Zu einem Zeitpunkt, da in Israel fast täglich Juden von Arabern ermordet werden, treffen gute Nachrichten selten ein, sind aber dafür um so gefragter. Am 3. Januar dieses Jahres hat jedoch in den internationalen Gewässern des Roten Meeres, 500 km vor der israelischen Küste entfernt, eine Operation stattgefunden, die mit derjenigen von Entebbe vergleichbar war: die Karine-A wurde konfisziert. Dieser 400-Tönner enthielt 83 Kisten mit hochmodernen Waffen. Die Operation «Arche Noah» verkörpert einen sensationellen gemeinsamen militärischen Erfolg, an dem die Marine, die Luftwaffe und der Nachrichtendienst in aller Heimlichkeit zusammengearbeitet hatten. Diese absolut einzigartige Intervention hat auch die Bedeutung der Marine im Verteidigungssystem Israels in Erinnerung gerufen. Um mehr darüber zu erfahren, haben wir uns an Admiral YEDIDYAH YAARI gewendet, den Obersten Befehlshaber der Seestreitkräfte des Staates Israel, der uns zu einem ausführlichen Exklusivgespräch empfing, dessen wichtigste Ergebnisse wir im Folgenden zusammenfassen.
Bevor wir unsere Aufmerksamkeit dem Admiral zuwenden, sollte doch daran erinnert werden, dass ein tatsächlicher Einsatz der konfiszierten Waffen zu einer beträchtlich verstärkten Bedrohung der zivilen und militärischen Bevölkerung in Israel geführt hätte. Das Schiff transportierte u.a. RPG-Raketen und Panzerschrecks von 60 mm bis 122 mm, einige davon mit einer Reichweite von 20 km, Panzerabwehrraketen mit einer Reichweite von 200 m bis 3,5 km, über zwei Tonnen Sprengstoff, leichte Artillerie, Splittergranaten und schliesslich auch militärische Ausrüstung für die Marine. Dieses gesamte hochmoderne Material wäre sofort einsatzbereit gewesen.
Können Sie uns in Kürze sagen, wofür die israelische Marine im Wesentlichen zuständig ist?
Die Hauptaufgabe unserer Streitkraft besteht darin, die verschiedenen Küstengebiete unseres Landes zu schützen, die gleichzeitig auch unsere längste Grenzlinie darstellen, den freien Seeverkehr sowie die Sicherheit und Befahrbarkeit der Transportwege auf See zu garantieren und die israelische Souveränität auf See sowohl im Mittelmeer als auch auf dem Roten Meer zu bewahren, falls sich dies als notwendig erweist.
Geografisch gesehen sind wir eine Insel, denn seit der Staatsgründung sind wir von uns feindlich gesinnten Ländern umgeben. Unsere einzige Öffnung zur restlichen Welt bestand jahrelang ganz konkret nur aus dem Seeweg. Es stimmt, dass wir mit Ägypten und Jordanien Friedensverträge abgeschlossen haben, aber da wir uns im Nahen Osten befinden, kann ich nur hoffen, dass diese Abkommen auch langfristig ihre Gültigkeit behalten. Wir leben in einer Region, in der zahlreiche Unsicherheiten und Zweideutigkeiten auftreten, und daher müssen wir uns auf jede Situation gefasst machen, die unsere Verbindung zum Rest der Welt wieder auf den Seeweg allein beschränken würde. Auf Grund der Entwicklung der Lage im Nahen Osten haben einige, früher zweitrangige Überlegungen in direktem Zusammenhang mit unserer Sicherheit an Bedeutung gewonnen und besitzen heute einen zwingenden Charakter. Ich denke, dass der Abschuss von Langstreckenraketen und -flugkörpern eine Möglichkeit darstellen, die immer aktueller und bedrohender wird. Durch diese Waffen sind unsere Feinde in der Lage, uns aus grosser Entfernung anzugreifen, ohne dabei direkt mit unsern Streitkräften konfrontiert zu werden, die ihnen im Kampf überlegen sind. Darüber hinaus entziehen sie sich durch diese Angriffe aus der Distanz auch der Übermacht unserer Flugwaffe; ein massiver Angriff mit einfachen Sprengköpfen kann unsere Streitkräfte an der Front, unsere Infrastruktur hinter der Frontlinie und das Hinterland treffen. Die Tatsache, dass die Araber ihre Angriffe aus dem gesamten Territorium starten können, das Israel umgibt, schafft eine Gefährdung unserer wichtigsten Verteidigungsschwerpunkte. Wir müssen folglich Ausweichlösungen entwickeln, falls ein Szenario eintreffen sollte, das uns daran hindert unsere Streitkräfte voll einzusetzen. Ich denke beispielsweise an eine Situation, in der wir gleichzeitig von einer Guerilla und weitreichenden Raketen angegriffen werden. Eine derartige Kombination droht alles sehr kompliziert zu machen, und ein herkömmlicher militärischer Gegenschlag könnte sich als fast unmöglich erweisen. Heutzutage bietet die Marine Israel eine zusätzliche strategische Tiefe gegen Westen (Mittelmeer), dank der eine Schwachstelle kompensiert würde, falls die Kapazitäten der IDF nicht optimal eingesetzt werden könnten. Es geht darum, über einen Raum zu verfügen, der sich nicht auf das winzige und zarte territoriale Gebiet des heutigen Israels beschränkt, in dem sich letztendlich alle Punkte in der Reichweite entweder von Guerillatruppen oder Langstreckenraketen befinden. Das Meer kennt alle die Zwänge nicht, die auf dem Land existieren, einschliesslich derjenigen in Bezug auf die Luftwaffe. Über unsere traditionelle Rolle im Küstenschutz bei der Garantie der Navigationsfreiheit hinaus müssen wir auch Kapazitäten zur Steigerung der Effizienz bereit stellen können, indem wir nicht nur eine neue strategische Tiefe im Westen gewährleisten, sondern diese auch für den Einsatz des gesamten «Rückgrats» unserer Armee vorbereiten.
