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Inhaltsangabe Interview Herbst 1998 - Tischri 5759

Editorial - Herbst 1998
    • Editorial

Rosch Haschanah 5759
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Politik
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Shalom Tsedaka
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Ethik und Judentum
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Jerusalem

Von Roland S. Süssmann
Seit fünf Jahren wird Jerusalem von dem dynamischen Bürgermeister EHUD OLMERT regiert, dem Knessetabgeordneten des Likud und mehrmaligen früheren Minister. Am kommenden 10. November stellt sich Olmert erneut der sowohl jüdischen wie arabischen Wählerschaft von Jerusalem, und die Prognosen sagen ihm einen überwältigenden Sieg voraus.
Jerusalem, die jüdische Hauptstadt, war zu jeder Zeit Gegenstand der Begierde von Christen und Moslems. Dieser Neid herrscht auch heute noch, und es wird alles versucht, um die jüdische Souveränität, welche seit dem arabischen Angriff auf Israel von 1967 die gesamte wiedervereinigte Stadt umfasst, ins Wanken zu bringen oder gar ganz zu zerstören. Der Vatikan schlägt die "Internationalisierung Jerusalems" vor, da ihm der Gedanke unerträglich ist, dass sich das Grabmal Jesu unter jüdischer Herrschaft befindet. Für die Araber ist Jerusalem, das im Koran nicht ein einziges Mal erwähnt wird, zu einer Waffe geworden, dank der die Legitimität und die eigentliche Existenz des jüdischen Staates in Frage gestellt werden soll.
Zum Glück sieht die konkrete Situation vor Ort ganz anders aus. Seit dem Sechstagekrieg hat die Hauptstadt des jüdischen Volkes einen wunderbaren Aufschwung erlebt und verkörpert heute sowohl im Hinblick auf die Grösse des Gebiets als auch auf die Einwohnerzahl die grösste Siedlung Israels. Dank der Entwicklung der neuen jüdischen Viertel lebt heute die Mehrheit der jüdischen Einwohner von Jerusalem in dem Teil der Stadt, der 1967 befreit wurde.


Können Sie uns in wenigen Worten zusammenfassen, was sich in den fünf Jahren der "Regierung Olmert" in Jerusalem verändert hat?

In meiner Stadt hat sich vieles verändert. Auf politischer Ebene hat eine tiefgreifende Umwälzung stattgefunden. Bis zum Jahr 1993 wurde Jerusalem nämlich keinesfalls in die politischen Verhandlungen einbezogen, die von Israel mit seinen arabischen Nachbarn geführt wurden. Es bestand kein Zweifel daran, dass Jerusalem als wiedervereinigte Stadt allein unter israelischer Herrschaft stand. Niemand konnte sich vorstellen, dass diese Tatsache wieder in Frage gestellt würde. Leider hat es die israelische Regierung im Rahmen der Osloer Abkommen akzeptiert, Jerusalem wieder zum Verhandlungsgegenstand zu machen, was seit 1967 nie wieder vorgekommen war. Von diesem Tag an werden alle Vorgänge in der Stadt mit ganz anderen Augen wahrgenommen. Jeder Schritt, jede Veränderung, die wir unternehmen, wird von der internationalen Staatengemeinschaft mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Gestern noch erklärte man sich - wenn auch widerwillig - damit einverstanden, dass Jerusalem für immer jüdisch bleiben würde und dass sein wirtschaftlicher Aufschwung folglich keinerlei Einfluss auf die Verhandlungen oder einen Friedensprozess hätte. Heute sieht die Lage ganz anders aus. Das Ergebnis der Osloer Abkommen hat dazu geführt, dass wir bei jeder Veränderung von der internationalen Gemeinschaft, oft gar auf höchstem Niveau, folgendes zu hören bekommen: "Ihr seid nicht berechtigt, diese Änderungen auf einseitigen Beschluss durchzuführen, Jerusalem ist Gegenstand der Verhandlungen und ihr besitzt aus diesem Grund nicht mehr die alleinige Entscheidungsgewalt."
Eine weitere radikale Umwälzung betrifft die Art und Weise, wie die Stadt in Israel selbst wahrgenommen wird. Die Beziehungen zwischen den orthodoxen und nichtreligiösen Gemeinschaften der Juden haben sich auf extrem heftige Weise zugespitzt. Im Verlauf der vergangenen fünf Jahre habe ich in einer Atmosphäre des Misstrauens arbeiten müssen, welche die Furcht nährte, die Stadt werde allmählich von der orthodoxen Gemeinde "erobert". Diese vollkommen falsche Auffassung hat derartige Ausmasse angenommen, dass heute allgemein davon ausgegangen wird, dass die Nichtgläubigen die Stadt verlassen und die Orthodoxen sich in grosser Zahl hier niederlassen werden. Dies entspricht absolut nicht den Tatsachen vor Ort. Im Verlauf der letzten Jahre sind die Mitglieder der orthodoxen Gemeinde in grosser Zahl weggezogen und die Prognosen für die kommenden fünfundzwanzig Jahre besagen, dass der Anteil an orthodoxen Juden in Jerusalem nicht signifikant ansteigen wird. Man darf nicht vergessen, dass sich diese Gemeinde aus vielen kinderreichen Familien zusammensetzt und dass die Preise für Wohnraum in der Stadt immer höher klettern. Darüber hinaus bestehen in den kleinen Siedlungen nur wenige Kilometer von der Hauptstadt entfernt bedeutend billigere Wohnmöglichkeiten. Dennoch steht fest, dass dieses falsche und negative Vorurteil Jerusalem und seinem Image im restlichen Land beträchtlich schadet. Ich kämpfe daher entschlossen gegen diese Situation, um neue Bewohner und Industriezweige, sowie frisches Kapital usw. anzuziehen.


