Es ist brütend heiss, die Atmosphäre feierlich und fröhlich zugleich. Wir schreiben den 26. Oktober 1994 und befinden uns im israelischen Arava-Tal, das nördlich von Eilat und ganz in der Nähe der israelisch-jordanischen Grenze liegt. Man hat eine Tribüne errichtet, die Flaggen der beiden Länder flattern im heissen Wüstenwind. Warum aber diese Aufregung? In wenigen Augenblicken werden Israel und Jordanien im Beisein von US-Präsident Bill Clinton und Warren Christopher, amerikanischer Staatssekretär, den historischen Friedensvertrag unterzeichnen. Unter dem Applaus der mehreren hundert Gäste setzen die Premierminister Yitzchak Rabin und Abdul Salam Majali ihre jeweilige Unterschrift unter das Dokument, das in die Geschichte eingehen wird. Ein paar Minuten später besiegeln der israelische Präsident Ezer Weizman und König Hussein diesen bedeutenden Moment mit einem herzlichen Händedruck voller Symbolkraft. Darauf steigen unzählige bunte Luftballons in den Himmel über den beiden Staaten, die ihre Beziehungen soeben offiziell bereinigt haben.
Anlässlich des 15. Jahrestags dieser Vertragsunterzeichnung wollten wir in Erfahrung bringen, wie sich die Beziehungen zwischen den zwei Ländern entwickelt haben und wo sie heute tatsächlich stehen. Dazu haben wir ein Gespräch mit S.E. JACOB ROSEN geführt, einem gewieften Kenner der arabischen Welt, der seit September 2006 als israelischer Botschafter in Amman residiert. Er ist nicht zum ersten Mal in Jordanien tätig. Jacob Rosen war nämlich im Dezember 1994 bei der Eröffnung der ersten Botschaft Israels in der jordanischen Hauptstadt dabei, und zwar als stellvertretender Missionschef. Er verbrachte fünfeinhalb Jahre dort, bis im Juli 2000, davon anderthalb Jahre als Geschäftsträger. J. Rosen kennt und verfolgt die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern folglich seit ihren Anfängen, als Yitzchak Rabin und König Hussein noch am Leben waren, und ist mit allen Vereinbarungen und Verträgen, die ausgearbeitet und schliesslich unterzeichnet wurden, wohl vertraut. Es ist eine interessante Tatsache, dass der Friedensvertrag vom 26. Oktober 1994 so unterschiedliche Themen umfasste wie die gemeinsamen Grenzen, Wasser, Kriminalität und Drogen, Umwelt und vieles mehr. Die gemeinsamen internationalen Grenzen sind sehr genau beschrieben und in vier Sektoren unterteilt: die Flüsse Jordan und Yarmuk, das Tote Meer, das Arava-Tal (israelische Seite) und das Wadi Araba (jordanische Seite) sowie der Golf von Aqaba. Rosen war demnach in Amman tätig, als König Hussein starb und König Abdallah den Thron bestieg.
Wie beurteilen Sie die Beziehungen zwischen Israel und Jordanien?
Bevor ich näher auf Ihre Frage eingehe, möchte ich darauf hinweisen, dass ich diesen Posten seit dreieinhalb Jahren belege, wobei es in dieser Zeit zum Zweiten Libanonkrieg und zur Militäraktion in Gaza kam, was sich natürlich direkt auf unsere Beziehungen auswirkte. Gleichzeitig fanden andere, indirekt mit Israel in Verbindung stehende Ereignisse statt, insbesondere die amerikanische Invasion im Irak, was in jeder Hinsicht - Politik, Wirtschaft, Umwelt usw. - beträchtliche Folgen für die Entwicklung der regionalen Beziehungen hatte.
