Die Situation wirkt paradox: die israelische Regierung wird demnächst den einseitigen Rückzug verwirklichen, um damit einen Friedensprozess voranzutreiben, der eigentlich nicht existiert, und parallel dazu führen die Araber weiterhin ihre Terroranschläge durch und greifen regelmässig jüdische Siedlungen in Israel an. In diesem schwierigen Umfeld haben wir Generalfeldmarschall YAÏR NAVEH getroffen, der soeben an die Spitze der Einheit ernannt wurde, welche die Armee als Zentralkommando von Israel bezeichnet und die das gesamte Gebiet Judäas und Samarias umfasst, einschliesslich des Jordantals.
Yaïr Naveh ist als einziger General in den obersten Rängen der Armee frommer Jude, der die Kippah trägt. Seine sehr umfangreiche und lange Militärkarriere (er befehligte unter anderem die israelischen Streitkräfte in Gaza) verleiht ihm viel Erfahrung, Fingerspitzengefühl und die Weisheit, die für einen so wichtigen Posten erforderlich sind. Wie ein Seiltänzer wird er seine neue Aufgabe meistern müssen, immer auf der Hut, nicht in eine der zahlreichen Fallen zu geraten, von denen es in dieser komplexen Lage wimmelt, da dies verheerende Folgen haben könnte.
General Naveh empfing uns in Tel Aviv mit grosser Herzlichkeit im neuen Gebäude des Generalkommandos der israelischen Verteidigungskräfte und des Verteidigungsministeriums. Am Rande sei erwähnt, dass wir die allerersten ausländischen Journalisten waren, die in dieses Gebäude, einen wahren Hochsicherheitstrakt, eingelassen wurden, wo der Zutritt nur dank einer Reihe von Sondergenehmigungen möglich ist.
Welches sind die wesentlichen Aufgaben, die in dieser neuen Funktion auf Sie warten?
Die israelische Armee bereitet sich gegenwärtig auf eine Reihe von besonderen Tätigkeiten in Bezug auf ihre Arbeit in der Region Judäa und Samaria vor, für die ich das Generalkommando übernommen habe. Unsere Hauptsorge besteht aus dem Kampf gegen den Terrorismus. Abu Mazen wurde gewählt und behauptet, er sei gegen die Gewalt und gegen ihren Einsatz als politisches Instrument. Wir hingegen wissen, dass er sehr schwach ist; die Hamas besitzt ein solides Fundament und die Hizbollah finanziert die meisten Aktionen der Fatah, so dass wir mit ernsthaften Bedrohungen und terroristischen Aktivitäten konfrontiert werden. Schon in den ersten Tagen des Jahres 2005 haben wir zahlreiche Araber verhaftet, die mit Sprengstoff ausgerüstet waren und sich in der Öffentlichkeit von Tel Aviv, Haifa und Netanja in die Luft jagen wollten. Wir müssen alles unternehmen, um jede Form von Terroranschlag in einer der grossen Städte Israels, in den Städten und Dörfern von Judäa-Samaria und natürlich auch gegen unsere Soldaten zu vereiteln. Wenn man davon ausgeht, dass es Abu Mazen gelingen wird, seine Regierung zu stabilisieren und seine Macht durchzusetzen, wird dies unweigerlich zu Verhandlungen mit Israel führen, in denen als Erstes die Befreiung von Häftlingen verlangt werden wird. Obwohl wir die Tatsache schätzen, dass wir nur noch einen Verhandlungspartner haben und dieser eine einzige und zentrale Behörde, eine einzige Rechtsform und eine einzige Armee