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Inhaltsangabe Politik Frühling 2003 - Pessach 5763

Editorial - April 2003
    • Editorial [pdf]

Pessach 5763
    • Identität und Dasein

Politik
    • Und dann?

Interview
    • Eine riesige Herausforderung

Wissenschaftliche Forschung
    • Vorzüglichkeit und Tradition
    • Das Geheimnis des Ribosoms

Judäa - Samaria - Gaza
    • Migron [pdf]

Shalom Tsedaka
    • Nichts ist mehr wert als ein Leben! [pdf]

Analyse
    • Politische Scheidung [pdf]
    • Machtlosigkeit oder Gleichgültigkeit?

Önologie
    • Le Chayim!

Reportage
    • Willenskraft – Ausdauer – Erfolg [pdf]

Polen
    • Versuch einer Wiedergutmachung
    • Erinnerung und Hoffnung [pdf]

Staatenbund Serbien und Montenegro
    • Jerusalem und Beograd
    • Savez jevrejskih opstina jugoslavije
    • Vier Todesfälle... und eine Hochzeit!
    • Serbien: Gestern - Heute - Morgen? [pdf]
    • Quo Vadis Serbia?
    • Jevrejski Istorijski Muzej [pdf]
    • Die Schoah in Serbien
    • Josip Erlih [pdf]

Ethik und Judentum
    • Haftpflicht der Kinder

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Und dann?