Doch zunächst muss man sich in Bezug auf die israelisch-jordanischen Beziehungen einen wichtigen Umstand vor Augen halten, nämlich die Tatsache, dass wir Nachbarn sind. Wir teilen uns dieselbe Umwelt, dieselben Wasservorkommen, dieselben Gebirgszüge und dieselben politischen und demografischen Themen, ausserdem weisen unsere Länder eine gemeinsame Grenze von 350 km Länge auf. Auf Geografie und Umwelt haben wir, ob wir nun wollen oder nicht, keinen Einfluss, und wir sind bei zahlreichen Problemen zur Zusammenarbeit gezwungen. Im Süden haben wir beispielsweise zwei Flughäfen, die keine 6 km voneinander entfernt liegen, sowie zwei Häfen, die durch eine Wasserfläche von 5 km getrennt sind. In beiden Häfen herrscht reger Betrieb, und wenn ein Schiff, egal in welchem der beiden Häfen, ein Leck hat und Öl ausläuft, betrifft uns dies alle gleichermassen. Auf derselben Wasserfläche wird sehr viel Sport betrieben, und es kommt nicht selten vor, dass bei starkem Wind die internationale Linie überschritten wird. Es gibt noch zahlreiche weitere Beispiele, und ich beschränke mich hier auf die Probleme, die auf Krankheiten tierischer oder pflanzlicher Herkunft oder auch auf Viren beruhen, die sich keinen Deut um die Grenzen scheren. Wir bekämpfen gemeinsam den Schmuggel mit allen Arten von Produkten, der direkt um das Tote Meer herum oder in der Umgebung stattfindet. Auch in der zivilen Luftfahrt arbeiten wir zusammen. Die Flugzeuge der Royal Jordanian nach Europa, Afrika und Amerika überfliegen täglich israelisches Territorium. All dies und viele weitere Elemente zwingen uns zu kooperieren, oft in direkter Zusammenarbeit mit der palästinensischen Autonomiebehörde (PA). Sie können sich ja denken, dass die politische Situation nicht immer einfach, manchmal gar ziemlich heikel ist, und dass Druck von Seiten der jeweiligen Staaten ein direktes Vorgehen oft verunmöglicht. Dabei fällt auf, dass es ab und zu die Leute von der PA sind, die ein Dossier vorantreiben, während die Jordanier die Dinge aus politischen Gründen schleifen lassen. So z.B. im Fall der Schweinegrippe: Die Verantwortlichen der PA teilten den Jordaniern mit, das Virus warte bei seiner Verbreitung nicht darauf, dass die politischen Differenzen bereinigt seien... Ausserdem kommt es regelmässig zu Initiativen seitens von Japan oder Europa, insbesondere touristischer Art, die eine effiziente Zusammenarbeit aller drei Parteien erforderlich machen. Wenn z.B. eine Pilgergruppe in Amman landen und später nach Jerusalem und Bethlehem reisen möchte, müssen sich alle betroffenen Behörden bemühen, die erfolgreiche Durchführung des Projekts dank perfekter Koordination und ohne administrative Hürden zu ermöglichen.
Damit Sie besser verstehen, in welchem Rahmen sich unsere Beziehungen entwickeln, muss ich auch auf die allgemeine politische Situation eingehen. Sie betrifft den Friedensprozess mit der PA und die grosse Kluft innerhalb des palästinensischen Lagers (PLO-Hamas), die Aussicht auf einen Rückzug der Amerikaner aus dem Irak sowie die Zweifel und Befürchtungen, die daraus für uns alle entstehen. Dazu kommt die Tatsache, dass nach dem Sturz von Saddam zwischen 600'000 und 800'000 Iraker aus ihrem Land flüchteten und sich in Jordanien niederliessen. Die unsichere Lage im Irak hindert sie daran, wieder zurückzukehren. Einige dieser Flüchtlinge hatten bei ihrer Einreise viel Geld dabei, andere hingegen besitzen nur beschränkte Mittel, da sie nie damit gerechnet hätten, während über fünf Jahren in Jordanien zu bleiben. Heute beginnt ihnen das Geld auszugehen, was für Jordanien zu einer Belastung werden könnte. Und schliesslich ist da die jordanische Bevölkerung an sich, die ihre eigene Identität besitzt, jedoch keineswegs homogen ist. Ein grosser Teil dieser Menschen ist palästinensischer Abstammung.
Handelt es sich bei ihnen also auch um "Palästinenser"?
