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Inhaltsangabe Deutschland Frühling 2004 - Pessach 5764

Editorial - April 2004
    • Editorial [pdf]

Pessach 5764
    • Verantwortung – Grosszügigkeit – Freiheit [pdf]

Politik
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Exklusives Interview
    • Gaza - eine realistische Idee ? [pdf]

Bericht
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Junge Leader in Israel
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Judäa – Samaria - Gaza
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Umfrage – Ergebnisse
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Shalom Tsedaka
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Reportage
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Medizin
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Deutschland
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    • Eine riesige Herausforderung [pdf]
    • Jüdische Gemeinde zu Berlin [pdf]
    • Die Jüdische Oberschule [pdf]
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    • Juden in Berlin [pdf]
    • Die Villa am Wannsee [pdf]
    • Die Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 [pdf]
    • Das jüdische Museum Berlin [pdf]
    • Entschlossenheit Und Strafverfolgung [pdf]

Gesellschaft
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Ethik und Judentum
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Die Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942

Von Dr. Norbert Kampe*
Ende 1940 kaufte die SS (Schutz Staffel) eine 1914 erbaute repräsentative Industriellen-Villa in einem eleganten Vorort im Süden Berlins am Großen Wannsee. Die Villa wurde zu einem Gäste- und Tagungshaus der SS umgestaltet. Am 20. Januar 1942 fand dort auf Einladung und unter Vorsitz des SD (Sicherheitsdiensts) - Chefs Reinhard Heydrich eine Besprechung von SS-Männern mit hohen Staatsbeamten und Parteivertretern statt. Der einzige Tagesordnungspunkt der „Besprechung mit anschließendem Frühstück“ war die „Endlösung der Judenfrage“.
Schon im Januar 1941 war Heydrich in mehreren Besprechungen bei Göring und Himmler mit der „Vorlage eines Endlösungsprojekts“ für die Zeit nach dem Krieg beauftragt worden. Anfang 1941 war noch der Kern dieses Projekts die Deportation aller europäischen Juden in die besiegte Sowjet Union, wo diese in „Eismeer-Lagern“ in Sibirien an den unerträglichen Lebensbedingungen sterben sollten. Die sowjetischen Juden sollten allerdings schon gleich nach dem in Planung befindlichem Angriff durch die Einsatzgruppen dezimiert werden. Nur wenige Wochen nach dem Angriff am 22. Juni 1941 eskalierte das selektive Ermorden allein der wehrfähigen jüdischen Männer zur systematischen Erschießung aller Juden inklusive Frauen, Greisen und Kindern. Heydrich wollte seine Verantwortung für das Morden der Einsatzgruppen und seine weitere Karriere als Organisator der Endlösung möglichst hoch absichern. Deshalb holte er sich Ende Juli 1941 Görings Unterschrift unter ein selbst aufgesetztes Ermächtigungsschreiben.
Bis Mitte September 1941 hatte Hitler die Forderungen der Gauleiter nach Deportation der deutschen Juden und auch Heydrichs Teildeportationspläne mit dem Hinweis auf die Priorität des Sieges über die SU abgelehnt. Hitlers Deportationsgenehmigung bzw. -befehl hinsichtlich der reichsdeutschen Juden im September 1941 riss die letzten Schranken für die SS-Führung ein. Allerdings stand sie vor großen Problemen hinsichtlich der vorläufigen Deportationsorte bis zum möglichen Weitertransport in die sibirischen Lager. Die deutschen Ghettoverwaltungen protestierten gegen die angekündigte Zuführung von Juden aus Deutschland und reagierten mit Massenmorden an den einheimischen Juden um Platz zu schaffen. So hatte sich Gauleiter Greiser (Warthegau) von Himmler die Genehmigung geholt, 100.000 nicht arbeitsfähige Juden des Ghettos Łódź zu ermorden, was ab 8. Dezember 1941 in Chełmno mittels Gaswagen begann. Die Massenerschießungen lettischer Juden des Rigaer Ghettos begann bereits Anfang November 1941 mit der Ankunft des ersten Deportationszuges aus Deutschland.
