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Inhaltsangabe Portrait Frühling 1997 - Pessach 5757

Editorial - April 1997
    • Editorial

Chanukkah 5757
    • Ein kleines Licht genügt

Politik
    • Die Flucht nach vorne

Interview
    • Gespräch mit S.E. Arnold D. Koller

Aktuell
    • Wer profitierte vom Völkermord der Nazis ?
    • Begegnung mit S.E. Alfonse M. D'Amato
    • Das Gesetz ist wichtiger als Gesten

Judäa - Samaria - Gaza
    • Zwischen Hammer und Amboss
    • Maale Adumim

Kunst und Kultur
    • Die Bodmer Haggadah
    • Schlicht und Ergreifend
    • Jüdische Scherenschnitte

Reportage
    • Prag und Jerusalem
    • Das jüdische Leben in der Tschechischen Republik
    • Das jüdische Museum Prag
    • Terezin - Das Vorzimmer von Auschwitz

Portrait
    • Das magische Paar

Schicksal
    • Von Nedjo nach Princeton

Ethik und Judentum
    • Technologie und menschlisches Eingreifen

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Das magische Paar

Von Roland S. Süssmann
VADIM GLUZMAN und ANGELA YOFFE: an diese Namen wird man sich erinnern müssen ! Im täglichen Leben handelt es sich übrigens um Herrn und Frau Gluzman. Wer sind sie ? Er, 23 Jahre alt und grosser Geigenvirtuose, wurde in Zitomir in der Ukraine geboren und wuchs in Riga auf - Sie, 23 Jahre alt und herausragende Pianistin, wurde in Riga geboren ! Beide kamen 1990, bzw. 1991 nach Israel, um sich mit ihren Familien niederzulassen. Ihr künstlerisches Können ist das Resultat der Ausbildung, die sie in den besten Musikschulen der UdSSR, Israels und der Vereinigten Staaten genossen haben.
"Ich gebe Ihnen fünf Minuten", sagte Issac Stern zum 16jährigen Violonisten Vadim, als dieser dem Meister 1991 in Tel Aviv vorspielen durfte. Aus den "fünf Minuten" wurde schliesslich eine private Master Class von über einer Stunde, und darüber hinaus verfolgt Isaac Stern die Karriere von Vadim Gluzman, der heute als einer der vielversprechendsten jungen Geigenspieler unserer Zeit gilt, mit grösster Aufmerksamkeit. Zu seinen Lehrern gehörten Roman Schnea, Zakhar Bron, Yair Kless, Arkady Fomin, Masao Kawasaki, und gegenwärtig studiert und arbeitet er bei Dorothy DeLay. Nach einem äusserst erfolgreichen Karrierestart gewann Vadim Gluzman eine Reihe von prestigereichen internationalen Wettbewerben, wie beispielsweise den Preis Tibor Varga, den CIEM in Genf, und insbesondere 1994 den begehrten "Henryk Szeryng Foundation Career Award". Dieser Titel hat ihm kein Geld, sondern eine Reihe von Konzerten in der ganzen Welt eingebracht, darunter das erste am 3. Dezember 1994 in Rom unter der Leitung von Lord Yehudi Menuhin. Die Szeryng-Stiftung hat dem jungen Vadim alle Türen geöffnet, der seit seinem ruhmreichen Sieg überall auf unserem Planeten Konzerte gegeben hat, vor allem aber in den Vereinigten Staaten (unter anderem in der Carnegie Hall, New York), in Südamerika und in Europa (in der Salle Gaveau in Paris). Für die Saison 1997/98 ist er bereits für eine Konzertreihe und Rezitals in Deutschland unter der Leitung von Heinrich Schiff engagiert worden, er wird aber auch in Spanien, Kanada, Japan und in verschiedenen europäischen Städten auftreten. Der junge Solist hat schon mit den berühmtesten Dirigenten unserer Zeit gespielt und nimmt regelmässig an den Aktivitäten der Kammerorchester von San Diego und Salzburg sowie des English String und der Oratorio Society in New York teil. Zu Beginn hatte ihm die America-Israel Foundation infolge einer persönlichen Anfrage von Isaac Stern eine Geige von Pietro Guarneri geliehen. Heute spielt Vadim Gluzman auf einem sowohl schönen als auch extrem seltenen Instrument, einer "Ex-Leopold Auer"; diese Geige entstand 1690 unter der Hand des herausragenden Geigenbauers Antonio Stradivari, genannt Stradivarius. Dieses Instrument ist eine Leihgabe der Stradivari Society of Chicago.
Vadim Gluzman hat schon zwei CD-Aufnahmen verwirklicht und beteiligt sich immer wieder an Radio- und Fernsehprogrammen. Zwischen 1994 und 1995 hat er fünf Konzerte mit Radio France eingespielt. Doch Vadim Gluzman geht seine atemberaubende Laufbahn nicht allein, er tritt regelmässig mit seiner charmanten Gattin Angela Yoffe auf, einer Klaviervirtuosin. Sie haben sogar eine gemeinsame CD veröffentlicht. Angela entstammt einer Musikerfamilie, war Schülerin der Schule Darzina in Riga und setzte ihr Studium dann bei Ilze Graubin in Riga fort. Nach ihrer Ankunft in Israel wurde sie sofort in die bekannte Akademie Rubin aufgenommen, wo sie von Professor Victor Derevianko unterrichtet wurde. Im Sommer 1992 trat sie als Schülerin von Professor Joaquin Achucarro in die Meadows School of the Arts in Dallas ein. Angela hat zahlreiche Preise gewonnen und unzählige Konzerte auf der ganzen Welt gegeben. Gegenwärtig ist sie als Assistentin für Klavier im Geigenstudio von Dorothy DeLay an der berühmten Juilliard School of New York tätig, wo sie ebenfalls mit Jonathan Feldman Kammermusik studiert und auch selbst unterrichtet. Sie plant eine Konzerttournee in den Vereinigten Staaten, in Kanada, in Europa und in Japan, oft in direkter Zusammenarbeit mit ihrem Ehemann Vadim Gluzman. Obschon dieses ausserordentliche Paar in gewisser Weise eine parallele Karriere durchläuft, gilt doch Vadim Gluzman als der grosse Star.


