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Inhaltsangabe Interview Dezember 1994 - Chanukkah 5754

Editorial - Dezember 1994
    • Editorial

Chanukkah 5755
    • Mit seiner Zeit leben

Politik
    • Zusammenschluss der Schwachen

Interview
    • Die Diaspora sollte aufmerken
    • Offenheit und strikte observanz

Jerusalem - Judäa - Samaria - gaza
    •  Wird Jerusalem die jüdische Souveränität entzogen ?

Erinnerung
    • Liberation

Kunst und Kultur
    • Gerettete Schätze
    • Eugene Zak (1884-1926)

Wirtschaft
    • Israel - Welches Wirtschaftswachstum ?

Israel - Japan
    • Was kauft der japanische Konsument ?

Israel - China
    • Israel in Schanghai

Erziehung
    • Deplazierter 'Kulturkampf'

Reportage
    • Israel in Goma
    • Ein streng koscheres Retortenbaby

Analyse
    • Das Verhältnis der Juden Südafrikas zum ANC

Ethik und Judentum
    • Wem gehört das Kind ? Welches ist seine Religion ?

Shalom tsedaka
    • Eine unnÖtige qual

Ein Name; eine Strasse; wer ist es ?
    • Saul Tschernikowsky (1875-1943)

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Die Diaspora sollte aufmerken

Von Roland S. Süssmann
Fünfzehn Monate nach der Unterzeichnung der Abkommen von Oslo sieht die Lage in Israel selbst und in den autonomen Zonen besorgniserregender aus denn je. Zur genaueren Analyse der jüngsten Entwicklungen haben wir einen Mann befragt, dessen Realitätssinn sowie seine gründlichen Kenntnisse Israels und des Mittleren Ostens in der ganzen Welt anerkannt sind: General ARIEL SHARON, Knessetabgeordneter des Likud, ist eine historische Persönlichkeit, deren bemerkenswerte Leistungen den jüdischen Staat während des Jom-Kippur-Kriegs von 1973 vor Unheil bei diesem arabischen Angriff bewahrten.


Wie beurteilen Sie die allgemeine politische, militärische und diplomatische Situation Israels zum heutigen Zeitpunkt ?

Wir befinden uns gegenwärtig in einer äusserst gefährlichen Lage, wahrscheinlich der heikelsten, mit der wir jemals konfrontiert wurden. Sämtliche Vermutungen und Erklärungen, alle Versprechungen, die unser Premierminister vorgebracht hat, um die Unterstützung der Bevölkerung für seine Abkommen mit Arafat - niemand anderem als einem Kriegsverbrecher - zu erlangen, haben sich als vollkommen falsch herausgestellt. Arafat besitzt, wie ich schon immer vorausgesehen hatte, nicht die geringste Absicht, sich an die Abkommen zu halten und trägt sich keinesfalls mit dem Gedanken, den Terrorismus in den Gebieten zu kontrollieren, für die er gegenwärtig die Verantwortung besitzt, da er niemals gegen andere Terroristenorganisationen vorgehen würde. Israel hat mit einer einzigen der fünfzehn bestehenden palästinensischen Terrororganisationen eine Vereinbarung unterzeichnet, während sie untereinander diverse gegenseitige Kooperationsabkommen abgeschlossen haben. Arafat scheint sich dafür auszusprechen, dass in den von ihm kontrollierten Zonen Ruhe herrscht, doch gleichzeitig unternimmt er alles, um den Terrorismus in Jerusalem, innerhalb der Grenzen vor 1967 und in den Regionen zu fördern, die ihm noch nicht unterstellt sind. Es ist eine Tatsache, dass Arafat noch überhaupt nichts unternommen hat, obwohl Israel der PLO Namen und Adresse von Attentätern und Aufrührern mitgeteilt hat. Man kann dies als eine verlogene, gemeinsame Unternehmung zwischen Israel und der Arafat'schen Terrororganisation Fatah bezeichnen: Israel stellt keine Forderungen, verlangt nicht einmal die Auslieferung der Terroristen, die erwiesenermassen gemordet haben. Parallel dazu erklärt die Regierung Rabin, der Terrorismus sei im Rückgang begriffen, was einer glatten Lüge entspricht. In Wirklichkeit wurden seit der Bekanntgabe der Abkommen von Oslo mehr als 90 Juden umgebracht, über die Hälfte innerhalb der Grenzlinien vor 1967. Im Vorjahr waren "nur" 32 Morde im Zusammenhang mit Terroranschlägen gezählt worden, 18 während des ganzen ersten Jahres der Intifada. Diese Zahlen sind aussagekräftig genug, um die wirklichen Ereignisse zu belegen. Die von der Regierung verbreitete Idee, dass eine "politische Lösung" existiere, erweist sich als ebenso falsch wie alle anderen Aspekte der Abkommen. Die PLO hat schon viel mehr erhalten, als sie zu hoffen wagte, und heute hat sie sich nicht nur verändert, sondern ist noch gefährlicher geworden. Während Israel von Autonomie, von Verwaltungsausschüssen usw. spricht, plant die PLO ganz offen die Wahl eines Parlaments ! Der Premierminister erklärte, die PLO müsse daran gehindert werden, von Jerusalem aus wie die Regierung eines palästinensischen Staates zu wirken. Seit dieser Erklärung hat die PLO zahlreiche Büros eröffnet und empfängt in ihnen regelmässig den offiziellen Besuch von Diplomaten. Die PLO tätigt in aller Offenheit ihre Regierungsgeschäfte von Jerusalem aus ! Daran können wir beim besten Willen nichts Positives entdecken.


