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Inhaltsangabe Analyse Herbst 1996 - Tischri 5757

Editorial - September 1996
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Rosch Haschanah 5757
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Politik
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Die israelischen Araber - Eine Frage der Identität

Von Professor Moshe Sharon *
Anlässlich der jüngsten Wahlen in Israel wurden die israelischen Araber öffentlich dazu aufgefordert, massiv für Peres zu stimmen, den die Araber überall als den für die arabisch-palästinensische Sache günstigsten Kandidaten präsentierten. Die Arbeitspartei war sicher, die arabischen Stimmen würden die Waagschale zugunsten von Peres zum Neigen bringen. Fast hätten sie dies auch bewirkt. Die Führungsposition Netanyahus mit über 10% Stimmen der jüdischen Wähler vor Peres schmolz durch die Stimmen der Araber auf weniger als ein Prozent zusammen.

Die wachsende politische Macht der Araber in Israel war bereits im vergangenen Jahrzehnt spürbar geworden, in erster Linie jedoch nach den Wahlen von 1992, als die Arbeitspartei als Siegerin hervorging und die linksstehende Regierung Israels bildete. Die fünf arabischen Knessetabgeordneten wurden buchstäblich zu Entscheidungsträgern, auf die sich die Regierung, meist ohne die Mehrheit zu erreichen, sich im Falle eines Vertrauensvotums hätte stützen müssen. Die arabischen Abgeordneten profitierten von ihrer Bedeutung, um die Aussenpolitik des Staates zu beeinflussen. Die Regierung war gezwungen, wichtige politische Entscheidungen zu treffen und dabei das Damoklesschwert der arabischen Abgeordneten ständig über ihrem Kopf zu wissen.

Die israelischen Araber machten eine langwierige Suche nach ihrer eigentlichen Identität durch. Offiziell gelten sie als eine Minderheit arabischer Bürger von Israel. Diese Definition beinhaltet ein Paradoxon: als Araber gehören sie einem Volk an, das sich eigentlich immer noch im Krieg mit Israel befindet. Vor über dreissig Jahren definierte Abd al-Aziz az-Zu'bi, ein bekanntes arabisches Mitglied der linksstehenden zionistischen Partei MAPAM, seine eigenartige Situation folgendermassen: "Mein Volk bekämpft meinen Staat."

Die Schaffung der PLO vor ca. dreissig Jahren und ihre intensive militärische und politische Aktivität unter dem Banner des palästinensischen Nationalismus setzte der Suche nach einer Identität für die meisten israelischen Araber ein Ende. Die neue Generation, welche alle Vorteile einer modernen Erziehung und Ausbildung und die Früchte der Demokratie - Pressefreiheit und Gleichheit vor dem Gesetz - genoss, begann sich als "palästinensisch" zu identifizieren. Dies beinhaltet natürlich die Ablehnung der israelischen Identität und in der Folge die Ablehnung des Staates Israel als jüdischen Staat.

Der Knessetabgeordnete Abd al-Wahhab Darawshe kann als typisches Beispiel für diese Entwicklung bezeichnet werden. Nannte man ihn den Vertreter der "israelischen Araber", empfand er diese Definition als degradierend; als er sich selbst und die Araber Israels für die Zuschauer des palästinensischen Fernsehens definieren musste, sprach er im Namen der "Araber des Inneren" oder der "Araber von 1948". Dabei handelt es sich um kodierte Botschaften: das "Innere" bezeichnet in der arabischen und PLO-Terminologie das Innere des "besetzten Palästinas", d.h. Israel, dem seine Legitimität somit vollständig abgesprochen wird. Es sind viel mehr als bloss Schlagworte, für die Anführer der Araber in Israel verkörpern sie einen Aktionsplan.

Sobald die intellektuelle und politische Führung der gegenwärtigen Generation israelischer Araber das Identitätsproblem gelöst hatte, wurden Forderungen gestellt, welche die Auflösung Israels als jüdischen Staat implizieren. Sie umhüllen ihre Ideen mit scheinbar demokratischen und liberalen Slogans, in denen Israel zum "Staat aller Bürger" gemacht wird. In Wirklichkeit versteckt sich darunter eine raffinierte, wenn auch kaum versteckte Version des PLO-Gedankens, den Staat Israel durch einen "weltlichen und demokratischen" palästinensischen Staat zu ersetzen. Die eigentliche Aussage dieser Idee ist die Aufhebung des "Rückkehrgesetzes", das jeden Juden zur Niederlassung in Israel als seinem Staat und zur sofortigen Erlangung der israelischen Staatsbürgerschaft berechtigt. Ist es einmal soweit, wird das Überleben Israels langfristig unmöglich. Das Einfrieren der jüdischen Immigration zusammen mit der beständigen, natürlichen Zunahme der arabischen Bevölkerung und der arabischen Einwanderung könnte den Arabern rasch zu einer entscheidenden politischen Macht verhelfen, dank der sie das Land auf demokratischem Weg dominieren würden.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich mit den von Dr. Azmi Bishara, heute Knessetabgeordneter, ausgedrückten Ansichten auseinanderzusetzen. Dr. Bishara, Philosophieprofessor am Bir Zeit College, gründete eine neue arabische Partei, die unter anderem eine "kulturelle Autonomie" für die israelischen Araber fordert.