Von Emmanuel Halperin, unserem Korrespondenten in Jerusalem
- Und dann ? Sie werden sehen, es bricht eine wunderbare Zeit an, ein "neuer Naher Osten" entsteht (aber nicht die Fata Morgana, die Peres am Horizont von Oslo wahrzunehmen glaubte), die Pax Americana verströmt ihren sanften Schein über der gesamten Region, die Fundamentalisten ziehen sich allenthalben zurück, die Demokratisierung der arabischen Staaten ermöglicht einen echten Dialog mit Israel und auch der Wirtschaft geht es wieder blendend. Natürlich bleiben noch einige kleinere Probleme zu lösen, es müssen auch Opfer gebracht werden, doch wir wissen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass auf die notwendigen Zugeständnisse positive und nachhaltige Auswirkungen folgen, dass die Zukunft Israels endlich gesichert ist und dass unserem Land ein fester Platz in diesem neuen Nahen Osten zusteht.
- Soll das ein Witz sein ? Es gibt kein danach. Es gibt nur Verstrickungen, den Anstieg des anti-amerikanischen und anti-israelischen Terrorismus, ein Vietnam im Sand, ein Libanon der Wüste. Und um Ballast loszuwerden, um das Monster vielleicht zu besänftigen, werden die Koalitionsmächte mit der nachdrücklichen und nur darauf beschränkten Unterstützung der Staaten, die den Irak-Krieg ablehnten, von Israel schwere Opfer verlangen, und zwar ohne Gegenleistung, ohne Sicherheiten, ohne Frieden.
Jeder aufrichtige Mensch muss zugeben, dass diese beiden Szenarien eintreten könnten und dass es bestimmt keine dritte Möglichkeit gibt. Der Gegenstand dieses Kriegs ("der nicht unser Krieg ist", wie die israelischen Führungskräfte immer wieder zu Recht hervorheben) erhält folglich entscheidende Bedeutung. Die Folgen können negativ ausfallen, sie können sich positiv auswirken, doch dies hängt kaum davon ab, was die israelische Regierung denkt, hofft oder tut.
Es drohen ganz konkrete und bereits absehbare Gefahren: die Beziehung, welche die britische Diplomatie und in etwas geringerem Ausmass diejenige der USA zwischen dem Regimewechsel in Bagdad und der raschen Gründung eines "lebensfähigen" palästinensischen Staates herstellen; das Zurückgreifen auf Themen, welche die These glaubwürdig erscheinen lassen, dass nach gründlicher Analyse dies "der springende Punkt" sei und dass nur "der Friede in Jerusalem" den arabischen Extremismus und den islamischen Fundamentalismus entschärfen könne; die Parallele zwischen Irak und Israel aufgrund ihrer Missachtung der zwingenden Resolutionen der UNO, obwohl Israel sich daran hält (Evakuierung aus dem Libanon peinlich genau nach Anweisungen) und obwohl es ein Skandal ist, Angreifer und Angegriffene in einen Topf zu werfen; und schliesslich die neue - alte Theorie einer zionistischen, folglich jüdischen Verschwörung, welche die Vereinigten Staaten zu einem Krieg drängte, so dass das Blut der Toten auf Israel spritzt - dies alles ist keine Erfindung, nimmt mit jedem militärischen oder politischen Rückschlag, jedem Sandsturm zu und bewirkt in Jerusalem berechtigte Besorgnis.
Der viel zitierte, vom Quartett (USA, Europäische Union, Russland und Vereinte Nationen) ausgearbeitete "Fahrplan" sieht die Schaffung eines Palästinenserstaates in zwei Jahren vor. In einer ersten Phase obliegt es zweifellos den Palästinensern, die wichtigsten Schritte zu unternehmen, um die Verhandlungen wieder in Gang zu bringen: Bildung einer reformwilligen Regierung unter der Leitung von Abu Mazen, der plötzlich in den Rang eines vertrauenswürdigen Gesprächspartners erhoben wurde (dabei verschweigt man, dass besagter Abu Mazen der Autor eines negationistischen Buches ist, in dem er sich an der These eines abgekarteten Spiels zwischen den Zionisten und den Nazis berauscht - womit es klar ist, mit welcher Art von Historiker wir es hier zu tun haben); Anerkennung des Existenzrechts von Israel; Ende der bewaffneten Intifada; Ende des Aufrufs zu Hass und Gewalt. Dies alles muss einem Rückzug der israelischen Armee und der Schaffung eines palästinensischen Staates mit provisorischen Grenzen vorausgehen. Es wird wahrscheinlich lange dauern - sehr viel länger, als dies die Urheber des Fahrplans vorsehen -, bis man soweit ist und bis Israel die Möglichkeit erhält sich zu vergewissern, dass alle Bedingungen wirklich erfüllt wurden, bevor es eine konkrete Bedrohung seiner Sicherheit in Kauf nimmt. Mag sein.
Doch die Präambel des Dokuments stützt sich vor allem auf die saudi-arabische Friedensinitiative, die im vergangenen Jahr in Beirut von einem arabischen Gipfeltreffen gut geheissen wurde. Dieser Beschluss des Gipfels beharrt jedoch auf dem Recht auf Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge. Natürlich kann über alles verhandelt werden, auch über die Flüchtlingsfrage und den Status von Jerusalem, doch der unabhängige palästinensische Staat, der dem Präsidenten Bush als "Vision" vorschwebt, ist für Israel nicht akzeptabel, wenn seine Souveränität nicht strikt eingeschränkt wird: dazu gehört insbesondere die Entmilitarisierung und folglich die Kontrolle der Grenzen durch Israel.
