GIDEON EZRA ! Ein Mann, der beschlossen hat, aus dem Schatten herauszutreten, um seinem Lande im unerbittlichen Scheinwerferlicht der israelischen Politik zu dienen. Gideon Ezra, heute Likud-Abgeordneter in der Knesset, hat sein ganzes Leben im Geheimdienst gearbeitet. Im Rahmen dieser Tätigkeit war er viele Jahre lang Chef der geheimen israelischen Operationen im Libanon, bevor er die Nummer zwei des Dienstes für innere Sicherheit in Israel, des berühmten Schin Beth, wurde. Er konnte aus Gründen der inneren Politik nicht an die Spitze dieses Dienstes ernannt werden und beschloss daher, Anfang 1995 seinen Rücktritt einzureichen und sich der Politik zuzuwenden.
Er ist immer ein Mann der Rechten gewesen und daher erschien es logisch, dass er sich in die Reihen des Likud stellte, um diesem zum Wahlsieg zu verhelfen. Er kandidierte bei den Primärwahlen und wurde zur Überraschung aller an zwölfter Stelle auf der Parteiliste gewählt. Im Rahmen seiner Tätigkeiten als Abgeordneter ist Gideon Ezra Mitglied des Ausschusses für Sicherheit und Aussenpolitik.
Wie sehen Sie Ihre neue Aufgabe ?
Ich gelte allgemein als Experte für Fragen der Sicherheit, insbesondere im Libanon (ich spreche fliessend Arabisch), wo ich lange Zeit gelebt habe, aber auch in Judäa-Samaria, wo ich während langer Jahre mit der inneren Sicherheit betraut war. Dank dieser reichen Erfahrung hoffe ich, meine Regierung in diesen Bereichen beraten zu können.
Man weiss, dass die abtretende Regierung Benjamin Netanyahu ein katastrophales Erbe überlassen hat, insbesondere in bezug auf die Sicherheitsfragen. Erinnern wir daran, dass die Regierung Rabin/Peres es 50 000 palästinensischen Terroristen erlaubt hat, sich mitten im Herzen Israels bis zu den Zähnen bewaffnet niederzulassen. Wie schätzen Sie die jetzige Situation ein ?
Die grösste Gefahr, der wir heute ausgesetzt sind, liegt im Libanon. Dort haben wir die schwersten Verluste und die grösste Anzahl von Verletzten erlitten. Da ich dieses Land sehr gut kenne, denke ich, dass wir es schnellstens verlassen sollten. Ich habe lange Zeit im Libanon gelebt und kann Ihnen sagen, dass das Leben des Einzelnen dort nicht den geringsten Wert besitzt. Unsere Präsenz in der Sicherheitszone bezweckt einzig und allein, eine Bombardierung Galiläas durch Katyuscha-Raketen zu verhindern. Um wirklich effizient zu sein, müssten wir tiefer in den Libanon eindringen. Das können wir uns aber nicht leisten, denn dringen wir weiter nördlich vor, gelangen wir in eine von uns feindlich gesinnten Schiiten bewohnte und kontrollierte Zone. Vergessen wir nicht, dass für diese Leute nur eines zählt, nämlich vor allem zu töten um des Tötens willen. Ein Grossteil unserer Soldaten fällt nicht im Kampf, sondern während einfacher Fahrten mit dem eigenen Auto von einem Ort zum anderen. Sie werden von Bomben zerfetzt, die von den Schiiten auf der Strasse plaziert werden. Die Schiiten bilden selbst nur eine Minderheit der Bevölkerung im Südlibanon. Sie verstehen sicher, dass wir es nicht riskieren können, uns weiter nördlich in ein solches Wespennest vorzuwagen. Darüber hinaus muss man wissen, dass unsere Präsenz im Südlibanon ihr Ziel nicht erfüllt hat und dass die Raketen weiterhin auf Israel abgeschossen werden. Die Zone im Südlibanon, in der wir uns befinden, ist zwar zum Grossteil von Christen bewohnt, die wir unterstützen und denen wir helfen, sie zählt aber ebenfalls einen bedeutende, den Schiiten zugewandte