Er wurde ungefähr zwei Wochen vor den Wahlen von der israelischen Zeitung "Ma'ariv" interviewt. Als er über die politische Rolle befragt wurde, welche die israelischen Araber seiner Meinung nach spielen sollten, sagte er: "Sie sollten sich um ihre eigenen Interessen kümmern, wenn sie einen Vorschlag für die allgemeine Natur des Staates Israel machten."

Er führte diese Idee weiter aus, als er zu einem Kommentar zum Status der Araber in Israel und über den (in seinen Augen) günstigsten Charakter des Staates aufgefordert wurde. Er sagte: "Es ist unerlässlich, dass sie (die Araber Israels) als eine nationale Minderheit anerkannt und nicht mehr als Minderheitengruppe bezeichnet werden. Dies gilt in vielen Lebensbereichen: zum Beispiel sollte es ihnen auf dem Gebiet der Ausbildung gestattet sein, den Lehrplan selbst zu bestimmen, oder eine arabische Rundfunkbehörde zu bilden." Dr. Bishara folgt mit anderen Worten der politischen Linie, die in einer ersten Phase Israel mit Hilfe einer arabischen kulturellen Autonomie mit starker politischer Ausrichtung zu einem binationalen Staat machen möchte.

Dr. Bishara ist mit dem Vokabular des westlichen "Liberalismus" bestens vertraut und verwendet es ausführlich, doch er kennt sich auch in der arabisch-islamistischen Propaganda sehr gut aus, welche die Existenz eines jüdischen Nationalstaates abstreitet. Das Judentum ist in seinen Augen nur eine Religion, und dazu meint er: "Es gibt kein einziges liberales Land auf der Welt, das als Staat nur eine Religion verkörpert. Israel muss der Staat aller Bürger sein, die mit ihm durch die Nationalität und nicht durch die Religion verbunden sind."

Dr. Bishara steht an der Spitze einer Partei, die eine nationalistische islamische Allianz vertritt, doch seine Ansichten werden auch von weniger radikalen arabischen Politikern geteilt, wie z.B. von Nawwaf Masalah, einem stellvertretenden Minister der früheren linksstehenden Regierung von Peres und Mitglied der Arbeitspartei.

Auf dieselben Fragen gab er fast identische Antworten: "Heute ist Israels Charakter jüdisch und zionistisch, doch ich kämpfe dafür, dass er universell wird. Ich denke, dass Israel der Staat aller Bürger sein sollte." Diese These entspricht den Ansichten der islamischen Bewegung in Israel und anderswo, nach denen die Juden keine Nation, sondern eine religiöse Gemeinschaft sind, deren Status vom islamischen Gesetz festgelegt wurde: Sie können von Moslems beherrscht werden, dürfen jedoch keinesfalls über sich selbst herrschen. In diesem Sinne ist der jüdische Anspruch auf einen unabhängigen Staat nach islamischem Recht gesetzwidrig.

Die Forderungen der israelischen Araber nach national-kultureller Autonomie rühren von einer Anomalie her, von der Tatsache nämlich, dass zwei offizielle Sprachen - Hebräisch und Arabisch - und zwei unterschiedliche Schulsysteme (in Hebräisch für die Juden, in Arabisch für die Araber) bestehen.

Das Schlagwort "der Staat aller Bürger" könnte gelten, wenn die Staatsangehörigkeit mit dem nationalen Charakter des Staates vollkommen identisch wäre, d.h. wenn die Araber in Israel ebenso Israelis sein könnten wie beispielsweise alle Franzosen Franzosen sind. Dies bedeutet eine offizielle Sprache - Hebräisch - und ein einziges Schulsystem - das hebräische. Dies ist die natürliche Entwicklung jedes Nationalstaates, und wenn Israel dieser Linie der nationalen Politik im Bereich der Ausbildung und der offiziellen Sprache gefolgt wäre, könnte heute kaum ein Araber verlangen, den jüdischen Staat "demokratisch" aufzulösen.

