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Inhaltsangabe Interview Herbst 2008 - Tischri 5769

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Schutz und Abschreckung

Von Roland S. Süssmann
Israel befindet sich in einer Phase der sehr instabilen Innenpolitik, vieles ist ungewiss und die Zukunft scheint, wie so oft, verbaut. Gleichzeitig stellt man sich gegenwärtig die besorgte Frage, ob der Iran die Atombombe besitzt und in welchem Ausmass das Land diese Waffe gegen Israel einzusetzen in der Lage wäre. Doch obwohl man dies annehmen könnte, beschäftigt sich die israelische Armee nicht ausschliesslich mit dieser Gefahr, denn sie muss vor Ort mit vielen anderen Problemen fertig werden. Eine der grössten Bedrohungen ist beispielsweise die jüngst erfolgte massive Aufrüstung des Hisbollah an der Nordgrenze Israels. Um die Tragweite dieser Gefahren und vor allem das Vorgehen Israels bei der entsprechenden Vorbereitung der Bevölkerung besser kennen zu lernen, haben wir mit Generalfeldmarschall YAIR GOLAN gesprochen, dem Befehlshaber an der inneren Front, dessen Tätigkeit eigentlich einem hoch entwickelten Zivilschutz entspricht.

Vor etwas mehr als zwei Jahren mussten fast 30 % der israelischen Bevölkerung während des Zweiten Libanonkrieges knapp einen Monat lang in den Schutzräumen ausharren und sozusagen ständig unter Tag leben. Was haben Sie aus dieser letztendlich recht traumatischen Erfahrung gelernt?

Die heutige Situation ist eine völlig andere, da wir uns mit diversen Gefahren auseinandersetzen müssen, die in dieser Form noch nie aufgetreten sind. Bevor ich aber auf die Einzelheiten eingehe, möchte ich kurz den Schutz der Bevölkerung in den verschiedenen Kriegen schildern, die in der Geschichte unseres Landes auftraten. Dazu gehören selbstverständlich die Lehren aus dem Libanonkrieg von 2006.
Im Verlauf der verschiedenen Konflikte war die hintere Front, d.h. die Zivilbevölkerung, eigentlich nicht bedroht. In diesen Kriegen, auch während des Ersten Libanonkrieges, beschränkten sich die Auseinandersetzungen, das stimmt, auf ein Kampffeld, das weit vom zivilen Leben entfernt lag, so dass die Bevölkerung in dieser Zeit mit Ausnahme vereinzelter Vorfälle praktisch nicht in Berührung mit den Kampfhandlungen kam. Dies änderte sich erstmals 1991 während des Ersten Golfkriegs. Damals wurden irakische Scud-Raketen auf Israel abgeschossen, und wenn diese ein ziviles Ziel trafen, was in den meisten Fällen zur Zerstörung eines Gebäudes führte, begab sich die Armee vor Ort, tat das Notwendige und zog wieder ab. Diese Vorfälle galten als rein militärische Ereignisse, auch wenn die Gefahr eines chemischen Angriffs durchaus realistisch war. Sie machten uns damals nicht hellhörig und wir verzichteten auf den Aufbau eines durchdachten und effizienten Zivilschutzes. Im Juli 2006 traten wir mit derselben Einstellung in den Zweiten Libanonkrieg ein: Die Armee sollte erst dann eingreifen, wenn dies unvermeidbar war. Nach dem Krieg erschien der Bericht des Staatskontrolleurs, in dem die Art und Weise zu Recht sehr streng kritisiert wurde, wie man während dieses Konflikts mit der Zivilbevölkerung umgesprungen war. Er gelangte zum Schluss, dass sich eine radikale Kehrtwende aufdrängte; ab sofort sollte die Armee nicht nur eingreifen, wenn sich dies aus offensichtlichen Gründen aufdrängen würde, sondern hätte als eine ihrer Hauptaufgaben die Pflicht, die Bevölkerung auf alle möglichen Ereignisse vorzubereiten, damit sie im Falle eines Angriffs genau wisse, wie sie zu reagieren habe. Wir nahmen also diese neue Aufgabe in Angriff und begannen die Gemeinden, Freiwilligenorganisationen, Gymnasien, Unternehmen usw. zu sensibilisieren, ihnen alles zu erklären und sie auszubilden. Unser wichtigster Auftrag besteht darin, die Bevölkerung so vorzubereiten, dass sie in Notsituationen nach bestem Wissen reagieren kann. Das ist nicht einfach, denn die Zivilgesellschaft ist keine Militäreinheit, sondern ein insgesamt ziemlich chaotisches Ganzes. Von grundlegender Bedeutung ist daher unser Versuch, die zivile Gesellschaft so zu organisieren, dass sie nicht mehr hilflos ausgeliefert ist, sondern jeder genau weiss, was er zu tun hat. Angesichts des Umfangs dieser Aufgabe können wir sie natürlich nicht allein bewältigen, wir haben auch nicht die geringste Absicht, der Bevölkerung Befehle zu erteilen. Seit Anfang 2008 haben wir 1’300 Einführungskurse durchgeführt, bis Ende des Jahres werden es 2'000 sein. Wir haben Unternehmen, Schulen, Gemeinschaften, Regierungsstellen usw. aufgesucht und den Verantwortlichen eine einzige Frage gestellt: „Bereitet Ihnen das Risiko, in eine Notlage zu geraten, Kopfzerbrechen?“. Sie alle haben die Frage bejaht. Dann erklärten wir ihnen, dass wir auf einem unserer Stützpunkte oder, bei Bedarf, innerhalb des Unternehmens oder an irgendeinem anderen Ort ihrer Wahl einen Gratiskurs anbieten. Wir vermitteln auf diese Weise mehreren tausend Menschen eine Grundausbildung, nach deren Besuch sie wissen, wie sie sich im Notfall zu verhalten haben. Diese Personen übernehmen danach unsere Funktion, gehen in ihre Quartiere und Gemeinden zurück und beginnen, die Menschen, das Material sowie die Räumlichkeiten auf das Eintreten irgendeiner Katastrophe vorzubereiten. Dies führt dazu, dass wir uns nie mehr in einer Situation befinden werden, wie dies in der Gemeinde Safed während des Zweiten Libanonkriegs der Fall war, als diese in der Panik praktisch auseinanderbrach. Ausserdem verkörpern die Gemeinden, Bürgermeisterämter und Regionalräte in gewisser Weise unsere „Einsatztruppen“, weswegen wir 2007 beschlossen, sie auszubilden. Dies erfolgt in zwei Schritten: Es gibt einen eintägigen Kurs und zwei Wochen später, nachdem sie Zeit hatten die Informationen zu verarbeiten, einen Tag mit praktischen Übungen.