Hitler trug Mitte Dezember 1941 im Zusammenhang mit seiner Kriegerklärung an die USA dem ihn umgebenden Personenkreis neue, wesentlich radikalere Vorstellungen, Wünsche und Befehle hinsichtlich der „Endlösung“ mündlich vor: die Ausweitung der im September 1941 von ihm vorerst nur für die reichsdeutschen Juden befohlenen Deportation auf alle europäischen Juden im deutschen Einflussbereich. Für den Fall eines zweiten Weltkriegs – der jetzt erst im Dezember 1941 Realität wurde – hatte Hitler in öffentlichen Reden seit 1939 mehrmals die Vernichtung des europäischen Judentums angedroht. Nun stand er unter dem selbst produzierten Zwang, seine dramatisch inszenierten Vorhersagen Realität werden zu lassen. Gleichzeitig war im Dezember 1941 der Blitzkrieg gegen die SU definitiv gescheitert, die Rote Armee begann sich zu stabilisieren und erzielte erste Erfolge. In rassistischer Verblendung (Herrschaft „bolschewistisch-jüdischer Untermenschen“) hatte sich die deutsche Militärführung in einen nun voraussichtlich lang andauernden Feldzug mit endlosen Fronten und weiten Territorien gestürzt, auf den die Armee nicht vorbereitet war. Es passt vollständig zum erbärmlichen Charakter des fanatischen Judenhassers Hitler, nun das phantasierte „Weltjudentum“ für diese selbst verursachte Lage büßen zu lassen.
Für Heydrich bedeutete diese Ausweitung des ursprünglichen Deportationsbefehls auf alle europäischen Juden eine überraschende Bestätigung der von ihm schon lange angestrebten Vollmachten, weshalb er vermutlich die ursprünglich für den 9. Dezember 1941 angesetzte Konferenz kurzfristig absagte und ein neuer Termin erst sechs Wochen später zustande kam. Nachdem der Machtkampf der NS-Eliten und –Behörden um die Wege zur „Lösung der Judenfrage“ und um die Federführung dabei auf höchster Ebene zugunsten der SS und des radikalsten Vorschlags von Deportation und Ermordung entschieden war, ging es Heydrich bei der „Staatssekretärskonferenz“ am 20. Januar 1942 um Demonstration und Durchsetzung seiner neuen Machtfülle und um die Zusage der Kooperation seitens der Konferenzteilnehmer. Ein Motiv für dieses Konferenzzeremoniell – so hat es Eichmann später mehrfach betont - mag auch in Heydrichs Wunsch gesehen werden, die Staatssekretäre festzunageln in ihrer Komplizenschaft beim Völkermord.
Die 15 Teilnehmer der „Wannsee-Konferenz“ besprachen die Zusammenarbeit ihrer jeweiligen Behörden bei der bevorstehenden Deportation aller europäischen Juden in die eroberten Gebiete in Ost-Europa. Der SD rechnete mit der Deportation von bis zu 11 Millionen Menschen. Die Beamten erfuhren Einzelheiten von den bisher erprobten Mordmethoden und machten Vorschläge im Interesse ihrer Dienststellen. Kein Konferenzteilnehmer meldete grundsätzliche Bedenken an gegen diese Verabredung zu einem bis dahin undenkbaren Staatsverbrechen. Die Federführung Heydrichs wurde akzeptiert. Allerdings hatte Heydrich keinen Erfolg mit seinem handstreichartigen Versuch während der Konferenz, den Kreis der aus dem Deutschen Reich zu Deportierenden auszuweiten – weit über die Definition von „Jude“ seit den Nürnberger Gesetzen vom September 1935 hinaus. Heydrich wollte auch „Halbjuden“ und jüdische Ehepartner von „Ariern“ (nach einer Zwangsscheidung) deportieren. Gegen diesen Versuch seiner Entmachtung konnte sich Dr. Stuckart, Staatssekretär im Innenministerium und Verfasser der antijüdischen Gesetze und Verordnungen, mit seiner amtlichen Definitionsmacht, nämlich zu entscheiden, wer im rechtlichen Sinne Jude ist, langfristig behaupten. Eichmanns Anordnungen zur Vorbereitung der Deportationen aus Deutschland unmittelbar nach der Wannsee-Konferenz wird Stuckarts Definition von „Jude“ zugrunde gelegt.