Die israelischen Araber machen ungefähr 20% der Gesamtbevölkerung des Landes aus. Ihre natürliche Wachstumsrate gehört mit über 3% pro Jahr zu den höchsten der Welt. In bestimmten Regionen, wie bei den Beduinen im Negev und dem ländlichen Gebiet der Moslem, erreicht sie fast 4%. Diese Bevölkerung verdoppelt sich alle zwanzig Jahre. Sie zählt auch zu den jüngsten Bevölkerungen der Welt, das Durchschnittsalter liegt bei 15,5 Jahren. Dadurch besitzen sie bei Wahlen ein Gewicht, das weit über ihre tatsächliche Zahl hinausgeht: sie können bis zu 12 Abgeordnete in die Knesset entsenden, d.h. 10% des Parlaments.

Die israelischen Araber leben vor allem in drei Regionen: in Galiläa, im Zentrum des Landes in einem Gebiet namens "das Dreieck", und im Negev. Jede dieser drei Regionen besitzt entscheidende strategische Bedeutung.

Die in Galiläa lebenden Araber setzen sich aus einer Mehrheit von Moslems und einer Minderheit von Christen zusammen. Sie sind politisch sehr aktiv und stellten bis vor kurzem die Führer der kommunistischen Partei, die als echte marxistische Bewegung von Juden und Arabern begann; sie verwandelte sich jedoch rasch in eine nationalistische arabische Partei, die den Kommunismus als praktische Tarnung einsetzte. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion besteht nicht einmal mehr die Notwendigkeit der Tarnung. Bei den jüngsten Wahlen kämpfte die Partei (unter dem Namen Demokratische Front für den Frieden - DFP) mit einer neuen, arabisch-islamischen politischen Allianz und unter Verwendung nationalistischer und antizionistischer Slogans um die Stimmen der Wähler. Marxismus und Leninismus gehören seit langem der Vergangenheit an.

Die neue politische Allianz nahm den Wahlkampf unter dem Namen "Vereinigter arabischer Block" auf. Er bestand aus drei Gruppierungen: der Islamischen Bewegung, der Demokratischen arabischen Partei (DAP) und dem Islamisch-arabischen Block. Zwei der fünf führenden Politiker stammen aus Galiläa. Zum ersten Mal in der Geschichte des Staates Israel enstand eine rein arabische Partei, ohne dass auch nur der Versuch unternommen wurde, die Tatsache zu vertuschen, dass Nichtaraber unerwünscht sind. Der Hauptslogan der Partei lautet: "Araber, unsere Einheit ist geboren !" Die Sprache, der Inhalt und die Symbole der Kampagne ignorieren den Staat vollkommen. Die DAP und die DFP stehen in engem Kontakt mit den palästinensischen Behörden, deren Oberhaupt Arafat die Wahlen aktiv beeinflusste, indem er die israelischen Araber aufforderte für Peres und für eine der beiden arabischen Parteien zu stimmen.

"Das Dreieck" ist ein langer Landstreifen, der sich entlang dem sensibelsten und engsten Teil Israels befindet. Zwischen diesem Landstreifen im Osten und Natanya im Westen beträgt die Entfernung ca. 10 km. Dieses ausschliesslich arabisch besiedelte Gebiet grenzt an die arabischen Dörfer und Städte in Samaria, die heute unter palästinensischer Herrschaft stehen. Die arabische Bevölkerung des "Dreiecks" setzt sich ausschliesslich aus Moslems zusammen. Aus ihr stammen die meisten Anhänger der Islamischen Bewegung in Israel, einer politisch-religiösen Bewegung, die sehr enge Beziehungen zur radikalen HAMAS-Bewegung in den "Gebieten" unterhält. Die beiden vollständig unabhängigen religiösen Akademien liegen in Baqa al-Gharbiyyah und Umm al-Fahm, zwei grösseren Ortschaften dieser Region. Hier werden nicht nur die islamischen Geistlichen ausgebildet, hier entstehen auch starke Gruppierungen islamisch motivierter Studenten. Die Islamische Bewegung verstärkt diesen Einfluss und dehnt ihre Anhängerschaft immer weiter aus, indem sie völlig kostenlos private medizinische Hilfe, private Sozialdienste und Privatschulen anbietet. Es ist nicht genau bekannt, wo die finanziellen Mittel für diese Aktivitäten herstammen. Die Islamische Bewegung schloss sich der Partei von Dr. Bishara an und schuf die weiter oben erwähnte Allianz, der es nun gelang, fünf Abgeordnete in die Knesset zu entsenden.