Sie haben die Ausbildung von Freiwilligen erwähnt. Wie sieht diese konkret aus?

Dazu muss man wissen, dass es in Israel viel mehr Freiwilligenorganisationen gibt als in vielen anderen Ländern. Keine dieser Gesellschaften besitzt aber einen genau festgelegten Auftrag, falls das Land oder eine Region sich in einer schwierigen Lage befinden sollte. Unserer Ansicht nach liegen hier aber eine ungeheure potenzielle Kraft und Energie brach, die sich im Notfall als nützlich und wirksam erweisen können. Ich kann ihnen nicht alle Organisationen aufzählen, mit denen wir zusammenarbeiten, ich werde mich darauf beschränken, z.B. Zaka zu erwähnen, die 1’300 Freiwillige umfasst und sich während Selbstmordattentaten, Terrorangriffen und anderen dramatischen Umständen bewährt hat. Wir bestätigten ihnen, dass es toll ist, wenn sie Leben retten und sich um die Toten kümmern, dass wir aber möchten, dass sie auch eine Sektion für das Eingreifen in Notsituationen einrichten. Bis heute haben wir ihnen bereits zwei Kurse erteilt, um diejenigen zu bestimmen, die ich „Befehlshaber von Notfalleinheiten“ nennen würde und die in der Lage sind, ihre Leute zur Unterstützung der Bevölkerung in Notsituationen auszubilden und anzuführen. Jeder dieser Befehlshaber bildet eine Gruppe mit 50 Personen, die jeweils eine genaue Aufgabe zugeteilt bekommen. Wir haben für alle diese Freiwilligen spezielle Westen anfertigen lassen, damit sie erkannt werden und die Leute sich an sie wenden können, wenn sie Hilfe oder Anweisungen brauchen. Sie können beispielsweise Medikamente verteilen, jemandem, dessen Haus durch eine Rakete zerstört wurde, helfen eine neue provisorische Unterkunft aufzusuchen usw. Wir arbeiten also mit allen grossen Freiwilligenorganisationen im ganzen Land zusammen. Wir nahmen Kontakt mit Eser Mizion auf, einer Organisation für medizinische und soziale Unterstützung älterer, mittelloser oder behinderter Menschen, die sich besonders für krebskranke oder anderweitig bedürftige Kinder einsetzt. Sie hat sich auch auf die Spende von Knochenmark spezialisiert, verfügt landesweit über 25 Aussenstellen und kann auf 10'000 Freiwillige zählen. Im Rahmen dieser Tätigkeiten hat sich Eser Mizion bereit erklärt, eine zusätzliche Sektion für die Unterstützung der Bevölkerung in Notsituationen ins Leben zu rufen. Eine weitere tolle Organisation ist die zivile Überwachung. Dabei handelt es sich um einen Verband von 12'000 freiwilligen Helfern, die Hand in Hand mit der Polizei zusammenarbeiten, um in den Quartieren zu patrouillieren. Über das ganze Land verstreut befinden sich kleine Stützpunkte, an dem jeweils ein Verantwortlicher die aktuellen Tätigkeiten leitet. Ich habe die Gymnasien erwähnt. Hier stehen uns junge Leute zur Verfügung, die im Schnitt 17 Jahre alt sind und eine ungeheure Kraft verkörpern, denn sie sind stark, schnell und überglücklich, sich auf intelligente Art nützlich zu machen. Wir suchten auch die Jeschiwah Ponevisch in Bne Braq auf, die von 3’000 Studenten zwischen 17 und 23 Jahren besucht wird. Sie waren einverstanden, mit uns zusammenzuarbeiten, und in einer Notsituation wissen sie nun, wie sie der orthodoxen Bevölkerung helfen können. Wir stehen auch in Kontakt mit anderen Jeschiwoth, denn auch wenn ihre Studenten nicht in die Armee eintreten, hindert sie nichts daran, an einer Art Zivildienst teilzunehmen. Zusammenfassend möchte ich hervorheben, dass eine der wichtigsten Lehren aus dem Zweiten Libanonkrieg die Erkenntnis darstellt, wie wichtig die Ausbildung und Beteiligung der Bevölkerung an der Tätigkeit der inneren Front ist.