Die Beschlagnahme der Karine-A hat gezeigt, dass die PLO alles unternimmt, um an Waffen zu gelangen. Wie gedenken Sie dies zu verhindern?
Im Rahmen der strategischen Überlegungen, die ich Ihnen hier dargelegt habe, spielen wir eine immer wichtigere Rolle; sie besteht darin, die ganze Palette von Terrorakten zu vereiteln. Niemand hat die verschiedenen Terrorangriffe vergessen, die in Israel durch Attentäter verübt wurden, die über den Seeweg eingedrungen waren. Seit langer Zeit ist ihnen dieses Vorgehen nun nicht mehr gelungen, sie schaffen es nicht mehr, von der Küste her nach Israel einzudringen. Im Verlauf der letzten zwanzig Jahre konnten alle derartigen Versuche im Keim erstickt werden. Das Meer bietet jedoch zahlreiche Möglichkeiten für den Waffenschmuggel. Von allen Wegen, die eine illegale Einfuhr von Waffen nach Judäa, Samaria und in den Gazastreifen erlauben, ist der Seeweg der effizienteste. Es ist immer möglich, kleine Mengen an Waffen in einem Auto oder durch einen Tunnel einzuschleusen. Mit einem Schiff jedoch können in einer einzigen Operation, wie dies für die Karine-A der Fall war, grosse Lieferungen durchgeführt werden. Unsere Aufgabe ist es demnach, jede Ladung, die illegal nach Judäa, Samaria und Gaza geschafft werden soll, abzufangen und zu verhindern.
Verfügt die PLO in ihren Streitkräften ebenfalls über Marinetruppen, und wenn ja, wie zahlreich sind diese?
Es gibt tatsächlich eine sogenannte «palästinensische Seepolizei». Omar Achawi, der Kapitän der Karine-A, ist übrigens niemand Geringeres als der Chef der palästinensischen Seefahrtsverwaltung. Diese Verbindung zwischen den auf dem Schiff gefundenen Waffen und ihrer Endbestimmung, d.h. der «palästinensischen Behörde», kann nicht von der Hand gewiesen werden. Anlässlich der Pressekonferenz nach der Konfiszierung des Schiffes erklärte unser Generalstabschef, Generalmajor Shaul Mofaz, (siehe SHALOM Nr.35) insbesondere: « … dank den Verhören, die von unserem Sicherheitsdienst durchgeführt wurden, haben wir erfahren, dass der Kapitän des Schiffes und andere Angehörige der palästinensischen Seepolizei direkt mit dem Terrorismus in Verbindung stehen. Mitglieder der Behörde sind direkt am Kauf und am Schmuggel von Waffen beteiligt. Letztere sind für Attentate bestimmt und sollen eine strategische Bedrohung der Bürger Israels und der Angehörigen der IDF darstellen.»
Wie sehen Ihre Beziehungen zur Seepolizei der PLO aus?
