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Inhaltsangabe Spanien Frühling 2006 - Pessach 5766

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Pessach 5766
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Jerusalem und Madrid

Von Roland S. Süssmann

1986 - 2006
Bei unserer Reise durch die jüdische Welt haben wir dieses Mal in Spanien Halt gemacht. Dies war keine willkürliche Entscheidung, sondern eine logische Wahl, denn 2006 wird das 20-jährige Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen Jerusalem und Madrid gefeiert. Wir wollten eine Analyse der Vergangenheit und der Zukunft betreffend die Beziehungen zwischen beiden Staaten erhalten und haben uns zu diesem Zweck mit S.E. VICTOR HAREL getroffen, dem seit fast fünf Jahren in Spanien residierenden israelischen Botschafter.

Bevor wir uns dem aktuellen Stand der Beziehungen zwischen beiden Ländern zuwenden, würden wir gerne erfahren, was von 1948 bis 1986 geschehen ist.

Es bestanden sozusagen keine Kontakte. Die Stimme Israels war in den spanischen Medien damals nur dank der Tätigkeit eines israelischen Diplomaten namens Schmuel Hadass zu vernehmen, der mit den Redaktionen in Verbindung stand und eine Reihe von PR-Aktionen lancierte, um dadurch in der Bevölkerung ein für den jüdischen Staat günstiges Klima zu schaffen. Offiziell wurden also keine Beziehungen gepflegt, doch dank dem guten Willen des spanischen Finanzministers Enrique Baron Crispo konnte EL AL eine wöchentliche Flugverbindung zwischen Tel Aviv und Madrid aufrechterhalten. Es bestand zwar ein Freundschaftsverein Spanien-Israel, dem zahlreiche wichtige Persönlichkeiten und einflussreiche Leute angehörten und der das Terrain vorbereiten sowie eine Infrastruktur einrichten sollte, auf die man an dem Tag, an dem offizielle Beziehungen aufgenommen würden, zurückgreifen könnte. Diese Gruppe übte auch ständig Druck auf die Regierung aus, damit diese eine Erklärung für die Beibehaltung dieser historischen Abnormität liefere, nämlich das Fehlen jedes offiziellen Kontakts zwischen den zwei Ländern.

Wie lässt sich erklären, dass eine normale Beziehung erst nach 38 Jahren etabliert werden konnte?

Nach der Staatsgründung weigerte sich Israel, Beziehungen zur Regierung von Franco zu pflegen, der dafür bekannt war, den Nazis zugewandt zu sein und spanische Soldaten als Unterstützung der Deutschen an der russischen Front zur Verfügung gestellt zu haben. Irgendwann versuchte Israel aber trotz allem offizielle Kontakte zur spanischen Regierung herzustellen, stiess dabei aber auf kategorische Ablehnung. Der Hauptgrund dafür waren die engen Beziehungen Spaniens auf wirtschaftlicher und politischer Ebene zur arabischen Welt. Ausserdem steht Spanien dem Maghreb sehr nahe, insbesondere Marokko: mit diesem Nachbarland besass es in der Vergangenheit und besitzt es noch heute sehr komplexe Verbindungen. Man muss sich vor Augen führen, dass Spanien die Reaktionen der Araber immer gefürchtet hat, ebenso wie die Konsequenzen, die sich aus der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zum jüdischen Staat ergeben könnten. Zu Beginn waren diese Kontakte sehr zurückhaltend, bei jedem Schritt vergewisserte sich Spanien mit einem vorsichtigen Blick, wie die arabische Reaktion ausfallen würde. Nach einer gewissen Zeit stellte es aber fest, dass diese Reaktion ausblieb und dass es normale Beziehungen zu Israel pflegen konnte, ohne auf die enge Verbindung zur arabischen Welt zu verzichten.

Wie haben sich die Beziehungen der beiden Länder anschliessend weiterentwickelt?