Die Wannsee-Konferenz steht also nicht für Zeitpunkt und Ort der Entscheidung zur Ermordung aller Juden – diese Entscheidung fiel vorher mündlich durch Hitler im engen Kreise seiner Führungsclique -, sondern es handelte sich um eine Organisationskonferenz nach bereits erfolgter Entscheidung auf höchster Ebene. Durch diese Konferenz wurde der gesamte deutsche Staatsapparat zum Mitwisser und Mittäter beim Völkermord an den Juden, dem etwa sechs Millionen Menschen zum Opfer fielen.
Das Protokoll der Wannsee-Konferenz ragt aus der Vielzahl der überlieferten Dokumente der Täter über die eigenen Verbrechen heraus, weil es auf hoher Hierarchieebene belegt, dass schon im Januar 1942 feststand: kein Jude in Europa sollte auf lange Sicht Deportation und Zwangsarbeit überleben können, die “Widerstandsfähigsten“ sollten „entsprechend behandelt werden“ um nun „einen neuen jüdischen Aufbau“ im Gegensatz zu früheren Phasen der Judenverfolgung definitiv zu verhindern (Protokoll S. 8). Aus diesem Grunde steht das Wannsee-Protokoll auch im Zentrum der Fälschungsbehauptungen der Holocaustleugner. Sie ignorieren die zeitgenössischen Dokumente und Zitate, die auf die „Staatssekretärskonferenz“ am Wannsee Bezug nehmen. Sie ignorieren, dass Adolf Eichmann selbst 1961 vor Gericht die Echtheit des Protokolls und seine Autorschaft bestätigt hat. Selbst wenn das Protokoll nie aufgefunden worden wäre, wenn auch die Ausfertigung für den Konferenzteilnehmer Luther vom Auswärtigen Amt – Nr. 16 von 30 Protokoll-Ausfertigungen – ebenfalls wie wohl die anderen Exemplare zu Kriegsende von deren Empfängern vernichtet worden wäre, würde sich nichts an den Fakten des Genozids ändern.
Der oder die vermeintlichen Fälscher hätten bei Auffindung des Dokumentes 1947 innerhalb von zwei Akten mit dem Titel „Endlösung der Judenfrage“ des Auswärtigen Amtes Hunderte von Seiten samt handschriftlicher Anmerkungen und Paraphen des damaligen Personals des Auswärtigen Amtes fälschen müssen, in deren Kontext das Protokoll aus dem Büro Luthers überliefert wurde. Allein die physische Überprüfung des Protokolls, der begleitenden Dokumente, der Registraturvermerke, der Randbemerkungen und Unterschriften bestätigt in der Expertise des wissenschaftlichen Personals des Politischen Archivs des AA (Auswärtige Amt) zweifelsfrei die Echtheit. Es ist ferner ebenso absurd, die nach der Entdeckung des Originals davon angefertigten Abschriften, Kopien oder Kollagen als Beweise für die Fälschung des Originals anzuführen oder als Varianten von „Fälschungen“ mit dem Original gleichzustellen, um dieses damit als Fälschung zu entlarven. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Anerkennung der historischen Tatsache, dass an der Jahreswende 1941/42 die Ermordung aller europäischen Juden zum Staatsziel des Deutschen Reiches und seiner Institutionen wurde. Mit der Wannsee-Konferenz Völkermord.

*Dr. Norbert Kampe ist Historiker und Direktor der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz.

(©Fotos: Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz)

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