Diese Einheit verfügt über kleine Schiffe, die gemäss den Osloer Abkommen in Zusammenarbeit mit unseren Patrouillebooten der Aufsicht über die Fischerei in den Küstengebieten des Gazastreifens dienen sollten. Merkwürdigerweise hatten wir eine recht gute Zusammenarbeit aufgebaut, die bis September 2000 andauerte, als Arafat die von ihm El-Aksa genannte Intifada startete, die wir als einen bewaffneten Konflikt mit geringer Intensität bezeichnen. In Wirklichkeit handelt es sich um einen ungleichen Zermürbungskrieg zwischen den Streitkräften Arafats und uns. Man muss sich klar machen, dass der Begriff «Streitkräfte Arafats» den Hamas, den Djihad, die Tanzim, die Fatah und alle Sicherheits- und Polizeikräfte der palästinensischen Autonomiebehörde umfasst. Sie alle unterstehen seiner Kontrolle, seinem Einfluss und seinen Anweisungen, auch wenn er nicht für die Finanzierung sämtlicher Operationen aufkommt. Es besteht kein Zweifel, dass der Entschluss, diesen Krieg anzuzetteln, von Arafat stammt. Unsere Zusammenarbeit war übrigens für alle von Vorteil und die Seepolizei war sich dessen durchaus bewusst. Nachdem die Intifada ausgelöst worden war, nahmen die Angehörigen dieser Einheit sowohl in Judäa-Samaria als auch in Gaza an den Angriffen gegen Juden teil und ein grosser Teil ihrer Marinetruppen haben sich direkt an terroristischen Aktivitäten beteiligt. Trotz allem haben wir weiterhin «höfliche» Beziehungen zu ihnen unterhalten, bis die Affäre um die Karine-A uns zeigte, dass sie in Wirklichkeit alle Abmachungen, die wir mit ihnen getroffen hatten, gebrochen haben. Wir hegten keine Illusionen oder Erwartungen ihnen gegenüber, doch wir haben versucht, die palästinensische Seepolizei nicht in den Konflikt mit hineinzuziehen. Sie erwies sich als sehr effizient bei der Kontrolle der wichtigsten Nahrungsquelle im Gazastreifen, nämlich die Fischerei. Dazu muss man wissen, dass im Durchschnitt tausend Fischerboote in dieser Region dieser Tätigkeit nachgehen. Die Küste ist ausgesprochen lang und wir mussten in der Lage sein, auch den Schmuggel in den Griff zu bekommen. Aus diesem Grund sahen wir uns nach jedem Schmuggelversuch gezwungen, zur Erhaltung unserer Effizienz die Fischereizonen einzuschränken.
An Land kam es anlässlich von gemeinsamen Patrouillen der PLO-Polizei und Tsahal zu diversen Vorfällen, in deren Verlauf Angehörige dieser «Polizei» ihre jüdischen Kollegen derselben Patrouille angegriffen haben. Ist Ähnliches auch auf See vorgefallen?
Von der palästinensischen Seepolizei sind wir nie auf diese Weise angegriffen worden. Ein Hamas-Mitglied hat jedoch versucht einen Selbstmordangriff durchzuführen, den wir allerdings verhindern konnten.
Denken Sie, dass die PLO gegenwärtig andere Operationen und Versuche unternimmt, um in ähnlicher Weise wie auf der Karine-A heimlich Waffen ins Land zu schaffen?
Zweifellos. Die Beschlagnahme der Karine-A war für sie natürlich ein harter Schlag. Wegen des Ausmasses dieser Operation waren sie von ihrem Erfolg absolut überzeugt. Die Vorbereitung unseres Eingriffs war für uns wiederum eine Aufgabe, die einen Einsatz rund um die Uhr verlangte. Der Nachrichtendienst, insbesondere derjenige der Marine, hat eine entscheidende Rolle gespielt. Die Luftwaffe musste für einen Einsatztyp trainieren, den sie sonst nicht gewohnt ist. Das zentrale Element der ganzen Aktion waren die Marinekommandos, die sehr viel Flexibilität, rasche Anpassungsfähigkeit und Wagemut an den Tag legen mussten, um erfolgreich zu sein. All diese Einheiten haben sich daher wochenlang gemeinsam vorbereitet. Die Männer haben sich kennengelernt und übten die Zusammenarbeit, damit die blitzartige Intervention 500 km von ihrem Stützpunkt entfernt gelingen konnte.
Es gab aber auch andere Infiltrationsversuche, ich denke dabei vor allem an das aus dem Libanon kommende Schiff «Santorini», das wir abfangen konnten, doch mit der Karine-A wurden wir zum ersten Mal mit einer Operation dieses Ausmasses konfrontiert. Vor der «Santorini» hatten drei Versuche von Waffenschmuggel über den Seeweg stattgefunden, die jedoch scheiterten und deren Ladungen ihren Adressaten, die PLO, nie erreichten.
Glauben Sie aufgrund der Situation, dass die Idee, einen palästinensischen Hafen in Gaza zu bauen, aufgegeben wurde?
Ich denke nicht, doch dies hängt von den Ländern ab, die sich zur Finanzierung dieses Projekts verpflichtet haben. Ich glaube aber, dass der Beginn der Arbeiten auf ein heute noch nicht bestimmtes Datum verschoben wurde. Der Bau dieses Hafens ist Bestandteil eines Friedensvertrags und kann daher nicht in Angriff genommen werden, solange die Gegenpartei noch auf uns schiesst.
