Editorial - Herbst 1998
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Rosch Haschanah 5759
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Reportage
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Shalom Tsedaka
• S.O.S. Orthodoxe Frauen
Ethik und Judentum
• Schmerzen lindern - Mit welchem Risiko ?
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Von Roland S. Süssmann - Chefredakteur
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Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Die Szene wirkt absurd: ein kleines Mädchen klettert auf das Podium und deklamiert: "Ich träume davon, eine Märtyrerin des Dschihad zu werden, nach Jerusalem zu gehen und mich mit meinem Spregstoffgürtel in die Luft zu jagen, um möglichst viele Juden umzubringen." Nach dieser haarsträubenden Szene steht der Ehrengast, Yasser Arafat, auf und küsst die "Künstler der Zukunft". Handelt es sich um ein Stück, das in den 80er Jahren im Libanon aufgeführt wurde ? Nein, es ist eine simple Show am palästinensischen Fernsehen - eine eindeutige Verletzung der Osloer Abkommen.
Man sollte nie eine einzelne Tatsache verallgemeinern. Jedoch im Mittleren Osten, wo Symbole so wichtig sind, kommt dieser Szene sehr viel Bedeutung zu. Sie zeigt, in welcher Art der "Frieden" in den Schulen von Arafat gelehrt wird und in welcher Form der Gedanke des friedlichen Zusammenlebens mit den jüdischen Nachbarn der jüngeren Generation der autonomen Gebiete vermittelt wird. Solche Veranstaltungen erinnern uns daran, wie unsymmetrisch die Gegebenheiten vor Ort sind: die Juden möchten einen echten Frieden, während die Araber die Unterzeichnung von Abkommen dazu benützen, den Krieg mit anderen Mitteln fortzusetzen.
Benjamin Netanyahu steht vor keiner leichten Aufgabe. Er muss sich in einem internationalen Umfeld über Wasser halten, das von einer generellen politischen Leere beherrscht wird, deren negative Auswirkungen täglich in Washington, in Moskau, in Tokio und in Europa zum Ausdruck kommen. Im Mittleren Osten wird Israel weiterhin von den syrischen und ägyptischen Diktaturen sowie von den feudalistischen Oligarchien der Erdölstaaten umgeben, die wie Mubarak durch eine islamistische Flutwelle vom Verschwinden bedroht werden. Leider wird dieses düstere Bild durch eine weitere Unsicherheit ergänzt. Die Situation in Jordanien ist problematisch geworden. Die Krankheit des Königs hat den Kampf um seine Nachfolge erneut entfacht. Die Palastintrigen, die gestern noch hinter den Kulissen zwischen dem Bruder des Königs, der Ehefrau des Monarchen, die ihren Sohn gern auf dem Thron sähe, und den Palästinensern stattfanden, die 70% der Bevölkerung darstellen, spielen sich nun am helllichten Tag ab. Die relativ stabilen Beziehungen zwischen Israel und Jordanien werden dadurch ernsthaft erschüttert und bedroht.
In diesem sehr heiklen Kontext verhandelt Benjamin Netanyahu weiterhin mit den palästinensischen Arabern. Sein Ziel ist es, die schwerwiegenden Konsequenzen des Osloer Komplotts einzuschränken und eine Art Kriegsverzichtsabkommen - nicht den Frieden, das wäre illusorisch - zu erreichen, dank dem eine bewaffnete Konfrontation vermieden werden könnte.
Zu diesem Zweck soll die Regierung Netanyahu die Idee gutgeheissen haben, mehr jüdisches Land an Arafat abzutreten, obwohl dieser fast keine seiner seit 1993 eingegangenen Versprechungen eingehalten hat. Benjamin Netanyahu soll demzufolge, schweren Herzens zwar, den amerikanischen Vorschlag angenommen haben, die israelische Armee zu 10% aus den Gebieten von Judäa-Samaria abzuziehen, zu denen noch 3% der Territorien in der Wüste von Judäa hinzukommen, und die eine Naturschutzzone unter PLO-Verwaltung darstellen würden. Diese Region soll als unbewohnte Zone beibehalten werden, die es Israel im Falle eines bewaffneten Konflikts mit Syrien oder Jordanien ermöglichen würde, Panzertruppen durchfahren zu lassen ohne auf militärischen Widerstand zu stossen.
