Der aktuelle Präsident der Knesset, des israelischen Parlaments, REUVEN RIVLIN, (genannt Ruby), ist eine nicht alltägliche Persönlichkeit und bekannt dafür, dass er nicht um den heissen Brei herumredet. Vor allem aber schätzt man ihn sehr. Er stammt aus einer der ältesten Familien Jerusalems, die sich von Wilna her kommend im Jahr 1809 hier niederliess. Reuven Rivlin, Anwalt von Beruf, ist in erster Linie ein reinrassiger Jerusalemer, wirkte als Direktor des Sportvereins der Stadt, des Betar von Jerusalem, ist ausserdem Mitglied des Stadtrates und Direktor des berühmten Theaters Khan.
Rivlin, seit 1986 Präsident der Sektion Jerusalem der Cheruth-Partei, stand von 1988 bis 1993 an der Spitze des Likud. Er wurde am 1. November 1988 zum ersten Mal auf der Likud-Liste ins israelische Parlament, d.h. in die 12. Knesset, gewählt und sein Mandat wurde seither in jeder Legislaturperiode erneuert. In der ersten Sharon-Regierung hatte er das Portefeuille des Kommunikationsministers inne. Heute gehört Reuven Rivlin zu den Gegnern des von Ariel Sharon vorgeschlagenen unilateralen Rückzugsplans und verhehlt nicht, dass er diejenigen unterstützt, die diese Initiative ablehnen. In seinem Präsidentenbüro in der Knesset hat uns Reuven Rivlin sehr herzlich zu einem Gespräch über die wichtigen Themen der Aktualität empfangen, d.h. den einseitigen Rückzug aus Gusch Katif, diesem winzigen Gebiet an der Mittelmeerküste des Gazastreifens, das ausschliesslich von jüdischen Familien bewohnt wird.
Sie haben kürzlich folgende Aussage gemacht: «Die Wintersession der 16. Knesset, die am 11. Oktober 2004 beginnt, steht vor wichtigen Entscheidungen. Sie wird den Weg bestimmen, den der Zionismus von morgen einschlagen wird. In meinen Augen werden diese Beschlüsse ebenso bedeutend sein wie diejenigen, welche die Knesset nach der Staatsgründung, während des Kippurkrieges und vor der Unterzeichnung der Friedensverträge mit Ägypten fällte. Ich glaube, dass jeder Knessetabgeordnete die Bedeutung des Moments und die Schwere seiner Verantwortung begreifen muss». Sie verwenden klare Worte, doch weshalb sind Sie der Ansicht, dass Israel heute einen entscheidenden Moment seiner Existenz erreicht hat?
Als die 16. Knesset gewählt wurde, konnte sich niemand vorstellen, dass diese Versammlung über wesentliche Fragen würde entscheiden müssen, die wir immer mit dem Motto vor uns her geschoben hatten: «Wenn es soweit ist, werden wir die nötigen Entscheidungen fällen». Doch heute ist diese Zeit gekommen, wir sollen nun die endgültigen Grenzen des Staates Israel festlegen: werden wir Judäa und Samaria annektieren, damit sie dadurch zu einem festen Bestandteil des jüdischen Staates werden? Wird der Jordan unsere Grenzlinie verkörpern? Werden die Golanhöhen in unserer Gewalt bleiben? Was geschieht mit Jerusalem, Maale Adumim, Ariel oder Gusch Etzion? Es gibt sehr viele unterschiedliche Meinungen, zunächst zwischen der Rechten und der Linken, ausserdem innerhalb der Linken und auch innerhalb der Rechten. So gehen die Anhänger von Itzchak Rabin davon aus, dass einige Wohnhäuser von Gusch Etzion und Ariel zum Staat Israel gehören, während andere, linksextreme Politiker, von einer Rückkehr zu den Grenzen sprechen, wie sie vor 1967 bestanden, unter Umständen nach einigen kleineren territorialen Anpassungen infolge eines Landtauschs mit den Arabern. Die Rechte hingegen ist der Ansicht, es wäre falsch, irgendwelche Gebiete Israels aufzugeben.
