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Inhaltsangabe Strategie Herbst 2004 - Tischri 5765

Editorial - September 2004
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Schutz und Verteidigung

Generalfeldmarschall Dan Halutz. Foto: Bethsabée Süssmann

Von Roland S. Süssmann
Im Verlauf einer einfachen, schlichten und herzlichen Feier, die am 15. Juli 2004 in den Büros des Premierministers Ariel Sharon stattfand, wurde der in Tel Aviv geborene 55-jährige Generalfeldmarschall DAN HALUTZ, ehemaliger Chef der Luftwaffe Israels, in den Grad eines stellvertretenden Generalstabschefs der Verteidigungsarmee des Staates Israel (IDF) erhoben. Die Redaktion von SHALOM schätzt sich stolz und glücklich, für ihre Leserinnen und Leser das allererste Interview veröffentlichen zu können, das Generalfeldmarschall Dan Halutz einer nicht israelischen Zeitung knapp drei Wochen nach Antritt seiner neuen Aufgaben gewährt hat.
Zum ersten Mal in der Geschichte des jungen Staates wird diese Funktion einem Mann aus der Luftwaffe übertragen, was viel über die Art des Kampfes aussagt, den Israel heute führen muss, und vor allem über die wesentliche Rolle, welche die Luftwaffe bei der Verteidigung Israels spielt. Die Armee schliesst die Möglichkeit nicht aus, dass der nächste Defensivkrieg, den sie austragen muss, sich auf einem Schlachtfeld sehr fern der israelischen Grenzen abspielen wird. In diesem Fall muss die IDF auf einen Mann zählen können, der das Kommando aus der Entfernung über zahlenmässig sehr bedeutende Truppen übernehmen kann, einschliesslich über Jets, Helikopter und Transportflugzeuge für die auf dem Luftweg transportierten leichteren Truppen. Dan Halutz steht der Luftwaffe, der er seit 1966 angehört, seit April 2000 vor. Während des Sechstagekriegs befand er sich noch in der Ausbildung, doch zum Zeitpunkt des Abnützungskriegs Ägyptens gegen Israel hat er sich durch zahlreiche Aktionen am Steuerknüppel des neuen F-4 hervorgetan. Überraschenderweise beschloss Dan Halutz 1973 eine Auszeit von der Armee zu nehmen, um zu studieren, doch der Kippurkrieg rief ihn sehr schnell zu den Fahnen zurück. Er führte damals 43 Kampfeinsätze durch und entschloss sich, seine berufliche Laufbahn in der Uniform zu absolvieren. Vier Jahre später verliess er jedoch die Armee erneut und arbeitete eine Zeit lang im Baugeschäft. Wiederum bewirkte der Krieg seine Rückkehr in die Armee, diesmal für die Operation «Frieden in Galiläa», die 1982 im Libanon stattfand. Mit den Jahren flog er verschiedene Flugzeugtypen, darunter auch das jüngste Modell des berühmten F-16, und erwarb das Wissen über die kompliziertesten Verteidigungssysteme. Dan Halutz leitete den Luftwaffenstützpunkt von Chatzor und wurde 1998 in den Generalstab gewählt. In seiner Eigenschaft als Chef der Luftwaffe achtet er darauf, dass er mindestens einmal wöchentlich den Steuerknüppel eines Jets und eines Helikopters bedient. Bis heute hat er über 4’500 Flugstunden absolviert. Man erzählt sich, dass er aus voller Kehle singt, wenn er am Steuer eines Flugzeugs sitzt… Dan Halutz ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen und einer Tochter.
Die neue Nummer Zwei der Armee empfing uns in ihrem Büro im Hauptquartier zu einer einstündigen Diskussion über das Thema Terrorismus. Die wesentlichsten Punkte dieser Analyse werden im Folgenden zusammengefasst.

Können Sie uns in wenigen Worten die aktuelle Lage beschreiben, mit der Israel an der arabischen Terrorfront konfrontiert ist?