Was haben Sie im Hinblick auf den eigentlichen wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt mehr erreicht als Ihr Vorgänger Teddy Kollek?

Ohne die Tätigkeit von Teddy Kollek schmälern zu wollen, der von 1966 bis 1994 Bürgermeister der Stadt war, möchte ich Sie einfach darauf hinweisen, dass ich seit meiner Wahl 2,5 Milliarden Schekalim (ca. US$ 700 Millionen) zur Verbesserung der hauptstädtischen Infrastruktur aufgewendet habe. Dieser Betrag liegt über der Gesamtsumme, die mein Vorgänger in den achtundzwanzig Jahren seines Mandats in ähnliche Projekte gesteckt hat.
Dazu möchte ich betonen, dass wir in den letzten fünf Jahren unsere Hauptanstrengung auf die Verbesserung der städtischen Infrastruktur gerichtet haben. In Bezug auf Jerusalem ist oft von Archäologie, Politik, Geschichte oder Religion die Rede. Die Frage jedoch, welche die meisten Bewohner der Stadt beschäftigt, betrifft ganz konkrete Probleme: "Wie kann ich die Stadt durchqueren, ohne ständig in Verkehrsstaus steckenzubleiben? Wie hoch ist die Qualität der städtischen Dienstleistungen und des Schulwesens? In welchem Zustand befinden sich die Parkanlagen? Wie entwickelt sich die Stadt auf kommerzieller und technologischer Ebene, wie steht es also um die Beschäftigungslage usw. ?" Wir haben bedeutende Teile der Stadt verändert und stehen erst zu Beginn unserer Projekte, deren Verwirklichung intensiv, entschlossen und rasch voranschreitet.


Können Sie uns einige Beispiele dafür geben?

