Editorial - Dezember 1993
• Editorial
Chanukkah 5754
• Die Pflicht der Erinnerung
Politik
• Stockender verlauf der verhandlungen
• Begegnung mit Jack Kemp
Exklusives Interview
• Verkauft der jüdische Staat seine Seele ?
Interview
• Jude - Weiss - Südafrikaner
Jerusalem-Judäa-Samaria-Gaza
• Juden oder Parias in Israel ?
Analyse
• Vive la différence !
• Diplomaten und Juden
Junge persönlichkeiten
• Elli Jaffe, der goldene Dirigentenstab
Kunst und Kultur
• Identität im Gegenstand
• Es ist ein Mädchen !
• 25 Jahre Petit-Palais
Reportage
• Der Oberste Gerichtshof Israels
Porträt
• Von Karola zu Dr. Ruth
Erziehung
• Rüstzeug fürs Leben
Gesellschaft
• ... der Kampf geht weiter !
Strategie
• Die strategischen Waffen Syriens
Erinnerung
• Porträt eines Meisters und Freundes
Ethik und Judentum
• Gefahr und Verantwortung
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"Meiner Ansicht nach ist es nicht erstrebenswert, dass sich Arafat in Jericho niederlässt, nur 40 km von Jerusalem entfernt, doch ich bin ja nicht ausschlaggebend". Dieser durch und durch vernünftige Satz, der zugleich einfach und einleuchtend ist, im gegenwärtigen Kontext jedoch so provozierend erscheint, stammt nicht von einem in Judäa-Samaria oder Gaza lebenden Israeli, sondern von einem der bedeutendsten amerikanischen Politiker, einem der Grundpfeiler der republikanischen Partei: JACK KEMP wird von zahlreichen Amerikanern als möglicher nächster Präsident der Vereinigten Staaten angesehen.
Jack Kemp wurde 1935 als Sohn des Besitzers einer kleinen Lastwagengesellschaft in Los Angeles geboren und spielte neun Jahre lang als Berufsfussballer in der Liga der Buffalo Bills, die unter seiner Leitung 1964 und 1965 die Meisterschaften der American Football League gewannen. 1967 wird er Sonderassistent des Gouverneurs Ronald Reagan. Jack Kemp wird 1970 in den Kongress gewählt und neunmal in seinem Amt bestätigt, bevor er von George Bush zum Sekretär für Konstruktion und urbane Entwicklung ernannt wird.
Als sehr gläubiger Christ bezeichnet er sich als Anhänger der Grundsätze, Lehren und Gedanken eines anderen Republikaners, nämlich Abraham Lincoln. In seiner politischen Tätigkeit verteidigt er vor allem Chancengleichheit, Recht auf Leben, Freiheit, Privatbesitz und die individuelle Suche nach Glück, sowie die Werte des Unternehmenskapitalismus, die seinerzeit von Lincoln verkündet wurden. Er ist überzeugt, dass die Bürgerrechtsbewegung der schwarzen Amerikaner notwendig war, und bedauert, dass seine Partei nicht an der Seite von Martin Luther King an diesem Kampf teilgenommen hat, da der Vater von Dr. King selber Republikaner war.
Sowohl im Herzen als auch geistig Israel nahestehend, ist Jack Kamp wiederholt in den jüdischen Staat gereist und hat oft Positionen eingenommen, die den Ansichten der von ihm vertretenen Regierung widersprachen. Als Ariel Scharon, damals Wohnungsbauminister in Israel, privat nach Washington reiste, verbot ihm Präsident Bush den Zugang zu allen Regierungsgebäuden. Jack Kemp hingegen liess es sich nicht nehmen, seinen israelischen Amtskollegen trotz aller hinterher ausgesprochenen Kritik bei sich zu empfangen. Er zählt zu den aufrichtigsten Freunden Israels auf der politischen Bühne der Vereinigten Staaten.
In New York wurde mir das Privileg zuteil, Jack Kemp für die Dauer eines Gesprächs kennenzulernen. Dieser Mann beeindruckt einen sofort durch seine geistige Offenheit, die Klarheit seiner Worte, die Logik seiner Argumente und seine schnörkellose Direktheit. Mit seiner sportlichen Einstellung bekämpft er nie die Menschen, sondern nur Ideen: "Die Daseinsberechtigung einer grossen Bewegung liegt darin, ein wichtiges Anliegen zu verfechten, und nicht einfach die Gedanken der anderen anzugreifen. Man muss mit dem Beispiel vorangehen, anspornen, motivieren und eine Form des qualitativ höherstehenden Führungsstils anbieten."