Weshalb glauben Sie, dass die Zeit bereits gekommen sei, alles diese Entscheidungen zu treffen?
Dies alles ist darauf zurückzuführen, dass Ariel Sharon, der sich immer sehr deutlich zu den lebenswichtigen Bedürfnissen Israels ausdrückte, plötzlich seine Strategie zu ändern beschloss, indem er bestimmte, er wolle mit der Evakuierung von Gaza anfangen. Ich möchte an dieser Stelle allerdings daran erinnern, dass unsere ersten Evakuierungen in Gaza bereits stattgefunden haben, und zwar im Rahmen der Osloer Abkommen. Erinnern wir uns daran, dass Ariel Sharon sich zu jedem Zeitpunkt eindeutig zugunsten einer Beibehaltung des Jordantals und der jüdischen Gebiete im Gazastreifen durch Israel aussprach, bis die Araber auf ihr Konzept eines «Rechts auf Rückkehr» verzichtet hätten. Seine neue Idee, Gusch Katif an die Araber abzutreten, entstand wegen des Wunsches, Israel von der palästinensischen Behörde zu lösen, als ob eine derartige Trennung tatsächlich möglich sei. Vergessen wir nicht, dass die Israelis und die arabischen Einwohner in den Gebieten wie «geschaffen» sind für ein gemeinsames Leben, oder eventuell dazu «verurteilt» sind. Führe ich aber das Beispiel vom Mikrokosmos Jerusalems an, der heute 800’000 Einwohner umfasst, gilt es als Tatsache, dass ein Drittel der Bevölkerung arabisch ist; und wenn ich die Bevölkerung von Jerusalem in ihrer Form als Metropole betrachte, die von Ramallah (im Norden) bis nach Gusch Etzion und Bethlehem (im Süden) reicht, mit ihren rund 1,2 Millionen Einwohnern, von denen etwas die Hälfte Israelis sind und die andere Araber, dann kann diese Mischung ganz einfach nicht voneinander getrennt werden. Natürlich kann man immer von «Trennung» und von «einseitigem Rückzug» reden, doch die Realität zeigt uns, dass wir lernen müssen, miteinander zu leben. Darüber hinaus hat der Premierminister immer betont, es sei an der anderen Seite, den entscheidenden Schritt zu tun und deutlich zu bestätigen: «Ja, wir akzeptieren die Existenz des Staates Israel und wir wollen in Frieden mit seinen Bürgern zusammen leben». Parallel dazu hat er immer beteuert, dass wir dank unserer Präsenz in Gaza in der Lage seien, die schwersten Bedrohungen und Einschüchterungsversuche seitens des Gazastreifens gegenüber Israel unter Kontrolle zu behalten. Doch nun hat unser Premierminister plötzlich seine Meinung geändert, und davon wurde die ganze Politik in Mitleidenschaft gezogen. Dazu muss man wissen, dass es innerhalb des Likudblocks für einige Mitglieder der Cheruth-Partei absolut ausgeschlossen ist, dass die Israelis auf ihr Recht verzichten, sich an einem beliebigen Ort in Israel niederzulassen; andere Mitgliedsparteien hingegen wären bereit, gewisse Gebiete abzutreten und grosse Kompromisse einzugehen, wenn sie es für nötig erachten, dass ein Palästinenserstaat geschaffen wird. Zu diesem präzisen Thema kann ich nur hoffen, dass «G’tt uns davor bewahren möge». Man muss sich klar machen, dass Ariel Sharon die Wahlen 2001 und 2003 nicht mit einem derart überwältigenden Erfolg gewonnen hat (70% der Stimmen), weil er die vorbehaltlose Unterstützung der Bevölkerung genoss, sondern weil er von einem Misstrauensvotum in Bezug auf die Osloer Abkommen profitierte. Ich glaube, dass heute vielleicht ein Drittel der Bevölkerung unseren Premierminister direkt unterstützt; dies zeigt sich übrigens deutlich in der Vertretung des Likud, der 40 Sitze von 120 besitzt.