Was schlagen Sie zur Begrenzung des Schadens vor ?

Die Regierung sollte darauf bestehen, dass die Palästinenser sich an die Abmachungen halten, und auch entsprechend reagieren, falls dies nicht der Fall ist. Ich persönlich bin entschieden gegen all diese Abkommen, doch wir leben schliesslich in einer Demokratie. Israel sollte beispielsweise eine gewisse Entwicklung mit folgendem Einwand bremsen: "Dieses Abkommen wurde in verschiedene Etappen eingeteilt. Ihr habt euch nicht einmal an die erste gehalten, daher werden wir die Verhandlungen nicht weiterführen, solange ihr euren Teil des Vertrags nicht erfüllt habt." Die Regierung wird meiner Ansicht nach bestimmt nicht so handeln. Mit der Unterzeichnung der Abkommen hat Israel auf sein Recht verzichtet, Präventivmassnahmen gegen den Terrorismus zu ergreifen. Vergessen wir nicht, dass vor diesen Abkommen 90% der Terroristen verhaftet oder eliminiert wurden, bevor sie ihre Verbrechen durchführen konnten. Wenn die Palästinenser nichts unternehmen, um dem Terrorismus Einhalt zu gebieten, werden wir uns gezwungen sehen, einzugreifen und uns erneut in Gaza niederzulassen, was uns sehr zuwider wäre. Israel muss den Palästinensern gegenüber sein Recht auf Verfolgung der Terroristen durchsetzen. Heute sind unsere Streitkräfte nicht mehr berechtigt, in die autonome Zone einzudringen, obwohl wir den Aufenthaltsort der Terroristen genau kennen. Dies ist ein Teil unserer Schwäche geworden, die uns von innen her zerstört.


Denken Sie, dass unsere heutige Situation in gewisser Weise unwiderruflich ist und die von der PLO gegen Juden verübten Verbrechen ungesühnt bleiben werden ?

Meiner Ansicht nach ist es nicht notwendig, Gaza aus Prinzip erneut zu besetzen. Wenn die Palästinenser dort ihre eigenen Schulen und Angelegenheiten selbständig verwalten wollen, sollen sie dies ruhig versuchen. Ganz anders steht es jedoch in bezug auf Fragen der Sicherheit und vor allem der Verfolgung von Terroristen. Im vergangenen September haben wir erfahren, dass zwei von Israel wegen Mord an einer Zivilperson verfolgte Terroristen sich frei, mit umgehängter Waffe in Gaza bewegten. Ich kann Ihnen versichern, dass die Palästinenser uns die gesuchten Attentäter sofort ausliefern würden, wenn wir von unserem Recht auf Prävention und Verfolgung Gebrauch machten. Das grosse Problem besteht darin, dass Israel keinen Druck auf die Palästinenser ausübt, sie werden von uns viel zu nachsichtig behandelt. Nur die Israelis quälen sich mit diesen Fragen und Dilemmas. Natürlich sind die Juden als Einzelpersonen hervorragende Akademiker, Musiker, Industrielle, Geschäftsleute usw. Doch als Volk gibt es keinen Nationalstolz. Dies können wir täglich erneut feststellen; das schwerwiegendste Problem, mit dem sich unsere Regierung im September herumschlug, war die Frage, ob Peres oder vielleicht doch Rabin zusammen mit Arafat am Konzert von Oslo erscheinen würden ! Ist dies nicht unglaublich ?