Bevölkerung, die offen mit ihren Brüdern im Norden der Sicherheitszone zusammenarbeitet. Meiner Ansicht nach sollten wir uns bis zur internationalen Grenze zurückziehen, die uns vom Libanon trennt. Wir sind, es stimmt, für das Leben der Christen im Südlibanon verantwortlich und können diese nicht den Messern der Schiiten ausliefern: dies kommt überhaupt nicht in Frage und stellt auch nicht das Problem dar. Wir sollten es schaffen, ein Abkommen mit der libanesischen Regierung zu schliessen, das folgendes festlegen würde: wir ziehen uns in den sechs Monaten nach Unterschrift der Vereinbarung zurück, falls in dieser Zeitspanne keine gewalttätige Aktion, kein terroristischer Anschlag gegen uns oder unsere Bevölkerung im Norden Israels stattfindet; wir suchen nach einer gemeinsamen Lösung zum Schutz der Bewohner im Südlibanon, entweder im Rahmen der libanesischen Armee (der sich das Militär im Südlibanon anschlösse) oder in Zusammenarbeit mit einer internationalen Truppe; und schliesslich verlangen wir den Rückzug der syrischen Truppen aus dem Libanon. Es weiss jeder, dass Syrien den Libanon gerne annektieren würde, aber der offizielle Grund für die Präsenz der syrischen Truppen ist offiziell "der Schutz des Libanon gegen Israel". Ziehen wir uns zurück, hat Syrien keinen zumindest offiziellen Grund mehr, ihre Truppen im Libanon beizubehalten. Ich glaube nicht, dass Syrien seine Truppen zurückziehen wird. Man muss sich im klaren sein, wir wollen den Libanon verlassen, weil unsere Präsenz dort zu sinnlos ist und zu viele Menschenleben kostet. Wir müssen es jedoch den Libanesen zu verstehen geben, dass wir bei der geringsten Aggression mit allen Kräften den Libanon angreifen werden, ohne uns jedoch wieder dort niederzulassen, und dabei werden wir uns nicht mit einer kleinen Operation in der Art "Trauben des Zorns" vom Frühling 1966 zufrieden geben. Wollen die Libanesen wirklich, dass wir ihr Land verlassen, so müssten sie ziemlich geneigt sein, eine solche Vereinbarung anzunehmen.
Was halten Sie von dieser berühmtem Intervention namens "Trauben des Zorns" ?
Alles in allem ist diese Operation ziemlich wirkungslos gewesen. Am ersten Tag, es stimmt, hat der Überraschungseffekt gewirkt, aber ab dem zweiten hätte man genauso gut den Feind vorwarnen können: "Achtung! Wir sind dabei, euch anzugreifen!" Die Regierung Peres wollte unbedingt, dass Israel eine Zeit der Ruhe vor den Wahlen verlebt. Dann haben die Dinge im Libanon und im Norden des Landes einen schlechten Verlauf genommen. Die ganze Operation, die ursprünglich allein zu Wahlkampf-Zwecken gestartet wurde, ging leider mangels Glück völlig schief.
Wie schätzen Sie in bezug auf Judäa-Samaria und den Gazastreifen die Lage hinsichtlich der Sicherheit ein und wie sehen Sie die weitere Entwicklung ?
Ich befürworte die Politik, die uns zum Verlassen der Siedlungen mit starker arabischer Bevölkerung bewegte. Wollen die Palästinenser eine neue Intifada starten, wird es ihnen schwer fallen, weil sie uns nur auf den Strassen ausserhalb der Städte angreifen können, was keine oder nur geringe Folgen haben wird. Was ihren alten Traum angeht, einen palästinensischen Staat gründen zu können, besitzen wir nur ein Mittel, ihn zu verhindern: wir müssen alles daran setzen, damit die gegenwärtig im Besitz der PLO befindlichen territorialen Enklaven (Zonen A und B) niemals zu einer einzigen Territorialeinheit zusammenwachsen, die völlig unter ihrer Kontrolle steht.
