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Inhaltsangabe Finnland Herbst 2002 - Tischri 5763

Editorial - September 2002
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Rosch haschanah 5763
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Jerusalem und Helsinki

Von Roland S. Süssmann
Seit Arafat den Osloer Krieg ausgelöst hat, steht Europa, das sich wegen des jüdischen Volkes so viel vorzuwerfen hat, demonstrativ auf der Seite der Araber. Die pro-arabische Politik der Europäischen Union ist an und für sich nicht neu, doch die feindselige Haltung gegenüber Israel hat doch überrascht. Dieser "Reigen" wird vor allem von Norwegen und Schweden angeführt. Ein anderes Land aus diesem Teil des Erdballs, Finnland, das für seine Unabhängigkeit bekannt ist, hat sich jedoch der Einstellung seiner Nachbarn nicht voll und ganz angeschlossen. Wir wollten uns einen kleinen Überblick über den Zustand der Beziehungen zwischen Israel und Finnland verschaffen und haben zu diesem Zweck mit I.E. MIRIAM SHOMRAT gesprochen, seit ungefähr zweieinhalb Jahren Botschafterin des jüdischen Staates in Helsinki.

Glauben Sie, dass die Beziehungen zwischen Jerusalem und Helsinki trotz der anti-israelischen Politik der Europäer als gut bezeichnet werden können?

Finnland ist seit 1995 Mitglied der EU und hat in der Folge seine offizielle Aussenpolitik stark an diejenige der Union angepasst. Schon nur diese Tatsache allein enthält eine eindeutige Aussage. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern reicht in die 50er Jahre zurück. Finnland war eines der ersten Länder, das in Tel Aviv eine Botschaft eröffnete, obwohl es sich damals unter dem Einfluss der UdSSR befand. Wir befanden uns mitten in der Phase der berühmten "Finnlandisierung". Dies bedeutet, dass ein mächtiger Staat die Autonomie eines schwächeren Nachbarn einschränkt, der sich in der Folge immer sehr vorsichtig verhält, vor allem in der Aussenpolitik. Ich bin übrigens überzeugt, dass ein Teil der hiesigen Presse sich immer noch nicht von dieser Einstellung befreit hat und dass einige Redaktionen sich bei ihrer Arbeit voll und ganz der offiziellen Linie anpassen. Dies kommt deutlich in ihrem Misstrauen und ihrer Zurückhaltung gegenüber einer israelischen Botschafterin zum Ausdruck. Es ist mir unmöglich, mit gewissen Redaktionen zu diskutieren, um ihnen den Standpunkt Israels klar zu machen, Informationen weiterzuleiten, Ereignisse anzusprechen usw. Diese Art von Redaktionsgespräch ist schlichtweg undenkbar. Ich kann den einen oder anderen Chefredaktor oder Journalisten treffen, doch eine echte und direkte Zusammenarbeit mit den Zeitungen selbst kommt nicht zustande. Ausserdem kann die Konstellation der Presse als recht merkwürdig bezeichnet werden. Die wichtigste und einflussreichste Zeitung ist nämlich auch diejenige mit der höchsten Auflage, was in den meisten anderen Ländern nicht der Fall ist. Hintergrundartikel, die auf gründlicher Recherche und solider Dokumentation beruhen, gibt es aber nicht und werden durch Rubriken ersetzt, in denen die Redaktoren ihre Meinung darlegen. Dieser Umstand erschwert die Arbeit eines israelischen Botschafters, der dadurch nicht an die Öffentlichkeit gelangen kann. Natürlich kann ich Vorträge halten oder ab und zu im Fernsehen auftreten (die Sprache stellt dabei ein Hindernis dar), doch dies reicht nicht aus.

Wieso spielt Israel eine derart wichtige Rolle in der finnischen Presse?