Ich möchte zunächst die neue Strasse (Nr. 4) erwähnen, die Jerusalem von Norden nach Süden durchquert und den Namen Menachem Begin trägt. Diese im Juni 1998 eröffnete Durchfahrungsautobahn ist in mancherlei Hinsicht revolutionär. Sie entlastet einerseits den Verkehr im Stadtzentrum enorm und ermöglicht es dem Autofahrer, die Hauptstadt in wenigen Minuten zu durchqueren. Sie ist vierspurig in beiden Richtungen, besitzt eine Länge von 6,7 km und weist 4 Tunnels von je 380 m sowie mehrere Brücken auf. Bis heute gab es in Israel keinen einzigen Tunnel und Jerusalem war eine Stadt ohne Brücken. Gegenwärtig wird auch eine andere Autobahn (Nr. 1) fertiggestellt, die für die im Norden der Stadt lebende Bevölkerung von grosser Bedeutung ist, und in Kürze nehmen wir die Arbeiten für die Strasse Nr. 9 in Angriff, die den in den Norden der Stadt strömenden Verkehr nicht mehr auf die Hauptzufahrtsstrasse der Hauptstadt lenkt, sondern ihn direkt über Motza, Ramot und Pisgat Zeev in den Norden leitet. Ausserdem werden wir auch die Eisenbahnverbindung zwischen Jerusalem und Tel Aviv entwickeln.
Wie bereits gesagt, stehen wir erst am Anfang der Verwirklichung unserer Projekte. Wir planen ebenfalls die Vergrösserung des Quartiers von Giloh gegen Süden in Richtung Bethlehem. Wir möchten die jüdische Präsenz im Sektor von Pisgat Zeev verstärken, indem wir ihn in nordöstliche Richtung entwickeln. In diesem Gebiet werden wir darüber hinaus eine neue Industriezone errichten.
Vergessen wir nicht, dass jede von uns gebaute Strasse, jede Verbesserung und jeder Rappen, den wir in die Perfektionierung der Infrastruktur stecken, die israelische Herrschaft über die Stadt verstärken. Es handelt sich hierbei um die Konkretisierung einer Politik, die ich seit meinem Amtsantritt definiert habe und die heute allmählich verwirklicht wird.
Ich möchte betonen, dass wir auch viel zur Verbesserung der Lebensqualität der nichtjüdischen Bewohner der Stadt unternommen haben. Auch sie profitieren, in gleichem Ausmass wie die Juden, direkt von den verwirklichten Fortschritten und Veränderungen.


Vor kurzem hat sich die Welt wieder einmal über die Realisierung von "Grossjerusalem" ereifert, das ausser der Hauptstadt in gewissem Sinne auch einige umliegende Gemeinden umfassen wird. Woraus besteht dieses Projekt genau?

Diese ganze Affäre ist unverhältnismässig aufgebauscht worden. Man muss sich bewusst sein, dass es sich hierbei - zu meinem Bedauern - nicht um eine politische Geste handelt und selbstverständlich auch nicht um eine getarnte Annektion bestimmter Ortschaften, die ausserhalb von Jerusalem liegen. Unser Ziel ist es, die Rolle der Hauptstadt als zentrale Metropole rationeller einzusetzen. Gewisse Siedlungen in der Umgebung von Jerusalem benutzen die Dienstleistungen der Stadt, wie beispielsweise die Feuerwehr, die Wasserverteilung usw. Wir haben eine Dachorganisation geschaffen, die als Koordinationskomitee zwischen der Stadtverwaltung von Jerusalem und den betreffenden Gemeinden tätig ist. Es handelt sich demnach um eine Angelegenheit rein technischer Art.


Alles weist darauf hin, dass der Bau von Har Choma eingestellt wurde. Wie steht es in Wirklichkeit darum?

Obwohl in Jerusalem gelegen, gilt Har Choma als nationales und nicht als städtisches Projekt. Der Ministerpräsident hat wiederholt versprochen, dass die ersten Einwohner vor dem Jahr 2000 in Har Choma einziehen würden. Ich hoffe, dass er sein Versprechen hält, doch im Moment wurden die Bauarbeiten tatsächlich gestoppt. Als Bürgermeister kann ich nichts unternehmen, um die Sache voranzutreiben, doch ich lege meinen politischen Einfluss in die Waagschale, um die Regierung davon zu überzeugen, die Arbeiten möglichst schnell wieder aufzunehmen. Ich bin davon überzeugt, dass die Errichtung von Har Choma heute unumgänglich ist. Man muss verstehen, dass bei Har Choma wie bei Beth Orot und bei allen anderen Bauprojekten in Jerusalem dasselbe auf dem Spiel steht. Was zählt, sind nicht Absichtserklärungen, sondern Taten. Nur die Tatsachen vor Ort werden von der Bedeutung unserer Herrschaft über die Stadt zeugen. Werden die verschiedenen Regierungsprojekte in Jerusalem nicht verwirklicht, werden sie als Zeichen der Schwäche angesehen, von der sowohl die Araber als auch die restliche Welt zu profitieren versuchen.