Nicht im geringsten, denn es gibt grosse Unterschiede zwischen den Palästinensern und den Menschen palästinensischer Abstammung, die in Jordanien leben. In diesem Land ist es effektiv noch schwieriger zu wissen, wer denn nun wirklich Palästinenser ist, als zu definieren, wer in Israel wirklich Jude ist. Es gibt Menschen, die aus Jerusalem oder Nablus stammen und seit fünf oder sechs Generationen in, sagen wir, Amman leben. Sie bezeichnen sich selbst als reine Jordanier, werden aber von einem Teil der Bevölkerung abgelehnt, die sie nicht als vollwertige Mitglieder der jordanischen Bevölkerung anerkennen.
Wie steht es um den Rest der lokalen Bevölkerung?
Die Dynastie der Haschemiten hat es verstanden, innerhalb einer Bevölkerung von 7 Millionen Menschen verschiedenster Herkunft, darunter 1,5 Millionen Arbeiter aus Ägypten und die oben bereits erwähnten rund 700'000 irakischen Flüchtlinge, eine gewisse Einheit zu bewahren. Alle diese Leute nutzen die Infrastrukturen des Landes, insbesondere das Wasser, das in Jordanien ständig Mangelware ist. Dies ist so eine der wichtigen Fragen, die täglich zwischen Israel und Jordanien diskutiert wird und ungefähr einen Drittel meiner Zeit in Anspruch nimmt.
Sie sprechen das Thema Wasserversorgung an. Können Sie uns in wenigen Worten erklären, auf welche Quellen Israel im Rahmen der bilateralen Abkommen und Friedensverträge verzichtet hat?
Bei der Unterzeichnung des Friedensvertrags hielten die Jordanier fest, der Jordan, der zwischen den beiden Ländern fliesst, werde vom Wasser aus dem See Tiberias gespeist, und es gebe Vereinbarungen aus den 50er Jahren bezüglich der Aufteilung dieser Wasservorkommen. Israel erklärte sich also einverstanden, Jordanien 25 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr zu überlassen. Jordanien erhält ebenfalls Wasser aus dem Fluss Yarmuk, der auf der Höhe des Kibbuz Aschdod Ya'acov in den Jordan fliesst. Im Winter liefert der Yarmuk grosse Mengen an Wasser, doch die Vorrichtungen in Jordanien reichen nicht aus, um dieses Wasser zu speichern. Wir haben folglich vereinbart, dass es in den See Tiberias umgeleitet wird, wo wir es im Winter für Jordanien speichern und dann im Sommer wieder zur Verfügung stellen. Jordanien besitzt auch mit Syrien ein Wasserabkommen, gemäss dem Syrien Wasser aus dem Yarmuk nach Jordanien leiten soll. Doch aus uns unbekannten Gründen und wegen eines bilateralen Streits zwischen diesen beiden Staaten hat Syrien nicht die Menge geliefert, zu der es im vergangenen Winter verpflichtet gewesen wäre, und wir haben einen Teil des Wassers aus dem Yarmuk nicht bekommen. Jordanien leidet aus diesem Grund unter ständigem Wassermangel, und letztes Jahr hat es uns gebeten, ihm das im Winter zu erwartende Wasser bereits zu einem früheren Zeitpunkt zu "leihen", und wir haben zugestimmt. Es wäre nämlich für Israel verheerend, wenn Jordanien seinen Durst nicht stillen könnte, denn dies würde zu heftigen innenpolitischen Spannungen führen, welche die Stabilität des Landes oder gar der Region mit der Zeit erschüttern könnten. Ein Blick in die Bibel erinnert einen daran, dass schon damals die Menschen Krieg wegen des Wassers führten. Ich weise auch darauf hin, dass Yitzchak Rabin und Ariel Scharon, zwei Männer mit landwirtschaftlicher Ausbildung, alles unternahmen, damit wir Jordanien so viel Wasser wie möglich zur Verfügung stellen. Sie waren sich des strategischen Interesses für Israel sehr wohl bewusst. Und schliesslich ist ein dritter Aspekt zu diesem Thema im Friedensvertrag zu finden, wo es eindeutig heisst, dass beiden Länder die