Weshalb sind Sie eigentlich so vehement gegen den Plan eines einseitigen Rückzugs?
Wenn wir auch nur ein einziges jüdisches Dorf in Judäa-Samaria-Gaza evakuieren, tun wir der ganzen Welt und insbesondere den Arabern kund, dass wir bereit sind so zu handeln, was sich als sehr gefährlich erweisen kann. Man muss sich vor Augen führen, dass wir, als wir uns aus dem Sinai zurückgezogen haben und Yamit verliessen, uns nicht aus jüdischem Gebiet zurückzogen und vor allem, dass es sich nicht um einen einseitigen Rückzug handelte, da es sich im Rahmen eines zwischen zwei souveränen Staaten ausgehandelten Friedensvertrags abspielte. Wenn wir uns also bereit erklären, jüdisches Territorium abzugeben, obwohl die zukünftigen Grenzen unseres Staates noch gar nicht feststehen, gehen wir das Risiko schwer wiegender Folgen ein. Der ganze Globus wird denken, dass Israel bereit ist, Gebiete ohne Gegenleistung abzutreten, was bedeutet, dass der hebräische Staat für einen Friedensvertrag auch gewillt wäre, in einer ersten Phase zu den Grenzen von 1967 zurückzukehren. Ich sage „in einer ersten Phase“, denn wenn ein derartiger Rückzug tatsächlich durchgeführt würde, G’tt bewahre, stünden wir ziemlich schnell vor neuen Forderungen, die uns einen Rückzug – immer noch im Namen des Friedens – zu den Grenzen von 1947 oder 1948 aufzwingen würden. Es würde immer weiter gehen.
Glauben Sie wirklich, dass Ariel Sharon bereit ist, Ariel, Gusch Etzion oder Jerusalem aufzugeben?
Nicht im Geringsten! Sein Vorgehen öffnet aber Tür und Tor für etwaige Nachfolger, die sagen werden: «Der Likud unter der Leitung von Ariel Sharon hat einseitige Zugeständnisse gemacht, es ist demnach logisch, dass Israel, um weiterhin in Frieden leben zu können, noch mehr schmerzliche Opfer akzeptieren muss». Ich kenne die Ideen unseres Premierministers sehr gut. Er glaubt ernsthaft, dass er durch einen einseitigen Rückzug letztendlich sie Situation kontrollieren kann. Er wird dann der Welt sagen können, Israel habe genügend Opfer auf sich genommen, um dieser Region den Frieden zu bringen, und das feindliche Lager sei nun an der Reihe, etwas zu tun. Ausserdem denkt er, er werde ein gewisses Verständnis erringen, dank dem Israel seine vitalen Interessen werde verteidigen können, ohne sich der Kritik und dem Druck der restlichen Welt auszusetzen. Doch dies ist eine absolute Illusion, und zu diesem Punkt habe ich kürzlich etwas erlebt, was mir die Augen öffnete. Ich war von den Präsidenten der Nationalversammlung und des Senats nach Paris eingeladen worden. Im Verlauf der Diskussionen, in denen jeder meiner Gesprächspartner mir beteuerte, wie sehr er die freie Demokratie in Israel schätze, baten sie mich um einen Kommentar zur gegenwärtigen Lage. Ich erklärte ihnen, was ich auch Ihnen soeben dargelegt habe, und sie fragten mich: «Wie kommt es, dass ein Mann wie Sie, einer der besten Freunde Ariel Sharons, sich seinem Plan vom einseitigen Rückzug widersetzt?». Ich erwiderte ihnen: «Genau dazu wollte ich Ihnen eine Frage stellen. Wenn der Premierminister von Israel mich von der Richtigkeit seines Vorgehens zu überzeugen versucht, bekräftigt er mir gegenüber effektiv immer, dass nach Durchführung seines Plans Frankreich und die