Es sind zwei kleine Länder mit zahlreichen Gemeinsamkeiten. Aufgrund seiner dramatischen jüngeren Geschichte empfindet Finnland ein wenig mehr Verständnis für Israel. Dazu möchte ich nur einige grundlegende historische Fakten in Erinnerung rufen: das Land hat 450'000 aus der UdSSR vertriebene Karelier aufgenommen, da die Sowjets diese Region nach dem Krieg von 1939-1940 annektiert hatten; wegen der Finnlandisierung kam Finnland nicht in den Genuss des Marshall-Plans; als die deutschen "Alliierten" sich zurückzogen, zerstörten sie Lappland auf systematische und gründliche Weise, indem sie viele Dörfer anzündeten, die Einwohner umbrachten oder sie nach Schweden vertrieben. Als die UdSSR das kleine Finnland angriff und als die Deutschen Lappland in Schutt und Asche legten, hat kein einziges Land der Welt auch nur den kleinen Finger gerührt und seine Hilfe angeboten. Ausserdem musste das Land während der ganzen Zeitspanne der Finnlandisierung der UdSSR riesige "Reparationszahlungen" leisten, ohne jemanden um Unterstützung zu bitten oder diese zu erhalten. Seit der Gründung des jüdischen Staates haben sich Studenten und Politiker, in der Regel Mitglieder der sozialdemokratischen Partei, für Israel eingesetzt und schufen eine freundschaftliche Beziehung. Es existiert ebenfalls eine Art Komplementarität aufgrund der geografischen Situation beider Länder: Finnland hat viel Wasser - wir haben Sonne und Licht; Finnland hat grosse Wälder - wir haben die Wüste. Die finnische Bevölkerung ist auf positive Art traditionalistisch gesinnt und gläubig, viele Angehörige der Religionsgemeinschaften drücken ihre Unterstützung für Israel sowohl auf moralischer als auch auf finanzieller Ebene aus, insbesondere in Bezug auf die bessere Integration der russischen Juden in Israel. Diese Gruppen von gläubigen Menschen, die zu unseren besten Freunden gehören, besitzen weder Einfluss noch Macht in der Politik. Für uns wäre es jedoch sehr wichtig, in den politischen Kreisen Sympathisanten zu haben. Bis zu Beginn der 1980er Jahre unterhielt die sozialdemokratische Partei Kontakte zu Israel, obwohl der Premierminister U.K. Kekkonen, der von 1956-1981 während 24 Jahren an der Macht war, nicht wirklich als pro-israelisch galt. Selbst heute, da Tarja Halonen Präsidentin von Finnland und Erkki Tuomioja Aussenminister sind, die beide früher an der Spitze einer mit Israel sympathisierenden Studentenbewegung standen, sind die Beziehungen nicht leicht. Bei meinen Gesprächen mit ihnen und mit anderen hohen Beamten pralle ich immer wieder gegen eine grosse Portion Dogmatismus, die zu Zeiten der Finnlandisierung vorherrschte. Dazu kommt die Tatsache, dass der für sein Temperament bekannte Aussenminister Israel gegenüber sehr kritisch eingestellt ist. Sofort nach der israelischen Operation "Verteidigungswall" im April zeigten Umfragen, dass diese Aktion Israels nicht sehr positiv beurteilt wurde, insbesondere von den Frauen, die in diesem Land eine sehr wichtige Rolle spielen. Ausser der Staatspräsidentin besetzen mehrere andere Frauen Ministerposten oder sind Universitätsrektorinnen: ihr Einfluss ist folglich sehr gross. Ich denke aber nicht, dass die Ergebnisse einer einzigen Umfrage die Beziehungen zwischen unseren Ländern nachhaltig beeinflussen können.

Glauben Sie, dass die ungerechte und scharfe Kritik der anderen nordeuropäischen Länder die finnische Politik gegenüber Israel beeinflusst?

Die Zusammenarbeit zwischen den nordischen Ländern ist sehr eng, es existiert auch ein Forum namens "The Nordic Counsel", dessen Präsident 2001 Finnland war und das für das Jahr 2002 von Norwegen präsidiert wird. Alle Minister treffen sich regelmässig in diesem Rahmen und selbstverständlich wird auch die Frage des Nahen Ostens diskutiert. Ich weiss nicht, was dort gesagt wird, aber ich kann mir gut vorstellen, dass Finnland anlässlich der Treffen der Premierminister eine positive Rolle spielen kann, auch wenn es sehr schwer ist, das Ausmass oder die Folgen zu messen. Man darf dabei allerdings nicht ausser Acht lassen, dass sowohl Finnland als auch Schweden heute einen Premierminister haben, dessen Einstellung gegenüber Israel eigentlich recht besonnen ist. Die skandinavischen Länder sehen in den Menschenrechten und im humanitären Recht die Eckpfeiler ihrer Aussenpolitik. Die Tatsache, dass ein Staat und eine Armee gezwungen werden, Gewalt und Kraft anzuwenden, führen dazu, dass diese grundlegende Maxime und die Realität vor Ort schwer miteinander zu vereinbaren sind. Dies erklärt zu einem grossen Teil das Ausmass der Kritik, welche diese Länder gegen Israel aussprechen, trotz aller darin enthaltenen Nuancen und Einschränkungen. Zur Veranschaulichung meiner Worte möchte ich hier daran erinnern, dass einige Unternehmen zwar die Möglichkeit erwähnt haben Israel oder israelische Produkte zu boykottieren, dass sich aber keine einzige Regierung der nordischen Länder dafür ausgesprochen hat und alle diese Idee ablehnten.

Gibt es in Finnland eine muslimische Bevölkerung, welche die Beziehungen zwischen Jerusalem und Helsinki nachhaltig beeinflusst?

Eigentlich nicht. Die ansässige muslimische Bevölkerung ist vor allem tatarischer Herkunft und besitzt keinen politischen Einfluss. Finnland hat sogar einen jüdischen Abgeordneten, dessen Frau Tatarin ist und zum Judentum übergetreten ist.

Sind die Handelsbeziehungen sehr bedeutend?

Es ist ein dünn besiedeltes Land mit einer geringen Nachfrage. Natürlich kauft Finnland landwirtschaftliche Produkte in Israel. Doch der wichtigste Markt ist unsere Militärindustrie; auch die Handelsbeziehungen zwischen den KMU unserer beiden Länder dürfen nicht vernachlässigt werden, sowohl im Bereich der Spitzentechnologie als auch in der Biotechnologie.

Gibt es in Finnland aktiven Antisemitismus?

Seltsamerweise ist der Antisemitismus als solcher in diesem Land nicht sehr präsent. Die Tatsache, dass jemand Jude ist, gibt nie Anlass zu einer Diskussion. Meiner Ansicht nach gibt es eine Reihe von Menschen, insbesondere einzelne Redaktoren, die Israel in verallgemeinerter Art und gemäss einem alten antisemitischen Schema darstellen und kritisieren. Wenn man sie direkt fragt, leugnen sie diese Denkweise natürlich, doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Ich bekämpfe diese Leute systematisch.

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