Mir fällt es viel leichter, den Terror zu bekämpfen, als darüber zu sprechen. Zur Erklärung dieses Phänomens muss man sich daran erinnern, wo die Wurzeln des Terrorismus liegen und welcher Art der islamische Terror ist. Das Phänomen ist nicht neu, denn es entstand bereits vor 120 Jahren, als die weltweite Zionistenbewegung die sowohl dramatische als auch grundlegende Entscheidung traf, den Wiederaufbau einer nationalen Heimat für das jüdische Volk in Israel zu versuchen. Sobald sich die ersten Juden auf dem Territorium von Israel niedergelassen hatten, setzte der Terror ein. Er war nicht sehr gut organisiert, forderte aber dennoch Todesopfer und richtete Schaden an. Wenn ich mir die historische Entwicklung des Terrorismus ansehe, kann ich die Tatsache nicht ignorieren, dass wir in den Jahren 1929, 1936 und 1939 schlimme Höhepunkte des Terrors erlebt haben. Kurz vor und sofort nach der Staatserklärung richtete sich eine straff durchorganisierte Terrorkampagne gegen die jüdische Bevölkerung. Seither führen die benachbarten arabischen Länder einen erbitterten, gnadenlosen Kampf - auch wenn es nicht täglich zu Anschlägen kam - gegen die Existenz Israels im Nahen Osten und gegen den unabhängigen jüdischen Staat. Man kann davon ausgehen, dass die Kriege eigentlich der konzentrierte und geballte Ausdruck eines ununterbrochenen Konflikts waren. Seit 1967 können wir jedoch dieses Phänomen aus einem neuen Blickwinkel betrachten. Zum ersten Mal ging der Terror von Gebieten aus, die unserer Kontrolle unterstanden. Wir konnten keine fremde Regierung für diese Taten verantwortlich machen, auch wenn sie zu Beginn von einigen Staaten unterstützt wurden. Mit der Zeit stellten wir fest, dass dieser innenpolitische Terror immer grösseren Umfang annahm; die erste Explosion fand 1987 statt und dauerte bis 1991, bis zum ersten Golfkrieg. Dann setzte im September 2000 die zweite Terrorwelle ein und reicht nun bis in die Gegenwart.

Glauben Sie, dass sie bald beendet sein wird?

Überhaupt nicht, und gegenwärtig könnte ich auch nicht behaupten, dass wir ein baldiges Ende voraussehen. Wir stellen zwar fest, dass unsere Feinde deutlich weniger Erfolge zu verzeichnen haben. Doch vor der Analyse der verschiedenen Aspekte dessen, was in den vergangenen vier Jahren vorgefallen ist, möchte ich an eine Reihe von Fakten erinnern. Bis zum berüchtigten 11. September 2001 galten wir als diejenigen, die «mehr Verantwortung zu tragen haben als die anderen» in Bezug auf alles, was in unserer Region an terroristischen Aktivitäten geschah. Die Tragödien vom 11. September 2001 haben all denjenigen die Augen geöffnet, die noch nicht begriffen hatten, dass der Terrorismus ein weltweites Phänomen ist und als Problem nicht nur die Juden und die Israelis betrifft. Zum ersten Mal wurde ein gross angelegter aktiver Terroranschlag ausserhalb von Israel verübt, und nach diesen Angriffen trafen die Amerikaner die strategische Entscheidung, den Terror aktiv zu bekämpfen. Ich muss dazu auch sagen, dass wir, wenn wir den Terrorismus vom israelischen Standpunkt aus betrachten, drei Ebenen des Schreckens wahrnehmen: die lokale, die von den palästinensischen Organisationen gegen die Israelis eingesetzt wird; die regionale, die von den Nachbarländern ausgeht, an unserer Nordgrenze vor allem durch die Hisbollah, der vom Libanon, von Syrien und Iran direkt unterstützt wird; und schliesslich den internationalen Terror, der nicht nur uns im Visier hat, sondern auch Europa in Mitleidenschaft zieht, insbesondere Spanien und die Türkei, die USA, den Fernen Osten mit Indonesien und den Philippinen, sowie zahlreiche andere Gegenden, die nichts mit dem lokalen Konflikt direkt zu tun haben, mit dem wir täglich konfrontiert sind. Dieser von Al Kaida und den Bewegungen des islamistischen Dschihad ausgehende Terrorismus hat es auf jeden Fleck der westlichen Kultur abgesehen. Meines Erachtens handelt es sich um ein Problem, das die ganze Welt und in erster Linie Europa betrifft, obwohl sie diese Realität bis heute nicht wahrhaben wollen. Es ist jedoch nur eine Frage der Zeit, die Situation wird sie zwingen, sich mit dem Phänomen des Terrorismus auseinander zu setzen.