Pflicht obliegt, mehr gemeinsame Wasservorkommen zu erschliessen. Man dachte daran, zusammen ein Programm zur Entsalzung von Meerwasser durchzuführen. Dabei handelt es sich jedoch um ein recht kompliziertes physikalisches Verfahren, und der einzige Ort, an dem die Jordanier diese Art von Fabrik zur Wasseraufbereitung erbauen können, liegt am Golf von Aqaba. Ich verstehe sehr wohl, dass sie ihre Unabhängigkeit in einem so lebenswichtigen Bereich wie dem Wasser nicht aufgeben wollen. Mehrmals habe ich ihnen vorgeschlagen, ihnen Wasser mit reduziertem Salzgehalt aus Hadera oder Aschkelon zu verkaufen. Wegen der instabilen politischen Lage in der Region lehnen sie es immer wieder ab. Als israelischer Botschafter und nachdem ich achteinhalb Jahre in Jordanien gelebt habe, leuchten mir ihre Bedenken durchaus ein. Ihnen macht die Idee Angst, bei der Wasserversorgung abhängig zu sein, vor allem im Hinblick auf ihre traumatische Erfahrung auf diesem Gebiet mit Syrien.
Seit mehreren Jahren wird darüber gesprochen, einen Kanal zwischen Rotem und Totem Meer zu bauen. Wäre das denn keine Lösung? Was ist aus diesem Projekt geworden?
Das ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Der ursprüngliche Auslöser war die Rettung des Toten Meers. Doch die Jordanier sagen, dass man, wenn ein solcher Wassertransfer möglich ist, von der Gelegenheit profitieren sollte, um einen Teil des Wassers zu entsalzen. Derzeit lässt die Weltbank die Machbarkeit untersuchen. Aufgrund der besonderen Zusammensetzung des Wassers hat man noch keine Tests durchgeführt, ausserdem können diese nicht im Labor erfolgen. Es ist noch nicht erwiesen, ob die chemische Zusammensetzung beider Meere miteinander kompatibel ist. Nun muss man also herausfinden, welche chemischen Reaktionen stattfinden, wenn sich die riesigen Wassermassen vermischen. Eine Umweltstudie hat gezeigt, dass das Aufeinandertreffen die Bildung von enormen Kalziummengen auslösen würde. Man kann allerdings nicht voraussehen, ob diese Kalziumblocks an der Oberfläche des Toten Meers schwimmen oder auf den Grund sinken würden. Sollten sie an der Oberfläche bleiben, wären die Folgen für die Umwelt unberechenbar. So viel Zeit bleibt uns aber nicht übrig. Das Tote Meer schrumpft täglich mehr und es wäre nicht sinnvoll, das Ergebnis der Machbarkeitsstudien abzuwarten, die extrem viel Zeit kosten. Daher haben wir in gegenseitiger Absprache beschlossen, in der Wüste eine Pilotstation zu gründen, um zu sehen, ob dieses Projekt konkret umsetzbar ist oder nicht.
Sie haben uns die Komplexität der Probleme und der Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten dargelegt, die sich zwingend aus der Realität vor Ort ergeben. Wechseln wir jetzt zur Politik. Wir möchten zunächst gern verstehen, warum Jordanien auch 15 Jahre nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags mit Israel "palästinensische" Flüchtlingslager auf seinem Staatsgebiet aufrechterhält.
Im Vergleich zur Situation in anderen arabischen Ländern wurden die in diesen Lagern lebenden Menschen recht gut integriert. Sie besitzen völlige Bewegungsfreiheit, einige von ihnen haben gar einen jordanischen Pass, dank dem sie herumreisen können, der ihnen aber nicht die Staatsbürgerschaft verleiht. Von der Arabischen Liga wurde allerdings beschlossen, die "Flüchtlingslager" beizubehalten, und Jordanien hat sich nicht dagegen aufgelehnt. Während unserer Zeit in Gaza hatte Ariel Sharon immerhin versucht, die Lager aufzulösen und ihre Bewohner in das normale Leben zu integrieren. Damals hatte die UNO dies aus politischen Gründen abgelehnt.
