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Inhaltsangabe Politik Herbst 1997 - Tischri 5758

Editorial - Herbst 1997
    • Editorial

Rosch Haschanah 5758
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Fragen um den Libanon

Von Emmanuel Halperin, unserem Korrespondenten in Jerusalem
"Wieviel können wir noch einstecken ? Und wie lange noch ?" Diese grundsätzliche Frage stellen sich die israelischen Verantwortlichen nach der tragischen Serie von militärischen Misserfolgen im Südlibanon, die das gesamte Land in tiefe Trauer stürzten und in genau dem Moment auftraten - Zufall oder nicht ? -, als die Islamisten des Hamas wieder mit ihren Selbstmordattentaten begannen. Während die Konfrontation mit dem palästinensischen Terrorismus allen als unumgänglich erschien, da er weder von der Politik der amtierenden israelischen Regierung noch von den Zugeständnissen an die PLO abhängig ist, erweist sich die Politik Israels im Südlibanon als sehr viel komplexer.
Nach Ansicht der meisten Israelis ist sie zunächst eine Folge des bislang am wenigsten akzeptierten Kriegs, des 1982 geführten Libanonkriegs, der von Anfang an in Frage gestellt wurde: sollte man eine grosse Operation durchführen und sich dabei auf einen unzuverlässigen Verbündeten stützen - die maronitischen libanesischen Christen - um die Faktoren des Konflikts gewaltsam zu verändern, indem man die PLO aus diesem unter der syrischen Knute zugrunde gewirtschafteten Land vertrieb ? Arafat und seine Leute wurden zwar gezwungen, sich nach Tunis zurückzuziehen, doch Syrien beherrschte weiterhin das Spiel, und die palästinensischen Kommandos wurden vor Ort durch die islamische Schiitenmiliz ersetzt. "Frieden für Galiläa", so hatte man diese Operation genannt, denn Nordgaliläa lag pausenlos unter dem Katyuscha-Feuer Arafats. Heute wird das Gebiet von den Katyuschas des syrisch-iranischen Hisbollah bombardiert. Was macht das für einen Unterschied, fragen sich zu Recht viele Israelis jedesmal, wenn ein Soldat in dieser verzwickten Situation den Tod findet. Und insbesondere dann, wenn das Fernsehen innerhalb weniger Tage von über fünfzehn Beerdigungen von jungen Soldaten berichtet.
Die Regierungen, die einander seit fünfzehn Jahren ablösen - vor allem seit 1986, als die Sicherheitszone geschaffen wurde -, geben auf diese angstvollen Fragen durchaus glaubwürdige Antworten. Die israelische Armee hat sich aus dem Libanon zurückgezogen und nur eine recht schmale Verteidigungszone beibehalten, in der die Milizen der südlibanesischen Armee (eigentliche Söldner, wenn man ehrlich ist) mit der Unterstützung von Tsahal-Einheiten tätig sind. Das logische Ziel dieser Truppen: die Infiltration von Terroristenkommandos nach Israel muss verhindert und die islamistischen Milizen müssen gezwungen werden, ihre Raketenabschusspanzer mehr als zehn oder gar fünfzehn Kilometer von der Grenze entfernt aufzustellen, um somit das Risiko eines Angriffs zu verringern. Seit 1986 hat tatsächlich kein einziger israelischer Zivilist in dieser Region aufgrund einer kriegerischen Auseinandersetzung den Tod gefunden. Diese relative Ruhe - sehr relativ, da trotz allem immer wieder Raketen auf israelischem Territorium explodieren, grosse Schäden verursachen und die Nerven der Bewohner strapazieren - ist für die heikle Grenzregion von besonderer Bedeutung: die sich entwickelnden Städte mit ihrer noch unsicheren Wirtschaft und die recht armen Dörfer hoffen, zumindest einen gewissen Schutz zu geniessen. Die israelischen Entscheidungsträger werden sich aber immer daran erinnern, wie 1981 anlässlich der Bombardierung der Region durch die PLO ein Teil der Bevölkerung dies nicht mehr aushielt und sich mit Sack und Pack ins Landesinnere zurückzog. Dadurch wurde der Durchhaltewillen der Israelis in arge Mitleidenschaft gezogen. Dies darf sich also keinesfalls wiederholen.