Es sind zwei Aspekte zu unterscheiden: da gibt es einerseits die Wirtschaft und die Kultur, andererseits die Politik. Auf wirtschaftlicher Ebene stellt Israel heute den grössten Exportmarkt Spaniens im Nahen Osten dar; unsere Handelsbeziehungen übersteigen diejenigen zwischen Spanien mit Saudi-Arabien und mit allen anderen Ländern in dieser Region. Im letzten Jahr haben wir die Marke von einer Milliarde Euro überschritten. Wir kaufen Maschinen, Autos (SEAT), Textilien usw. Wir selbst führen in erster Linie Hightech-Komponenten aus, und da Spanien ein Land ist, in dem die Landwirtschaft, vor allem im Süden, eine wichtige ökonomische Rolle spielt, bieten wir in diesem Bereich eine grosse Bandbreite an modernen und effizienten Lösungen an, wie z.B. die Herstellung von Spezialkunststoffen für zeitlich befristete Treibhäuser oder computergesteuerte Bewässerungsanlagen u.ä. Auch eine Form der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern erfährt gegenwärtig eine positive Entwicklung.
Auf kultureller Ebene ist in der Bevölkerung ein reges Interesse an allem festzustellen, was mit dem Judentum und mit Israel zu tun hat. Es treffen zahlreiche Anfragen in Bezug auf die Organisation von Ausstellungen israelischer Künstler, die Einladung unserer Tanzkompanien und die Bekanntmachung des israelischen Films bei uns ein. Darüber hinaus besteht ein intensiver touristischer Verkehr zwischen Israel und Spanien. Tausende von Spaniern pilgern zu den heiligen Stätten (oft im Rahmen von Reisen, die von der Kirche veranstaltet werden), und die Israelis sind von den touristischen Sehenswürdigkeiten Spaniens sehr angetan, ganz zu schweigen von der historischen Rundfahrt durch alte jüdische Städte, deren Quartiere, die berühmten «Juderia's», eine besondere Attraktion darstellen.

Und wie analysieren Sie die politischen Beziehungen?