vertritt, bin ich nicht davon überzeugt, dass dies in der nächsten Zeit Wirklichkeit wird. Vor der Befreiung bestimmter Gefangener müssen wir uns unbedingt vergewissern, dass sie unsere Sicherheit nicht ernsthaft gefährden: Wir müssen ihre politischen Kontakte und Verbindungen in Erfahrung bringen und wissen, von wem sie später kontrolliert werden. Diese Abklärungen sind alles andere als einfach, doch wir können nicht leichtfertig ein Risiko in Bezug auf unsere Sicherheit eingehen, nur um einen politischen Prozess zu ermöglichen, dessen Ausgang noch völlig unklar ist. Gleichzeitig verfügen wir nicht über die Mittel, Verhandlungen zu blockieren, die vielleicht zu einer Beruhigung der Lage führen könnten. Abu Mazen ist nicht Arafat. Im Moment besitzen seine Äusserungen keinen grundsätzlich kriegerischen Grundton. Wir müssen allerdings noch herausfinden, welche Absichten er wirklich hegt und über welche Handlungsmöglichkeiten er verfügt. Wir haben gelernt, uns vor wohl klingenden Worten zu hüten, die Lage zu beurteilen und uns auf Taten abzustützen. Mazen scheint guten Willens zu sein, doch wir müssen extrem vorsichtig bleiben, da sein Vorgehen nicht nur positives Potenzial enthält, sondern auch viele Gefahren. Vergessen wir nicht, dass der Hass Esaus und sein Wunsch, Jakob zu vernichten (mit anderem Namen Israel), nicht schwächer geworden sind und in jeder Hinsicht immer noch glühen. Es wird ebenfalls meine Aufgabe sein, das Rückzugsprogramm der Regierung durchzuführen, das sich im Wesentlichen im Gazastreifen abspielen wird. Die vier betroffenen israelischen Dörfer, die im Norden Samarias liegen, fallen direkt in meinen Aufgabenbereich.
Glauben Sie, dass dies Ihre grösste Herausforderung darstellen wird?
Man muss sich schon klar machen, dass diese Situation bei weitem über die einfache Aufgabe hinausgeht, 12'000 Juden umzusiedeln. Es ist ein sehr schmerzhafter Schritt, der einen tiefen Graben innerhalb des Staates und in den Beziehungen der Bürger untereinander aufreisst, was letztendlich zu einem sehr heftigen gesellschaftlichen Konflikt führen könnte, der das Land und die Bevölkerung für lange Jahre prägen wird. Ich verstehe das Leid der jüdischen Bewohner des Gazastreifens sehr wohl, wo ich während dreieinhalb Jahren während des gegenwärtig herrschenden Kriegs Befehlshaber war. Ich kenne daher die meisten Menschen dort persönlich. Wie in Judäa und Samaria handelt es sich nicht um Menschen, die sich erst in den letzten Jahren in Gusch Katif niedergelassen haben, es sind Familien, die seit über dreissig Jahren hier wohnen. Die Grosseltern haben miterlebt, wie die Enkel dort zur Welt kamen. Wir zerstören also nicht nur ein Lebenswerk, sondern auch eine nationale Vision und die Zukunftsperspektiven einer ganze Gruppe von Menschen, die seit nun bald drei Generationen einerseits eine gesamte Infrastruktur in einer unbesiedelten und wüstenähnlichen Gegend geschaffen haben, andererseits auch an der Front in Bezug auf die arabischen Angriffe lebten. Diese Leute haben neben all ihren Bemühungen auch einen hohen Blutzoll entrichtet, als Individuen und