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Inhaltsangabe Russland Herbst 1997 - Tischri 5758

Editorial - Herbst 1997
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Rosch Haschanah 5758
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Wissenschaftliche Zusammenarbeit Russland-Israel

Von Roland S. Süssmann
Die politischen Nachwirkungen des Staatsbesuchs, den der Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im März 1997 in Russland unternahm, sind noch nicht spürbar. Ein anderer Aspekt dieser Reise hat jedoch bereits Früchte getragen. Der Ministerpräsident hatte sich von einigen Persönlichkeiten aus den unterschiedlichsten Bereichen - Militär, Geschäftswelt, Landwirtschaft und Wissenschaft - begleiten lassen, um die Zusammenarbeit zwischen Russland und Israel zu fördern. Als Vertreter des wissenschaftlichen Bereichs hatte er Professor HERMAN YIRMIAHU BRANOVER eingeladen, der das Zentrum für physikalische Forschung, insbesondere in der Magnethydrodynamik, der Universität Beer Schewa leitet. Nach seiner Rückkehr in Israel beauftragte Benjamin Netanjahu Professor Branover mit einem Sonderauftrag in Russland, um die ersten Kontakte zu vertiefen und einen konstruktiven und realistischen Dialog aufzunehmen, der zur konkreten wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern führen soll. Wir sind mit ihm zusammengetroffen, um uns die näheren Umstände seines Auftrags erklären zu lassen.


Inwiefern unterscheidet sich Ihre Mission von derjenigen, die in Russland von Nathan Scharansky, dem Minister für Industrie und Handel, ausgeführt wurde ?

Bis heute befassten sich verschiedene Personen mit der Frage der wissenschaftlichen Zusammenarbeit, auch wenn der Ansatz trotz allem sehr vage blieb. Wiederholt wurden Abkommensentwürfe und auch Abkommen selbst ratifiziert, doch die Unterzeichnung von Verträgen hat nie zu ihrer Verwirklichung geführt. Es erwies sich demnach als notwendig, jemanden an Ort und Stelle zu entsenden, um spezifische Projekte, Technologien und Industriezweige im Hinblick auf eine Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern zu beurteilen. Der Hauptunterschied zwischen meiner Mission und allen früher unternommenen Schritten betrifft die konkrete Form der zukünftigen wissenschaftlichen Zusammenarbeit.
Man muss sich im klaren sein, dass die Zeit gegen Israel läuft. Noch vor fünf Jahren hätten die israelischen Unternehmen eine Monopolstellung einnehmen können, da die Russen damals fest von der Macht und vom weltweiten Einfluss der Juden überzeugt waren. Heute hat sich die Situation verändert, sie haben nach und nach begriffen, dass dies nicht der Fall ist; multinationale Gesellschaften wie Siemens oder Westinghouse haben in Russland Fuss gefasst, obwohl wir diese Märkte hätten kontrollieren können. Ich denke, dass wir alle günstigen Gelegenheiten verpasst haben und dass "die besten Plätze vergeben sind". Doch Russland ist ein grosses Land, ja eine Supermacht, und uns stehen immer noch gute Möglichkeiten offen. Wenn es mir auf praktischer und konkreter Ebene gelingt, eine Reihe von Industriezweigen, Labors oder Institutionen beider Länder für gemeinsame Tätigkeiten zusammenzubringen, denke ich, dass ich meine Mission mit Erfolg erfüllt habe.


Wie wickeln sich die Dinge konkret ab ?

Sofort nach meiner Ankunft in Moskau haben mir die Russen mehrere hundert wissenschaftliche Projekte vorgestellt, von denen ich einige ausgewählt habe, um ausführlichere Informationen zu erhalten und mir so vor meiner Entscheidung ein genaueres Bild zu machen. Ich werde letztendlich wohl dazu raten, die Kontakte und die Arbeit mit einem Dutzend von ihnen weiterzuführen, darunter mit einigen Projekten im Bereich der Umorientierung von Militärindustrie zu zivilen Zwecken. Es stehen sehr bedeutende Vorhaben zur Diskussion, wie beispielsweise die völlige Umstrukturierung des russischen Telekommunikationssystems; die Kosten dieses Programms werden auf viereinhalb Milliarden Dollar geschätzt. Mit anderen, weniger weitreichenden Projekten könnte in den nächsten Monaten gestartet werden. Leider werden uns auf israelischer Seite einige Steine in den Weg gelegt. Russland bietet zahlreiche neue Technologien an, und die Russen möchten die genauen wissenschaftlichen Bereiche kennenlernen, in denen Israel wirklich an einer Zusammenarbeit interessiert wäre. Bisher habe ich von den Israelis allerdings noch keine Antwort erhalten. Ich habe das Problem also von der anderen Seite angepackt und habe eine Liste der russischen Vorhaben anfertigen lassen, welche Israel interessieren könnten. Die Situation ist sehr einseitig. Dazu muss ich sagen, dass Israel sich über eine Zusammenarbeit mit Russland und die Vorteile der riesigen, dort bereitstehenden Ressourcen wenig begeistert zeigt.


