Das Jahr neigt sich dem Ende zu und schliesst fast gleichzeitig das erste Regierungsjahr Benjamin Netanyahus ab. Bei seiner Wahl stand fest, dass diese Regierung zwar das Erbe des "Friedensprozesses" weiterführen, dass aber einige seiner politischen Entscheidungen in eine andere Richtung weisen würden. Die Prioritäten sollten anders gesetzt werden.
Im vergangenen Jahr ist eine bestimmte Politikergeneration von der Bühne abgetreten, eine neue Equipe hat das Steuer übernommen. Schimon Peres, der letzte "Überlebende", wurde seiner Funktionen und seiner Rolle als Leiter der Arbeitspartei enthoben und durch Ehud Barak ersetzt, der die internen Wahlen problemlos für sich entschied. Es ist merkwürdig festzustellen, wie militaristisch die Arbeitspartei (die sogenannte "Friedenspartei") eigentlich ist, sie bemüht sich, populäre Generäle zu finden und sie auf das politische Spielfeld zu schicken ! Seit die Partei nach ihrer schmählichen Wahlniederlage 1996 in der Opposition ist, hat sie sich nicht damit abgefunden, dass eine andere, vom Likud geleitete Regierung über die Geschicke des Landes bestimmt. Sie hat mit allen Mitteln - manchmal niedrigster Art - versucht, die amtierende Regierung zu Fall zu bringen, jedoch ohne Erfolg.
Die aus acht politischen Gruppierungen bestehende Koalition hat sich trotz einiger schwerer Krisen, des Rücktritts zweier Minister - Dr. Benjamin Begin und Dan Meridor - und aller negativer Prognosen behaupten können. Dank diesen internen Krisen ist man sich bewusst geworden, dass das neue Wahlsystem kontraproduktiv ist, da es einem einzigen Mann zuviel Macht verleiht. Ausserdem ist jede der grossen Parteien in der Knesset zur Minderheit reduziert worden, obwohl die Zahl der kleinen Parteien nicht gesunken ist. Einige ehemalige Likud-Chefs (Itzchak Schamir), einige gegenwärtige Spitzenpolitiker (Ariel Scharon) und gar Mitglieder der Arbeitspartei (Schimon Peres) setzen sich zur Zeit für die Abschaffung dieses Systems ein.
Auf der Ebene der internationalen Politik erleben wir eine abgekartete Aktion der arabischen Länder, Europas und der Vereinigten Staaten, um den berühmten "Plan Rogers" erneut zu aktualisieren. Sein Ziel bestand darin, Israel mit einigen "kleineren Änderungen "wieder in die Grenzen von vor Juni 1967 zu verweisen. Benjamin Netanyahu hat diesen Versuch strikt abgelehnt. Gleichzeitig benützen die palästinensischen Araber die Möglichkeiten, die ihnen die Arbeitspartei zur Verfügung stellte, um vor Ort Tatsachen zu schaffen (illegaler Häuserbau, politische Aktivitäten, Polizeiinterventionen in Jerusalem usw.), die ihnen allmählich die Schaffung dieses Palästinenserstaates ermöglichen soll, den weder Israel noch die Vereinigten Staaten wollen.
Heute ist die Sicherheitsfrage das grösste Problem, mit dem die herrschende Regierung fertig werden muss. Zu einem bestimmten Zeitpunkt schien es, als ob es Benjamin Netanyahu durch seine Politik der Härte gelungen wäre, den arabischen Terrorismus zu stoppen oder zu reduzieren. Im Verlauf des vergangenen Jahres wurde Israel trotzdem Opfer von grausamen Terroranschlägen: die Selbstmordattentate im Café "Apropos" in Tel Aviv, in Machane Jehudah und auf der Ben Yehudah Strasse in Jerusalem, etc. Der Ministerpräsident hat ohne Zögern Yasser Arafat und die PLO für diese Taten verantwortlich gemacht. Er hat verlangt, dass sie ihre in Oslo eingegangenen Verpflichtungen einhalten und alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um den Terrorismus zu kontrollieren. Da seitens der PLO keine entscheidenden Massnahmen ergriffen wurden, hat man strenge wirtschaftliche Sanktionen gegenüber der arabischen Bevölkerung ergriffen, die in den autonomen Zonen unter Aufsicht der palästinensischen Araber lebt.
