Auf unserer Reise durch die jüdischen Gebiete von Judäa, Samaria und Gaza wollen wir heute etwas tun, was sonst nicht unsere Art ist: wir begeben uns an einen Ort, den wir bereits vor rund vierzehn Jahren einmal besucht haben, nämlich nach ALFE MENASCHE (siehe SHALOM Vol. 5). Weshalb diese Rückkehr? Dazu gibt es einen einfachen Grund. Alfe Menasche, dieses reizende Dorf, 16 km von Tel Aviv entfernt auf den Hügeln gelegen, die den gesamten Küstenstreifen am Mittelmeer überragen und auf denen bis zum Angriff der Araber auf Israel 1967 die jordanischen Kanonen standen, gehört heute zu den israelischen Ortschaften, die sich „ausserhalb“ des Sicherheitszauns befinden. Zum besseren Verständnis der neuen Terminologie, die nun in Israel gilt, muss erklärt werden, was die Begriffe «innerhalb» und «ausserhalb des Zauns» bedeuten.
Doch vor dieser Erklärung sollten wir kurz den Sicherheitszaun beschreiben. Es handelt sich hierbei um eine Trennvorrichtung aus Schutzgründen, deren einziger Zweck es ist, das Leben der Bürger zu beschützen, was eigentlich das oberste Ziel eines jeden zivilisierten und demokratischen Staates ist. Ja, man muss sich heute am Eingang zu jedem Supermarkt, zu jedem Kino, zu jeder Bank und zu jedem Restaurant die Aktentasche oder Handtasche kontrollieren lassen. Die kilometerlange Abgrenzung wird das Reisen zwischen den israelischen Städten natürlich erschweren und manchmal lästig machen, wird jedoch die passiven Schutzmassnahmen gegen den arabischen Terrorismus verstärken. Es muss betont werden, dass diese Vorrichtung nichts mit der Berliner Mauer gemein hat, die als Trennwand gegen die lokale Bevölkerung aufgerichtet worden war und mit zahlreichen Wachtürmen, Schusszonen, bissigen Hunden, Minenfeldern und Stacheldraht versehen war. Doch einmal mehr schreit die freie Welt, welche die Berliner Mauer letztendlich stillschweigend akzeptiert hatte, heute nach Skandal, wenn Israel seine Schutzeinrichtung verstärkt. Es stellt sich folglich gegenwärtig eine grundlegende juristische Frage, nämlich die Entscheidung, welche der jüdischen Ortschaften in Judäa und Samaria «innerhalb des Zauns» oder «ausserhalb des Zauns» liegen werden. Mit der erstgenannten Bezeichnung sind die jüdischen Ortschaften gemeint, die vollumfänglich im Osten der Schutzvorrichtung liegen und deren Einwohner eine Kontrollstelle passieren müssen, wenn sie sich nach Tel Aviv, Haifa, Herzlia usw. begeben. Mit der zweiten Bezeichnung beschreibt man die Dörfer, die sich wie Alfe Menasche im Westen des Zauns befinden werden und deren Bewohner völlig ungehindert im ganzen Land herumreisen können. Gegenwärtig wird ein Projekt geprüft, dank dem der Übergang für die jüdischen Bewohner von Judäa–Samaria erleichtert werden soll.
Alfe Menasche wurde 1983 gegründet. Der Ort wird von rund 6000 Menschen bewohnt, die aus allen sozialen Schichten der israelischen Gesellschaft stammen, sowohl aus dem rechten aus auch aus dem linken, dem frommen und dem nichtreligiösen Lager. Ein Fünfjahresplan sieht eine Entwicklung vor, dank der die Bevölkerung in einer ersten Phase verdoppelt werden soll, um schliesslich die Gesamteinwohnerzahl von 20'000 Personen zu erreichen. Aus rein strategischer Sicht ist es ein ungemein wichtiger Ort, nicht nur, weil er oben auf einem Hügel liegt, sondern vor allem, weil er von arabischen Dörfern umgeben ist, von denen das wichtigste Kalkyliah ist, dessen Bevölkerung als militant und als der PLO sowie anderen Terrororganisationen gegenüber freundlich gesinnt gilt. Ausserdem hat sich erwiesen, dass zwar einige Dörfer von israelischen Arabern bewohnt werden, dass sie aber in den letzten Jahren als Zufluchtsorte für Terroristen dienten; mehrere Aktionen der Sicherheitsdienste haben hier illegale Labors entdeckt, in denen Sprengstoffgürtel für Selbstmordangriffe in Israel hergestellt wurden.
