Editorial - März 1994
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Jüdische Feiertage
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• Die Folgen eines Massakers
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Israel - Vatikan
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Biographie
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Ethik und Judentum
• Statistik und Wahrscheinlichkeit
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Die Folgen eines Massakers
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Von Emmanuel Halperin, unserem Korrespondenten in Jerusalem
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Wir werden nie erfahren, weshalb Baruch Goldstein seine Tat begangen hat. Handlung eines Verrückten ? Irrsinniger Wunsch eines Erleuchteten, der sich für Samson hält und die Säulen des Tempels zum Einsturz bringen möchte ? Reiflich durchdachter Plan eines jüdischen Kamikaze, der zu allem entschlossen ist, um die Friedensverhandlungen zu unterbrechen, um das zu verhindern, was in seinen Augen ein Verbrechen gegen die Geschichte, gegen den Willen G'ttes darstellt, nämlich den Verzicht auf einen Teil des israelischen Bodens zugunsten der Feinde des jüdischen Volkes ?
Wir werden es nie verstehen. Heute wird uns nur bewusst, dass der Mörder zwar den Friedensprozess unterbinden wollte, dass aber das vergossene Blut nicht zu diesem Ziel führen wird, nicht führen konnte und nur das Gegenteil bewirken würde.
Itzhak Rabin und Yasser Arafat können nicht mehr zurück. Der israelische Premierminister kann seinen Handschlag in Washington nicht mehr rückgängig machen, selbst wenn er mit seinem Wissen und Gewissen davon überzeugt ist, dass die Abkommen von Oslo und Kairo für Israel gefährlich sind; sein Handschlag bindet ihn, bindet seine Regierung und ist von nun an ihre wichtigste Daseinsberechtigung. Georges Brassens sprach von der Wette Pascals und sang: "Faites semblant de croire et vous croirez" (Gebt vor zu glauben und ihr werdet glauben). "Selbst wenn ihr nicht daran glaubt, gebt vor, an ihn zu glauben", an den sogenannten Friedensprozess; diesen Gassenhauer wiederholt Rabin im Glauben an seine Notwendigkeit immer wieder. Nach dem Massaker von Hebron wird er sich noch ein wenig entschlossener an die mit der PLO unterzeichneten Abkommen klammern. Aus psychologischer Sicht scheint dies einleuchtend, aus politischer Sicht ist es seiner Meinung nach notwendig.
Arafat vertritt fast denselben Standpunkt. Natürlich gibt er seinen ersten Reaktionen nach: der Chef der PLO kann nicht anders und muss die israelische Armee, die israelische Regierung verurteilen, für die Ereignisse am Grab des Patriarchen direkt verantwortlich zu sein. Er ist sich bewusst, dass die Mehrheit seiner Organisation nicht mehr hinter ihm steht, ein wenig wie Rabin, dessen Koalition nur dank der Unterstützung einiger arabischer Abgeordneten überlebt. Ausserdem handelt es sich hierbei doch um eine günstige Gelegenheit, von den Israelis Konzessionen zu erhalten, die bis anhin unerreichbar schienen. Die PLO ziert sich nicht: die jüdischen Siedlungen in Judäa-Samaria und Gaza sind "Hindernisse für den Frieden" und müssen geräumt, ihre Einwohner zunächst entwaffnet werden; alle Terroristen sollen die Freiheit erhalten, eine internationale Streitmacht muss eingreifen...
Trotz des Schocks, trotz der Schande leistet die israelische Regierung diesem Schwall von Forderungen Widerstand, denn sie sagen sehr viel über die eigentlichen Ziele der palästinensischen Organisation aus. Die öffentliche Meinung im In- und Ausland wird jedoch eingreifen wollen, die ausländischen Regierungen ebenfalls. In aller Eile werden tausend Gefangene freigelassen, was von der PLO mit Verachtung zur Kenntnis genommen wird, da die Mörder, die Juden umgebracht haben, im Gefängnis bleiben. Vorläufig. Man gibt zu verstehen, dass man sich mit einer "internationalen Präsenz" in Gaza und Jericho einverstanden erklären könnte, da in den Abkommen von Oslo auf diese Möglichkeit hingewiesen wird. Selbstverständlich kämen nur unbewaffnete "Beobachter" in Frage. Vorläufig. Wird nämlich eine Intervention ausländischer Streitkräfte in den Gebieten akzeptiert, brächte man damit den Stein ins Rollen, der zum Eingreifen der UNO führt.