anderen europäischen Länder nicht mehr darauf drängen würden, dass wir auch andere Gebiete in Judäa und Samaria evakuieren, da sie verstehen werden, dass wir alles in unserer Macht Stehende zur Förderung des Friedens getan haben. Er geht davon aus, dass wir auf diese Weise in den Genuss einer mindestens 15 Jahre währenden «Ruhephase» kämen. Was meinen Sie, hat er Recht? Ist dies nämlich der Fall, müsste ich eventuell meinen Standpunkt ändern und meine ideologischen Überzeugungen betreffend ein seit 3'500 Jahren, und für die nächsten 3'500 Jahre bestehendes Recht der Juden auf diese Gebiete beiseite legen….» Ihre einzige Antwort waren ein schallendes Lachen und die Worte: «Wir verstehen, warum Sie Ihren Premierminister nicht unterstützen». Einige Gläser Wein, Höflichkeiten und Spässe später stellte ich ihnen erneut die Frage, ob sie uns eine Schonzeit von fünfzehn Monaten, fünfzehn Wochen, fünfzehn Tagen oder fünfzehn Minuten gewähren würden, und das vorherige Lachen verwandelte sich einfach in ein nachsichtiges Lächeln. Zum Schluss bestätigten sie mir, was ich schon vermutet hatte: die ganze Welt will unbedingt, dass wir zu den Grenzen von 1967 zurückkehren. Doch die israelische Bevölkerung musste gerade wegen deren Konfiguration so viel Leid, Einschüchterungsversuche und Kriege erdulden.
Die Stunde der wichtigen Entscheidungen hat demnach geschlagen. Was wird nun konkret geschehen?
Wir stehen effektiv kurz vor einer historischen Entscheidung. Es stimmt, dass die Regierung aus Gründen betreffend die Schaffung einer neuen Koalition beschlossen hat, die Abstimmung auf nächsten Dezember oder März zu verschieben, doch Ariel Sharon hat wiederholt bestätigt, er wolle unbedingt, dass bis Ende 2005 keine jüdischen Einwohner mehr im Gazastreifen leben. Die politische Zionistenbewegung feiert im Moment ihr hundertjähriges Bestehen, doch es gab auch Juden, wie z.B. meine Familie, die schon vor 200 Jahren aus religiösen Gründen nach Jerusalem zurückgekommen waren. Unsere Präsenz hier stellt folglich keinen kolonialistischen Akt dar, sondern die konkrete Umsetzung des Anspruchs der Juden auf dieses Land. Die Entscheidung, die wir nun fällen müssen, lässt sich auf folgende Fragen reduzieren: «Sind wir bereit, offiziell auf das Recht zu verzichten, uns an einem beliebigen Ort im Territorium von Israel niederzulassen? Ist unsere Generation zionistischer Juden bereit, einen Teil dieser Rechte an Jerusalem, das Herz des Volkes und des jüdischen Staates, abzutreten, wenn die Araber auf ihre Forderungen betreffend ihr von ihnen so genanntes Recht auf Rückkehr verzichten sollten?». Heute sitzen sehr viele neue und junge Abgeordnete in der Knesset; auf ihren Schultern lastet diese enorme Verantwortung, welche die Bedürfnisse Israels zur Verteidigung seiner vitalen Interessen bestimmen wird, kurz, es wird ihre Aufgabe sein, sich für den Weg zu entscheiden, den der jüdische Staat einschlagen soll und der sich unmittelbar auf die Zukunft ihrer Nachkommen auswirken wird.
Besteht Ihrer Ansicht nach wirklich das Risiko, dass die Knesset ein Gesetz verabschiedet, das die mit Waffengewalt der israelischen Armee durchgesetzte Ausweisung von Juden aus ihren Häusern in Israel selbst legitimieren wird?