Welche Inhalte vermitteln Sie an den oben erwähnten Kursen?

Wir lehren zunächst, wie man im Falle eines Angriffs mit konventionellen Raketen reagieren muss. Die Flugkörper, über welche die Syrer und der Hisbollah heute verfügen, beschränken sich nicht mehr auf einfache Katjuschas, wie wir sie kennen, weit gefehlt, sie besitzen nun Missiles mit 450 kg schweren Sprengköpfen. Keine einfache Sache, denn wenn ein Haus von einer derartigen Sprengladung getroffen wird, erweist sich ein einfacher Schutzraum in der Wohnung natürlich als nutzlos. Wir leben heute in einer ganz anderen Welt. Dazu muss man Folgendes wissen: Wenn jemand getötet wird, stellt er kein Problem mehr dar, die Verletzten kommen ins Krankenhaus, doch das grösste Problem, das gelöst werden muss, sind die Überlebenden. Um sie muss man sich kümmern. Natürlich weiss jeder auch ohne besondere Ausbildung, dass man im Falle eines Alarms in den Schutzraum hinuntergehen muss. Wenn aber das Haus über dem Schutzraum zerstört wurde, gibt es plötzlich ganz viele Leute, die kein Dach mehr über dem Kopf haben. Was machen wir mit ihnen? Wie gehen wir mit ihnen um? Wohin schicken wir sie? Was bieten wir ihnen an? Was hat die Priorität bei der angebotenen Hilfeleistung? Ist sie physischer (Betten, Nahrung usw.) oder psychologischer Art? Die Antworten auf alle diese Fragen werden in unseren Kursen vermittelt. Ich gebe Ihnen eine weitere Liste von Themen, die im Rahmen unserer Ausbildungen behandelt werden: Wie eröffnet eine Gemeinde ein Auffangzentrum für die Menschen, die obdachlos geworden sind? Wo eröffnet sie es und wie muss es eingerichtet und geführt werden? Man muss sich klar machen, dass ein Bürgermeisteramt von einem Augenblick auf den anderen plötzlich 2'000 Personen betreuen muss, die ihr Heim verloren haben! Alle diese Männer und Frauen sind zwar gesund und munter, könnten am Tag nach einem Angriff eigentlich zur Arbeit gehen, doch wo sollen sie schlafen? Was sollen sie essen, wo können sie sich waschen usw.? Auf diese und viele weitere Fragen versuchen wir auf theoretischer und auch praktischer Ebene eine Antwort zu geben. Stadtgemeinden wie Jerusalem, Tel Aviv oder Haifa organisieren sich recht problemlos. Sie haben ja schon einige Erfahrung wegen der zahlreichen Selbstmordattentate, die sie erlebt haben, verfügen aber auch über die entsprechenden Mittel, um zu handeln. Doch was passiert in einer Stadt wie Safed, die kein Budget hat und nicht weiss, wie sie reagieren soll? Wir müssen alle ausbilden, doch bestimmte Gemeinden brauchen mehr Unterstützung als andere. Die Bedrohung durch sogenannte konventionelle Waffen wird immer grösser und die Bevölkerung ist heute stärker gefährdet als früher.