Wie steht es um das Friedensabkommen mit Jordanien ?

Ich habe seit jeher Verhandlungen mit Jordanien gefordert, diesem bereits existierenden palästinensischen Staat. Vielleicht möchte Israel aber mit zwei palästinensischen Staaten konfrontiert werden ? Israel hat natürlich unnütze Zugeständnisse gemacht, von denen das schlimmste wohl diejenige betreffend der Tempelberg darstellt. Dieser Gedanke, dass die Araber historische Rechte besitzen sollen, - die denjenigen der Juden mehr oder weniger entsprechen -, ist völlig fehl am Platz und geschichtlich absolut unbegründet. Wenn beispielsweise die Mohammedaner in der Al Aksa-Moschee beten, die 80 Jahre nach dem Tod Mohammeds am Standort einer byzantinischen Kirche errichtet wurde, wenden sie ihr Gesicht nach Mekka und drehen dem angeblich so heiligen Berg den Rücken zu ! Die Juden hingegen wenden sich überall in der Welt zum Tempelberg hin. Es ist ein schwerwiegender Irrtum, Jordanien an der Kontrolle des Tempelberg zu beteiligen, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass andere arabische Politiker auch ein Wörtchen mitreden möchten; dies trifft z.B. auf die Könige von Marokko und Saudiarabien zu sowie natürlich auf Arafat. Letztlich haben sich auch die Russen gemeldet, um ebenfalls über den Tempelberg entscheiden zu können. Die einzigen, die ausgeschlossen werden und nichts zu sagen haben, sind einmal mehr die Juden.


Was geschieht nun im Hinblick auf die Wasserversorgung ?

Für die breite Öffentlichkeit ist die Wasserfrage sehr abstrakt und wird erst dann fassbar, wenn jemand einen Wasserhahn aufdreht. In Wirklichkeit handelt es sich um ein sehr gravierendes Problem, denn wenn Israel die Wassernachfrage aller benachbarten arabischen Länder befriedigen sollte, müsste es fast eine Milliarde und zweihunderttausend Kubikmeter Wasser liefern. Zu Beginn der Verhandlungen nahm Israel eine sehr klar umrissene Haltung ein: es kommt nicht in Frage, die bestehenden Wasserquellen zu teilen, doch Israel verpflichtet sich, der Region mehr Wasser zur Verfügung zu stellen. Diese Position wurde von der gegenwärtigen Regierung mit dem einzigen Ziel aufgegeben, Akaba einen kleinen Besuch abzustatten. Heute geht es nur noch darum, wie das Wasser dieser Region aufgeteilt werden soll. Dies hat König Hussein verlangt und erhalten. Er macht sein Anrecht auf einen Teil der existierenden Wasserquellen geltend, und die Frage nach der Wasserversorgung und -produktion in dieser Region wurde auf eine hypothetische zweite Verhandlungsphase verschoben. Erinnern wir daran, dass der Premierminister anlässlich seines Besuchs in Akaba dem König als bescheidenes Gastgeschenk vier Millionen m3 Wasser bot; damit könnte der Wasserbedarf von 4 Moschavim (landwirtschaftliche Gemeinschaften) während eines Jahres gedeckt werden ! Dieser Preis musste für das Recht bezahlt werden, sich nach Akaba zu begeben... Dieses Vorgehen ist übrigens alles andere als neu. Um nach Alexandrien in Ägypten reisen zu können, hatte Shimon Peres sogar Tabba abgetreten. Ägypten hatte daraufhin Israel versprochen, ihm in der Frage der verschollenen Soldaten beizustehen, wobei dieses Versprechen nie gehalten wurde. Für diese Soldaten hat Israel übrigens mehrmals in verschiedener Form bezahlt, doch Ägypten hat nie das Geringste zur Lösung des Problems unternommen. Die Ägypter waren sich durchaus bewusst, dass sie mit dieser Karte einen phantastischen Trumpf in der Hand hielten. Eine Vereinbarung mit Jordanien ist demnach von höchstem Interesse, falls der geforderte Preis nicht diesen Zugeständnissen entspricht.


