News Neueste Ausgabe Befragung: Resultate Suchen Archiv Français English Русский עברית Español


Inhaltsangabe Pessach 5767 Frühling 2007 - Pessach 5767

Editorial
    • Editorial - April 2007 [pdf]

Pessach 5767
    • Gebet und Grosszügigkeit [pdf]

Politik
    • Häme und Honig [pdf]

Interview
    • Prävention - Intervention - Aktion [pdf]
    • 1967 - 2007
Quo Vadis Israel
 [pdf]
    • Mit dem Beispiel vorangehen [pdf]

Analyse
    • Vierzig Jahre danach [pdf]
    • Bazar des "Friedens" [pdf]
    • Islamismus, Multikulturalismus und die Juden [pdf]

Wirtschaft
    • Die Sicherheitsindustrie in Israel [pdf]

Aserbaidschan
    • Jerusalem und Baku [pdf]
    • Yevda Abramov [pdf]
    • Die Tat-Juden [pdf]
    • Reise ins Unwirkliche [pdf]
    • «Gipfeltreffen» [pdf]
    • Das Jüdische Leben [pdf]
    • Jüdisches Heldentum [pdf]
    • Musikalische Botschaft [pdf]
    • Von Baku in die Knesset [pdf]

Türkei
    • Jerusalem - Istanbul [pdf]
    • Zwischen Orient und Okzident [pdf]

Gerechtigkeit
    • Die Affäre Kepiro [pdf]

Reportage
    • Jeder Blutstropfen Zählt [pdf]

Judäa - Samaria
    • Neues Leben für einen Weinberg [pdf]

Wissenschaftliche Forschung
    • The College Of Judea And Samaria [pdf]

Ethik und Judentum
    • Komplizen? [pdf]

Das Gute Gedächtnis
    • Die Ereignisse des Monats April [pdf]

Artikel per E-mail senden...
Gebet und Grosszügigkeit

Von Roland S. Süssmann
Auf den ersten Blick gleicht nichts einem Pessachfest so sehr wie das Pessachfest des Vorjahres. Der Seder, die Matzot, der Familientisch, die Gottesdienste, kurz, alle Regeln und alle Gesten, die mit dem traditionellen Ablauf dieser Feier einhergehen und in den jüdischen Familien seit Jahrtausenden wiederholt werden. Natürlich fällt ein Sederabend in Teheran nicht hundertprozentig gleich aus wie derjenige in Minsk, Casablanca oder Brooklyn, doch die wesentlichen Elemente sind dieselben. Der Text aus der Haggadah, in dem vom Auszug aus Ägypten berichtet wird, ist überall identisch, und letztendlich unterscheiden sich nur einige Gesänge, ein paar Formulierungen, bestimmte Gesten und Gerichte in den verschiedenen Ländern voneinander.
Aus welchem Grund aber wiederholen wir Jahr für Jahr die Feier mit denselben Texten, Handreichungen, Melodien und Gerichten? Weil es nie zwei identische Psachim gegeben hat und weil kein einziges Pessachfest einem anderen in der Vergangenheit oder Zukunft gleicht. Die Umstände sind jedes Mal andere, die Erfahrungen im jeweils abgelaufenen Jahr, die Erwartungen, Hoffnungen und eventuell die Furcht vor dem neuen Jahr sind ganz besondere. Wir wollten wissen, vor welchem Hintergrund wir Pessach 2007 begehen sollten und haben daher in Jerusalem den Worten des sephardischen Oberrabbiners von Israel, des Rischon Letzion, Raw SCHLOMO AMAR, gelauscht.

Als wir vor 40 Jahren an Pessach 1967 den traditionellen Satz sangen, der in gewisser Weise die Sederfeier beschliesst, «Nächstes Jahr in Jerusalem», wagte keiner von uns auch nur einen Augenblick davon zu träumen, dass Jerusalem knapp zwei Monate später wieder unter israelischer Herrschaft vereint wäre und allen offen stehen würde, bereit für einen erstaunlichen Aufschwung. Mit welcher Einstellung sollten wir angesichts dieser Erfahrung das jetzige Pessachfest begehen?