Wie schützen Sie die Bevölkerung vor einem chemischen oder biologischen Angriff?

Viele Menschen denken, eine solche Aggression sei eigentlich undenkbar. Davon bin ich nicht überzeugt und finde, wir sollten uns lieber darauf vorbereiten, auch wenn ein solcher Angriff nie eintreten wird. Ich persönlich denke dabei nicht an morgen früh, sondern an einen Zeitraum von fünf oder gar zwanzig Jahren. Ich weiss, dass es an dem Tag, an dem ein solcher Angriff passiert, zu spät ist, um darüber zu beginnen nachzudenken, wie wir uns schützen und wie wir die Bevölkerung betreuen und neu organisieren sollen. Es ist ja eigentlich recht einfach, Leute auszubilden und Rettungsmassnahmen aller Art zu organisieren, wenn konventionelle Raketen auf eine Stadt oder Region herabprasseln. Der Zivilschutz während eines Angriffs mit chemischen oder biologischen Waffen fällt in eine ganz andere Kategorie und es braucht Jahre, um effiziente Betreuungsangebote einzurichten, die unter derartigen Bedingungen funktionieren. Man darf sich keinen Illusionen hingeben, die Bedrohung ist real und die Möglichkeit eines chemischen oder biologischen Angriffs ist realistischer als der Abschuss iranischer Atomraketen auf Israel, der aber eigentlich auch nicht auszuschliessen ist. Während des Ersten Weltkriegs setzten die Deutschen auf dem Kampffeld Gase ein. Im Zweiten Weltkrieg verzichteten sie darauf, da sie gesehen hatten, dass diese C-Waffen jede Wirkung verloren, sobald ihre Feinde Schutzvorkehrungen trafen, insbesondere Gasmasken aufsetzten. Leider wissen wir nur zu gut und dürfen dies auch nicht vergessen, dass sie das Gas schliesslich zu anderen Zwecken verwendeten… Anhand des Beispiels mit dem Gas möchte ich verdeutlichen, warum wir wissen müssen, wie wir uns schützen können. Wenn die einzelnen Bürger die Verhaltensweisen während eines solchen Angriffs kennen und wissen, welchen Schutzanzug oder Maske sie aufsetzen, wann sie das Haus verlassen und wann sie drinnen bleiben sollen, wie sie verseuchtes Wasser oder Nahrung erkennen können usw., wird diese Form der Kriegsführung an Wirksamkeit verlieren, man kann die Schäden einschränken und vielleicht wird gar ganz darauf verzichtet. Was Angriffe mit biologischen Waffen angeht, sollen diese ja nicht sofort töten, sondern Krankheiten und Schmerzen auslösen und erst dann zum Tod führen. Auf diese Weise kann man eine Bevölkerung, ja sogar einen ganzen Staat schwächen. Unsere Botschaft in diesem Zusammenhang ist eindeutig: wir müssen uns auf alles vorbereiten, denn sonst verlieren wir beim Eintreten dieses Falls völlig die Orientierung und kommen mit dem Ausmass des Problems nicht mehr klar. Vergessen wir nicht, dass ein konventioneller oder anders gearteter Angriff Panik und Durcheinander auslöst, und dass wir mit Hilfe einer gut ausgebildeten Bevölkerung jede erforderliche Hilfestellung ruhig und wirksam leisten können.

Bilden Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit Ärzte aus, die auf die Behandlung der Folgen nach chemischen oder biologischen Angriffen spezialisiert sind?