Warum eigentlich ?

Ich glaube, dass immer noch eine gewisse Skepsis, wenn nicht gar Misstrauen gegenüber allem Russischen vorherrscht. Darüber hinaus ist das Denken und Handeln der Israelis ganz auf die Vereinigten Staaten ausgerichtet, während alle anderen Quellen sozusagen ignoriert werden. Dennoch hoffe ich, dass sich den beiden Ländern auf lange Sicht zahlreiche Gelegenheiten zur Kooperation bieten werden und dass Israel mit der Zeit lernt, von den wissenschaftlichen Möglichkeiten in Russland zu profitieren. Natürlich muss zunächst die Schwerfälligkeit der Bürokratie überwunden werden, doch wenn die notwendigen Anordnungen von den betroffenen Ministerien aus kommen, könnte dies die Dinge beschleunigen. Daneben besitzt Israel den einzigartigen Vorteil, aufgrund der massiven Immigration von russischen Juden über Arbeitskräfte zu verfügen, welche mit den Russen umzugehen wissen und ihre Art zu denken und zu handeln kennen und verstehen, ganz zu schweigen vom erleichternden Umstand, in einer gemeinsamen Sprache zu arbeiten.

TREFFEN MIT S.E. VALERY KOSTYUK

Seit der Wiederherstellung der Beziehungen zwischen Russland und Israel hat die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern eigentlich nur eine Entwicklung gekannt: die Unterzeichnung von allen möglichen Verträgen und Abkommen, die jedoch leider nie konkret verwirklicht wurden. Wir haben in Moskau ein Exklusivgespräch mit S.E. VALERY KOSTYUK geführt, dem stellvertretenden Minister für Wissenschaft und Energie, der uns darüber informierte, wie Russland heute mit Israel zusammenarbeiten möchte.


Obwohl die Schwerfälligkeit der russischen Bürokratie bekannt ist, herrscht im Hinblick auf die wissenschaftliche Zusammenarbeit der Eindruck vor, dass vielmehr Israel "hinterherhinkt". Trifft dies wirklich zu ?

Vor meiner Antwort möchte ich kurz auf die jüngste Geschichte der wissenschaftlichen Kooperation zwischen Russland und Israel eingehen. Es stimmt, dass der erste russisch-israelische Vertrag über wissenschaftliche Zusammenarbeit 1994 unterzeichnet wurde und dass seither nichts Konkretes geschah, obwohl gleich nach der Unterzeichnung des Vertrags von beiden Parteien eine Koordinationskommission ins Leben gerufen wurde. In der ersten Sitzung dieser Kommission wurden acht Bereiche für die Kooperation festgelegt: allgemeiner Informationsaustausch betreffend neue Technologien, Telekommunikation, Elektronik, Bioengeneering, neue Materien, neue Medizin, Weltraum, Ökologie und Umweltschutz. An derselben Sitzung wurde ein Aktionsplan beschlossen, der die Selektion von acht konkreten Projekten ermöglichte. Zwischen 1994 und 1996 tat sich aber gar nichts. Erst 1996 wurde das Verfahren festgelegt, welches die Auswahl der Projekte möglich machte. Wir haben anschliessend eine Liste mit zwanzig Projekten erstellt, von denen wir annahmen, dass sie gemeinsam verwirklicht werden könnten. Nach einer strengeren Selektion beschlossen wir, eine Anwendungsliste zu erarbeiten, in deren Rahmen der konkrete Austausch von Forschern zwischen den beiden Ländern organisiert würde. Sechs der zehn von den Russen vorgeschlagenen Projekte wurden gutgeheissen: vier in Physik und Photonenphysik, zwei im Bereich der Ökologie und der aquatischen Technik. Für jedes davon wurden die Fakultäten und die Professoren bestimmt, welche die Vorhaben leiten sollten. Auf unserer Seite wurde vorgesehen, mit sämtlichen Forschungszentren und Instituten des wissenschaftlichen Zentrums der russischen Akademie zusammenzuarbeiten, während wir in Israel das Institut für Technologie von Haifa, die Universität Bar Ilan, die Hebräische Universität von Jerusalem, das Institut Weizmann und auch das akademische College des Jordantals sowie das limnologische Labor (Untersuchung der Binnengewässer) von Tiberias hinzuziehen. Auf Regierungsebene braucht alles sehr viel Zeit. Ich bin im Hinblick auf eine tatsächliche Verwirklichung jedoch optimistischer, wenn es sich um direkte Abkommen zwischen den Akademien handelt. Seit zwei Jahren findet in verschiedenen Bereichen ein regelmässiger Austausch von russischen und israelischen Wissenschaftlern statt (5 bis 6 Forscher werden pro Jahr ausgetauscht). Ich erinnere auch daran, dass im November 1991 unser Minister für Wissenschaft und Energie Israel den ersten Besuch abstattete und dabei einen Kooperationsvertrag mit seinem israelischen Amtskollegen Professor Yuval Neeman unterschrieben hat. Im Rahmen dieses Vertrags wurde beschlossen, ein Pilotprojekt mit Vorbildcharakter durchzuführen, das sehr rasch darauf an der Universität von Beer Schewa unter der Leitung von Professor H. Branover ins Leben gerufen wurde. So ist ein Labor für Energieforschung eröffnet worden, und Forscher aus beiden Ländern reisen regelmässig zwischen Russland und Israel hin und her. Andere Vorhaben im Bereich der Umwelt, insbesondere zum Thema der Beseitigung von Wasser- und Luftverschmutzung, wurden abgeschlossen. Sie sehen, wir sind durchaus bereit, mit Israel zusammenazuarbeiten, und ich denke, dass wir nach Überwindung einiger Schwerfälligkeiten zahlreiche gemeinsame Projekte, von denen beide Länder profitieren, erfolgreich abschliessen können.