Ich würde die 20 vergangenen Jahre in vier unterschiedliche Phasen einteilen. Zunächst setzte sofort eine sehr rege Aktivität ein, doch Spanien blieb aus immerwährender Furcht vor negativen Reaktionen aus dem arabischen Lager äusserst vorsichtig. Dieser Zustand blieb während den ersten fünf Jahren unverändert, d.h. bis 1991, als die bekannte Madrider Konferenz stattfand und zum bedeutenden Wendepunkt in unseren Beziehungen wurde. Ich gehörte damals unserer Delegation als Sprecher von Benjamin Netanjahu an, dem stellvertretenden Aussenminister in der Regierung Itzchak Schamirs. Zahlreiche Städte bewarben sich darum, diese Konferenz auszurichten, doch weil eben die Beziehungen Spaniens zur arabischen Welt so gut waren, schien uns Madrid eine intelligente Wahl zu sein. Für Spanien war dies auch die Gelegenheit, sich wieder als Brücke zwischen den drei grossen Kulturen zu profilieren - Christentum, Judentum und Islam -, was im Grunde aber ein reiner Mythos ist. Historisch gesehen gab es nie eine echte Koexistenz, da wir Juden nie an der Macht standen, sondern uns immer an die Forderungen der jeweils Herrschenden anpassen mussten, seien sie nun christlich oder muslimisch, wenn wir schon nur überleben wollten. Wir haben in diesem Land nie eine tragende Rolle gespielt, und so scheint der Gedanke, uns auf dieselbe Stufe zu stellen wie die Christen und Muslime, nicht wirklich einleuchtend. Doch Madrid organisierte die Konferenz mit dieser Idee vor Augen, und so wurde sie mit einem Schlag zum zentralen Element des Friedensprozesses. Die «Konferenz von Madrid» galt als eine Veranstaltung, an der die Fäden zusammenliefen, als Referenz und zukünftiger Massstab. Sie wirkte sich nachhaltig auf den Zustand unserer Beziehungen aus, die sich von einem Tag auf den anderen völlig veränderten. Ausserdem wurden wir nach Oslo zu den «Guten», die zuvorkommend auf die Forderungen der Europäer eingingen. Vor diesem Hintergrund konnten wir 1995 ein sehr günstiges Wirtschaftsabkommen mit der EU ratifizieren und von anderen positiven Folgen profitieren. Zwischen 1991 und 2000 unterzeichneten wir mit Spanien 18 bilaterale Abkommen in allen möglichen Bereichen.
Das Jahr 2000 und die zweite Intifada läuteten den Beginn einer sehr schwierigen Epoche ein. Dazu muss man wissen, dass es europaweit die spanischen Medien sind, die Israel am heftigsten kritisieren. Nach den USA ist Spanien das Land, das die meisten ständigen Pressekorrespondenten in Israel besitzt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Reportagen in spanischer Sprache den Zuschauern nicht mehr genügen. Jede der 17 autonomen Regionen Spaniens entsendet mindestens einen Korrespondenten, der in seiner lokalen Sprache aus Israel berichtet. So finden die Sendungen für die Region Barcelona auf Katalanisch, für das Baskenland in baskischer Sprache statt und so fort. Diese Reportagen sollen in der Regel kein positives Bild von Israel vermitteln, denn die Journalisten sind unaufhörlich auf der Suche nach Neuigkeiten, die uns in einem schlechten Licht erscheinen lassen. Es herrscht in Spanien überdies eine antiamerikanische Stimmung, die sich täglich in der Presse widerspiegelt. Israel wird automatisch in dieses amerikafeindliche Paket eingeschlossen, und diese Tatsache kommt oft in angeblich «humoristischen und israelfeindlichen» Karikaturen zum Ausdruck, die im Grunde einfach nur antisemitisch sind. Es ist ebenfalls die Tendenz zu beobachten, unbedingt «den Schwächeren verteidigen» zu wollen, und natürlich fällt die Entscheidung angesichts eines Panzers vor einem mit Steinen bewaffneten Jugendlichen sehr leicht; jede Form der Hinterfragung verschwindet. Alle diese Elemente tragen zur Entstehung eines negativen Bildes von Israel bei, so dass wir während der zweiten Intifada effektiv eine sehr schwere Phase durchmachten. Ariel Sharon wurde täglich durch den Kakao gezogen. Weil Spanien während des Zweiten Weltkriegs verschont geblieben war, fehlt auch jegliches Feingefühl in Bezug auf die Tragweite der Shoah. Folglich gibt es zuhauf Karikaturen von Sharon, auf denen er in SS-Uniform mit einem kleinen Hitler-Schnurrbart dargestellt wird, und sie werden völlig bedenkenlos veröffentlicht. Wir haben harte Zeiten durchlebt, in denen die Beziehungen stark gelitten haben, doch Ende 2004 begann sich die Lage allmählich zu verbessern. Es muss jedoch betont werden, dass sich in dieser Zeitspanne der komplizierten politischen Beziehungen der wirtschaftliche Austausch weiterhin entwickelt hat und sich auch heute noch bester Gesundheit erfreut.

Was hat sich Ende 2004 verändert?

In dieser vierten Phase unserer Beziehungen war also eine Verbesserung zu verzeichnen, die sich auch heute noch fortsetzt. Grund dafür ist eine Reihe von Fakten, wobei der Tod Arafats ein Schlüsselelement darstellt. Letzterer war schon immer ein Störfaktor zwischen Israel und Europa. Die Europäer, folglich auch die Spanier, haben ihn immer als einen wesentlichen Teil der Konfliktlösung angesehen, während er in unseren Augen das zentrale Problem verkörperte. Die Europäer waren durch nichts vom Gegenteil zu überzeugen, obwohl ihnen durchaus bewusst war, wer dieser Mensch war, der letztendlich immer ein Hindernis für die Verbesserung der Beziehungen zwischen Europa und Israel darstellte. Sein Tod legte den Grundstein zu einer neuen Situation. Ein weiteres wichtiges Element trägt zur Verstärkung der Beziehungen zu Israel bei, nämlich die Anschläge und Bedrohungen durch den islamischen Terrorismus, zu dessen Opfern Madrid und London wurden. Europa wird sich allmählich bewusst, was der islamische Terror bedeutet, und beginnt ansatzweise zu begreifen, was es heisst, Israeli zu sein. Wir erleben demnach den Beginn einer neuen Atmosphäre, die zwischen uns und Europa entsteht und auch von der Ermordung von Präsident Hariri, den Erklärungen des iranischen Präsidenten usw. geprägt wird. Langsam stossen wir auf mehr Verständnis, Kritik wird nicht mehr automatisch veröffentlicht, sondern über den diplomatischen Weg weitergeleitet. Darüber hinaus besitzt Spanien heute in Miguel Angel Moratinos einen Aussenminister, der Israel und den Nahen Osten wie seine Westentasche kennt, da er sechseinhalb Jahre lang in Jerusalem gelebt hat. Er versteht uns, weil er sich in Israel aufhielt, als Busse auf der Strasse einfach in die Luft gesprengt wurden, er hat die Opfer des Terrors in den Spitälern besucht und vieles mehr. Er hat mir gegenüber übrigens mehrmals bestätigt, es sei eines seiner Ziele, die gegenwärtigen Beziehungen zu verändern, die zurzeit nur als normal gelten, und sie zu ausgezeichneten zu machen, ohne jedoch die guten Kontakte Spaniens zu den 17 arabischen Staaten anzutasten, die in seinem Land eine diplomatische Vertretung besitzen. Er ist wie wir der Ansicht, das 20-jährige Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern sei ein geeigneter Zeitpunkt, diese zu optimieren und zu verstärken.