Die israelischen Verantwortlichen haben nicht weniger als hundert Anmerkungen und Vorbehalte in Bezug auf die im Fahrplan aufgeführten Bestimmungen angebracht. Doch sowohl die Amerikaner als auch die Briten - und demnach logischerweise auch die Russen und die Franzosen - sind der Ansicht und tun dies auch kund, dass dieses Dokument keiner Änderung bedarf und dass seine Anwendung in der jetzigen Form sofort beginnen sollte, sobald die irakische Krise überstanden ist.
Dadurch wird die Regierung Sharon gezwungen, das Projekt als Ganzes anzunehmen, d.h. Israel wieder der Logik der Osloer Abkommen zu überantworten, auch wenn die Vergangenheit bereits zeigte, wie wenig sie dem Frieden gebracht haben.
Drei lange Jahre der Gewalt und Grausamkeit, eine schwer angeschlagene Wirtschaft, ein ruiniertes und oft katastrophales Image im Ausland, nur um danach wieder an den Ausgangspunkt zurück zu kehren, nur um auf der anderen Seite einem grenzenlosen Hass, dem einseitigen Mitleid des Westens für die Leiden der Palästinenser und einer Gruppe von aufgezwungenen Verhandlungspartnern gegenüber zu stehen, die eigentlich dieselben sind wie vor zehn Jahren: davor fürchten sich die israelischen Politiker und darauf bereiten sie sich vor.
Es gibt aber auch jene, die alles ganz anders deuten. Sie gehen davon aus, diese unverbesserlichen Optimisten, dass die Zusicherungen der Amerikaner und Briten - "jetzt werden wir uns mal um Israel kümmern" - ausschliesslich situationsgebunden sind und nichts anderes bezwecken, als die Araber und die muslimische Welt einzulullen. In Wirklichkeit, behaupten sie, empfinden Bush und seine Mitarbeiter keinerlei unwiderstehliche Anziehungskraft für Arafat, seine Freunde oder seine Nachfolger, und auch wenn sie eine "Vision" von einem idealen Nahen Osten besitzen, besteht ihre "Hauptaufgabe" auf dieser Welt nicht darin, diese auch zu verwirklichen.
Gemäss dieser Analyse bemüht man sich zunächst im Irak um die Epoche danach, es wird kein Leichtes sein, diesen Staat und diese Gesellschaft zu festigen. In einer zweiten Phase wird es den Amerikanern am Herzen liegen, ihren unerbittlichen Kampf gegen den internationalen Terrorismus fortzusetzen, indem sie versuchen - dieses Mal nicht unbedingt mit Waffengewalt, sondern vielmehr mit Hilfe der Diplomatie oder der politischen Überzeugung - die tatsächlich gefährlichste regionale Macht zu neutralisieren, die angeblich in weniger als 18 Monaten ihr Ziel erreicht haben wird, nämlich im Besitz der Atombombe zu sein: es ist der fundamentalistische Iran, der zusammen mit Syrien die libanesische Hisbollah unterstützt, den Erzfeind Israels. Die Vereinigten Staaten von Bush werden, mit anderen Worten, Israel bis zu den nächsten amerikanischen Präsidentschaftswahlen Ende 2004 mehr oder weniger in Frieden lassen, so dass die israelische Armee wieder die Sicherheit der Bevölkerung wird gewährleisten können, vor allem dank der Schutzmauer, die dieser Tage errichtet wird. In dieser Ruhephase werden die Unternehmen und Investoren auch wieder Vertrauen fassen, was nach einer bereits herrschenden strengen Rezession die Wirtschaft wieder ankurbeln wird.
Fällt das Bild nicht etwas zu rosig aus? Das isolationistische Streben der Vereinigten Staaten kann jederzeit wieder eintreten, wenn die Öffentlichkeit nach einigen Misserfolgen im Krieg, nach einigen Selbstmordattentaten, denen Angehörige der amerikanischen Armee zu Opfer fallen (wie 1983 in Beirut), den Rückzug, die Heimkehr auf nationales Territorium fordern würde. Doch Israel braucht Amerika, es braucht ein Amerika, das es ablehnt, sich mit dem fundamentalistischen Islam zu arrangieren, das es nicht zulässt - wie dies einige europäische Regierungen tun -, dass sich der Islam auf diese Weise ausdrückt, und insbesondere seine gewalttätige Ablehnung Israels und der Juden verurteilt.
Und es gibt noch eine weitere Gefahr: dass die amerikanische Regierung sich einverstanden erklärt, aus Dankbarkeit für die europäischen Nationen, die sie unterstützt haben, und im Wunsch, sich mit denjenigen wieder zu versöhnen, die sie fallen liessen, die arabische Politik Europas zu übernehmen oder sie zumindest teilweise zu unterstützen.
Israel weiss sehr wohl, dass die Richtung, für die es sich am politischen Scheideweg demnächst entscheiden muss und die sie einschlagen wird, kaum von seinen Neigungen oder seinem Willen abhängig ist. Es ist höchste Vorsicht beim Manövrieren geboten, um einem Sturm auszuweichen und um im richtigen Moment mit den wenigen günstigen Winden zu segeln. Ist dies überhaupt möglich, wenn die Mehrheit im Parlament (68 von 120) letztendlich recht knapp ist, wenn die Arbeitspartei in die Opposition geht, wenn die sozialen Spannungen, geschürt von einem Neo-Thatcherismus in der Wirtschaftspolitik zum Vorteil der hohen Einkommen, sich verschärfen und ausarten? Zwischen Hoffnung und Angst fällt es einem heute oftmals schwer, Vernunft zu bewahren.

Israel wird bald schweren Entscheidungen gegenüber stehen.




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