Sind Sie das, was man gemeinhin als "Ausnahmetalent" bezeichnet, das schon in frühen Jahren zum Ausdruck kommt ?

Eigentlich nicht. Ich war ein ganz normales Kind, und als ich sieben Jahre alt war entdeckte meine Schule, dass ich für das Violinspiel eine gewisse Begabung besass. Mein Vater, Dirigent, und meine Mutter, Musiklehrerin, haben zunächst die Augen vor dem Potential, das in mir schlummerte, verschlossen. Doch der Vater von Angela, die später meine Frau und Lebenspartnerin werden sollte, war spezialisiert auf die Entdeckung junger Talente. Meine Mutter liess mich ihm vorspielen und er sagte ihr : "Mach dir nichts vor... dein Sohn wird Geiger !" Ich war sieben Jahre alt und natürlich eifersüchtig, da meine Eltern alle meine Freunde unterrichteten, aber nicht mich. Ich kam, wie Angela, in eine besondere Schule für begabte Kinder, wo wir neben dem herkömmlichen Lehrplan während der Hälfte unserer Zeit Musik studierten.


Zu welchem Zeitpunkt haben Sie beschlossen, als Violonist Karriere zu machen ?

Eigentlich hat das meine Schule für mich entschieden, doch ich habe sehr schnell begriffen, dass ich als Jude eine einzige Möglichkeit besass, nach oben zu gelangen: ich musste der Beste sein. Als ich von meinem Studium in Sibirien (wo sich die beste Schule befand) zurückkam, durfte ich beispielsweise kein Konzert geben, weil ich und mein Vater, der das Konzert dirigieren sollte, beide Juden waren. Ich durfte nur im Rahmen des Gemeindezentrums von Riga auftreten. Sehen Sie, ich war immer überzeugt, dass wir alles verdienen, was uns im Leben zustösst, sowohl die positiven als auch die negativen Dinge. Meine Frau und ich wurden vom Talent bestraft, denn Talent ist - im Gegensatz zur allgemeinen Annahme - kein Geschenk.


Wollen Sie damit sagen, dass die Anstrengung grösser ist als die Befriedigung, ein Instrument mit solcher Virtuosität spielen zu können ?

Nein, es gleicht sich aus. Wir lieben das, was wir tun, von ganzem Herzen und scheuen keine Anstrengung, um unser Ziel zu erreichen. Der eigentliche Erfolg, der Moment innigster Befriedigung, dauert nur eine Zehntelsekunde. Es ist die kurze Zeitspanne, wenn ich vor das Publikum trete und die Geige an den Hals lege. Dieser Bruchteil des schweigenden Austauschs und der Kommunikation zwischen dem Publikum und mir ist alles Gold der Welt, alle meine Zeit, meine Arbeit und meine Anstrengungen wert.


Wie alt waren Sie, als Sie Ihr erstes Konzert mit Orchester gaben, und wie hat sich die musikalische Zusammenarbeit zwischen Angela und Ihnen entwickelt ?

Mein erstes Konzert mit einem Orchester gab ich im Alter von neun Jahren unter der Leitung meines Vaters Michael Gluzman. Und die Zusammenarbeit mit meiner Frau ? Unsere Familien kennen sich seit ewigen Zeiten, und als Musiker und Juden bewegten wir uns sowieso in den gleichen Kreisen. Einige Zeit nach meiner Ankunft in Israel wurde ich vom Radio angesprochen, ob ich nicht ein Rezital aufnehmen könnte. Der Produzent fragte mich, ob ich einen Pianisten kenne, der mich begleiten könnte. Ich rief sofort Angela an, und seit diesem Tag begleitet mich niemand anderes als sie am Klavier.