Obwohl Israel auf allen drei Niveaus direkt in den Konflikt involviert ist, verkörpert doch die erste Ebene eine Priorität in Ihrem täglichen Kampf. Können Sie diese Situation kurz analysieren?

Als die Gewalt vor vier Jahren wie ein Sommergewitter losbrach, erlebten wir die radikale Umkehr der Situation in Bezug auf relativ ruhige Perioden vor dieser Explosion des Schreckens. Die heisst nicht, dass wir überrascht worden wären, wir waren auf eine derartige Situation vorbereitet, da wir sie für ein mögliches Szenario gehalten hatten. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir ständig Verhandlungen mit der palästinensischen Behörde führten, um eine Lösung zu finden. Ausserdem hatte die israelische Regierung auf der Grundlage der Osloer Abkommen den Palästinensern ein überaus grosszügiges Angebot gemacht. Wir dachten, dass sich letztendlich alles positiv entwickeln würde und wir irgendwann in der Lage seien, einen für alle zufrieden stellenden Vertrag abzuschliessen. Leider sind diese schönen Hoffnungen geplatzt und wir hatten das Nachsehen. Die Verantwortlichen der palästinensischen Behörde entschlossen sich zum Versuch, noch mehr herauszuholen, indem sie den Terrorismus gegen uns einsetzte. Ich muss auch betonen, dass dieses Vorgehen von den Palästinensern angesichts unseres überstürzten Rückzugs aus dem Libanon gewählt wurde, den sie fälschlicherweise als ein Zeichen der Schwäche Israels interpretierten. Sie waren überzeugt, dass unser Rückzug aus dem Libanon bedeutete, wir seien nicht kampfbereit, wenn sich dies für die Verteidigung unserer Bevölkerung und unserer Häuser als notwendig erwiese. Wenn wir nicht überrascht worden wären, hätten wir effektiv nicht erwartet, dass sich das Phänomen so rasch ausbreiten würde. Die Ergebnisse, die wir heute verzeichnen können, widerspiegeln die Entwicklung, die wir in den vergangenen vier Jahren beobachtet haben. Zu Beginn haben wir unsere operationellen Fähigkeiten entwickelt, unsere Legitimierung zum Eingriff verstärkt und die Grenzen der Macht begriffen. Es besteht kein Zweifel daran, dass im Hinblick auf die eigentlichen Streitkräfte diejenigen der IDF denjenigen der Gegner haushoch überlegen sind. Doch in einem solchen Konflikt stellt sich die Frage, welche Art der Gewalt eingesetzt werden kann und, vor allem, wann man sie benutzen soll. Der 11. September hat die Berechtigung unseres Kampfes sehr deutlich verstärkt, insbesondere in den Augen der Amerikaner, die das direkte Ziel sehr schwerwiegender Terroranschläge waren. So wurden einige unserer Massnahmen, die wir vor diesem schicksalhaften Datum zu erklären versuchten, einfach nicht oder nur schwer verstanden. Dies ist heute nicht mehr der Fall, jedenfalls momentan. Leider fällt es den Europäern immer noch sehr schwer, unsere Position zu begreifen und zu akzeptieren. Ich sage «leider», da es mir nicht in den Kopf geht, wie man den Terrorismus nicht als negatives Phänomen wahrnehmen kann. Ab und zu habe ich den Eindruck, dass der gegen uns gerichtete Terror inoffiziell die moralische und intellektuelle Unterstützung der europäischen Länder bekommt. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sie nicht verstehen, was es bedeutet, terroristischen Organisationen Unterstützung, sei sie noch so gering, zukommen zu lassen. Es ist ihnen einfach nicht klar, dass die Terroristen, die sie heute unterstützen, sich von einem Tag auf den andern auch gegen sie wenden können. Diese Länder sind vor einer radikalen Kehrtwende in der Einstellung gewisser Terrororganisationen nicht geschützt, weil sie einige von ihnen finanzieren. Die Entscheidungen liegen in den Händen der Terroristen. Es wäre falsch zu glauben, ein Staat werde aufgrund seiner direkten oder indirekten Unterstützung anders behandelt als die übrigen, wenn es eines Tages den Terroristen gefällt, es diene ihren Interessen, in diesem oder jenem Land eine Welle des Terrors auszulösen, auch wenn sie von ihm jahrelang unterstützt wurden.