Wir wollten verstehen, warum ausgerechnet Alfe Menasche «ausserhalb» des Sicherheitszauns liegt und haben mit dem Bürgermeister des Orts gesprochen, HISDAY ELIEZER, der diese Gemeinde seit sechs Jahren leitet. Dieser junge, dynamische und tatkräftige Mann gilt als aufsteigender Stern des Likud (wenn Sie in fünf Jahren wieder von ihm reden hören, erinnern Sie sich vielleicht daran, dass Sie seinen Namen zum ersten Mal in SHALOM gelesen haben…).
Könnten Sie uns in wenigen Worten erklären, weshalb Ihr Dorf «ausserhalb des Zauns» liegt?
Ich möchte doch betonen, dass ich, als ich zum ersten Mal von diesem Plan hörte und den Verlauf des Zauns sah, der uns «innerhalb» ansiedelte, sofort den Entschluss fasste, diese Bestimmung zu bekämpfen. Ich bin auf allen Ebenen vorstellig geworden, bis eines Tages, als ich gerade im Auto sass, unser Premierminister, Ariel Sharon persönlich, mich anrief um mir einfach mitzuteilen: «Ich werde morgen in meinem Helikopter zu einer ernsthaften Diskussion bei dir landen». Und tatsächlich, am nächsten Tag traf er in Begleitung des Verteidigungsministers, des stellvertretenden Stabschefs und anderer Experten ein, und wir haben anhand von Landkarten Punkt für Punkt die Notwendigkeit besprochen, den Verlauf des Zauns östlich von Alfe Menasche zu verlegen.
Sehen Sie, unser Dorf wird von Männern und Frauen bewohnt, die in Tel Aviv, Herzlia, Kfar Saba, Raanana usw. arbeiten. Es wäre ein Unding, wenn sie Sicherheitsposten passieren müssten, obwohl ihr Arbeitsort weniger als 20 km von ihren Häusern entfernt liegt. Darüber hinaus ist es auf politischer Ebene nicht ausgeschlossen, dass das, was heute nicht mehr ist als ein Sicherheitszaun, morgen zur Grenze zwischen Israel und einem hypothetischen arabischen Palästinenserstaat werden könnte. Für mich war es undenkbar zu akzeptieren, dass Alfe Menasche mit seiner so wichtigen strategischen Lage Teil einer Zone sein könnte, über die noch verhandelt wird. Dazu muss man wissen, dass wir bei gutem Wetter die Dächer der Universität von Haifa sehen können, was natürlich auch heisst, dass die Stadt von einer leistungsstarken Rakete getroffen werden könnte. Dieser Gedanke einer zukünftigen Grenze ist eigentlich nicht so absurd, wie er zunächst scheint, denn wenn man sich die Bauweise der Schutzvorrichtung genauer anschaut (Stacheldraht, Patrouillenstrecken, elektronische Gitter usw.), gleicht sie doch auffällig der Linie, die im Norden der libanesischen Grenze entlang verläuft. Ich möchte jedoch nicht pessimistischer wirken als nötig ist, denn ich glaube nicht, dass eine israelische Regierung bereit wäre, die strategisch wichtigen Anhöhen von Judäa-Samaria aufzugeben, wo sich für das gesamte Land lebenswichtiges Grundwasser befindet.
Angesichts Ihrer Worte könnte man meinen, dass Ariel Sharon, ganz ohne offizielle Ankündigung und durch den Bau des Sicherheitszauns in Wirklichkeit den Grundstein für den neuen Palästinenserstaat gelegt hat. Glauben Sie, dass dies wirklich der Fall ist?
Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten. Es weist nämlich alles darauf hin, dass es auf arabischer Seite momentan keinen Gesprächspartner für uns gibt und dass jede Lösung, die nicht zur Vernichtung des Staates Israel führt, für sie inakzeptabel ist. In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, dass Ehud Barak in Camp David Arafat nicht 97% der Gebiete angeboten hatte, sondern 102%, denn zusätzlich hatte er auch Land aus dem Negev eingeschlossen. Und trotzdem hatte Arafat das Angebot abgelehnt. Doch nehmen wir an, ein weniger gieriger arabischer Politiker komme morgen an die Macht und akzeptiere «als ersten Schritt» eine Teilofferte betreffend israelisches Territorium. Der palästinensische Staat wäre geschaffen und würde nicht nur einen neuen Ausgangspunkt für den terroristischen und bewaffneten Konflikt darstellen, sondern auch eine Quelle für politische Aggressionen. Ich bin überzeugt, dass Ariel Sharon sich dieser Gefahren durchaus bewusst ist und dass er über ausreichende Erfahrungen und Kenntnisse des Landes und der Situation verfügt, damit er nicht unbedachte Risiken eingeht. Wir sind unsererseits entschlossen, einen sehr harten legalen Kampf zu führen (Gerichte, Demonstrationen usw.), um jede politische Bewegung im Keim zu ersticken, die unserer Ansicht nach kurz- oder langfristig gefährlich sein könnte. Letztendlich leben wir aber in einer Demokratie, wir unterstehen dem Gesetz und wenn wir sehen, dass eine rechtmässig gewählte Regierung, die eine Mehrheit der Bevölkerung repräsentiert, Entscheidungen trifft, die unserer Ansicht nach den Interessen des Landes zuwiderlaufen, haben wir keine andere Wahl als uns diesen Entscheidungen zu unterwerfen. Es kommt überhaupt nicht in Frage, einen Bürgerkrieg vom Zaun zu brechen oder gar einen passiven Aufstand zu organisieren. Für mich ist es verboten, die Hand gegen einen Soldaten zu erheben. Ich würde sogar noch weiter gehen. Ich gehöre, wie jeder Israeli, der Armee an und leiste als hoher Offizier meinen Dienst in der Reserve. Wenn ich morgen den Befehl erhalte, ein jüdisches Dorf zu evakuieren, würde ich keine Sekunde zögern, ich würde meine Leute nehmen und den Befehl ausführen.
Ihre Situation scheint recht kompliziert zu sein. Und dennoch sind Sie ziemlich optimistisch. Warum?
Ich habe mein ganzes Leben in Israel verbracht und stamme aus einer griechischen Familie, deren Mitglieder zum grössten Teil während der Schoah ermordet wurden. Ich kämpfe um unsere Rechte, um unser Überleben, um unsere Zukunft und vor allem darum, dass das, was meiner Familie zugestossen ist, meinem Volk nie wieder angetan werden kann. Trotz meiner ideologischen Einstellung denke ich aber auch realistisch und sehe, dass ein negatives Element unserer Gesellschaft zusetzt: der Wohlstand. Wir sind zu einer Konsumgesellschaft geworden, es ist uns wichtig zu wissen, ob wir nun dieses neue Auto oder jene moderne Uhr besitzen. Dadurch führen wir uns wie verwöhnte Kinder auf, die alles sofort haben wollen, vor allem den Frieden und die Ruhe, auch wenn die zukünftigen Generationen für unsere Ungeduld teuer bezahlen müssen. Ich beginne aber die Ahnung einer leichten Veränderung in der Einstellung zu spüren, ein Wegkommen von dieser Mentalität des «verzogenen Kindes», eine Rückkehr zu den gesunden und wesentlichen Werten des Landes. Wir leben zwar seit 56 Jahren hier, doch wir haben noch keine Wurzeln geschlagen, und das wird nun langsam anders. Einige werden denken, ich sei nur ein Träumer, doch ich komme täglich mit der Realität vor Ort in Kontakt und ich sehe die Veränderungen in unserer Gesellschaft. Trotz aller Schwierigkeiten, mit denen wir zurzeit kämpfen müssen, bin ich überzeugt, dass unsere Zukunft hier liegt, überall in Israel, d. h. auch in Judäa-Samaria, und dass es nun wieder aufwärts geht. Schliesslich stellt diese Geschichte mit dem Sicherheitszaun nur eine Etappe innerhalb einer notwendigen und vorübergehenden komplexen Entwicklung dar, die unseren Schutz garantieren soll.
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