Wie sehen Sie die Zukunft ?

Wenn Israel nicht rasch die notwendigen Schritte unternimmt, um respektiert zu werden, ist das Weiterbestehen des Staates ernsthaft gefährdet. Wirtschaftlich und militärisch ist Israel viel stärker als in der Vergangenheit, doch die Juden sind schwächer geworden. Die jüdische Regierung und die führenden Politiker sind so unsicher wie noch nie. Die Juden der Diaspora sollten sich viel eingehender mit den gegenwärtigen Ereignissen befassen, denn alle Entwicklungen in Israel werden sich früher oder später auf die Juden der ganzen Welt auswirken. Nur ein kleiner Kern kämpft weiterhin um Israel, es sind die jüdischen Einwohner von Judäa, Samaria und Gaza. Schon immer und in jeder Generation war sich nur eine geringe Zahl von Pionieren der tatsächlichen Situation bewusst und handelte dementsprechend. Während des Unabhängigkeitskriegs beispielsweise wurde der eigentliche Kampf nur von einigen wenigen Juden geführt. Die alliierten Streitkräfte umfassten 250'000 jüdische Soldaten, die alle kampferprobt und gut trainiert waren, sowie einige tausend Offiziere, doch nur eine Handvoll von ihnen, kaum 200 Menschen, haben den Kampf hier, in Israel selbst, an der Seite des jüdischen Staates aufgenommen, der damals zum Zeitpunkt seiner Entstehung von den benachbarten arabischen Nationen überfallen wurde. Ich werde noch weitergehen. Wieviele setzten sich hier in Israel wirklich ein ? Nur eine winzige Minderheit leitete und führte die Kämpfe. Wer waren die Erbauer von Petach Tikwah ? Ein Grüppchen orthodoxer Juden, die Fellhüte trugen und vom Pioniergeist beseelt die Mauern der Altstadt Jerusalems verliessen, um auch anderswo den Grundstein für eine jüdische Präsenz zu legen. Erst sehr viel später taten es ihnen mehrere nationale Bewegungen gleich, wie z.B. Haschomer Hatzair, Palmach oder auch Hagana. Jede Generation verfügte über ihre Handvoll Pioniere und Führerpersönlichkeiten. In den vergangenen zwanzig Jahren waren es in Israel die jüdischen Bewohner von Judäa, Samaria und Gaza. Denken wir immer daran, dass nur Menschen, die Opferbereitschaft besitzen, wirklich die Führung übernehmen können.
Mit seinen 5,5 Millionen Einwohnern, darunter 4,5 Millionen Juden, stehen Israel alle Möglichkeiten offen. Dazu kommen ca. 1,5 Millionen in der GUS lebende Juden, die sich wahrscheinlich in naher oder ferner Zukunft hier niederlassen werden, obwohl die Förderung der Alija keine Priorität der jetzigen Regierung darstellt. Ein Staat, der letztendlich sechs oder sieben Millionen Juden zu seinen Bürgern zählt, besitzt eine ganz andere Stärke als das Land heute; meiner Ansicht nach verfügen wir über ein gewaltiges Entwicklungspotential. Andererseits bedroht uns diese lähmende Schwäche und gleichzeitg die schreckliche Frage, welche Tendenz schliesslich dominieren wird: der Nihilismus oder das zutiefst jüdische Wesen des Staates. Zur Zeit strotzt die israelische Presse nur so vor aggressiven Artikeln, welche zur Bekämpfung der eigentlichen jüdischen Quintessenz des Landes aufrufen. Bis zum schändlichen Handschlag von Washington wurden immer wieder heimliche Stimmen zugunsten der Entjudaisierung des Staates hörbar. Seit diesem düsteren Tag haben sich diejenigen, die mit Hilfe der Assimilierung und der gemischten Ehen mit Arabern zu einer "normalen" Nation werden wollen, durch immer grössere Aktivität ausgezeichnet und melden sich in aller Öffentlichkeit zu Wort. Diese Leute wollen ganz einfach keine Juden mehr sein, da sie auf ihr Judentum nicht stolz sind, und genau da liegt der von mir angesprochene schwache Punkt der Juden. Die Vertreter dieser Haltung gehen davon aus, dass wir heute in einer Zeit des Post-Zionismus leben; da die USA als Vorbild gelten, sollte Israel immer stärker amerikanisiert werden. Selbst in der Annahme, diese Idee könnte vertretbar sein, dürften ihre Befürworter sich nicht damit begnügen, die darin enthaltene moralische Lockerheit und die neuen Möglichkeiten nachzuahmen, sondern müssten auch die Haltung der Amerikaner im Hinblick auf ihren Nationalstolz, ihre Flagge, ihre Nationalhymne übernehmen, ganz zu schweigen von der Umsicht, mit der sie sich um Fragen der Staatssicherheit bemühen. Die Amerikaner hätten den Gedanken eines Rückzugs von den Golanhöhen als Gegenleistung zu einigen vagen Versprechungen Assads nie akzeptiert. Dick Cheney, der damalige Verteidigungsminister, sagte: "Die Worte und Absichten des Feindes sind unwichtig, was zählt ist sein Angriffspotential."

