juden) und eine schwache Inzidenz (israelische Araber) zu beobachten. Es ist folglich ein ideales Land, um die Erforschung des wichtigsten Auslösers von Typ-I-DM fortzuführen und zu entdecken, welche Bedingungen eine Prädisposition zum Schutz gegen die Erkrankung schaffen und welche Umweltfaktoren (wiederholte Infekte, Ernährungsfaktoren, Toxine wie Dünger, Nitrat im Wasser usw.) letztendlich den Auslöser darstellen, sobald der autoimmune Prozess eingesetzt hat.
Wenn wir diese Fragen alle beantworten können, wird dies vielleicht zu den primären Präventionsmitteln gegen diese Erkrankung führen, die den Patienten ein Leben lang begleitet und deren chronische, schwächende Komplikationen trotz der therapeutischen Fortschritte der letzten Jahre bis heute nicht eingeschränkt werden können, ganz zu schweigen vom vorzeitigen Tod. Die Versuche der sekundären Prävention in Europa (Nicotinamid) und in den USA (Insulin) sind gescheitert. In der Zwischenzeit steigt die Inzidenz und die Erkrankung erfasst immer jüngere Kinder. Die Forschung im Hinblick auf eine primäre Prävention (Impfung oder frühzeitige Intervention im Immunsystem) und auf eine Identifizierung der wichtigsten Umweltfaktoren hat im Gesundheitswesen oberste Priorität erlangt. Unter denjenigen, die nach Lösungen suchen, steht die Forschungsabteilung für Endokrinologie und Diabetes unter der Leitung von Professor Zvi Laron des Schneider Children’s Medical Center an der Spitze der Wissenschaft. Einziges Hindernis für die Fortschritte des Teams ist das Fehlen finanzieller Mittel für die Forschung. Der juvenile Diabetes ist eine Erkrankung, die jedes unserer Kinder betreffen kann. Diese überaus wichtige Forschung verdient demnach unsere moralische und finanzielle Unterstützung. Wenn Sie sich daran beteiligen möchten, können Sie mit Professor Zvi Laron im Schneider Children’s Medical Center in Petach Tikwah Kontakt aufnehmen, E-mail: laronz@clalit.org.il.

* Professor Zvi Laron leitet die Forschungsabteilung für Endokrinologie und Diabetes im Schneider Children’s Medical Center in Petach-Tikwah.

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