Israel ist keinesfalls verpflichtet, den arabischen Arbeitern seine Tore zu öffnen. Der Verband der Bauunternehmer hat bekanntgegeben, er wünsche ab sofort nicht mehr palästinensische Araber in seiner Branche zu beschäftigen. Er hat die Regierung um die Genehmigung gebeten, mehr ausländische Arbeitnehmer einzuführen, um die Araber zu ersetzen.
Dies führt uns zu einem anderen wirtschaftlichen und sozialen Problem, das im letzten Jahr aufgetreten ist. Einerseits zählt Israel heute 160'000 Arbeitlose, andererseits gibt es 250'000 ausländische Arbeitnehmer im Land. Das Hauptargument zur Rechtfertigung dieser Tatsache lautet, dass "die Juden nicht bereit sind, für so tiefe Löhne zu arbeiten wie die Ausländer". Ausserdem seien die Juden an einer Stelle im Baugewerbe nicht interessiert. In dieser Branche arbeiten jedoch nur 40'000 Beschäftigte, während die anderen auf Landwirtschaft, Obst- und Gemüseverpackung und anderen Dienstleistungen verteilt sind. Es besteht kein Zweifel, dass die Juden für diese Arbeiten qualifiziert wären.
Israel verfügt über eine gesunde Wirtschaft, die zufriedenstellende Ergebnisse erzeugt. Wir spüren langsam die ersten Auswirkungen der Privatisierungen, insbesondere derjenigen von "Bezek", der nationalen Telekommunikationsgesellschaft. Durch die freie Konkurrenz auf diesem Markt sind neue Gesellschaften in dieser Branche aufgetaucht, und die Preise für Telefongespräche sind um 70% gesunken ! Die Angestellten von Bezek haben in ihrer Wut einen Streik organisiert, der sicher viele Unannehmlichkeiten beschert, letztendlich aber nichts Grundlegendes verändert hat.
Die Einwanderung, die Alijah, ist um 16% gefallen aber Israel bereitet sich jedoch darauf vor, noch mehr Olim aus den Oststaaten, aber auch aus der westlichen Welt zu empfangen. Es steht fest, dass Israel, wenn es sich so rasch weiterentwickeln sollte wie in den ersten fünfzig Jahren seiner Existenz, auf die massive Immigration von Männern und Frauen mit einer hochqualifizierten Ausbildung angewiesen sein wird.
In der Diaspora haben zwei Themen die jüdische Aktualität dominiert: die Frage der von den Deutschen und ihren Komplizen gestohlenen jüdischen Guthaben (namenlose Vermögen, geraubte Schmuckstücke und Kunstwerke usw.) und die Rückerstattung durch ihre Verwalter; und die immer wiederkehrende Frage des sogenannten "Bekehrungsgesetzes", die in Wirklichkeit nur das alte Problem "Wer ist Jude ?" auferstehen lässt. In dieser Hinsicht drohen die reformierten und liberalen Kreise Amerikas ("Conservative") damit, Israel ihre finanzielle Unterstützung zu entziehen, wenn die israelische Rechtsprechung in einem ihnen missfallenden Sinne abgeändert wird. Dabei vergessen sie einfach, dass sie ein Argument verwenden, das vor 30 bis 40 Jahren aktuell war, jedoch seit langem hinfällig geworden ist.
Zum Schluss können wir sagen, dass der Judenstaat eine mächtige innere Einheit aufweisen muss, wenn er auf dem Weg des Friedensprozesses weitergehen möchte. Das Land ist stark und besitzt alles für ein erfolgreiches Gelingen. Israel ist in der Lage, jedem militärischen Angriff zu widerstehen, und die arabischen Länder wissen sehr wohl, welchen Preis sie zu bezahlen hätten, wenn es ihnen in den Sinn kommen sollte, den hebräischen Staat fünfzig Jahre nach seiner Gründung und hundert Jahre nach der Geburt des weltlichen Zionismus anzugreifen.
* Zvi H. Hurwitz ist Generaldirektor der Menachem Begin Heritage Foundation.
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