Wie sehen Sie als Stratege und ehemaliger Verteidigungsminister die Rolle der Armee im gegenwärtigen Prozess ?

Die israelische Regierung hat durch ihr Verhalten den möglichen Ausbruch eines Kriegs beschworen, den alle vermeiden wollten. Zur besseren Veranschaulichung meiner Worte möchte ich Ihnen von einem Ereignis berichten, dessen Zeuge ich einige Tage vor Rosch Haschana in Gaza wurde. Einen Tag nach der Ermordung eines Soldaten in der Nähe von Morag beschloss die Armee, am Ort des Anschlags eine Barrikade als Kontrollstelle zu errichten. Gemäss dem Abkommen von Kairo steht dieser Ort ganz unter der Befehlsgewalt der israelischen Armee. Einige Minuten nach Errichtung der Sperre traf die palästinensische Polizei mit einem Bulldozer dort ein, stiess die Barrikade neben die Strasse und hielt währenddessen die israelischen Soldaten mit Gewehren in Schach. Letztere hatten die Anordnung erhalten, "jede Provokation zu vermeiden". Da diese Sperre von grosser Wichtigkeit war, begab sich ein hoher israelischer Offizier vor Ort, nahm die Situation in Augenschein und ordnete den Wiederaufbau der Sperre an. Sofort war ein arabischer Wagen zur Stelle und blockierte die Strasse, gefolgt von der palästinensischen Polizei und einigen hundert Palästinensern, die eine Demonstration abhielten. Nach diesem Vorfall gab Israel auf und die israelischen Soldaten brachen die Strassensperre wieder ab ! Da es sich aber um eine heikle Stelle handelte, entschied die Armee, eine Schwelle in die Strasse einzubauen, um die Autos zum Verlangsamen zu zwingen und so im Falle eines Angriffs eingreifen zu können. Kurze Zeit später war die palästinensische Polizei mit Presslufthämmern am Werk und zerstörte das Hindernis... vor den Augen der israelischen Soldaten, die Anweisung hatten, auf keinen Fall einzugreifen ! Dazu erübrigt sich jeder Kommentar.


Wie analysieren sie ein derartiges Verhalten ?

Ein grundlegendes Problem besteht darin, dass hochgestellte Armeeangehörige Politik betreiben. Sie tragen aktiv dazu bei, fälschlicherweise den Glauben zu erwecken, es stehe alles zum Besten, und somit die Öffentlichkeit in falschen Hoffnungen zu wiegen. Einem israelischen Soldaten glaubt das Volk alles, was er sagt. Die obersten Befehlshaber nützen die Glaubwürdigkeit der Armee zu persönlichen Zwecken aus, um befördert zu werden oder sich eine politische Karriere aufzubauen. Diese Entwicklung ist äusserst gefährlich. Vergessen wir nicht, dass die Armee bereits zu Ben Gurions Zeiten stark politisiert war und es praktisch unmöglich war, den Rang eines Obersten zu erlangen, ohne Mitglied der Arbeitspartei zu sein. Doch selbst damals hätte es sich ein Offizier niemals erlaubt, das nur zu denken, was die Armeeangehörigen heute in aller Öffentlichkeit verkünden: er wäre sofort aus der Armee ausgeschlossen worden. Natürlich handeln nicht alle ranghöheren Offiziere so, doch es sind deren genug. Sie helfen der Regierung bei der Überwindung des Widerstands, den die israelische Öffentlichkeit ihr entgegensetzt, wenn sie die jüngsten Entwicklungen mit Besorgnis betrachtet. Man muss sich bewusst sein, dass dieses Vorgehen ausgesprochen subversiv ist, ganz zu schweigen von der Art und Weise, wie diese Haltung gehandhabt wird. Noch vor kurzem gaben dieselben höheren Offiziere öffentlich die Erklärung ab, dem Terrorismus im Südlibanon sei nicht beizukommen, wenn Israel keine konkrete politische Lösung mit Syrien aushandeln könne, d.h. mit anderen Worten den vollständigen Rückzug aus dem Golan anbietet. Diese Erklärung bedeutet im Klartext, dass das Problem von den Müttern und Vätern gelöst werden soll, deren Söhne zur Zeit im Norden Israels ihren Militärdienst leisten. Sie werden mit grenzenlosem Zynismus gefragt, ob sie lieber das Leben ihrer Söhne im Libanon gefährden oder die Abtretung des Golans unterstützen wollen. Dies verkünden heute nicht mehr nur hohe Offiziere, sogar einfache Leutnants erlauben es sich, in diesem Sinne zu sprechen und zu handeln. Dieses Versagen und diese Schwächen heissen nun aber bei weitem nicht, dass die Arbeitspartei im Unrecht ist und alle andern im Recht. Weit gefehlt !