Mit welcher Einstellung sollten die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Israel gepflegt werden ?
Die Heilige Schrift hält uns an, für den Frieden und das Heil Jerusalems zu beten. Meiner Ansicht nach handelt es sich hierbei um eine Verpflichtung für jeden Juden der Diaspora und für jeden Christen. Wenn ein Land auf dieser Welt den Frieden verdient, dann ist es bestimmt Israel, wenn eine Stadt in Frieden leben soll, dann ist es fürwahr die Stadt Davids. Die jüngsten Entwicklungen, die wir in dieser Region erlebt haben, lassen mich immer wieder für den Frieden beten, doch ich bin skeptisch; skeptisch, aber bestimmt nicht zynisch. Ich bin absolut nicht davon überzeugt, dass Yasser Arafat sich verändert hat. Ich vertraue keiner einzigen seiner Erklärungen und möchte gerne schriftlich bestätigt erhalten, dass die Kapitel in der Charta der PLO aufgehoben werden, welche die Zerstörung Israels zum Inhalt hatten.
Vergessen wir nicht, dass Israel, das nur einen Sechstel der territorialen Masse der arabischen Welt darstellt, immer noch und auch in Zukunft gewichtige Feinde besitzt. Ich spreche nicht von denjenigen, die nur von seiner Politik befremdet sind, sondern von denjenigen, welche die Existenz dieses Staates nicht akzeptieren. Ich denke da beispielsweise an Syrien, das sein Territorium und dasjenige Libanons dem Hamas und dem Hisbollah als Stützpunkt für tödliche Angriffe gegen die Bevölkerung im Norden Israels anbietet. In diesem Punkt bin ich überzeugt, dass die Vereinigten Staaten sehr starken Druck auf Syrien ausüben müssen und es auf keinen Fall von der Liste der Länder streichen sollten, die den Terrorismus unterstützen. Unter Berücksichtigung aller dieser Elemente denke ich, dass die USA Israel in keiner Weise sein Verhalten vorschreiben können. Wir sollten in erster Linie das Streben Israels nach Sicherheit fördern und zwar im Rahmen der Anstrengungen, die zum Erreichen eines gemeinsam ausgehandelten Friedens unternommen werden. Die amerikanische Regierung kann keinen Druck auf Israel ausüben, um es zu Konzessionen zu zwingen, die seinen Auffassungen über geeignete Sicherheitsmassnahmen widersprechen. Jede amerikanische Regierung sollte das Ende des arabischen Boykotts verlangen als Beweis des guten Willens dieser Länder im laufenden Friedensprozess. Die Aufhebung dieses Boykotts würde ein konkretes Zeichen für die Glaubwürdigkeit der PLO und der arabischen Welt darstellen. Die USA müssten heute mehr denn je ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Israel verstärken. Ich gehörte zu den Sponsoren der Errichtung einer Freihandelszone zwischen Israel und den Vereinigten Staaten. Wieso können wir nicht der arabischen Welt bekanntmachen, die USA würden mit jedem arabischen Staat, der den Boykott gegen Israel aufhebt, einen Freihandelsvertrag eingehen ? Ich bin sicher, dies würde die Beziehungen zwischen den Nationen des Mittleren Ostens verbessern. Verwenden wir doch wirtschaftliche Anreize, um es der israelischen Bevölkerung und denjenigen, die sich selbst als "Palästinenser" bezeichnen, zu ermöglichen in besserem Einverständnis miteinander zu leben.
Wenn Sie sagen, dass "keine amerikanische Regierung auf Israel Druck ausüber kann", heisst dies, dass die Vereinigten Staaten eine neutrale Haltung einnehmen sollten ?