OLEG LUOBOV, bis vor kurzem stellvertretender Premierminister in Russland und seit langem ein enger Freund von Boris Jelzin, ist soeben an die Spitze eines neuen Organs ernannt worden, das sich mit der Förderung der geschäftlichen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Russland und den anderen Ländern befasst. Er hat mehrere konkrete Vorschläge in bezug auf eine direkte Zusammenarbeit mit Israel gemacht, vor allem auf dem Gebiet der Agrikultur, der Air Condition-Technologie und der Energieeinsparung. Luobov hat den Wunsch ausgedrückt, dass gemeinsame Projekte Russlands und Israels betreffend Handel und Forschung rasch durchgeführt werden. Wegen des chronischen Mangels an finanziellen Liquiditäten in Russland schlägt Luobov vor, diesen Austausch in erster Linie auf die riesigen natürlichen Ressourcen seines Landes und das oft sehr fortgeschrittene technische Know-how der israelischen Wissenschaftler abzustützen.

Professor OLEG N. FAVORSKY leitet die Abteilung für Physik und Energie der russischen Akademie der Wissenschaften. Er geht davon aus, dass die wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit zwischen Israel und Russland nicht intensiv genug ist und dass Russland es Israel ermöglichen könnte, vollständige Unabhängigkeit im Energiebereich zu erlangen. Andererseits denkt Professor Favorsky auch, dass die enorme von der UdSSR geschaffene Militärindustrie einzigartige Technologien entwickelt hat, die heute im zivilen Bereich Anwendung finden könnten. Seiner Ansicht nach könnte die Zusammenarbeit der beiden Länder in diesem Bereich bedeutende Ausmasse annehmen.

EDWARD VOLKOV, Generaldirektor des Energieinstituts von Moskau, ist einer der Wissenschaftler mit den meisten Auszeichnungen und höchsten Ehrungen sowohl der ehemaligen UdSSR als auch des heutigen Russlands. Im Rahmen seiner Aktivität im Bereich der Entwicklung von erneuerbarer Energie hat er zahlreiche Reisen nach Israel unternommen. Er arbeitet gegenwärtig an einem sehr wichtigen Projekt betreffend die Wiederaufbereitung von Ölschiefer in Israel und Jordanien. Volkov arbeitet ebenfalls mit dem Institut Weizmann und verschiedenen israelischen Privatgesellschaften an sehr hochstehenden Projekten im Bereich der Verwendung von Sonnenenergie.

DMITRY V. SERGEEV, erster stellvertretender Gouverneur von Sankt Petersburg und seiner Region, leitet den Ausschuss für wirtschaftliche und industrielle Entwicklung. In dieser Eigenschaft ist er sehr an der raschen Verwirklichung eines Kooperationsabkommens mit Israel im Industriebereich, insbesondere in Optik und Metallbehandlung, interessiert. Als pragmatischer Mensch hat er sofort einen Aktionsplan auf der Grundlage seiner Hauptidee vorgeschlagen: die Konfiguration bestimmter Elemente wird in seiner Region hergestellt, während der elektronische oder informatische Teil in Israel produziert wird. Auf diese Weise erhält die russische Industrie einen leichteren Zugang zu bestimmten Weltmärkten, da sie direkt von den Freihandelsabkommen zwischen Israel und den USA bzw. der Europäischen Union profitieren kann. Um zu beweisen, wie ernst es ihm mit seinen Kooperationsabsichten mit Israel ist, hat Sergeev sofort einen Verantwortlichen ernannt, der die Aktivitäten und die Durchführung gemeinsamer Projekte zwischen den Industriezweigen in Sankt Petersburg und Israel koordinieren soll.

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