Sie sagten uns, der Kampf gegen den Terrorismus in Israel habe sich in den vergangenen vier Jahren verändert. Was meinen Sie genau damit?

Wir haben in der Tat verschiedene Perioden erlebt. Zu Beginn war es eher eine Art «Aufstand der Bevölkerung», in dessen Rahmen ziemlich viele bewaffnete Zivilpersonen selbst an den Scharmützeln teilnahmen. Natürlich hatten sie viele Opfer zu beklagen. Danach erlebten wir eine Änderung der Strategie und wurden zum Angriffsziel von Selbstmordattentätern, was wieder irgendwie einem neuen Phänomen entsprach. Damals wurden wir uns der Tatsache bewusst, dass die palästinensischen Verantwortlichen es nicht auf die israelischen Soldaten abgesehen hatten, sondern auf die Zivilisten. Obwohl jeder von uns diese schrecklichen Szenen noch vor Augen hat, möchte ich daran erinnern, dass diese Terroristen immer dort zuzuschlagen beschlossen, wo sie am meisten Schaden anrichten und die meisten Juden umbringen konnten, seien es nun Männer, Frauen, Kinder oder Greise. Der Wendepunkt wurde erreicht, als sich im März 2002 ein Selbstmordattentäter im Park-Hotel in Netanya in die Luft jagte und 29 Israelis umbrachte, die dort den Sederabend des Pessach-Festes feierten, sowie zahlreiche Menschen verletzte. In diesem Moment haben wir entschieden, uns bei den Terroristen zu infiltrieren, die der palästinensischen Behörde unterstellt sind. Seither sind wir nicht mehr von der Stelle gewichen und haben die Macht übernommen. Seither fand auch eine erneute Entwicklung in Bezug auf unsere Fähigkeiten statt, das Ausmass und die Häufigkeit des Terrors zu kontrollieren und zu reduzieren. Dies geschah nicht von heute auf morgen, doch innerhalb eines Jahres ist es uns allmählich gelungen, die Situation abhängig von unseren Entscheidungen und den Kriterien unserer Vorgehensweise zu managen. Parallel dazu haben wir die Streitkräfte so umstrukturiert, dass sie effizienter wurden. Wir sorgten für eine bessere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Abteilungen, zwischen Landtruppen und Luftwaffe, zwischen den verschiedenen Sicherheitsbüros und den Einsatzkräften. Dank dieser Kooperation konnten wir den Aktivitätsradius der Terroristen beträchtlich einschränken. Zunächst haben wir uns mitten in ihren Tätigkeitszentren niedergelassen, die sich immer noch in Jenin, Nablus, Ramallah, Tulkarem und in allen anderen lebenswichtigen Zentren von Judäa oder Samaria befinden. Ich beschränke mich jetzt darauf, nur diese zwei Regionen zu erwähnen, denn die Gaza-Frage ist schon wieder ein ganz anderes Thema. Unsere Präsenz in Judäa-Samaria, die sich nicht auf die arabischen Städte beschränkt, sondern auch die Dörfer und die Gegenden zwischen den Siedlungen betrifft, ermöglicht uns ein sehr rasches Eingreifen. Wir können alle ihre Bewegungen beobachten und kontrollieren. Auf der Ebene der Nachrichtendienste haben wir es geschafft, uns dank der Entwicklung spezieller technischer Hilfsmittel in alle Bereiche einzuschleusen. Ganz ohne Eigenlob kann ich bestätigen, dass bis heute keine andere Streitkraft weltweit, die auch den Terrorismus bekämpft, Zugang zu so vielen und zu guten Informationen besitzt, wie sie uns beständig mitgeteilt werden. Wir kontrollieren also die Situation vor Ort und im Luftraum.