Immer öfter ist von der Beteiligung Irans an diesem Konflikt die Rede. Ist dies auch auf dem Meer zu spüren?
Nein, meiner Ansicht nach sind die iranischen Aktivitäten vorläufig nur an Land spürbar.
Ihre Marine ist auch an der Küste des Roten Meeres stationiert, wo Israel eine gemeinsame Grenze mit Saudiarabien aufweist. Kam es mit diesem Königreich zu irgendwelchen Vorfällen?
Nie; uns ist ein einziges Mal etwas passiert: einer unserer Raketenträger lag wegen eines Fehlers auf einer saudischen Insel fest. Als die wenigen dort Dienst tuenden saudischen Soldaten merkten, dass es Israelis waren, haben sie fast einen Herzanfall bekommen. Die Behörden beschlossen den Vorfall zu ignorieren und so konnten wir drei Tage später das Schiff problemlos wieder zurückholen.
Im Roten Meer entspricht unsere Tätigkeit eigentlich derjenigen einer hochentwickelten Polizeieinheit und wir arbeiten sehr gut mit den Jordaniern zusammen, damit der Golf von Eilat ein ruhiges und beliebtes Ferienziel bleibt. Auch mit Ägypten haben wir keine Schwierigkeiten. Sollte es sich als notwendig erwiesen, würden wir entsprechende Schritte unternehmen, um unsere Präsenz zu verstärken und die Sicherheit unserer Mitbürger zu gewährleisten. Sollte jedoch Saudiarabien eine islamische Republik werden, sähe alles ganz anders aus.
Seit kurzem verfügt Ihre Marine über U-Boote. Weshalb?
Jede Marine, die dieses Namens würdig ist, muss ein U-Boot besitzen. Da unser Spielraum letztendlich auf ein recht kleines Gebiet beschränkt ist, nämlich auf den östlichen Teil des Mittelmeers, kann alles, was an der Oberfläche geschieht, leicht beobachtet werden. Es gibt jedoch eine Reihe von Tätigkeiten unserer Marine, die nicht für jedermanns Augen bestimmt sind, und wir unternehmen viele Operationen, die wir ganz ohne Zuschauer durchführen wollen…
Wir besitzen drei ganz neue U-Boote. Sie wurden in Deutschland auf der Grundlage von israelischen Entwürfen gebaut und weisen einige ganz besondere Zusatzausstattungen auf. Meines Erachtens gehören sie heute zu den besten konventionellen Unterwasserbooten der Welt.
Wie sehen Sie die Entwicklung der israelischen Seestreitkräfte in den kommenden Jahren?
Ich habe Ihnen unsere Hauptfunktion erklärt. Wir müssen uns jedoch auch darauf vorbereiten, dass wir uns an die verschiedenen Entscheidungen aller anderen Streitkräfte auf der Welt anpassen müssen. Wir beobachten regelmässig, wie Schiffe oder U-Boote Raketen abschiessen und direkt in Konflikte eingreifen, die an Land ausgetragen werden. Sämtliche Fernsehstationen der Welt haben die amerikanische Marine gezeigt, wie sie beim Abschuss von Tomahawk-Missiles mit sehr grosser Reichweite ab einem Schiff im Persischen Golf auf Objekte im Irak zielte. Ich denke, dass wir uns aller Voraussicht nach irgendwann in diesem Sinne entwickeln werden, wenn auch ausschliesslich im Rahmen der besonderen Bedürfnisse der israelischen Verteidigung. Wir müssen in der Lage sein, in einer grösseren Landschlacht einzugreifen, und dürfen unsere Tätigkeit nicht auf rein maritime Eingriffe beschränken. Ich bin überzeugt, dass die Marine mit der Zeit auf dem militärischen Spielbrett des Nahen Ostens eine wichtigere Rolle übernehmen wird. Wenn wir unsere Effizienz steigern wollen, sei es schon nur in Bezug auf die Kosten und das Verhältnis Effizienz/ Dollar (oder Schekel), müssen wir unsere Fähigkeiten und Risiken diversifizieren. Darüber hinaus können auf militärischer Ebene plötzlich Änderungen eintreten, wodurch die eine oder andere unserer Stärken auf einmal an Nutzen verliert. Dann sollte eine andere Einheit sofort eingreifen können. Daher muss ein Gleichgewicht bestehen, und dies heisst heute im Rahmen der israelischen Streitkräfte, dass die Marine aufgewertet werden muss. Letztendlich denke ich, dass die israelischen Seestreitkräfte allmählich an Bedeutung gewinnen werden. Schon heute greifen wir überall ein, wo es die Sicherheit Israels erforderlich macht oder es notwendig ist… wie dies für die Karine-A der Fall war.
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