Im "Dreieck" könnten die Araber leicht zu einem aufrührerischen Element werden. Sie besitzen alle notwendigen Voraussetzungen, um die gesamte Region von Israel abzuschneiden und sie mit dem palästinensischen Gebiet im Osten zu vereinen. Die ersten Anzeichen in diese Richtung machen sich bereits bemerkbar.

Im Negev leben ungefähr 90 000 Beduinen, die allesamt Moslems sind. Ursprünglich waren sie ein Nomadenvolk, doch sie haben einen Prozess der Sesshaftwerdung durchgemacht. Ihre Bevölkerungswachstumsrate mit über 4% pro Jahr ist wahrscheinlich die höchste der Welt. Diese Vermehrung setzte insbesondere nach 1967 ein, als die Beduinen Ehefrauen für ein geringes Mitgift aus Gaza einführen konnten. Vor 1967 waren eine zweite, dritte oder vierte Frau ein Luxus, den sich nur extrem wohlhabende Männer leisten konnten. Durch die Eroberung des Gazastreifens im Sechstagekrieg wurde dieser Luxus fast allen zugänglich. Daraus ergaben sich sofort Familien mit 20-25 Kindern, die heute eine Selbstverständlichkeit darstellen. Da die israelische Sozialhilfe Kindergeld vergibt, leuchtet es ein, dass Kinder zu einer praktischen und angenehmen Einnahmequelle wurden und diese Zulage darüber hinaus einen Anreiz verkörpert.

Die Beduinen haben sich nie mit den Städtern oder Dorfbewohnern identifiziert. Sie hätten problemlos als eigene ethnische Gruppe behandelt werden können, wenn Israel sie sofort in sein allgemeines hebräisches Schulsystem aufgenommen hätte. Sie galten als apolitisch und viele von ihnen wollten in der israelische Armee dienen, einige von ihnen taten es auch. Sie gerieten jedoch in das arabische Erziehungssystem und standen unter dem Einfluss von Lehrern aus dem "Dreieck" und aus Galiläa. Auf diese Weise ist eine ganze Generation politisiert und von der Islamischen Bewegung und den palästinensischen Ideen vereinnahmt worden. Einer von fünf Knessetabgeordneten der DAP ist Beduine, und die Ideologie der Radikalen dringt immer stärker in die Beduinenlager ein.

Das Gebiet, das die Beduinen heute bewohnen, umfasst einen grossen Teil des nördlichen Negev, von den Hängen der Berge von Hebron bis nach Beerschewa im Norden und Arad und Dimona im Süden. Dazu kommt ein 17 km langer Streifen entlang der Hauptstrasse von Beerschewa nach Nizanah an der israelisch-ägyptischen Grenze. Sie besetzten den wichtigsten Teil des Negev, kreisten Beerschewa in einem gewissen Sinne ein und drohen die Entwicklung dieser Stadt langfristig zu ersticken. In der Zukunft könnten überdies die Hauptverkehrsadern des Negev von ihnen kontrolliert werden.

In den vergangenen zwanzig Jahren haben die israelischen Araber zwei grundlegende Probleme gelöst: Ihre Identität und die Haltung des Staates Israel ihnen gegenüber.

In bezug auf ihre Identität definieren sie sich als Palästinenser und merken, dass sie ihre Sache auf Kosten Israels aktiv unterstützen können. Und was ihre Beziehungen zu Israel angeht, haben sie ihrer Meinung nach genügend politische Macht und zahlenmässige Überlegenheit erworben, um das Land mit der Zeit von innen heraus zu verändern. Ihr grösstes Problem ist das in Israel geltende Rückkehrgesetz, das allen Juden die freie Einreise nach Israel ermöglicht. Sie möchten dieses Gesetz, das sie als undemokratisch bezeichnen, abschaffen, die Immigration von Juden nach Israel stoppen oder das Gesetz auch auf die unbeschränkte Einwanderung von Arabern ausdehnen. Ihre Absichten sind eindeutig. Sie möchten, egal auf welchem Weg, eine arabische Mehrheit herbeiführen, das Land auf "demokratischem" Weg in ihre Gewalt bringen und dem zionistischen Traum elegant ein Ende bereiten.

Dieser Gedankengang könnte als Illusion des Mittleren Ostens belächelt werden, wenn sich nicht auch einige Israelis für diese Ideen begeisterten, die auf den ersten Blick so demokratisch, liberal und humanistisch wirken, und der Meinung wären, der jüdische Charakter Israels sei in unserer modernen, verweltlichten und nichtnationalistischen Zeit veraltet und überholt.

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