Wie Sie bestimmt wissen, verkörpert Pessach in erster Linie die Epoche unseres Freiwerdens. Es geht nicht nur darum, unserer historischen Befreiung zu gedenken, sondern auch um eine Zeit des Jahres, die sich immer als günstig für eine Befreiung jeglicher Art erweist. Unsere Weisen haben diesen Gedanken übrigens sehr treffend beschrieben: «An Pessach sind wir befreit worden, und an den zukünftigen Psachim werden wir befreit werden». Auf welche anderen Formen der Befreiung spielen unsere Weisen denn an? Auf ein Freiwerden, an das wir gar nicht denken und das wir uns auch kaum vorstellen können. Zur Veranschaulichung dieser Idee möchte ich an einen Teil der wundersamen Geschichte unserer Flucht aus Ägypten erinnern. Nach dem Auszug der Kinder Israels rappelten sich die Ägypter wieder auf und verfolgten unsere Vorfahren, die sich bald einmal in der Klemme befanden: entweder sie würden im Roten Meer ertrinken oder sich von den Streitkräften des Pharaos massakrieren lassen. Letzterer war von seinem Sieg so überzeugt, dass er seinen Leuten sagte: "Ich will nachjagen und ergreifen und den Raub austeilen und meinen Mut an ihnen kühlen. Ich will mein Schwert ausziehen, und meine Hand soll sie verderben." (Exodus 15, 9). Das Volk Israel war völlig verzweifelt, die Folge der Geschichte ist allgemein bekannt: der Herr vollbrachte das Wunder der Teilung des Meeres. Falls wir uns heute in einer ähnlichen Situation befänden und mit dem Rücken zur Wand stünden, vor uns mächtige und entschlossene Feinde, würden wir zu G'tt beten, dass er uns durch ein Wunder rette, so wie er dies schon einmal getan hat. Wir besässen also einen Hoffnungsschimmer. Dies traf damals auf die Kinder Israels nicht zu, denn sie hätten sich nie einen derartigen Ausweg aus ihrer misslichen Lage vorstellen können. Und als sich die Kinder Israels in ihrer tiefsten Verzweiflung bei Moses beklagten, antwortete ihnen dieser: "Fürchtet euch nicht, stehet fest und sehet zu, was für ein Heil der Herr heute an euch tun wird." (Exodus 14, 13). Seine Botschaft war eindeutig: Auch wenn die Lage ausweglos erscheint, verliert euren Glauben an G'tt nicht, betet, behaltet euer Selbstvertrauen und verlasst euch auf die Hilfe des Herrn. Innerhalb eines Augenblicks wandte sich die Situation tatsächlich um 180 Grad, und diejenigen, die voller Angst und ohne Hoffnung waren, wurden durch die starke Hand G'ttes gerettet. Und so erging es denjenigen, die sich so stark und siegessicher fühlten: "So errettete der Herr an jenem Tage Israel aus der Ägypter Hand. Und sie sahen die Ägypter tot am Ufer des Meeres liegen." (Exodus 14, 30). Dies zeigt uns, dass wir uns vor der Erlösung oft in einer Situation befinden, in der alles düster und hoffnungslos scheint. Wir haben meist den Eindruck, dass "nichts mehr geht", und doch haben wir kein Recht die Hoffnung aufzugeben.
Genauso sah die Lage auch wenige Tage vor dem Sechstagekrieg aus. Unsere Feinde waren überzeugt, das kleine Israel problemlos überwältigen zu können. Ihre Worte glichen jenen des Pharaos, als er die Israeliten verfolgte. Und wieder schlug alles innerhalb kürzester Zeit ins Gegenteil um, und nicht nur die Juden, sondern die Menschen in aller Welt sahen, in welcher Weise uns der Herr half, uns rettete und Jerusalem befreite.
Heute sieht unsere Lage wieder sehr schwierig aus: Unsere Feinde im Ausland erklären tagtäglich, dass sie uns vernichten wollen; doch wir haben auch Feinde im Inneren des Landes, unter unseren Mitbürgern, und wir verhalten uns nicht immer sehr freundlich einander gegenüber.

Doch woher kommt uns heute die Hoffnung?

Die Quelle ist immer noch dieselbe, und was Moses den Kindern Israels sagte, als sie eingeschlossen vor dem Roten Meer standen, gilt heute mehr denn je. Doch meiner Ansicht nach sollte uns die Botschaft des diesjährigen Pessachfestes in erster Linie daran erinnern, an die Benachteiligten unter uns zu denken. Ich verstehe gut, dass die Regierung zur Sanierung der wirtschaftlichen Lage gezwungen war, das Budget für soziale Ausgaben drastisch zu reduzieren, und ich hoffe, dass sich dieser Schritt über kurz oder lang als richtig erweisen und Früchte tragen wird. Doch die gegenwärtige Entwicklung ist sehr ungesund, die Reichen werden immer wohlhabender und den Armen fehlt es an immer mehr. Dieser Graben wird in gefährliche Weise immer tiefer, und ich fürchte, dass dies mittelfristig schreckliche Folgen für unsere Gesellschaft haben wird. Wenn wir nämlich das Bildungswesen nicht beibehalten und jedem Kind das geben können, was es verdient, d.h. ein Minimum an Ausbildung, um ein vollwertiger Staatsbürger zu werden, drohen zahlreiche unserer jungen Leute auf die schiefe Bahn zu geraten. Ich denke, dass wir unter anderem eine Verantwortung tragen - und daran werden wir an diesem Pessachfest nachdrücklich erinnert -, und diese wahrnehmen müssen, indem wir den benachteiligten Schichten Israels gegenüber noch grosszügiger sind. Der Herr hat uns als Nation oft gerettet und uns in undenkbarer und unerwarteter Weise unterstützt, und nun glaube ich, dass wir uns dies zum Vorbild nehmen müssen und diese Hilfe dem einzelnen Individuum, unseren Not leidenden Brüdern zukommen lassen.