Wie sehen Ihre Beziehungen zum Königshaus gegenwärtig aus und wie waren sie unter der Herrschaft von König Hussein?
Yitzchak Rabin und König Hussein waren die eigentlichen Paten der Friedensverträge, jeder von ihnen engagierte sich mit grossem persönlichem Einsatz. Wir haben diese Situation von unseren Vorgängern geerbt. Da ich seit Beginn der Verhandlungen und der diplomatischen Beziehungen dabei war, kenne ich in Jordanien alle einflussreichen Gesprächspartner. Noch viel wichtiger ist allerdings, dass sie mich kennen! Dies galt auch für König Hussein, ebenso heute für König Abdallah. Zu einigen Ministern pflege ich ausgezeichnete und effiziente Beziehungen, um die ich mich sehr bemühe, andere wiederum wollen von einer Normalisierung der Beziehungen zu uns nichts wissen. Ich möchte sie auch keinesfalls dazu zwingen?
Was können Sie zur Islamisierung in Jordanien sagen?
Dieses Phänomen beschränkt sich, wie Ihnen bekannt ist, nicht auf Jordanien, sondern kann in Ägypten, Gaza und Cisjordanien bei seiner allmählichen Ausweitung beobachtet werden. In Jordanien besitzt die Islamisierung einen besonderen Charakter, denn im Gegensatz zu Ägypten, wo die islamistische Bewegung immer gegen die Regierung war, hat sie in Jordanien die Autorität des Königshauses akzeptiert. In den 50er und 60er Jahren, als einige Gruppierungen sich König Husseins entledigen wollten, haben ihn die Islamisten verteidigt. Dazu kommt ein für Jordanien typischer Aspekt, nämlich die wichtige Funktion der Stämme. Die Menschen sind in erster Linie Mitglied eines Stammes und dann erst Islamisten, Demokraten oder Anhänger einer politischen Partei oder Philosophie. Innerhalb des Königreichs führt dies auch zu einigen Problemen, vor allem in einer Wahlperiode. So stimmen zahlreiche Leute für einen Abgeordneten aus ihrem Stamm, auch wenn sie seine politischen Ideen ablehnen. Es scheint aber, dass sich einige Mitglieder der islamischen Bewegung seit dem Sieg der Hamas in Gaza von dieser Denkweise zu lösen beginnen. Doch dies ist erst eine Randerscheinung, die Treue zum Stamm und die damit verbundene Disziplin sind weiterhin übermächtig. Meines Erachtens haben die Jordanier die innenpolitische Sicherheit in ihrem Land gut im Griff.
Wie viele Stämme gibt es denn?
Man zählt 6 bis 7 bedeutende Stämme , die alle sehr königstreu sind. Die Stämme im Süden sind Beduinen, im Norden leben halb sesshafte Bauern. Sie sind sehr stolz, sehr nationalistisch, denn sie bewohnen diesen Teil der Welt seit über 1'000 Jahren. Die Stabilität und Loyalität des Stammessystems sind extrem stark, und wir Juden sollten dies besser nachvollziehen können als alle anderen, da auch unser Volk aus einem ähnlichen Gefüge entstanden ist. Man braucht nur die Bibel aufzuschlagen, um festzustellen, wie mächtig und wichtig die verschiedenen Stämme waren.
Welchen Bezug haben die in Judäa und Samaria lebenden Araber zu diesen Stämmen?
Einige Stämme, vor allem jene im Norden des Jordantals, haben in jeder Epoche den Fluss in beiden Richtungen überschritten. Reist man von Jerusalem ans Tote Meer, sieht man, dass sich mehrere Mitglieder dieser Nomadenstämme vorübergehend in der Region niedergelassen haben. Sie haben sich nie um Staatsgrenzen gekümmert. Die Bewohner einiger Dörfer in Cisjordanien behaupten noch heute, sie würden diesem oder jenem Stamm in Jordanien angehören, obwohl sie seit mehreren hundert Jahren hier ansässig sind. Heute ist in den städtischen Zentren wie z.B. Amman, Aqaba, Zarqa usw. ein interessantes Phänomen zu beobachten: Fast 20 % der Ehen werden zwischen jungen Männern aus bestimmten Stämmen und jungen Palästinenserinnen geschlossen, deren Familien Israel 1948 verlassen haben. Dadurch entsteht eine gewisse Stabilität, die doch einen grossen Teil der Bevölkerung betrifft. Man trifft nicht selten auf Paare, bei denen der Mann sich als Jordanier bezeichnet und die Frau auf ihre palästinensische Herkunft verweist.