Familien, aber auch als Gemeinschaft. Aus all diesen Gründen werden wir unserer Aufgabe mit grosser Traurigkeit und schwerem Herzen nachkommen, weil wir die Armee des Staates Israel sind und uns als solche an die Entscheidungen der demokratisch gewählten Regierung halten müssen. Ich fürchte allerdings, dass diese Situation innerhalb der Armee zu einem Konfliktherd werden könnte. Bereits heute nehmen wir in unseren Rängen die Entstehung einer Front wahr, die zurzeit nur einige Dutzend Soldaten umfasst, die sich jedoch ausweiten könnte. Eine derartige Entwicklung ist extrem gefährlich, denn sie betrifft nicht nur die Auflösung einiger jüdischer Dörfer, sie kann eine Situation der Anarchie auslösen, in der jeder, der über ein wenig Macht verfügt, den Soldaten Anweisungen geben wird. Dazu muss man wissen, dass die Armee in Israel dem physischen Ausdruck des nationalen Konsenses entspricht. Innerhalb dieser Organisation werden alle politischen Meinungen unwichtig, nach dem Verlassen der Armee darf sich jeder wieder seiner Ideologie zuwenden. In der Armee gilt nur ein einziges Gesetz, das Gesetz des einheitlichen Befehls. Sollte dies seine Gültigkeit verlieren, würde dadurch zunächst jeder Form von sinnloser und exzessiver Gehässigkeit freier Lauf gelassen (Sinat Chinam). Ich schliesse dabei mittelfristig den Ausbruch eines Bürgerkriegs nicht aus. Ein sehr tiefer Bruch in unserer Gesellschaft kann sehr schnell zur Entstehung von Gewalt zwischen den Bürgern führen. Meines Erachtens ist diese Gefahr viel grösser als die gesamte Bedrohung durch die arabische Welt. Ich möchte auf historischer Ebene auch daran erinnern, dass wir bereits mehrmals aus Israel vertrieben wurden: zum ersten Mal, als Joseph von seinen Brüdern verkauft wurde; später, als wir wegen Götzenverehrung und fehlender Moral ins Exil nach Babylon kamen; und schliesslich, als wir das Blut unserer Brüder in einem Bürgerkrieg vergossen, dessen einziges Motiv derselbe sinnlose Hass war, der uns heute wieder bedroht und zum Schluss führte, dass das Land von den Römern besetzt wurde, was den Beginn eines 2000 Jahre währenden Exils bedeutete! Weitere Beispiele aus unserer Geschichte beweisen, dass wir, wenn wir zusammenhalten, alle Schwierigkeiten überwinden und unsere Feinde schlagen können. Es fällt uns nicht sonderlich schwer, den Terror zu bekämpfen und uns gegen die anderen Bedrohungen durch die arabische Welt oder den Iran zu wehren. Wir stehen erst dann vor einer echten Herausforderung, bei der das Überleben des Staates als jüdische Nation auf dem Spiel steht, wenn wir mit Problemen umgehen müssen, die unseren Körper, unsere Seele und die Grundlage unseres jüdischen Seins betreffen. Daher müssen wir alles unternehmen, um einen Bruch innerhalb unserer Gesellschaft zu vermeiden. In meiner Eigenschaft als Befehlshaber des zentralen Landesteils gehört dies zu den wichtigsten Elementen meiner Verantwortung.
Sie haben uns die grössten Herausforderungen aufgezählt, mit denen Sie fertig werden müssen. Wie werden Sie konkret damit umgehen, während die Araber praktisch täglich jüdische Siedlungen beschiessen?
