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Inhaltsangabe Junge persönlichkeiten Dezember 1993 - Chanukkah 5753

Editorial - Dezember 1993
    • Editorial

Chanukkah 5754
    • Die Pflicht der Erinnerung

Politik
    • Stockender verlauf der verhandlungen
    • Begegnung mit Jack Kemp

Exklusives Interview
    • Verkauft der jüdische Staat seine Seele ?

Interview
    • Jude - Weiss - Südafrikaner

Jerusalem-Judäa-Samaria-Gaza
    • Juden oder Parias in Israel ?

Analyse
    • Vive la différence !
    • Diplomaten und Juden

Junge persönlichkeiten
    • Elli Jaffe, der goldene Dirigentenstab

Kunst und Kultur
    • Identität im Gegenstand
    • Es ist ein Mädchen !
    • 25 Jahre Petit-Palais

Reportage
    • Der Oberste Gerichtshof Israels

Porträt
    • Von Karola zu Dr. Ruth

Erziehung
    • Rüstzeug fürs Leben

Gesellschaft
    • ... der Kampf geht weiter !

Strategie
    • Die strategischen Waffen Syriens

Erinnerung
    • Porträt eines Meisters und Freundes

Ethik und Judentum
    • Gefahr und Verantwortung

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Elli Jaffe, der goldene Dirigentenstab

Von Roland S. Süssmann
In unserer Serie "Junge Führungspersönlichkeiten in Israel" haben wir Ihnen bereits Politiker und Wissenschaftler vorgestellt, Frauen und Männer, die alle Koryphäen auf ihrem Gebiet darstellen. Heute wollten wir die Bekanntschaft eines jungen Dirigenten machen; ELLI JAFFE hat sich trotz seiner Jugend bereits weltweit einen soliden Ruf erarbeitet, insbesondere für jüdische liturgische Musik. Als musikalischer Direktor des Chors der Grossen Synagoge von Jerusalem (siehe Shalom Vol.XVI) hat er mehrere berühmte Orchester dirigiert, wie beispielsweise The Israel Philharmonic, The Jerusalem Symphony, The Royal Philharmonic aus London, das Prager Symphonieorchester usw. Eine seiner charakteristischen Angewohnheiten ist die Kombination von jüdischer liturgischer Musik, die er arrangiert und komponiert, mit dem Repertoire der grossen Klassiker. Einige seiner Kompositionen wurden aufgenommen und werden von grossen Vorbetern in der ganzen Welt gesungen.
Elli Jaffe wurde 1953 in Jerusalem geboren und besitzt das Diplom der Rubin Academy. Als Preisträger des ehrenvollen Dirigentenwettbewerbs Earnst Reed in London hat er mit Leonard Bernstein und Igor Markewitsch studiert. Neben seinen zahlreichen Aktivitäten leitet Elli Jaffe die Stiftung Europa-Israel zur Förderung der jüdischen Musik.

Wann haben Sie beschlossen, eine Karriere als Musiker zu machen ?

Die "Erleuchtung" kam mir an dem Tag, als ich Zubin Metha die Zweite Symphonie von Mahler dirigieren sah und hörte. Diese Symphonie liegt mir sehr am Herzen, und ich schätze mich glücklich, dass ich sie mehrmals aufführen konnte. Im Alter von 22 Jahren dirigierte ich mein erstes Konzert. Danach arbeitete ich mit zahlreichen Orchestern zusammen, mit einigen von ihnen in einem ausschliesslich klassischen Repertoire, mit anderen in kombinierten Programmen. Im September 1992 dirigierte ich anlässlich der Prager Festspiele das Violinkonzert von Mendelssohn, die Fünfte von Mahler und, am selben Abend, das "Kol Nidrei" von Bruch. Ich werde regelmässig als Gastdirigent eingeladen. Im Ausland wurden mir bereits Stellen als Dirigent grosser Orchesterformationen angeboten, doch ich habe diese Möglichkeiten immer ausgeschlagen, weil ich in Israel leben und meine Kinder hier erziehen will.


Wie gestalten Sie die Auswahl, wenn Sie ein gemischtes Programm mit klassischen und liturgischen Werken vorstellen ?

Im Ausland wird die Auswahl zusammen mit den Institutionen getroffen, die mich für das Konzert eingeladen haben, sowie mit den Orchestermitgliedern, und je nach Wünschen, Vorlieben und Forderungen des Publikums. Ich habe beispielsweise in Strassburg das Symphonieorchester von Ramat Gan (das vielversprechende Zukunftsperspektiven besitzt) dirigiert; auf dem Programm standen Nabucco, Kol Nidrei und die erste Symphonie von Mahler. Soll ich ein klassisches Konzert dirigieren, versuche ich immer ein Werk einzubeziehen, das in Zusammenhang mit unserem Kulturgut steht, wie z.B. Bruch oder Bloch. In Israel ist das grosse, nichtreligiöse Publikum von der liturgischen Musik begeistert, da sich die Menschen an ihre Kindheit, ihre Eltern oder ihre Wurzeln erinnern. Selbst die junge Generation interessiert sich für liturgische Musik. Die heilige Musik muss so vorgestellt werden, dass sie den Respekt der besten Musikinstitutionen der Welt gewinnt. Sie sollte im selben Mass geachtet werden wie die berühmtesten klassischen Werke und genauso sorgfältig gespielt werden. Vor kurzem reiste eine Delegation der Mailänder Scala nach Israel. Ihre Mitglieder hörten sich in der Grossen Synagoge unseren Chor an, und ich gab ihnen Unterricht in jüdischer Liturgie-Musik. Sie stellten mir hinterher die Frage, ob ich ein klassisches und liturgisches Konzert an der Scala dirigieren würde, worauf ich sofort zusagte; gegenwärtig befinden wir uns mitten in den Vorbereitungen.