Wir bilden sie nicht nur aus, sondern bieten ihnen und dem spezialisierten Pflegepersonal sogar ein sehr intensives Training an. Dazu muss man wissen, dass die israelischen Spitäler für den Umgang mit den Folgen solcher Angriffe weltweit am besten ausgerüstet und vorbereitet sind. Ein Beispiel kann veranschaulichen, wie hoch das Niveau der Vorbereitungen in unseren medizinischen Zentren ist. Im Eingangsbereich jedes Krankenhauses befindet sich eine Dekontaminierungszone, welche die Opfer eines chemischen oder biologischen Angriffs obligatorisch passieren müssen, bevor sie betreut werden. Unserem Vorbild sind übrigens zahlreiche Krankenhäuser auf der ganzen Welt gefolgt.

Glauben Sie, dass arabische Terrororganisationen wie die Hamas, der Hisbollah und die PLO (die palästinensische Autonomiebehörde) heute über chemische oder biologische Waffen verfügen, die sie gegen die israelische Bevölkerung einsetzen könnten?

Niemand zweifelt daran, dass diese Organisationen nicht konventionelle Waffen erwerben und verwenden möchten. Ihr Einsatz verlangt jedoch einen Wissenstand und technisches Können, die sie gegenwärtig noch nicht besitzen. Vielleicht erinnern Sie sich daran, dass in Japan eine Terrororganisation in den 90er Jahren einen chemischen Anschlag in der U-Bahn durchführte, doch dabei handelte es sich um einen Einzelfall, der sich nie wiederholt hat. Ich denke daher nicht, dass wir in der nächsten Zeit mit der Bedrohung durch nicht konventionellen Terrorismus in Israel konfrontiert werden. Dennoch möchte ich einmal mehr betonen, wie hoch die Gefahr eines konventionellen Angriffs ist und dass neue Typen von Raketen und Missiles in grosser Zahl an unseren Grenzen aufgestellt sind, deren Sprengladungen viel stärker ist als jene, denen wir im Zweiten Libanonkrieg ausgesetzt waren. Die Gefahr einer nicht konventionellen Attacke droht allerdings eher von Syrien und dem Iran, die beide über grosse Mengen an chemischen und biologischen Waffen verfügen. Ausserdem besitzt der Hisbollah Flugkörper mit einer Reichweite von 250 km, was bedeutet, dass er sie von einem Punkt tief im Landesinneren des Libanons abschiessen und damit Haifa oder Tel Aviv erreichen kann. Viel besorgniserregender ist aber die Tatsache, dass die Reichweite der Raketen in syrischem Besitz 70 bis 700 km beträgt. Eine solche Rakete mit einer bedeutenden Sprengladung oder einem nicht konventionellen Kopf könnte an der irakischen oder türkischen Grenze gezündet werden und im Zentrum von Israel einschlagen.

Vermitteln Sie im Rahmen Ihrer Ausbildung auch, wie man reagieren soll, wenn Israel Opfer eines Terroranschlags wird, der von einem Selbstmordattentäter mit einer nicht konventionellen Bombe ausgeführt wird?

Was wir für den Fall eines Kriegs vermitteln, gilt auch für Terroranschläge. Es ist aber sehr viel einfacher, den Zivilschutz im Zusammenhang mit einer Welle von Terroranschlägen zu organisieren als in einem Krieg. Das Ausmass der Schäden und die Auswirkungen auf die Bevölkerung sind deutlich geringer. Daher kümmert sich übrigens die Polizei um die unmittelbaren Folgen eines terroristischen Angriffs, auch wenn wir täglich direkt mit ihnen zusammenarbeiten.

Während der diversen Kriege und auch während des Zweiten Libanonkonflikts boten die Touristen, die sich zu Beginn der Kriegshandlungen im Land aufhielten, ihre Hilfe an und meldeten sich als Freiwillige für verschiedene Aufgaben. In den meisten Fällen wurden sie höflich abgewiesen. Weshalb? Lehnt man es in Israel kategorisch ab, handfeste (und nicht finanzielle) Hilfe von im Ausland lebenden Juden anzunehmen?