Widerspiegelt sich dieser Trend auch in der Presse?

Ich denke schon. Man muss sich vor Augen führen, dass heute ein anderes Bild aus Israel verbreitet wird als in der Vergangenheit. Es gibt keine Intifada mehr, Ariel Sharon ist auf einmal zu einem «Mann des Friedens» geworden und zahlreiche Personen, die ihn gestern noch mit Dreck bewarfen, sorgen sich heute um seine Gesundheit. Sie gehen nämlich davon aus, sein Verschwinden vom politischen Parkett würde einen Rückschlag für Israel, die gesamte Region und den Friedensprozess darstellen. Der Rückzug aus dem Gazastreifen wird als wichtige und mutige politische Entscheidung angesehen und hat zumindest vorübergehend das Image von Israel auf internationaler Ebene aufpoliert. Ich bin mir aber bewusst, dass die Situation plötzlich umschlagen kann, doch wir Diplomaten handeln oft gemäss der Wendung: «Geniessen wir es, solange es geht». Ich habe auch den Eindruck, die Spanier hätten begriffen, dass die deutliche Bekanntmachung ihres Wunsches, die Beziehungen zu Israel zu verbessern, ihrem Image und ihrer Position in der arabischen Welt in keiner Weise schadet.

Seit dem 14. März 2004 wird Spanien von den Sozialisten regiert. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass eine linke Regierung in Europa immer dazu führt, dass die Beziehungen zu Israel komplizierter werden als bei einer rechts stehenden Regierung. Trifft dies auch auf die Regierung von José Luis Rodriguez Zapatero zu, dessen Positionierung zugunsten der Linksradikalen bekannt ist?

Die vorangehende Regierung engagierte sich sehr in der Irak-Frage, die für uns weit wichtiger ist als eine rein akademische Gleichung. Doch heute werden die Entscheidungen zu den auswärtigen Angelegenheiten der verschiedenen EU-Staaten in Brüssel gefällt und von den jeweiligen Regierungen umgesetzt. Im Fall von Irak wurde dieses stillschweigende Einverständnis gebrochen, doch dies ist in Bezug auf den israelisch-arabischen Konflikt bisher noch nie vorgekommen, obwohl auch da einige kleinere Meinungsverschiedenheiten existieren. Insgesamt kann man behaupten, dass es durchaus eine gemeinsame Aussenpolitik gibt. Natürlich spielen individuelle Sympathien eine Rolle, doch ich glaube sagen zu können, dass es die Dinge erleichtert, wenn wir es mit einer Regierung mit einem Aussenminister wie Moratinos zu tun haben, der uns sehr gut kennt und ausgezeichnete Kontakte auf allen politischen Ebenen in Israel aufweist: jede Form von Dialog wird dadurch möglich. Ich glaube daher nicht, dass wir mit einer radikalen Veränderung rechnen müssen. Was den Staatspräsidenten Zapatero angeht, der noch nie in die Gegend gereist ist, darf ich wohl behaupten, dass er bis heute eine grosse Offenheit und viel Sympathie uns gegenüber bewiesen hat. Er hat mir wiederholt mitgeteilt, er hoffe sehr, während seiner Amtszeit einmal die Gelegenheit zu erhalten, den Nahen Osten zu besuchen.
Im kommenden Jahr sind mehrere offizielle Besuche in Israel geplant. Wir werden zum ersten Mal den spanischen Generalstabschef empfangen; das Verteidigungsministerium hat übrigens in Tel Aviv ein Büro für einen Militärattaché eingerichtet. Dabei geht es in erster Linie um moderne Waffen, die Spanien bei uns erwerben möchte. Ausserdem ist eine Reihe von spanischen Soldaten an den Übergangsposten in Gaza stationiert, was ebenfalls ins Gewicht fällt. Ich muss hinzufügen, dass die diversen spanischen Regierungen sehr wohl begriffen haben, dass sie in Sachen Terrorbekämpfung sehr viel von uns lernen können. In Sicherheitsfragen ist unsere Zusammenarbeit hervorragend.