Auf nationaler Ebene haben wir ein schwieriges Jahr hinter uns, da Israel seit dem letzten Pessach erneut einen Krieg erlebt hat und ein Teil seiner Bevölkerung sich fast einen Monat lang unter der Erde verschanzen musste. Welche Lehren können wir kurz vor Pessach und in Bezug auf dieses Fest aus dieser traurigen Episode unserer jüngsten Geschichte ziehen?

Wir haben eine sehr schwere Zeit durchgemacht und eine harte Lektion in Bescheidenheit erhalten. Wir dachten, uns auf unseren Lorbeeren ausruhen und vielleicht gar einen Teil des israelischen Territoriums abtreten zu können, weil wir die Stärkeren seien. Und plötzlich kippte die Situation innert kürzester Zeit um und fast ein Drittel unserer Bevölkerung musste in unterirdischen Schutzräumen Zuflucht suchen. Wir haben erneut erfahren, wie notwendig es ist, uns ständig in Frage zu stellen und uns zu vergewissern, ob unsere Soldaten und unsere Bevölkerung ausreichend darauf vorbereitet sind, mit jeder möglichen Situation fertig zu werden. Wir fanden ebenfalls die nationale Einheit wieder und stellten fest, dass wir unsere beständigen, kleinlichen Streitigkeiten sehr wohl beiseite legen konnten. Jenen, die dies verdrängt hatten, hat die traurige Realität in Erinnerung gerufen, dass wir uns weiterhin im Krieg befinden. Und schliesslich, und jetzt komme ich zum Bezug zu Pessach, befanden wir uns in gewisser Weise in einer schwierigen Lage und haben gebetet. Auch diejenigen unter uns, die sich weder als gläubig noch als fromm bezeichnen, haben den Weg und die Kraft des Gebets entdeckt oder wiederentdeckt. Auch in diesem Krieg hat uns der Herr wie in allen anderen Angriffen, die wir seit 1948 erduldet haben, beschützt und das Zentrum des Landes verschont. Vergessen wir nicht, dass Jerusalem trotz der effizienten Waffen mit enormer Tragweite, über die der Feind verfügt, verschont blieb. Die eine Einstellung, mit der wir Pessach 2007 begehen sollten, ist das Gebet und die Hoffnung, dass der Herr uns weiterhin durch seine Wunder beschützen wird, deren Tragweite wir oft nicht ermessen können, wenn sie sich ereignen.

Sie sprechen von versteckten Wundern. Haben Sie ein konkretes Beispiel dafür?

Niemand hat vergessen, dass Saddam Hussein im Jahr 1991 insgesamt 39 tödliche SCUD-Raketen auf Israel abschoss. Keine von ihnen schlug in einer besiedelten Zone ein, die Schäden blieben letztendlich recht geringfügig. Vor vier oder fünf Jahren, als ich noch Oberrabbiner in Tel Aviv war, bat mich Premierminister Sharon zu einem Gespräch. Auch General Amos Gilead, damals Chef der Informationsdienste der Armee, war an diesem Treffen anwesend. Beide informierten mich darüber, sie würden einen massiven Angriff Iraks auf Israel erwarten und wollten mit mir die Bestattung von Tausenden von Toten in Tel Aviv planen. G'tt sei Dank fand dieser Angriff nie statt. Es war eine sehr harte Sitzung und am Schluss warteten einige Journalisten auf uns. Ein Presseveteran unter ihnen stellte General Gilead folgende Frage: "Glauben Sie, dass Israel 1991 durch ein Wunder verschont wurde?". Der General, kein sehr frommer Mensch, gab eine erstaunliche Antwort: "Davon bin ich überzeugt. Sehen Sie, wir beobachten Saddam Hussein seit Jahren ganz genau. Dieser Mann ist zutiefst antisemitisch, er hat riesige Summen ausgegeben und viel Zeit und Energie investiert, um einen Weg zur Erfüllung seiner Obsession zu finden: die Vernichtung Israels. Obwohl er technisch gesehen wahrscheinlich die Möglichkeit dazu besass, griff er aus völlig unerfindlichen Gründen und unerwartet Kuwait an. Das ist doch ein Wunder. Denn hätte er Israel attackiert, hätten die USA und die internationale Koalition nicht eingegriffen, um uns zu retten, weil wir kein Erdöl besitzen!".
Dies zeigt uns die immerwährende Gültigkeit der Botschaft von Pessach, wo wir, wie bereits vorhin erwähnt, unsere historische Befreiung feiern, wo wir aber auch lernen müssen, die täglichen Segnungen zu schätzen, die uns der Herr zuteil werden lässt, auch wenn wir sie nicht immer sofort erkennen können. Wir dürfen uns nicht auf Wunder verlassen, doch die Erfahrung hat gezeigt, dass unsere Gebete, das Studium der Torah und unsere Grosszügigkeit den idealen Weg darstellen, um unsere Hoffnung und unseren Erfolg sowohl auf nationaler wie auch auf individueller Ebene zu bestärken.


Contacts
Redaction: edition@shalom-magazine.com   |  Advertising: advert@shalom-magazine.com
Webmaster: webmaster@shalom-magazine.com

© S.A. 2004