Doch der Südlibanon scheint die Leere nicht ertragen zu können. Und die PLO wurde durch diese seltsamen, gut trainierten und vom Iran und Syrien perfekt ausgerüsteten Schiiten-Milizen ersetzt, die von einem unstillbaren Hass gegenüber Israel erfüllt sind, so dass sie immer mehr Attentate gegen die Armee und gegen Zivilpersonen verüben. Über zweihundert israelische Soldaten sind seit zehn Jahren bereits in dieser Sicherheitszone gefallen. Jedesmal fragt sich die öffentliche Meinung, ob man nicht die Strategie ändern, d.h. sich an die internationale Grenzlinie halten und eine strikt defensive Haltung einnehmen sollte, auch wenn man dabei auf die Alliierten der südlibanesischen Armee verzichten müsste. Diese Miliz, die sich nicht mehr wie in der Vergangenheit aus christlichen Soldaten zusammensetzt, sondern in ihren Rängen auch zahlreiche vor Ort ausgehobene Schiiten zählt, von denen es heisst, sie besässen in ihren Familien manchmal Brüder oder Cousins, die auf der Seite des Hisbollah kämpfen !
Diese Schiiten wenden sich aufgrund ihrer iranischen Beziehungen mit flammenden Worten gegen Israel, sprechen davon Jerusalem zu befreien und werden als die objektiven Verbündeten der palästinensischen Extremisten angesehen. Das angeblich weltliche syrische Regime, das sich nicht scheute, die islamistischen Elemente auf eigenem Boden blutig zu unterdrücken, verwendet sie mit dem Ziel, sich in den Augen der "Gotteseiferer" reinzuwaschen und Israel unter Druck zu setzen, ohne seine eigene Armee einzusetzen: auf dem Golan herrscht seit dem Kippurkrieg absolute Ruhe. Doch nur wenige Kilometer entfernt, im zugrundegerichteten Libanon, unterstützt die syrische Armee den Hisbollah grosszügig mit Logistik und Material.
Die Operation "Trauben des Zorns", einige Wochen vor den Wahlen im Mai 1996, stellte den angedeuteten und erfolglosen Versuch dar, diese Miliz zu bestrafen und endete mit einem entsetzlichen Fehler der israelischen Armee, deren Artillerie irrtümlicherweise libanesische Zivilisten aus dem Dorf Kana beschoss. Dieses Blutbad traumatisierte eine vom Guerillakrieg bereits erschütterte Bevölkerung, fachte dadurch ihren Hass gegen Israel an und führte letztendlich dazu, dass die Vergeltungsoperation Israels unterbrochen wurde. Man musste sich mit unangenehmen Verhandlungen begnügen, mit einer "Vereinbarung", die trotz zahlreicher Überschreitungen immer noch in kraft ist: man verpflichtete sich auf beiden Seiten, die Zivilbevölkerung nicht anzugreifen. Wenn israelische Soldaten also in Gefechten in der Sicherheitszone getötet wurden, konnte Israel dies seinen Feinden nicht zum Vorwurf machen, da dies in den Rahmen der "Vereinbarung" fiel. Dieses eigenartige Abkommen anerkannte indirekt das Recht des Hisbollah, die israelischen Militäreinheiten anzugreifen.