Leider weist gegenwärtig alles darauf hin, dass innerhalb der Knesset eine Mehrheit diese Vorschläge befürwortet. Eine flüchtige Addition zeigt, dass bereits über 71 Stimmen dafür wären: die Hälfte des Likud (20 Sitze), die Arbeitspartei (22 Sitze), Schinui (15 Sitze), die arabischen Abgeordneten (8 Sitze), Meretz und Yachad (6 Sitze). Und dies ist erst der Anfang. Natürlich droht sich das politische Blatt zu wenden, falls vorzeitige Wahlen abgehalten werden müssen. Wir leben in einer Demokratie und müssen wissen, dass nur eine Regel gilt, nämlich die Entscheidungsbefugnis der Mehrheit. Selbst wenn ein schwieriger Beschluss, der uns moralisch falsch erscheint, mit nur einer Stimme Mehrheit gefasst wird, haben wir keine andere Wahl als ihn auszuführen. Zu diesem Zweck müssen alle Mittel des Staatsapparates eingesetzt werden, einschliesslich der Armee. Wenn ich persönlich dieses Ergebnis nicht akzeptieren will, kann ich immer noch abdanken, mich aus dem Likud und dem politischen Leben zurückziehen, doch am eigentlichen Tatbestand ändert das nichts und ich werde mich darein fügen müssen. Dies bedeutet nicht, dass man nichts tun kann. Bis zum letzten Moment vor der Abstimmung müssen wir erklären, verhandeln, reden, überreden, predigen und demokratisch handeln, um so viele Leute wie möglich davon zu überzeugen, dass dieser Plan für uns schlecht und gefährlich ist.
Sie sagen, dass Sie die Ideen von Ariel Sharon gut kennen. Glauben Sie nicht, dass sein Plan des einseitigen Rückzugs in Wirklichkeit das Ziel verfolgt, eine vollständige politische Isolation Israels zu vermeiden, deren Konsequenzen auf wirtschaftlicher und politischer Ebene verheerend wären?
Bis zum schicksalhaften Datum vom 11. September 2001 dachten sowohl Amerikaner als auch Europäer, es gebe nur einen einzigen Weg, dem Nahen Osten den Frieden zu bringen, nämlich Israel dazu zu zwingen, sich hinter die Grenzlinie von 1967 zurückzuziehen und unter allen Umständen sämtliche «Rechte und Bedürfnisse der Palästinenser» anzuerkennen, völlig ungeachtet ihrer Terroranschläge. Seit dem 11. September haben aber alle endlich begriffen, dass der Terror eine Strategie darstellt, die es zu bekämpfen gilt. Die Gründe, aus denen Israel den Terrorismus mit grösstmöglicher Entschlossenheit bekämpfen muss und dem daraus entstehenden Druck keinesfalls nachgeben darf, werden demnach von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannt. Dennoch fordert diese weiterhin von Israel, zahlreiche Gesten und Zugeständnisse zu machen und verlangt immer wieder von uns, dass wir zu den Grenzen von 1967 zurückkehren. Es trifft zu, dass wir unmittelbar nach der Unterzeichnung der Osloer Abkommen eine günstigere wirtschaftliche Situation genossen haben und dass sich auf politischer Ebene unsere Beziehungen zur restlichen Welt deutlich verbesserten, insbesondere mit den Europäern. Alle sagten: «Israel hat bewiesen, dass es zu Kompromissen bereit ist, wir müssen sie also ermutigen». Doch sehr schnell wurden wir in der von Arafat ausgelösten Intifada wieder mit arabischer Gewalt konfrontiert. Arafat erklärte ungefragt: «Wir haben bekommen, was wir wollten, wir müssen die nächste Etappe in Angriff nehmen». Diese «nächste Etappe» umfasst nichts anderes als die Verwirklichung der Politik der kleinen Schritte der PLO, die aus dem Einsatz des Terrors besteht, um politische Ziele zu erreichen. Heute befinden wir uns quasi wieder in derselben Lage wie vor Oslo. Wenn wir beschliessen nachzugeben und einseitige Zugeständnisse zu machen, wird uns zwar vorübergehend die Sympathie der Welt zufliegen und wir werden das Lob einheimsen, das wir jedes Mal erhalten, wenn wir Schwäche zeigen. Doch