Glauben Sie, dass Jordanien und das Königshaus ernsthaft daran interessiert sind, dass ein in Judäa-Samaria, d.h. zwischen Jerusalem und Amman liegender Palästinenserstaat entsteht?
Die Jordanier sagen: "Die Palästinenser sind Gäste in unserem Land. Sie haben im Krieg gegen die Juden traumatische Erfahrungen gemacht. Als Haschemiten öffnen wir all jenen die Tür, die Not leiden, aber sie verdienen es, einen eigenen Staat und von ihnen gewählte Institutionen zu haben". Ausserdem hat die Arabische Liga "Palästina" anerkannt. Somit stehen wir hier vor dem perfekten Beispiel für gemeinsame Interessen, denn es würde der Verantwortung sowohl Israels als auch Jordaniens obliegen, alles zu unternehmen, damit der neue Staat nicht in die Hände der Hamas fällt. Die Grenze zwischen beiden Staaten ist recht ruhig und stabil, niemand möchte an diesem Umstand etwas ändern. Die Jordanier gehen allerdings davon aus, dass man den Palästinensern in einer ersten Phase erlauben sollte, einen eigenen Staat zu gründen, und man sich erst danach um die "technischen Fragen" kümmert.
Stimmt es, dass ein Jude in Jordanien keine Immobilien erwerben darf?
Ausschlaggebend ist nicht die Frage, ob jemand Jude ist oder nicht. Nur Inhaber eines arabischen Passes dürfen im haschemitischen Königreich Immobilien kaufen. Als wir das Gebäude für die Botschaft erwarben, stellte uns das Innenministerium eine Sondergenehmigung aus.
Wie steht es um die Zusammenarbeit beider Armeen in Sicherheitsfragen?
Wir sind uns über die sicherheitstechnischen Fragen einig, mit denen sich unsere Politiker befassen, und daher arbeiten wir auf allen erforderlichen Ebenen zusammen. In unseren jeweiligen Botschaften gibt es keinen Militärattaché, da wir nur 25 Minuten von der Grenze entfernt sind, wo Verbindungsoffiziere nur 100 Meter voneinander entfernt stationiert sind.
Kommt es vor, dass Sie als Botschafter von Israel boykottiert werden?
Wir werden zu allen Veranstaltungen der Regierung eingeladen, und da ich seit langen Jahren im Land wohne, kenne ich in allen Kreise sehr viele Leute, mit denen ich ausgezeichnete Beziehungen pflege. Die Universitäten hingegen boykottieren uns schon, was umso lächerlicher ist, als sie von Hunderte von israelischen Arabern zu ihren Studierenden zählen. Die Hochschulen betrachten sie als "Palästinenser", ungeachtet ihres blau-weissen Passes mit dem offiziellen Symbol des jüdischen Staates, dem siebenarmigen Leuchter. Ich persönlich verfüge zudem über gute Kontakte zum Königshaus.
Wir kommen also zum Schluss, dass die Beziehungen zwischen Israel und Jordanien ebenso komplex wie überraschend sind. Sie entwickeln sich in einer rasanten Berg- und Talfahrt mit dazwischen liegenden langen Ruhephasen. Im Grunde veranschaulichen sie mit aller Deutlichkeit die Realität mit allen Widersprüchen des Nahen Ostens. Die zahlreichen Facetten des Lebens führen dazu, dass die Beziehungen zwischen Jerusalem und Amman denen zweier Nachbarn ähneln, die keine andere Wahl haben, als sich gegenseitig zu unterstützen, auch wenn man sich nicht in echter Freundschaft zugetan ist.
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