Ist der Sicherheitszaun angesichts dieser Situation wirklich sinnvoll?

Kennen Sie den Unterschied zwischen einem Zaun und einer Mauer? Durch einen Zaun kann man sehen, was auf der anderen Seite geschieht. Unsere Schutzvorrichtung besitzt sehr viel mehr offene Stellen als Abschnitte aus Beton und erfüllt ihre Funktion perfekt. Man muss sich allerdings klar machen, dass sie kein isoliertes Element darstellt, sondern Bestandteil eines globalen Verteidigungskonzepts ist. Ziel dieses Konzepts ist es, dass wir im Rahmen unserer totalen Kontrolle über das Territorium, wie ich oben dargelegt habe, auch die Terroristen abblocken, indem wir sie daran hindern, in Regionen oder Zentren mit israelischen Einwohnern einzudringen. Wir können dies nur gewährleisten, wenn wir ein unüberwindbares Hindernis schaffen, den berühmten Zaun. Bisher hat er sich als äusserst effizient herausgestellt; die Zahlen belegen übrigens, dass die Zahl der Opfer auf israelischer Seite markant zurückgegangen ist. Doch dieser Zaun besitzt auch einen weiteren positiven Aspekt. Die Reduktion der Todesopfer auf unserer Seite führt automatisch auch zu einer Verringerung der arabischen Opfer, da diese beiden Elemente unentwirrbar miteinander verknüpft sind. Leider ist ein Teil der internationalen Gemeinschaft der Ansicht, die palästinensischen Verantwortlichen hätten beschlossen, seine Gewaltakte uns gegenüber zu reduzieren. Das stimmt überhaupt nicht. Diese neuen Zahlen sind ausschliesslich auf den Erfolg der von Israel unternommenen Aktionen zurückzuführen. Die Motivation unserer Feinde ist immer noch sehr gross, doch unsere Strategie, die Chefs der Terroristengruppen zu verfolgen, macht sich bezahlt. Wir möchten ihre Verantwortlichen massiv dezimieren, so dass sie irgendwann keine neuen Führungskräfte hervorbringen können. Es steht fest, dass die Nummer Zwei, wenn ein Chef eliminiert wurde, nicht dieselben Fähigkeiten besitzt oder dieselbe Erfahrung besitzt wie die Nummer Eins. Auf diese Weise schwächen wir die Kapazitäten unserer Feinde beträchtlich, uns mit Terroranschlägen heimzusuchen. Doch die Tatsache, dass wir auf höchster und auch auf zweithöchster, dritthöchster usw. Ebene «Köpfe rollen lassen», bedeutet nicht, dass unsere Feinde nun hilflos da stehen. Sie sind nur weniger erfolgreich, weil wir sie gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen bekämpfen. Als erstes eliminieren wir die Terroristen individuell, dann zerstören wir ihre Infrastrukturen und greifen diejenigen an, welche sie unterstützen, sowie auch ihre Finanzierungsquellen.

Der Verlauf des Sicherheitszauns wurde ja vor kurzem vom Obersten Gerichtshof abgeändert. Ist er mit seiner neuen Linie ebenso effizient wie zuvor?

Man darf nicht vergessen, dass der Zaun nur eine Sicherheitsfunktion erfüllt und keinerlei politische Botschaft vermitteln soll. Sein Ziel ist es, die Sicherheit eines jeden Israelis zu erhöhen, mit dessen Verteidigung wir beauftragt sind, unabhängig von seinem Wohnort in Israel. Die israelische Regierung liess uns völlig freie Hand beim Bau dieses Zauns gemäss unseren professionellen Anforderungen. Was Sie den neuen Verlauf nennen, umfasst eigentlich eine Reihe von Änderungen, bei denen man die menschliche Komponente vor Ort etwas konkreter berücksichtigt. Doch in rein sicherheitstechnischer Hinsicht wurde die Effizienz nicht beeinträchtigt.