In Ihren liturgischen Kompositionen verwenden Sie Elemente aus der Oper und aus der volkstümlichen Musik. Glauben Sie nicht, dass Sie dadurch die geheiligte Musik entarten ?

Dies muss ich selbstverständlich verneinen, doch als Erklärung möchte ich Ihnen einige Beispiele geben. Bartok setzte jüdische und volkstümliche Motive in seinen Kompositionen ein. Mahler verwendete neben den jüdischen Elementen ausserdem ganz einfache Motive. Ich denke nicht, dass die Vermischung der Stilrichtungen die jüdische Liturgiemusik "entartet" oder "entweiht", wenn dies in natürlicher Weise geschieht, mit Würde und Mass. Leider kommt es noch allzu oft vor, dass ein guter Vorbeter ein Konzert mit liturgischer Musik gibt und dabei von einem schlechten Chor oder einem mittelmässigen Orchester begleitet wird. In diesem besonderen Fall kommt es wahrhaftig zu einer Entweihung der Musik.


Der von Ihnen dirigierte Chor der Grossen Synagoge von Jerusalem gibt überall auf der Welt Konzerte. Er setzt sich aus Israelis und neuen russischen Einwanderern zusammen, die keine jüdische Ausbildung besitzen. Wenn diese nun in der Synagoge oder an einem Konzert singen, beschränken sie sich dabei auf das rein Musikalische oder drücken sie auch jüdische Gefühle aus ?

Wenn ich einen Sänger in den Chor aufnehme, erkläre ich ihm die Bedeutung der Verbindung zwischen der Kunst des Gesangs an sich und dem jüdischen Gefühl. Dirigiere ich ein nichtreligiöses Werk, wie z.B. Dvorak, lege ich immer ein wenig jüdischen Ausdruck hinein. Die Mitglieder unseres Chors sind überdies ausgezeichnete Amateursänger und keine Berufsmusiker. Die Mitwirkung in unserem Chor dient nicht dem Lebensunterhalt. Meiner Ansicht nach muss man, um in einer Synagoge zu singen, den mit dem Gebet verbundenen musikalischen Stil, den "Nussach" (siehe Interview mit Joseph Malovany in Shalom Vol.XVII) genau verstehen. Die Analyse des Nussach, die Erklärung der melodischen Konstruktion jedes Satzes oder gar jedes Wortes, verleihen dem Gebet eine andere Dimension. Selbstverständlich ist auch das Ausfeilen der Aussprache, des Lesens und der Diktion von grösster Bedeutung. Die Vorbereitungsarbeit entspricht derjenigen, die für die Interpretation von Schubert- oder Mahler-Liedern erforderlich ist. Das Studium eines liturgischen Werks und die intellektuelle Arbeit sind identisch mit derjenigen für eine Symphonie oder Sonate von Beethoven. Orchester, Stimmen und Dirigent müssen Botschaft, Philosophie, Ethik und Ästhetik des Stücks begreifen, um die Musik in der innigsten, absolutesten und richtigsten Weise zu spielen. Bei einem Gottesdienst geht es nicht darum, das Gebet "hinter sich zu bringen" oder es in die Länge zu ziehen, unsere Aufgabe besteht vielmehr darin, die Gemeinde zu einer erhabenen geistigen Erfahrung zu führen. Dies gelingt nur, wenn sie in der oben beschriebenen Weise angegangen, vorbereitet und interpretiert wird. Zur Erhaltung unseres kulturellen und musikalischen Erbes sollten die Gottesdienste von den besten Musikern unter uns durchgeführt werden, darunter auch von den "Jewish golden voices" (die Goldenen Stimmen der Juden), die ihr Talent den besten Orchestern zur Verfügung stellen und die schönsten Opern der Welt singen.


Sie sind musikalischer Direktor der Stiftung Europa-Israel zur Förderung der jüdischen Musik. Worum handelt es sich genau ?

Diese Stiftung wurde von der Familie Ehrenreich aus Colmar angeregt. Die kleine Gemeinde von Colmar ist sehr stolz auf ihr Judentum und empfindet sehr stark und tief für die jüdische liturgische Musik. Unser Chor wurde mehrmals nach Colmar eingeladen, wo wir von der Stadt empfangen wurden. Ein sehr grosses nichtjüdisches Publikum sowie zahlreiche Persönlichkeiten aus den jüdischen Kreisen dieser Region hörten sich unsere Konzerte an. Ziel der Stiftung ist die Förderung der jüdischen Musik. Wir unterstützen junge Künstler. Kürzlich haben wir fünf israelische "Wunderkinder" eingeladen, uns bei Konzerten in Frankreich zu begleiten. Wir veröffentlichen Werke liturgischer Musik und fördern ihre Aufführung in aller Welt, wir nehmen an den Reisen israelischer Orchester teil, laden ausländische Orchester nach Israel ein, usw.

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