Wie sehr muss sich die Lage noch verschlechtern, bevor die israelische Bevölkerung endlich reagiert ?

Der Zionismus hat zu einer ausserordentlichen Revolution geführt, wahrscheinlich der einzigen, die im vergangenen Jahrhundert ihre Ziele tatsächlich erreicht hat, vor allem im Vergleich zu allen anderen Revolutionen dieses Zeitabschnitts. In einem Bereich hat er jedoch versagt: die authentischen Wurzeln der jüdischen Nation im Land Israel zu verankern. Die Juden haben sich in grossem Ausmass vom Judentum abgewendet. Sie sind mit der jüdischen Geschichte, der Landeskunde, der Geschichte Israels, der Bibel und dem gesamten intellektuellen Kulturgut der Juden nicht mehr vertraut. Durch ihr Unwissen können sie auf ihr Judentum und auf ihr Volk nicht mehr stolz sein. Die Generation meiner Eltern hat eine sehr intensive jüdische Erziehung erhalten, meine Generation kann sich wenigstens damit entschuldigen, die grossen Kämpfe mitgemacht zu haben - und diese gar als Ausflucht benützen. Wieviel wussten wir über das Judentum ? Um die heutige Generation steht es noch schlechter, denn sie hat sich sehr weit vom Judentum und vom Zionismus entfernt. Die Juden empfinden nicht mehr das Recht, das sie auf dieses Land und folglich auf diesen Staat geltend machen können. Unter diesen Umständen kann man eine starke oder sofortige Reaktion gar nicht erwarten. Das Problem der Ausbildung könnte innerhalb einer Generation gelöst werden, doch leider drängt heute die Zeit.


Glauben Sie angesichts aller Gefahren, die Sie erwähnt haben, dass Israel auf einen Krieg zugeht ?

Sollten die Schwächen und die daraus entstehenden Zugeständnisse weiter anhalten, wird sich diese Möglichkeit leider nicht ausschliessen lassen.


Auf welcher Seite werden die israelischen Araber stehen ?

Dies hängt davon ab, wer erfolgreich sein wird. Als während des Golfkriegs Scud-Raketen auf Tel Aviv abgeschossen wurden, tanzten sie auf den Dächern. Ich bin jedoch überzeugt, dass Israel gewinnen wird, denn wir sind ein starkes Land.


Woher kommt also diese Hoffnung ?

Die Hoffnung wird durch die Juden erzeugt, die in Judäa, Samaria und im Gazastreifen leben und die an der Front stehen. Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass "nur die Juden ein Anrecht auf dieses Land besitzen" , wie meine Eltern immer sagten, was natürlich nicht ausschliesst, dass auch die anderen Bewohner politische Rechte erhalten. Heute ist es sehr wichtig, die Gefahren rechtzeitig zu erkennen, sie auszusprechen und die Bevölkerung darauf aufmerksam zu machen. In Wirklichkeit liegt alles noch in unserer Hand. Natürlich stehen wir vor komplizierten Problemen und leben in einer sehr bewegten Zeit. Doch wir haben keinen Grund zu verzweifeln, auch wenn der jüdische Staat meiner Ansicht nach die schwierigste Periode seit seiner Entstehung durchmacht.

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