Andererseits dürfen wir einen Aspekt nicht vergessen: die Bomben, die im Februar dieses Jahres bei den Attentaten gegen die Busse in Jerusalem verwendet wurden, stammten aus Ägypten und waren über den Gazastreifen hereingeschleust worden. Arafat hat zwar wohl nicht aktiv an der Vorbereitung dieser Anschläge teilgenommen, er hat aber auch nichts unternommen, um sie zu verhindern. Seitdem wir Gaza, die Kontrolle des Zugangs über das Meer sowie die anderen grossen arabischen Städte in Judäa und Samaria verlassen haben, sind unsere Informationsquellen um einiges versiegt. In diesem Bereich können wir natürlich nicht auf eine eventuelle Zusammenarbeit mit der PLO zählen. Wir können uns nur auf uns selbst verlassen, sowie auf Informanten, die wir in den autonomen Zonen rekrutieren müssen, was heute nicht einfach ist.
Was ist mit Hebron ?
Peres hat diesbezüglich eine bestimmte Anzahl Vereinbarungen mit Arafat abgeschlossen. Die Siedlung als solche weist eine sehr dichte arabische Bevölkerung auf. Im Gegensatz zu Ramallah oder Jennin lebt jedoch eine jüdische Bevölkerung im Zentrum der Stadt (siehe SHALOM Vol. XXV). Es ist unsere Pflicht, den Juden von Hebron ein völlig sicheres und furchtloses Leben dort zu garantieren. Wir müssen daher eine territoriale Kontinuität zwischen Kyriath Arba und dem Stadtzentrum herstellen. Ausserdem sollten die PLO-Truppen nicht über Waffen verfügen dürfen, deren Kaliber dasjenige von Faustwaffen übersteigt. Es ist ebenfalls vorrangig, dass den israelischen Truppen das Präventiv- und Verfolgungsrecht gegen jedwede Art von Terrorismus gewährt bleibt, und dies in ganz Hebron. Nach dem Abzug unserer Streitkräfte müssen wir uns unbedingt das Recht vorbehalten, unsere Soldaten dort zu stationieren, wo es uns notwendig erscheinen wird, falls die Araber Gewalttaten gegen Juden begehen sollten.
Was uns angeht, muss man wissen, dass nichts drängt. Die abtretende Regierung wollte in aller Eile den Prozess, den sie begonnen hatte, durch die Evakuierung einer arabischen Stadt nach der anderen vorantreiben, ohne dass die PLO sich in Gaza oder Jericho als vertrauenswürdig erweisen musste. Alles in allem war eine solche Vorgehensweise leicht, da wir daran erinnern müssen, dass wir den Arabern alles geben können, was wir wollen; solange wir aber in der Frage um Jerusalem nicht nachgeben, ist es so, als ob wir nichts gemacht hätten. Der Likud beabsichtigt aber in keinster Weise, in dieser Frage flexibel zu sein oder gar über diese wesentliche Frage zu verhandeln.
Glauben Sie, als ehemalige Nummer zwei der Dienste für innere Sicherheit Israels, dass Itzchak Rabin szl. einem Komplott zum Opfer gefallen ist, der durch die von Ihnen Anfang 1995 - wie bereits erwähnt - verlassenen Diensten durchgeführt wurde ?
Ich glaube überhaupt nicht an ein derartiges Komplott, vergessen wir nicht, dass Itzchak Rabin oft ohne ausreichenden Schutz reiste. Ich denke schon, dass die Dienste, die mit seiner Sicherheit beauftragt waren, schwere Fehler begingen. Zum Zeitpunkt des Mordes war er nur von zwei Leibwächtern umgeben... Die ganze Sache ist eine grosse Tragödie.
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