Der israelische Botschafter ist nicht nur beim Land akkreditiert, in dem er sein Amt ausübt, er stellt auch eine intensive Verbindung zwischen der jüdischen Gemeinschaft und Israel dar. Wie sehen Ihre Beziehungen zur Gemeinde in Spanien aus?

Im Gegensatz zu anderen grossen Ländern Europas ist die jüdische Gemeinschaft in Spanien recht klein. Es handelt sich um eine stark traditionalistische Gemeinschaft, deren Verantwortliche sehr besorgt sind um die Entwicklung des jüdischen Lebens in der Zukunft. Dieses Leben spielt sich vor allem um die Synagoge herum ab, wie dies auch in Marokko der Fall war, wo die meisten der heute in Spanien lebenden Juden herkommen. Wir wurden von den Mitgliedern dieser Gemeinschaft sehr herzlich aufgenommen und fühlten uns hier wirklich wohl. Da nur sehr wenige Juden hier leben, wandert rein zahlenmässig kaum jemand nach Israel aus.
Wir arbeiten sehr aktiv zusammen im Kampf gegen den Antisemitismus, der sich oft unter israelfeindlichen Aussagen versteckt und dessen Ausrichtung vor kurzem vom Autor Joan B. Culla in seinem jüngsten Bestseller folgendermassen beschrieben wurde: «Ist es nicht verständlich, dass die wiederholte Beschreibung Israels auf dem alten Kontinent als halb nationalsozialistischer sowie durch und durch krimineller Staat zu einer Häufung antisemitischer Reden und Taten führt?». Diese Aussage möchte ich durch ein konkretes Beispiel veranschaulichen: Das Erziehungsministerium Kataloniens hat letzthin in Barcelona ein Buch herausgegeben, in dem die Shoah erklärt wird. Damit die Schüler begreifen, was ein Nazi-Konzentrationslager war, in denen die spanischen Republikaner gefangen gehalten worden waren, zogen die Autoren zur Veranschaulichung ihrer Ausführungen die Sicherheitsmauer in Israel bei und nannten sie «die Mauer der Schande». In Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinschaft von Barcelona ist es uns gelungen, dieses Buch aus dem Lehrplan zu entfernen.

Unterhalten Sie Beziehungen zur jüdischen Jugend?

Ja, aber es ist nicht möglich, dass der israelische Botschafter innerhalb der Universität eine Rede hält oder zu den Studierenden spricht. Die Reaktionen würden extrem heftig ausfallen. Sobald bekannt wird, dass sich ein israelischer Diplomat mit einer Gruppe von Studierenden treffen möchte, gehen die Gegner zu Direktion und drohen damit, in der Uni eine gewaltsame Revolte vom Zaun zu brechen. Mit Hilfe von jüdischen Studierenden haben wir Kontakte zu Intellektuellen und zu Studentenführern hergestellt, doch es ist eine Tatsache, dass die spanischen Universitäten bis heute für israelische Diplomaten eine Sperrzone darstellen.

Meine abschliessende Frage: Wenn Sie nun rückblickend eine Bilanz der vergangenen 20 Jahre ziehen, sind Sie dann im Hinblick auf die Zukunft eher optimistisch oder pessimistisch, was die Entwicklung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern angeht?

Wir haben Höhen und Tiefen durchlebt, Zeiten des Lichts und des Schattens. Gegenwärtig befinden wir uns im Licht.


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