Am schlimmsten steht es natürlich um die jüdischen Siedlungen. Ihr Status soll in der letzten Verhandlungsetappe untersucht werden, d.h. drei Jahre nach dem Inkrafttreten der palästinensischen Autonomie. Immer mehr Stimmen erheben sich jedoch in der Opposition und in der herrschenden politischen Klasse Israels, die einen "grossen Sprung nach vorn" fordern; dabei soll jede jüdische Präsenz in den Gebieten ganz einfach und möglichst rasch aufgehoben werden. Die 130'000 Juden in Judäa, Samaria und Gaza werden immer öfter als Belastung dargestellt, und da Goldstein in Kyriat Arba lebte, werden alle jüdischen Bewohner der Städte und Dörfer dieser Regionen mehr oder weniger mit dem Mörder auf dieselbe Stufe gestellt. Natürlich hütet man sich davor, sie als Schuldige und unmittelbar Verantwortliche zu bezeichnen, doch allmählich fasst der Gedanke Fuss, dass durch das Zusammenleben von Juden und Arabern am selben Ort und durch ihre physische Nachbarschaft die Gefahr von Ausschreitungen, Gewalt und Katastrophe entsteht. Der Beweis. Die Verantwortlichen der jüdischen Besiedlung der Gebiete können das Massaker noch so sehr verurteilen, ihre Stellung wird dennoch unhaltbar. Schon verlangen einige Minister die Umsiedlung, mit anderen Worten die Ausweisung mehrerer Dutzend jüdischer Familien, die mitten in Hebron in einem ehemals jüdischen Quartier leben, das nach den Massakern von 1929 evakuiert worden war. Eine derartige Entscheidung besässe symbolische und psychologische Auswirkungen sehr schwerwiegenden Ausmasses. Wenn nämlich Juden und Araber in Hebron nicht nebeneinander leben können, welchen Sinn besitzt dann noch der Friedensprozess ? Welche "Versöhnung" wird dann angesprochen ? Wieso sollte das in Hebron "Unmögliche" in Städten wie Haifa oder Jaffa "erträglich" oder gar "natürlich" sein ?
Der Fall Jaffa ist beispielhaft. Die Araber dieser Stadt, die heute zu Tel Aviv gehört, haben am Tag nach dem Massaker in Hebron gewalttätig demonstriert und griffen Passanten und Geschäfte in einer Hauptverkehrsader an. Wird die Intifada ausufern und die arabischen Bürger Israels mit sich reissen ? Auch in Galiläa, ja sogar in Beduinendörfern im Negev, kam es zu ähnlichen Vorkommnissen mit Steinwürfen und palästinensischen Fahnen. Dies bestätigt auf seltsame Weise den Slogan, den der Jüdische Rat der Gebiete für die Bewohner der Küstenebene ausgegeben hatte: "Judäa-Samaria und Gaza finden auch hier statt". Dieses Schlagwort besagt zunächst, dass die Sicherheitsprobleme der Einwohner von Tel Aviv untrennbar mit denjenigen der Leute in Ariel oder Kedumim verbunden sind. Der Slogan findet aber auch auf die israelischen Araber Anwendung - oder droht morgen einer Wirklichkeit zu entsprechen -, da sie palästinensische Araber sind; sie sind sehr zahlreich (bald eine Million), und ihr Kampf hat vielleicht gerade erst begonnen. Die Tat des Mörders aus Hebron hat hier vielleicht eine Realität aufgedeckt. Nun ist es im Nahen Osten, für den man in naher Zukunft den Frieden voraussah, so weit gekommen, dass die Vereinigten Staaten ihren Bürgern empfehlen, einen Aufenthalt in diesen "gefährlichen Regionen" wie Nazareth und Jaffa zu vermeiden. Das hat es noch nie gegeben. Die israelische Regierung wird so stark unter Druck gesetzt, dass sie ihm wohl kaum wird standhalten können; die Einwanderung aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wird durch diese Ereignisse bestimmt beeinträchtigt werden, denn das Fernsehen in Moskau zeigt Bilder vom brennenden Jaffa; eine Untersuchungskommission, die Rabin zunächst ablehnte, dann aber akzeptieren musste, wird vielleicht zum Schluss kommen, die Regierung hätte die Möglichkeit, dass ein Extremist diese verrückte Tat durchführt, "voraussehen" oder "miteinbeziehen sollen". Rabin steckt also bis zum Hals in Schwierigkeiten. Aus diesem Schlamassel wird er sich nicht so rasch befreien, und weder sein linksradikaler Flügel, noch Yasser Arafat oder Präsident Clinton werden ihm dabei helfen können. Es wird ihm nichts weiter übrigbleiben, als die unheilvollen Abkommen von Oslo und Kairo so gut es geht zur Anwendung zu bringen und dabei den Schaden nach Möglichkeit zu begrenzen, oder wenigstens daran zu glauben.
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