In Bezug auf den Terrorismus befinden wir uns ständig in Alarmbereitschaft und unternehmen die sich aufdrängenden defensiven und offensiven Aktionen. Sie haben die Situation in Sderoth und in Gusch Katif erwähnt; dazu muss man wissen, dass es in gewissen Fällen aus militärischer Sicht einfacher ist, grosse Streitkräfte zu bekämpfen als kleinere Angreifer. Wir verfügen über eine erstklassige militärische Technologie für die Bekämpfung der SCUD-Raketen oder die Verwendung hochmoderner Satelliten zugunsten unserer Verteidigung. Ein einfaches militärisches Problem kann aber manchmal enorme Auswirkungen haben, und dann muss man abwägen, was sinnvollerweise unternommen werden soll. Wir können alle Angriffe mit Kassam-Raketen und Granaten auf die von Ihnen erwähnten Dörfer unterbinden, doch dazu müsste eine gross angelegte militärische Aktion durchgeführt werden, die auch die Besetzung fast des gesamten Gazastreifens durch drei oder vier Divisionen voraussetzen würde. Wir müssten ca. die Hälfte unserer Reservisten für sechs Monate bis zu einem Jahr zu den Fahnen rufen, was die Mobilisierung einer riesigen Zahl von Männern mit der gesamten dazu notwendigen Logistik bedeutet, ganz zu schweigen von den Auswirkungen einer derartigen Mobilmachung auf die wirtschaftliche Situation. Gegenwärtig möchte Israel keine solche Operation in Angriff nehmen. Man darf nicht vergessen, dass Gaza von einer Sicherheitsmauer umgeben ist, dank der es uns gelungen ist, jede Form von Terrorismus, der von Gaza ausging, in den grossen städtischen Zentren einzudämmen. Natürlich bringen die Kassam-Raketen und andere Geschosse heute den Tod und andere bedeutende Schäden in die Siedlungen, die in unmittelbarer Nähe zu Gaza liegen, doch ich glaube nicht, dass die Regierung eine umfassende Operation auslösen wird, um dieser Form der Aggression endgültig Einhalt zu gebieten. Die Armee schafft es, den grössten Teil der Angriffe unter Kontrolle zu behalten, doch dies bedeutet nicht, dass sie sich auf ihren Lorbeeren ausruht, ganz im Gegenteil. Wir sind dabei, eine Reihe von technischen und strategischen Elementen einzuführen, dank denen wir diese Art von Angriffen werden bekämpfen und verhindern können.
Doch kommen wir auf unseren Kampf gegen den Terror zurück: ich muss auch betonen, dass unser Vorgehen dadurch vereinfacht wurde, dass wir uns in Judäa und Samaria in den arabischen Städten und in ihrer unmittelbaren Umgebung niedergelassen haben. Wir müssen in diesen Städten präsent sein, denn gegenwärtig gibt es dort noch keine Trennungsmauer. Erinnern wir uns daran, dass wir noch vor einem Jahr mit einer Welle von Terrorakten fertig werden mussten, die Bombenexplosionen in Bussen von Tel Aviv und Jerusalem bewirkten und deren Urheber aus Judäa und Samaria stammten und nicht aus Gaza. Zu Recht hat man demnach dem Kampf in diesen Regionen den Vorzug gegeben, um den Terror zu beenden. Auf diesem Gebiet waren wir erfolgreich. Es stellt sich nun die Frage, ob und wann wir eine ähnliche Operation durchführen sollen. Trotz allem müssen wir abwarten, was Abu Mazen wirklich beschliessen wird, d.h. ob er unter dem Deckmäntelchen aus schönen Worten die Politik Arafats weiterführen möchte, oder ob er wirklich handeln kann. Wir persönlich jedoch setzen unseren Kampf fort. Dann wissen wir sehr bald, woran wir sind.
Besteht Ihrer Ansicht nach die Gefahr, dass man uns mit Kassam-Raketen von Judäa oder Samaria aus angreifen könnte?
Solange wir in den arabischen Städten präsent sind, solange unsere Soldaten hier regelmässig patrouillieren und folglich sofort feststellen, wo solche Raketen hergestellt werden, ist dieses Risiko praktisch inexistent. In Gaza, wo wir nicht stationiert sind, kann diese Tätigkeit ungehindert stattfinden. Sollten wir aus den Städten von Judäa-Samaria abziehen oder ausserhalb der Siedlungen stationiert werden, sollten die Streitkräfte von Abu Mazen nicht die notwendigen Massnahmen unternehmen, um ein Mindestmass an Sicherheit zu gewährleisten, könnte das Problem jedoch sehr schnell auftreten.
In Bezug auf den von Ihnen erwähnten Sicherheitszaun spricht man gegenwärtig viel öfter von den Gerichtsentscheiden des Obersten Gerichtshofs, die den Bau verbieten wollen, und von den Gegnern als von tatsächlichen Fortschritten beim Bau der Mauer. Werden die Arbeiten fortgesetzt und soll der Sicherheitszaun eines Tages wirklich fertig gestellt werden?