Es weist alles darauf hin, dass die Araber von Jerusalem überall in der Stadt eine illegale Bautätigkeit entwickeln. Welche Massnahmen ergreifen Sie, um dies zu bekämpfen?

Ich habe versucht, der arabischen Bevölkerung zu erklären, dass sie in Bezug auf den Wohnungsbau dieselben Rechte besitzt wie die Juden und alle anderen Bewohner. Es muss jedoch alles ihm Rahmen der Gesetze geschehen, Konstruktionen sollten erst nach der Erteilung einer Baugenehmigung begonnen werden. Wenn wir feststellen, dass ein Gebäude gesetzwidrig errichtet wurde, stellen wir einen Befehl zur Evakuation und zum Niederreissen aus, und wenn dieser nicht befolgt wird, führen wir die Zerstörung des fraglichen Gebäudes selbst durch.


Das berühmte "Haus des Orients", das in Wirklichkeit das inoffizielle Büro der PLO in Jerusalem ist, existiert weiterhin und ist immer noch aktiv. Eines der grossen Wahlthemen des Likud während der letzten Wahlkampagne war doch die Aufhebung dieser Institution. Können Sie uns erklären, weshalb es das "Haus des Orients" immer noch gibt?

Es stimmt, das "Haus des Orients" existiert immer noch. Seit der Machtübernahme durch den Likud hat es jedoch fast jede Bedeutung verloren. Es besitzt keinen "Glanz" mehr und ist eigentlich nur noch ein leeres Gehäuse. Die Schliessung muss von der Regierung entschieden werden, die es aus nur ihr bekannten Gründen vorgezogen hat, eine Politik anzuwenden, durch die das Zentrum seinen Wert und bestimmt auch seine Bedeutung verloren hat.


Alles weist darauf hin, dass Sie die nächsten Wahlen problemlos gewinnen werden. Können Sie uns über Ihre Zukunftspläne für Jerusalem informieren?

In den nächsten Jahren möchten wir die jüdische Mehrheit in der Hauptstadt vervielfachen und verstärken. Dazu haben wir bereits zahlreiche Programme zur Ausdehnung der Stadt und der Bautätigkeit begonnen. Wir setzen alles daran, den Industriepark zu entwickeln und immer mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Gleichzeitig unterstützen wir auch die Universitäten, insbesondere im wissenschaftlichen und technischen Bereich, um den Industriezweigen der Spitzentechnologie, die wir in Jerusalem ansiedeln möchten, qualifizierte Arbeitskräfte anbieten zu können. Es ist mein Wunsch, dass meine Stadt mit der Zeit zum bedeutendsten Kulturzentrum des Landes wird, zahlreiche, bereits laufende Projekte arbeiten auf dieses Ziel hin.


Hat es Sie besonders berührt, dass Sie zum Zeitpunkt des fünfzigjährigen Bestehens des Staates Bürgermeister von Jerusalem waren?

Bürgermeister von Jerusalem zu sein stellt eine Art "ständige Feier" dar. Natürlich war ich ausgesprochen glücklich, mich im Zentrum der Festivitäten zum Jubiläum zu befinden, die vor allem in Jerusalem stattfanden. Die Tatsache, denke ich, an der Spitze des Bürgermeisteramtes von Jerusalem zu stehen, gibt mir jeden Tag zu spüren, dass ich mich im Zentrum der Welt befinde und dass ich das Privileg besitze, einer ständigen Herausforderung gegenüberzustehen, die sowohl motivierend als auch spannend ist.


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