Unter keinen Umständen ! Im Rahmen der laufenden Verhandlungen haben die Vereinigten Staaten kein Recht, ein neutrales Element zwischen den verschiedenen Parteien zu sein. Wir verkörpern keinen Partner, sondern einen Sponsor, denn in dieser Angelegenheit nimmt Israel ein Risiko auf sich und nicht die Vereinigten Staaten. Wir haben kein Recht unsere Geschichte zu vergessen. Israel hat sich in schwierigen Zeiten als Freund und Verfechter der uns gemeinsamen Werte erwiesen. Wir pflegen sehr enge Beziehungen zwischen Juden und Christen, zwischen Westen und Mittlerem Osten, sowie zwischen den Vereinigten Staaten und Israel. Diese grundlegenden Fakten müssen wir an unsere Kinder weitergeben und in den öffentlichen Schulen lehren. Unser Engagement an der Seite Israels drückt sich sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft durch eine grössere Anstrengung in Erziehung und Bildung aus. Ein weiterer Grundsatz sollte unsere Haltung gegenüber Israel bestimmen: die Vereinigten Staaten dürfen nie eine moralische Äquivalenz akzeptieren, weder in der Welt im allgemeinen noch im Mittleren Osten im besonderen. Die Unterstützung Israels und die Verteidigung seiner Interessen muss im Zentrum der amerikanischen Aussenpolitik bleiben. Zu diesem Punkt darf nicht der geringste Kompromiss bestehen, ganz unabhängig davon, welche unmittelbaren Vorteile wir daraus ziehen könnten. Israel steht an erster Stelle... dann erst kommt das Erdöl ! Jeder Frieden, der mit einem geschwächten Israel abgeschlossen wird, kann nur provisorisch sein. Ich bin absolut davon überzeugt, dass es nur einen Weg zu einem dauerhaften Frieden gibt: Amerika muss wachsam, mächtig und gut bewaffnet bleiben, seine Bündnisse und Freundschaften verstärken, und mit Entschlossenheit und festem Willen zu seinem Wort stehen.
Dennoch, ich wiederhole, ist es nicht die Aufgabe der Vereinigten Staaten, Israel sein Verhalten vorzuschreiben. Ich meinerseits bin der Ansicht, Israel sollte nicht einen einzigen Zentimeter seines Territoriums aufgeben, bevor nicht ein umfassender Friede mit der gesamten arabischen Welt abgeschlossen wurde. Jerusalem muss unter dem Schutz der israelischen Armee vereinigt bleiben und den freien Zugang zu den heiligen Stätten aller grossen Weltreligionen garantieren. Israel sollte Jerusalem nie, nie abtreten.
Glauben Sie, dass die Vereinigten Staaten die Besiedlungsbewegung in den Gebieten unterstützen sollte ?
Ja, und ich gehöre zu denjenigen, die immer davon ausgingen, dass die jüdischen Ortschaften in Judäa-Samaria und in Gaza kein Hindernis für den Frieden darstellen. Sie waren es nicht anlässlich der Abkommen von Camp David und sie sind es auch nicht im Rahmen des gegenwärtigen Prozesses.
Heute verkörpern die Vereinigten Staaten die einzige echte Weltmacht. Wie definieren Sie ihre Rolle ?
Als Antwort auf Ihre Frage möchte ich Jean Krikpatrick zitieren, der vor kurzem sagte: "Das Ende des Kalten Krieges bedeutet nicht das Ende der amerikanischen Verantwortung in der Welt. Es liegt an uns, alles für die Förderung des demokratischen Kapitalismus einzusetzen". Wir leben in einer Zeit der Hoffnungen und der Verletzlichkeit im Hinblick auf die Zukunft der Freiheit und der Demokratie in der Welt. Der Sieg Amerikas über den Kommunismus stellt gewiss einen grossen Erfolg dar, doch das Ersetzen der Diktaturen durch demokratische Regierungen ist noch weit wichtiger.
Sehen Sie, im Verlauf der letzten drei Jahrzehnte wurden die moralischen Grundpfeiler unserer Gesellschaft erschüttert. Kriminalität, Ehescheidungen und Kindesmissbrauch haben in erschreckendem Masse zugenommen, während das Bildungsniveau deutlich gesunken ist. Dies muss sich ändern, und dazu reicht eine gute Regierung nicht aus. Wir müssen unsere Kultur- und Erziehungspolitik verstärken und die Werte de Familie neu beleben. Unsere Tätigkeit in der Welt ist nur dann von Erfolg gekrönt, wenn wir eine starke, gut ausgerüstete und perfekt trainierte Verteidigung aufrechterhalten, wenn wir den Freihandel, die Unternehmen und die Produktivität aktiv fördern. Kurz, wir müssen Vorbilder, Verfechter, Förderer und Experten der Freiheit, der Demokratie und des freien Unternehmertums sein.
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