Dieses Bauwerk verkörpert einen ausgesprochen wichtigen strategischen Pluspunkt. Wir müssen möglichst rasch mit dem Bau fortfahren, denn es gilt als bewiesen, dass der Zaun ein wirksames Element für die Sicherheit darstellt und eine gesunde Trennung zwischen den beiden Bevölkerungen gewährleistet, sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus demografischer Sicht. Unsere Regierung hat übrigens vor kurzem seinen endgültigen Verlauf festgelegt.
Sie sagten, die Hizbollah finanziere die Fatah. Parallel dazu wird Syrien in Kürze neue Boden-Luft-Raketen aus Russland erhalten. Diese sind ohne jeden Zweifel für die Hizbollah bestimmt, die sie ohne zu zögern an die Fatah weiterreichen wird. Wie werden Sie diese neue Situation bewältigen?
Die Hizbollah hat einen Wall aus Tausenden von Katyusha-Raketen im Südlibanon errichtet. Leider hat der Libanon seine Verantwortung nicht wahrgenommen und zog seine Armee aus dem Süden des Landes zurück. Auch die Uno-Streitkräfte glänzen durch Abwesenheit. Im Allgemeinen verhält sich die Hizbollah zurzeit jedoch ruhig und unternimmt nur sporadisch gewalttätige Aktionen. Grund dafür ist die Tatsache, dass sie sich sehr wohl bewusst ist, dass jeder Angriff gegen unsere Armee von unserer Luftwaffe streng geahndet wird. Die von Ihnen erwähnten neuen Raketen, das russische Fabrikat SA-18, riskieren die Kapazität unserer Luftwaffe, welche den Luftraum in diesem Gebiet dominiert, zu Eingriffen im Südlibanon wieder in Frage zu stellen. Meiner Ansicht nach übersteigt dieses Problem bei weitem den lokal begrenzten Aspekt des Konflikts zwischen unserer Nordgrenze und dem Südlibanon und das Kräftegleichgewicht im Nahen Osten wird dadurch gefährdet. Diese Frage muss mit Hilfe der Diplomatie und völlig diskret gelöst werden. Daher kann die Frage eines möglichen Transfers derartiger Waffen von der Hizbollah an die Fatah noch nicht ernsthaft angesprochen werden.
In Bezug auf den Kampf gegen den Terrorismus ist nur schwer verständlich, dass die mächtige israelische Armee nicht in der Lage sein sollte, den Bau von Tunnels unter der ägyptischen Grenze hindurch zu verhindern.
Man muss sich klar machen, dass diese Tunnels von Privathäusern aus gegraben werden und daher nur extrem schwer ausfindig gemacht werden können, da sie sich in einer Tiefe von bis zu 25 Metern befinden. Diese Tunnels sind ein ausgezeichnetes Geschäft, denn für jeden auf diese Weise erstellten unterirdischen Durchgang wird eine Prämie von 5000 Dollar bezahlt. Im Moment kann man sie als das am besten florierende Unternehmen in Rafiah bezeichnen. Sobald die Gänge fertig gestellt sind, können die Terroristen problemlos Waffen, Männer oder jedes andere ihnen nützlich erscheinende Material hereinschmuggeln. Wir verfügen gegenwärtig über kein technisches Hilfsmittel, dank dem wir diese Tunnels ausfindig machen könnten. Wir können nur von Haus zu Haus gehen, immer in dem Bewusstsein, dass es für jeden entdeckten Tunnel einen anderen gibt, von dem wir nichts ahnen! Glücklicherweise gibt es in Judäa und Samaria keine Tunnels, da sich die Bodenbeschaffenheit hier nicht dafür eignet. Die Gegend von Gaza besteht aus sandigem Untergrund, während die Westbank aus Fels und Stein besteht.
