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Inhaltsangabe Judäa - Samaria - Gaza Frühling 2002 - Pessach 5762

Editorial - Frühling 2002
    • Editorial

Pessach 5762
    • Optimismus ist unerlässlich

Politik
    • Zu besserem Bewusstsein

Interview
    • Der Schlüssel zum Sieg
    • Tourismus und Terrorismus

Strategie
    • Die dritte Streitkraft

Terrorismus
    • Die neue Logik Des Terrorismus

Reportage
    • Notfallstation
    • Die Moral stärken

Judäa – Samaria – Gaza
    • Das Leben geht weiter

Judäa - Samaria - Gaza
    • Stop in Rechelim

Medizin
    • Das Labor der Hoffnung

Wirtschaft
    • Solidarität - Wo bist Du ?

Kroatien
    • Stjepan Mesic – Präsident der Republik Kroatien
    • Jerusalem und Zagreb – Ljubljana – Bratislava
    • Jude in Hrvatska
    • Glavni Rabinat u Hrvatskoj
    • Eine ungewöhnliche Bibliothek
    • Die Schoah in Kroatien
    • Die Ustascha
    • Singen zum Überleben
    • Eine entscheidende Wende

Ethik und Judentum
    • Ins Privatleben Eingreifen ?

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Stop in Rechelim

Von Roland S. Süssmann
Im Verlauf unserer Reise durch die jüdischen Gebiete von Judäa, Samaria und Gaza haben wir in RECHELIM einen Stop eingelegt, in einem Entwicklungsdorf, dessen juristischer Status mit «ziviler Einheit» bezeichnet wird: es ist also weder eine neue Siedlung noch ein militärischer Posten, obwohl dieser Ort vor kurzem sein zehnjähriges Bestehen gefeiert hat.
An dem Tag, an dem sich Itzchak Schamir an die berühmte Madrider Konferenz begab, wurde in Tel Aviv eine grosse friedliche Demonstration zu seiner Unterstützung organisiert: man bat ihn darum unnachgiebig zu sein und die Rechte der jüdischen Bevölkerung in den Gebieten zu verteidigen. An diesem Tag wurde ein Bus voller Demonstranten, die aus Schilo stammten, mit Maschinengewehren angegriffen; zwei Zivilisten, Rachela Druck und Itzchak Rofe, kamen ums Leben, weitere Personen wurden verletzt. Nach der Veranstaltung erklärten Frauen aus allen umliegenden jüdischen Siedlungen - Schilo, Eli, Maale Lewonah – sowie aus den jüdischen Dörfern in Judäa, dass die Antwort auf einen derartigen Angriff nur in der Gründung einer neuen Ortschaft bestehen könnte. Der politische Kontext für die Schaffung einer neuen Ortschaft hätte allerdings nicht schlechter sein können: Itzchak Schamir befand sich in Madrid und alle jüdischen Städte und Dörfer in den Gebieten wurden damals von der ganzen Welt als Hindernisse für einen Friedensvertrag empfunden. Sogar der amerikanische Präsident hatte eine entsprechende Bemerkung fallen lassen, und nach zahlreichen Debatten, Vorstössen und Interventionen beschloss die Regierung, an diesem Ort einen Militärstützpunkt zu errichten, und liess dadurch wissen, dass keine einzige «neue Siedlung» geschaffen worden sei. Die Initiantinnen des Projekts empfanden diese Lösung sowohl als unzureichend als auch als inakzeptabel. Sie beschlossen, sich während des Trauermonats an dem Ort niederzulassen, an dem die Morde geschehen waren, und sie erhielten die Genehmigung zwei Zelte aufzustellen, einen kleinen Generator mitzubringen und eine Gedenkstätte einzurichten. Mit der Zeit entstand eine «Midrascha», d.h. ein Seminar für jüdische Studien, und zahlreiche Gruppen von Jugendlichen und Erwachsenen aus dem ganzen Land wurden regelmässig eingeladen, an Kursen oder auch an Schabbatoth teilzunehmen. Damit bezweckte man natürlich, den Ort bekannt zu machen und ihm allmählich eine gewisse Legitimität zu verleihen sowie sein Weiterbestehen zu sichern.
Einige Zeit nach der Unterzeichnung der Osloer Verträge kam die Befürchtung auf, diese Stätte könnte gewaltsam aufgelöst und evakuiert werden. Dank den gemeinsamen Anstrengungen der Dachorganisation YESHA über ihre Abteilung für das Bauwesen «AMANA» sowie mit Hilfe verschiedener internationaler jüdischer Organisationen wurden die Zelte verstärkt und in ständige Behausungen verwandelt. Es ist eine interessante Tatsache, dass die Zeltplanen weiterhin von weitem sichtbar waren, dass aber darunter solide Holzbaracken gebaut worden waren. Die ersten Pionierfamilien liessen sich in diesen verstärkten Zelten nieder und lebten sieben Jahre lang an diesem Ort unter Bedingungen, die man sich kaum vorstellen kann. Während dieser Zeit besass Rechelim immer noch den vagen Status eines «Militärstützpunktes und Seminars». Vor drei Jahren willigte das Ministerium für Sicherheit endlich ein, diesem Ort den Status eines Seminars zu verleihen, was bedeutet, dass er zu einer akzeptierten Siedlung wurde, in der Zivilpersonen feste Wohnwagen aufstellen oder gar Häuser bauen durften.
Heute umfasst Rechelim eine Bevölkerung von 16 Familien (von denen eine aus Peru stammt), die insgesamt 25 Kinder unter 6 Jahren und einen etwas älteren kleinen Jungen haben! Eine Gruppe von ungefähr zehn richtigen Häusern ist entstanden, denn die Verantwortlichen von Rechelim hoffen sehr, dass sich ihre Siedlung mit der Zeit noch vergrössern wird.
Viele fragen sich nun, welchen Sinn eine derartige Unternehmung besitzt. Lohnt es sich wirklich, so viel Zeit, Mühe und Energie zu investieren, damit einige jüdische Familien ihren Traum verwirklichen können? Die Antwort ist einfach. Neben den religiösen, historischen und ideologischen Überlegungen, welche die Einwohner von Rechelim an diesen Ort binden, ist ihre Präsenz von höchster strategischer Bedeutung. Dadurch wird nämlich jede Form des territorialen Zusammenwachsens verhindert, die zwischen einer sehr grossen, von der PLO kontrollierten Zone, zu der zahlreiche arabische Dörfer gehören, die Ausgangspunkt viele Terroranschläge waren, und der Stadt Sichem (Nablus) entstehen könnte, die ebenfalls ein wichtiges Zentrum für den Terrorismus darstellt. Um die Bedeutung dieses Ortes voll und ganz zu verstehen, muss man die Karte studieren. Die israelische Regierung lässt gegenwärtig eine neue, 4 km lange Strasse bauen, die von Rechelim zur Stadt Ariel, der Hauptstadt Samarias, führen wird, wo insbesondere eine der Universitäten Israels liegt. Ausserdem begreift man nach einem Blick auf die Karte, dass die Region von Eli –Schilo –Maale Lewonah, die fast bis nach Jerusalem reicht und in der ungefähr 700 Familien wohnen, und die Stadt Ariel, die eigentlich Tel Aviv nahe liegt und ca. 4000 Familien zählt, durch ein Vakuum voneinander getrennt sind. Rechelim füllt nun aber dieses Vakuum aus, so dass diese beiden dicht besiedelten Zentren miteinander verbunden werden, was vor der Gründung Rechelims nicht der Fall war.
In Rechelim sind wir einer Gruppe von Männern und Frauen begegnet, die sowohl Mut als auch Entschlossenheit besitzen. Unter ihnen befand sich auch KATIEL BEN DAVID genannt «Kuty», der mit seiner Familie einer der Ersten war, die sich hier niederliessen, wo damals nichts als kahle Felsen lagen. Kuty zeigte mir die Zelthütte, in der er sieben Jahre lang gewohnt hatte, und sagte lachend: «Wir sind als junges Ehepaar hier eingezogen und haben das Zelt als Eltern zweier Kinder verlassen.»