sehr rasch werden die PLO, Arafat oder seine Nachfolger wieder neue Forderungen stellen, die für uns inakzeptabel sind, und es wird eine neue Zeit der Gewalt, des Leids und des Sterbens anbrechen. In diesem Moment wird die Welt wieder Druck auf uns ausüben und fordern: «Ihr müsst euch noch ein wenig bemühen, um die Leiden der Palästinenser zu mildern». Wenn wir noch einmal nachgeben, stehen wir ziemlich bald vor der Frage, ob wir das Konzept des «Rechts auf Rückkehr der Palästinenser» akzeptieren, was absolut undenkbar wäre. Kein einziges Land dieser Welt würde es akzeptieren, auf einen derartigen Gedanken überhaupt einzugehen. Wir müssen uns heute mehr denn je daran erinnern, dass wir im Lauf des 20. Jahrhunderts viele «gute Ratschläge» von der internationalen Gemeinschaft bekommen haben. Es ist uns bekannt, wohin diese letztlich geführt haben, vor allem in Europa, wir haben daraus gelernt und nichts vergessen. Ich fürchte aber, dass die israelische Bevölkerung bereit ist, schwere Opfer hinzunehmen, um in Frieden zu leben. Sie möchte die Augen vor den Lehren der vergangenen zehn Jahre verschliessen und verdrängen, dass wir Arafat mit Waffen versorgt haben, damit er uns vor dem Terrorismus beschützt. Er hat diese Waffen jedoch zusammen mit den terroristischen Bewegungen gegen uns eingesetzt. Gemäss den jüngsten Umfragen akzeptieren 70% der israelischen Bevölkerung den Gedanken des einseitigen Rückzugs, selbst wenn es sich um ein grosses Risiko und ein notwendiges Übel handelt, und über 70% sind der Meinung, man müsse die Verhandlungen mit der PLO wieder aufnehmen. Ich persönlich glaube nicht, dass einseitige Zugeständnisse auf Dauer gut für Israel wären.
Was halten Sie von der Rolle, welche die israelischen Araber in diesem Prozess spielen?
Ich respektiere alle Knessetmitglieder arabischer Abstammung, die als Israelis bereit sind, das Recht Israels auf seine Existenz als jüdische Nation und als Staat, dem auch sie angehören, vorbehaltlos zu verfechten. Es bereitet mir keinerlei Probleme, in Harmonie mit jedem Araber zu leben, der sich bewusst ist, dass es für uns nur einen jüdischen Staat gibt und dass dies Israel ist, wo sie übrigens als gleichberechtigte, vollwertige Bürger leben. Kein anderes Land der Welt würde es akzeptieren, dass das Land der Juden auf einem anderen Territorium angesiedelt würde. Abschliessend möchte ich anfügen, dass ich bereit bin dafür zu kämpfen, dass die Rechte eines jeden in Israel lebenden Arabers ohne Einschränkung unter der Bedingung respektiert werden, dass er nicht berechtigt ist, die Existenz des jüdischen Staates in Israel und den Anspruch der Juden auf dieses Land in Frage zu stellen. Auf dieser Grundlage setzen wir unseren Kampf für den Erfolg unseres Staates fort und versuchen mit allen Gefahren fertig zu werden. Wir besitzen die dazu notwendige Kraft und Entschlossenheit.
Es ist das Schicksal der 16. Knesset, wesentliche Entscheidungen zu treffen. Sie wird im Rahmen einer demokratischen Debatte, in deren Verlauf sich alle Ausrichtungen und Strömungen der zionistischen Bewegung frei äussern dürfen, gezwungen sein, sich zwischen gut und böse zu entscheiden. Sie muss alles daran setzen, dass die nächste Generation in Frieden leben kann, und muss gewährleisten, dass die Wahrung der vitalen Interessen Israels und des jüdischen Volkes ausschliesslich in unserer Gewalt bleiben. In diesem Sinne erfülle ich meine Aufgabe als Präsident der Knesset, selbst wenn ich mich zeitweise gegen die Pläne der Regierung stellen muss. Ich vergesse dabei nicht, dass letztendlich die vom Volk gewählte Mehrheit das letzte Wort hat.
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