Kommen wir zu dem Thema zurück, das Sie als Ihre grösste Herausforderung bezeichnet haben, den Rückzug aus Gaza. Wie wird er Ihrer Ansicht nach konkret vor sich gehen? Werden wir eine Situation erleben, in der sich einerseits jüdische Zivilpersonen weigern werden ihre Häuser zu verlassen, die andererseits von der jüdischen Armee mit Maschinengewehren oder Panzern bedroht werden, während die Medien sich daneben hämisch freuen, dass sie der ganzen Welt Bilder von der Gewalt der Israelis untereinander zeigen können, und die Araber schliesslich auf alle zusammen schiessen werden?
Es handelt sich, wie ich bereits sagte, um einen Entscheid der Regierung, und es ist die Aufgabe der Armee, diese Befehle auszuführen. Bis heute weist alles darauf hin, dass die eigentlichen Ausweisungen von der Polizei durchgeführt werden sollen, welche befugt ist, Demonstranten und gegen Befehle verstossende Bürger zu verhaften. Ich hoffe aus ganzem Herzen, dass wir den Abzug mit Hilfe von Verhandlungen über die Bühne bringen können und dass die meisten Betroffenen aus freien Stücken gehen werden. Diejenigen, die sich weigern, den Abzug im Rahmen einer Vereinbarung zu akzeptieren, werden wir schweren Herzens mit einem Mindestmass an Gewaltanwendung und möglichst würdig zum Gehen zwingen müssen. Wir werden die Sektoren schliessen, die Leute in Hotels bringen und danach ihr Hab und Gut einpacken, fortschaffen und in Lagerräumen lagern, um ihnen später dabei zu helfen, sich nach und nach in neuen Häusern einzurichten. Wir werden mit einer Situation konfrontiert werden, die wir mit möglichst wenig Schaden bewältigen müssen, doch es wäre inakzeptabel, wenn die Armee zurückweichen würde oder nicht mehr in der Lage wäre, ihre Aufgabe korrekt zu erfüllen, und falle es ihr noch so schwer. Dies würde der Anarchie innerhalb der Armee Tür und Tor öffnen, so dass morgen jeder Soldat angesichts einer Aktion gegen einen externen Feind davon ausginge, nach eigenem Gutdünken handeln zu können. Wir werden die Angelegenheit wenn möglich ohne Waffeneinsatz zu Ende führen, und zwar mit Hilfe von Überzeugungskraft und Verhandlungsgeschick. Wir werden der Presse den Zutritt zu diesen Zonen verweigern, um unnötige Provokationen zu vermeiden, und werden alles tun, um Frauen und Kinder möglichst rücksichtsvoll zu behandeln. Wir werden uns nach Kräften dafür einsetzen, dass dieser für uns alle harte und schwierige Schritt in Würde, jedoch mit der nötigen Entschlossenheit erfolgt.
Zum Schluss noch eine persönliche Frage. Sie sind der erste Generalfeldmarschall, der die Kippah trägt. Wie sehen Sie persönlich dieses Problem des Rückzugs und der Ausweisung von Juden aus ihren Häusern? Empfinden Sie dabei gewisse Zweifel und Gefühle oder sind Sie überzeugt, dass Sie in dieser Angelegenheit eine Aufgabe zu erfüllen haben und dass persönliche Emotionen fehl am Platz sind?
Es ist unmöglich, meine Gefühle, meine Gedanken und meine Einstellung zum Leben und zu Israel so plötzlich zu unterdrücken. Heute habe ich einfach die Möglichkeit, zwischen zwei Dingen zu wählen: ich habe ein schlechte und eine ganz schlechte Alternative. Wie immer im Leben entscheidet man sich für die weniger schlechte Möglichkeit. Im vorliegenden Fall besteht die «schlechte» Wahl darin, an der Ausweisung der Juden aus ihren Häusern teilzunehmen; die «ganz schlechte» ist diejenige, bei der die Anarchie sich breit machen kann und der Bürgerkrieg auf uns lauert.
|