Macht es Ihnen in der gegenwärtigen Situation nicht Angst hier zu leben?

Wir strengen uns besonders an, um so normal wie möglich weiterzuleben. Wenn es die Situation aufgrund der Sicherheit verlangt, bleiben wir zu Hause. Wir stehen in ständigem Kontakt zur Armee und zu den Sicherheitsdiensten. Wir besitzen aber ein normales Familien- und Gemeinschaftsleben, was uns nicht immer leicht fällt. Wir sind hierher gezogen, um hier zu wohnen, und zwar auf angenehme Art. Wenn wir wollen, dass auch andere Juden hierher ziehen, müssen wir unbedingt ein gutes Beispiel abgeben. Die ganze Welt wünscht sich nur eins, dass wir nämlich von hier verschwinden und den Arabern den Platz räumen. Mögen alle, die so denken, ihre Illusionen aufgeben! Wir werden nicht nur bleiben, sondern uns auch weiter entwickeln, indem wir Häuser bauen und immer mehr Juden hierher holen. Dies wird Zeit in Anspruch nehmen, doch wir besitzen die notwendige Energie und ausreichend Hartnäckigkeit, um unser Ziel zu erreichen. Vergessen Sie nicht, dass wir schon viel erlitten und erduldet und den Mut noch nie verloren haben.

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Wir haben ein Projekt für die territoriale Entwicklung ausgearbeitet. Sie erstreckt sich auf 3000 Dunams, die urbar gemacht werden sollen (1 Dunam = 1000 m2). Bis heute wurden erst 1200 Dunams bebaut und wir arbeiten täglich an der Verwirklichung unserer Pläne. In Bezug auf die Sicherheit werden wir eine Reihe von Schutzsystemen einrichten. Wir möchten die Landwirtschaft entwickeln und Kulturen unter freiem Himmel und in Gewächshäusern einrichten. Ausserdem liegt uns die Ausbildung und Erziehung besonders am Herzen. Im Moment besitzen wir erst einen Kindergarten und einen Kinderhort und planen noch keine Eröffnung einer Primarschule. Sehr bald werden wir uns entscheiden müssen, in welche Schulen wir unsere Kinder schicken. Dazu bestehen mehrere Möglichkeiten in der Umgebung. Und schliesslich planen wir den Bau einer Reihe von Häusern für das Allgemeinwohl, wie z.B. ein Gemeinschaftszentrum, eine Mikwe (rituelles Badehaus), ein kleines Gesundheitszentrum usw.

Wie wir gesehen haben, zeichnen sich die Männer und Frauen, die sich für ein Leben in Rechelim entschieden haben, nicht nur durch ihren Mut, sondern auch durch ihre Ideen aus: sie wissen ganz genau, wie sie ihren Ort entwickeln wollen. Sie gehören zu jener Minderheit, die «den Unterschied ausmacht». Über diesen Menschenschlag der Pioniere sagte Itzchak Schamir eines Tages zu mir: «Wenn man später einmal die Geschichte Israels unserer Zeit schreiben wird, werden diese tatkräftigen Menschen, diese Helden verehrt werden wie wir heute die Gründerväter des Staates Israel verehren!»


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