Erzählen Sie uns von Ihrem Verhältnis zum Judentum, als Sie noch in Riga lebten, und von der Art und Weise, wie Sie sich in Israel integriert haben.

In Riga war mir immer bewusst, dass das Leben als Jude mit einer Reihe von Schwierigkeiten verbunden war, dass meine Urgrossmutter einmal pro Jahr aus unerfindlichen Gründen einen Tag lang fastete und dass wir einmal im Jahr ein flaches und übelschmeckendes Brot erhielten, für das mein Vater in der Synagoge Schlange stehen musste. Im übrigen bestand mein Dasein als Jude aus ständiger Herausforderung und Ablehnung. Heute esse ich koscher. Zu meiner Intergation in Israel muss ich sagen, dass ich mich seit meiner Ankunft heimisch fühlte - ich war nach Hause gekommen. Ich hatte eine Identität, ein Land, ein Volk gefunden. Ich konnte mein Studium ohne Unterbrechung fortsetzen und wurde wegen meiner Laufbahn vom Militärdienst befreit. Doch mein allererster Kontakt mit Israel erfolgte in Riga, als ich zum ersten Mal das Israel Philharmonic Orchestra (IPO) hörte. Es war ein wahnsinniger Schock und eine Offenbarung zugleich, sowohl im Hinblick auf das Niveau, den Interpretationsansatz und den Gefühlsreichtum der Musik: die Freiheit der Interpretation und die Offenheit, mit der die Fünfte von Mahler gespielt wurde. In diesem Moment wurde mir unter Tränen der Ergriffenheit bewusst, wie sehr wir durch unsere Geburt eingeschränkt waren. Wir hatten gelernt, in einer bestimmten Weise zu spielen, und es war undenkbar, ein Stück anders interpretieren zu wollen oder gar mit dem Dirigenten über eine Idee zu diskutieren. Meine Integration in Israel erfolgte jedoch in erster Linie auf menschlicher und nicht auf musikalischer Ebene. Die Art und Weise, wie uns die Menschen aufnahmen, und die Solidarität, die sich zu unseren Gunsten entwickelte, stellen nicht nur unvergessliche Erinnerungen dar, sondern auch eine phantastische Lehre fürs Leben, an die ich immer denken werde. Im musikalischen Bereich habe ich bei meinem Studium der Kammermusik in Israel vor allem eins gelernt: wie man den anderen zuhört.


Warum leben Sie gegenwärtig in New York ?

Dies haben wir eigentlich Pinchas Zuckerman und vor allem Frau Waltraud Szeryng zu verdanken, die mir die Tore zu den grössten Konzertsälen der Welt geöffnet hat. Wir sind israelische Künstler und stellen uns dem Publikum auch als solche vor, doch heute ist es fast unmöglich, eine internationale Karriere von Israel aus zu beginnen. In New York kann man die Erfolgsleiter richtig erklettern und den Aufstieg effizient in die Hand nehmen. Eines Tages werden wir wieder in Israel leben, in unserer Heimat und unserem wahren Zuhause.


Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus ?

Unsere Tätigkeit besteht aus drei Elementen: üben... üben... üben ! Die heisst nicht, dass wir den ganzen Tag ausschliesslich mit der Geige oder dem Klavier verbringen. Wir sind mit den technischen Funktionen unserer Instrumente vertraut, doch wir müssen unser Spiel und unsere Interpretation verbessern.


Sie besitzen das Privileg, auf einer Stradivarius zu spielen. Was empfinden Sie für Ihr Instrument ?

Es ist natürlich ein ganz besonderes Gefühl. Man muss sich im klaren sein, dass die Stradivari Society of Chicago, der diese Geigen gehören, sie nur ganz selten leihweise zur Verfügung stellt und dabei eine sehr strenge Auswahl trifft. Ziel der Gesellschaft ist es, Sponsoren zu finden, welche diese Geigen kaufen und sie der Gesellschaft wiederum leihen, so dass sie sie versichern und die Künstler aussuchen kann, die sie verwenden dürfen. Eine Stradivarius ist heute zwischen zwei und fünf Millionen Dollar wert. Sie verkörpert eine ausgezeichnete Investition, da ihr Wert im Schnitt um 20% pro Jahr zunimmt. Ich kann jeden potentiellen Anleger zu dieser Investition nur ermutigen. Es ist eine enorme Unterstützung für junge Künstler, die heute alle auf Instrumenten spielen, welche der Stradivari Society of Chicago gehören. Ich persönlich habe ein herrliches Präsent von Frau Waltraud Szeryng erhalten, die mir einen Bogen ihres verstorbenen Mannes schenkte, der einer der grössten Geiger dieses Jahrhunderts war. Der Bogen, dessen Griff aus Schildpatt und Gold besteht, ist hinreissend.

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