Es ist erstaunlich, dass die arabischen Terroristenorganisationen noch nicht aufgegeben haben, nachdem sie vier Jahre lang mit einer Armee wie der Ihrigen konfrontiert waren, die gemäss Ihren Angaben über beträchtliche Mittel verfügt und eine hervorragende Strategie zur Bekämpfung des Terrors entwickelt hat; sie belästigen die israelische Bevölkerung weiterhin pausenlos, wenn auch etwas weniger hartnäckig. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen?

Ihre Motivation wird durch zwei Elemente genährt: Ideologie und Geld. Die Ideologie an sich bleibt nicht lange erhalten, wenn plötzlich die Mittel fehlen. Wir müssen also unbedingt ihre Finanzierungsquelle versiegen lassen, was nicht einfach ist. Dies ist übrigens eine Geste, die zahlreiche Nationen weltweit ohne unsere Intervention übernehmen können. Leider haben viele Länder noch nicht erfasst (von sich aus oder unfreiwillig), wie bedeutend es wäre, die finanzielle Unterstützung für Terrororganisationen einzustellen. Meines Erachtens ist dies nicht nur für uns von grundlegender Bedeutung, sondern für den gesamten Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Um im Hinblick auf die Ideologie Lösungen für den Konflikt zu suchen oder zu finden, muss man ihre Wurzeln verstehen. Ich erinnere daran, dass unser Streit vier wesentliche Punkte betrifft: das Territorium, Jerusalem, das «Recht auf Rückkehr der arabischen Flüchtlinge» und die definitive Beendigung des Konflikts. Ich bin in Bezug auf das «Recht auf Rückkehr» überzeugt, dass keine israelische Regierung bereit sein wird, diese Forderung zu akzeptieren oder überhaupt auf sie einzugehen. Es wäre Selbstmord, denn ein derartiges Vorgehen würde direkt zu einer Überflutung durch Araber führen, was natürlich nicht geschehen darf. Was die territoriale Frage und Jerusalem angeht, machte die Regierung von Israel im Juli 2000 ein äusserst grosszügiges Angebot, das von den Arabern aber abgelehnt wurde. Sollten diese Themen eines Tages wieder auf der Tagesordnung von Verhandlungen stehen, ist es unmöglich vorauszusehen, was passieren wird. Unser Endziel besteht darin, den Konflikt endgültig beizulegen. Von dieser entscheidenden Entwicklung hängt der Fortschritt der erwähnten anderen drei Punkte ab. Dies wird extrem schwer zu verwirklichen sein, doch wir dürfen dieses Endziel nicht aus den Augen verlieren. Darüber hinaus ist es für die Erlangung eines endgültigen Abkommens in erster Linie unerlässlich, dass sich die verschiedenen Akteure desselben Lagers einigen können. Zurzeit gibt es aber innerhalb der arabischen Führung keinerlei Einigung, jeder kümmert sich nur um seine eigenen Angelegenheiten, seine Interessen und Ideologien. Der Hamas möchte uns ins Meer werfen; die palästinensische Behörde, die offizielle Vertreterin der Palästinenser, behauptet zwar, sie sei zu Kompromissen bereit, die jedoch völlig im Dunkeln bleiben…

Können Sie uns, bevor Sie die Beendigung des Konflikts anschneiden, etwas zu Ihrer Einschätzung der sicherheitstechnischen Entwicklung sagen, wenn der Plan des Premierministers betreffend den einseitigen Rückzug tatsächlich umgesetzt werden sollte?