Keinesfalls. Ich persönlich mache keinen Unterschied zwischen einem israelischen und einem ausländischen Freiwilligen, falls seine Unterstützung nützlich und effizient ist. Ich muss jedoch einräumen, dass Sie da ein wichtiges Thema ansprechen. Es ist ein Fakt, dass zahlreiche Menschen guten Willens sind und uns helfen möchten. Wir müssen entscheiden, wie wir dieses Angebot am Sinnvollsten nutzen. Ich würde gar behaupten, dass uns da ein Kapital an positiver Motivation zur Verfügung steht, das wir intelligent verwalten sollten. Im Rahmen der Befehlsgewalt an der inneren Front haben wir eine Abteilung gegründet, deren Aufgabe es ist, in einer Notsituation die Nutzung dieser Angebote zu steuern und die Freiwilligen dorthin zu schicken, wo sie aufgrund ihres Know-hows, ihrer Fähigkeiten, ihrer Kenntnisse und ihrer Ausbildung am besten eingesetzt werden können. Ein Spital in Jerusalem oder Tel Aviv wird beispielsweise keiner ausländischen Unterstützung bedürfen, während diese zusätzlichen hilfreichen Hände in Naharya, Safed oder Beer Schewa sehr willkommen sein werden. Dies kann vor allem in einem grossen Krieg von Bedeutung sein. Ich denke dabei vor allem an ausländische Ärzte, welche die israelischen Mediziner ersetzen können, die an der Front stehen. Doch dies gilt auch in anderen Bereichen.

Glauben Sie angesichts Ihrer Ausführungen und der breit angelegten Vorbereitungskampagne in der Bevölkerung, dass die Bewohner der angegriffenen Gebiete im Falle einer neuerlichen arabischen Aggression wieder fast 24 Stunden täglich unter der Erde und viele Wochen in den Schutzräumen ausharren müssen?

Wir sind gezwungen, einen ganz anderen Ansatz zu verfolgen. Das Eingeschlossensein in den Schutzräumen während langer Stunden, Tage und Wochen macht die Leute passiv und depressiv, was verheerend ist. Wir ermutigen die Menschen dazu, raus zu gehen, ihr Leben in die Hand zu nehmen, sich für das Leben ihrer Nachbarn verantwortlich zu fühlen, und wir müssen für diese Aktivität sorgen. Obwohl London während des Zweiten Weltkriegs bombardiert wurde, ging das Leben eigentlich ganz normal weiter, was den Widerstandsgeist verstärkte. Dies ist ein wichtiger Punkt bei der Steuerung der Verhaltensweise von Zivilpersonen in Ausnahmesituationen. In Sderot haben wir die Schutzräume nie abgesperrt, ganz im Gegenteil. Wir haben die Leute immer wieder aufgefordert, fünf Minuten nach Ende des Bombenalarms hinauszugehen und ihren normalen Alltag wieder aufzunehmen.
Auch hier muss ich sagen, dass wir viel aus dem Zweiten Libanonkrieg gelernt haben. Alles sprach von der Stadt Kiryat Schmona, sie sich angeblich ständig unter dem Feuer der Hisbollah-Raketen befand. In den ersten zehn Tagen des Kriegs fielen im Schnitt zwei bis fünf Raketen pro Tag, nachts wurde nicht geschossen. War es wirklich nötig, alle Einwohner während zehn Tagen am Stück in den Schutzräumen unter der Erde einzusperren? Gewiss nicht. Die derart eingeschlossenen Menschen können zudem nicht den betagten oder behinderten Personen helfen. Die Leute müssen nach Hause zurückkehren und in ihren Küchen selbst kochen können. Es ist falsch, ihnen warme Mahlzeiten zu liefern. Die Tatsache, die Menschen in Schutzräumen einzusperren, zerreisst wichtige soziale Beziehungen in der Gesellschaft. Es ist nicht unsere Aufgabe, die Leute einzuschliessen, sondern sie jeweils zu warnen, wenn Raketen abgeschossen werden, die Alarmsirenen auszulösen und sie in die Schutzräume zu schicken. Doch zwischen zwei Angriffen müssen sie so normal wie möglich weiterleben. Eigentlich muss auch während einer Notsituation eine gewisse Routine herrschen. So könnte man in wenigen Worten die Herausforderung zusammenfassen, der wir gegenüberstehen.

Wie wir sehen, hofft man bei diesen Bemühungen und Vorbereitungen natürlich immer, dass man sie nie brauchen wird. Doch im Falle eines erneuten arabischen Angriffs wird die israelische Bevölkerung, die sich schon immer durch ihren Mut und ihre Entschlossenheit auszeichnete, wissen, wie sie so normal wie möglich weiterleben kann, ganz egal, wie intensiv sie unter feindliches Feuer gerät. Generalfeldmarschall Yair Golan und seine Leute setzen sich nach Kräften dafür ein.

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