Diese fragwürdige und absurde Situation war langfristig nicht akzeptierbar. Die israelischen Politiker, an der Spitze Netanyahu, verkünden immer wieder ihre Absicht, sich aus dem Libanon zurückzuziehen, jedoch unter der Bedingung, dass die Grenze nicht ständig bedroht wird. Jerusalem verlangt demnach den Abzug der Milizen und die Stationierung der libanesischen Armee in der Sicherheitszone, wenn möglich mit der Unterstützung ausländischer Einheiten, welche die Ruhe in diesem Sektor garantieren würden. Netanyahu und der Verteidigungsminister Mordechai haben sich darüber lange mit den französischen Entscheidungsträgern unterhalten, die sich bereit erklärten, gegebenenfalls Truppen zu entsenden, falls die libanesische Regierung sie darum bäte. Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass die Regierung in Beirut ohne die Zustimmung von Damaskus nichts unternehmen kann. Und Damaskus will natürlich nicht auf dieses Druckmittel gegenüber Israel verzichten.
Die öffentliche Meinung ist überfordert. Schenkt man den Umfragen Glauben, sehen die meisten Eltern der Soldaten ungeachtet ihres Solidaritätsgefühls für die Bevölkerung von Obergaliläa nicht ein, weshalb ihre Kinder sterben oder leiden müssen, damit eine militärische Präsenz in der Sicherheitszone beibehalten werden kann. Auch wenn die Spezialisten beteuern, es gebe leider keine Alternative, fordern viele Politiker andere Lösungen; die Meinungsverschiedenheiten in diesem Punkt halten sich nicht an die traditionellen politischen Trennungslinien. So erhält Yossi Beilin, ehemaliger Minister der Arbeitspartei, der eine Bewegung für den Rückzug aus dem Libanon ins Leben gerufen hat, die Unterstützung des gegenwärtigen Ministers für Wissenschaft, Michael Eytan: beide verlangen einen Rückzug hinter eine befestigte Linie, zusammen mit eventuell notwendigen gezielten Vergeltungsschlägen. Die Soldaten der südlibanesischen Armee würden nicht ihrem Schicksal überlassen, da Israel sie mit ihren Familien auf ihrem Staatsgebiet aufnehmen würde. Die Stellungnahmen Eytans haben den Zorn des Ministerpräsidenten heraufbeschworen, der ihm öffentlich vorwarf, "die Raketenabschusspanzer des Hisbollah mit Treibstoff zu versorgen". Doch der Ministerpräsident kann sich wiederum mit den Worten eines anderen Ministers der Linken trösten: Meretz-Chef Yossi Sarid findet, dass "jeder Vorschlag eines einseitigen Rückzugs unverantwortlich ist und von Leuten stammt, welche die Situation vor Ort nicht begreifen". Man sieht, die Unentschiedenheit ist gross.
Es gibt auch diejenigen, die wie Uzi Landau, Präsident der Kommission für Auswärtige Angelegenheiten und für die Verteidigung, eine Revision der gegenwärtigen Politik fordern, jedoch im entgegengesetzten Sinn: man solle sich nicht damit begnügen, den Hisbollah anzugreifen, sondern sich direkt oder indirekt mit den syrischen Schutzherren befassen, deren Truppen im Libanon stationiert und nicht weniger verwundbar sind als die israelischen Einheiten. Nach Ansicht von Landau ist dies die einzige Möglichkeit, die Syrer zur Vernunft zu bringen. Wenn sie Verluste einstecken müssen, werden sie die notwendigen Massnahmen ergreifen, um den israelischen Schlägen auszuweichen. Diese der Tradition der Tsahal entprechende offensive Haltung kann dennoch gefährlich erscheinen, denn es wird keinesfalls gewährleistet, dass sie nicht zu einer Eskalation der militärischen Aktionen und womöglich zu einem weitgreifenden Konflikt führt. Die Situation scheint festgefahren zu sein, ohne dass sich eine Lösung abzeichnet. Niemand weiss, wie man dem Übel abhelfen könnte. Dieser Zustand wird von den Israelis immer öfter "der libanesische Fluch" genannt.

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