Zunächst möchte ich betonen, dass wir verpflichtet sind – solange wir keinen gegenteiligen Befehl von der israelischen Regierung erhalten -, die in Gusch Katif lebenden israelischen Bürger zu schützen und zu verteidigen, und zwar ohne jede Einschränkung. Die Idee vom Rückzug aus dieser Region bedeutet nicht, sie vom militärischen Standpunkt aus sich selbst zu überlassen, sondern sie von aussen zu kontrollieren und es den Palästinensern zu übertragen, sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern. Doch dies ist einfacher gesagt als getan. Auf technischer und nationaler Ebene heisst dies nämlich, dass mehrere tausend Israelis umgesiedelt werden müssen, dass unsere Streitkräfte wieder aufmarschieren und wir die Sicherheit von aussen gewährleisten. Es bedeutet keineswegs, dass wir tatenlos zuschauen und unsere Bemühungen bei der Terroristenbekämpfung verringern werden; wir werden die führenden Köpfe des Terrors weiterhin nach Kräften und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verfolgen. Wenn wir uns zurückziehen und falls wir uns zurückziehen, überlassen wir diese Region nicht einfach den Terroristenorganisationen, dort frei agieren und neue Angriffe gegen Israel starten könnten. Der Plan dieses einseitigen Rückzugs aus Gaza besteht nicht darin, den Terrorismus zu ermutigen, sondern ihn zu reduzieren. Wir als Armee des Staates Israel führen die Befehle aus, die demokratisch getroffen wurden.

Auch wenn dies bedeutet, dass Sie militärisch gegen Juden vorgehen müssen?

Ich denke nicht, dass Juden gegen Juden kämpfen müssen, und ich möchte daran glauben, dass wir dieses Stadium nicht erreichen werden. In Israel weiss jeder Jude sehr wohl, dass jede Form des Streits unter uns nur unsere Feinde stärkt. Wir leben schliesslich in einer Demokratie und es gibt zahlreiche Möglichkeiten für Zivilisten, Regierungsbeschlüsse, mit denen sie nicht einverstanden sind, auf legalem Weg zu bekämpfen. Doch letztendlich müssen die Gesetze angewendet werden und es ist an uns, der Armee, dafür zu sorgen, dass man sie einhält, selbst wenn es ein schmerzlicher Prozess sein sollte.

Sie haben die Nordgrenze Israels erwähnt. Stimmt es, dass die Hisbollah über Raketen verfügt, die Haifa und alle anderen Städte in Galiläa erreichen können?

Die Hisbollah ist eine Terroristengruppe, die im Namen Syriens und Irans Krieg gegen Israel führt. Sie versucht Angst und Schrecken in der im Norden Israels lebenden Zivilbevölkerung zu verbreiten, indem sie sie ständig bedroht. Es ist der Hisbollah gelungen, sich Bodenraketen zu verschaffen, die über mittlere und lange Entfernungen verschiedene Ziele in Israel treffen können. In Bezug auf die Hisbollah steht uns meiner Ansicht nach noch ein gewichtiger Kampf bevor. Die Tatsache, dass diese Organisation vom Libanon aus tätig ist, verkörpert in erster Linie eine Gefahr für dieses Land, das wir für jeden Terroranschlag verantwortlich machen, der von seinem Territorium aus gegen Israel verübt wird. Der Libanon ist ein unabhängiges Land, das über die Mittel verfügt, die Vorgänge innerhalb seiner Grenzen zu kontrollieren. Wenn er dies nicht tut, wird er den Preis für seine Schwäche zahlen müssen. Und was für den Libanon zutrifft, trifft auch auf Syrien zu.

Was halten Sie von der Beteiligung der israelischen Araber bei Terroranschlägen gegen Juden?

Es sind israelische Staatsbürger, denen alle Rechte zustehen und die denselben Gesetzen zu gehorchen haben wie alle anderen Einwohner unseres Landes. Sollte es unter ihnen welche geben, die sich am Terror gegen uns beteiligen, werden wir sie wie alle Terroristen bekämpfen. Meines Erachtens wäre es aber falsch, in jedem israelischen Araber einen potenziellen Terroristen oder einen Kollaborateur zu sehen, denn dies entspricht nicht der Wirklichkeit. Wir sind aber trotzdem besorgt, wenn wir feststellen, dass israelische Araber an Terroristenorganisationen beteiligt sind. Gegenwärtig ist es nur ein marginales Problem. Die meisten von ihnen wurden erwischt… und die anderen werden in Bälde gestellt. Ich schliesse das Thema mit der Feststellung ab, dass die Mehrheit der israelischen Araber nicht nur in Frieden hier leben wollen, sondern auch die israelische Nationalität unabhängig von der Entwicklung der politischen Situation in der Region behalten möchten.

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