Im Gegensatz zum Bild, das die Presse und die Regierungen im Westen verbreiten, wird der Friedensprozess nicht von einem sturen und eigensinnigen Benjamin Netanyahu aufgehalten. Wie soll man denn Arafat gegenüber Konzessionen machen, ohne dabei auf ein Mindestmass an Gegenseitigkeit zu pochen, vor allem im Kampf gegen den Terrorismus? Bis heute hat Arafat nichts unternommen, um die terroristischen Aktivitäten in den Zonen einzuschränken, über die er diktatorische Macht ausübt, und fordert dadurch aktiv zur Ermordung von Juden überall in Israel auf. Gemäss den unterzeichneten Abkommen müssen die Verbrecher, die Israelis umgebracht haben und sich in den palästinensischen Zonen aufhalten, der israelischen Justiz ausgeliefert werden. Ein derartiges Verfahren wurde jedoch nie durchgeführt. Kann man aber wirklich erwarten, dass ein Terrorist den Terrorismus bekämpft? Ist es unter diesen Umständen ratsam, Arafat noch mehr Gebiete zu überlassen, damit er über noch mehr Unterschlupfmöglichkeiten für Terroristen verfügt?
Benjamin Netanyahu besteht darauf, dass der Nationale Palästinensische Rat die Absätze aus der PLO-Charta (im Mai 1964 verabschiedet!) entfernt, welche zur Zerstörung Israels aufrufen. An dieser Stelle wäre es vielleicht sinnvoll, einige Auszüge zu zitieren: "Der bewaffnete Kampf ist der einzige Weg, der zur Befreiung Palästinas führt..." (§ 9); "Die Aufteilung Palästinas 1947 und die Schaffung des Staates Israel sind durch und durch illegal..." (§ 19).
Sind die Forderungen Benjamin Netanyahus wirklich so unsinnig?
Wenn Israel den Rückzug von 13% tatsächlich durchführt, stellt dies einen Schritt in Richtung friedlicher Koexistenz dar oder wird er eine Zunahme der arabischen Gewalt bewirken? Wird die PLO auf ihre Forderungen in Bezug auf Jerusalem verzichten? Wird sie die Frage nach dem "Recht auf Rückkehr" der palästinensischen Diaspora aufgeben, die sie zu vertreten sagt ? Wird ein erneuter Verzicht auf jüdisches Gebiet die Aufgabe der israelischen Armee erleichtern, die Sicherheit der Bürger zu garantieren? Wird dieser Rückzug Arafat veranlassen, die Terroristen in seinen eigenen Reihen oder im Hamas zu bekämpfen? Können die jüdischen Einwohner von Judäa-Samaria oder gar in Tel Aviv nach diesem Rückzug ruhiger schlafen? Wird die PLO ihre quasi zum Ritual gewordenen diplomatischen Angriffe auf der internationalen Bühne gegen Israel einstellen? Wird die arabische Presse als Ganzes auf ihre unverhüllten antijüdischen Hetzkampagnen verzichten? Werden die Revisionisten der arabischen Welt, welche die Schoah leugnen, für immer zum Schweigen gebracht werden? Entspringen alle diese Fragen und zahlreiche andere einem übertriebenen Misstrauen oder ganz einfach dem gesunden Menschenverstand, nachdem die PLO fünf Jahre lang ihre
Versprechungen nicht eingehalten hat ?
Neben den Beziehungen zu den Palästinensern darf man nicht ausser acht lassen, dass Israel als Zielscheibe des islamischen Terrorismus an oberster Stelle steht. Das Judentum (Israel) und die Demokratie (die USA) sind die eigentlichen Feinde des Islam, die es verhindern, dass das Gesetz des Propheten in der ganzen Welt durchgesetzt wird.
Israel befindet sich in vollem Aufschwung, steht jedoch vor massgebenden Entscheidungen.
In dieser Zeit kurz vor Rosch Haschanah gibt uns ein Gebet aus uralter Zeit wieder Mut: "Mögen wir alle von Dir im Buch des Lebens, der Gnade, des Friedens und der Glückseligkeit erwähnt und eingeschrieben werden, wir und Dein gesamtes Volk, das Haus Israel, und uns eines glücklichen und friedvollen Lebens erfreuen."
SHALOM feiert sein zehnjähriges erfolgreiches Bestehen.
Mein ganzes Team und ich selbst wünschen Ihnen alles Gute im Neuen Jahr und sind in Gedanken ganz besonders bei den Familien, die im Flug SR 111 Angehörige verloren haben.
Roland S. Süssmann
Chefredakteur – September 1998
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