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Inhaltsangabe Junge Leader Herbst 2001 - Tischri 5762

Editorial - Herbst 2001
    • Editorial

Rosch Haschanah 5762
    • Die Quellen der Hoffnung

Politik
    • Israel ohne politische Strategie

Interview
    • Pragmatismus und Optimismus
    • Terror und Strategie
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Judäa – Samaria – Gaza
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Junge Leader
    • Der Chefkoch Avi Steinitz

Litauen
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    • Spitzenleistungen und Vernichtung
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    • Litauen Quo Vadis ?
    • Litauische Zweideutigkeit
    • Erinnerung in Bildern

Ethik und Judentum
    • Zwischen Vorsicht und Panik

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Der Chefkoch Avi Steinitz

Von Roland S. Süssmann
«Liebe geht durch den Magen.» Dieses alte Sprichwort, das meist auf das Leben eines langjährigen Paares zutrifft, kann auch bei den Beziehungen zwischen der Diaspora und Israel von Nutzen sein. Heute, da es sozusagen keinen jüdischen Tourismus mehr nach Israel gibt und da sich gewisse Juden nicht schämen, ihre Ferien unter fadenscheinigem Vorwand überall auf der Welt zu verbringen, einschliesslich in den arabischen Ländern, muss daran erinnert werden, dass der hebräische Staat viele Attraktionen anzubieten hat, unter denen die Gastronomie einen herausragenden Platz einnimmt. Natürlich wird es immer eingebildete Schwätzer geben, die sich «Feinschmecker» nennen, deren Geschmacksnerven sich an den Verzehr von Schweinefleisch gewöhnt haben und die sich voller Verachtung zur Behauptung herablassen «in Israel isst man schlecht». Um diesen Ammenmärchen Einhalt zu gebieten, möchte wir heute in der Serie «Junge Leader» AWRAHAM STEINITZ vorstellen, Koch im prestigereichen Hotel King David in Jerusalem.
Awraham wurde 1964 in Rischon Letzion, einem Vorort von Tel Aviv geboren und arbeitete schon als junger Mann in der Konditorei seines Onkels in Tel Aviv, wo er seine Freizeit verbrachte. Hier begann er Gefallen daran zu finden mit Lebensmitteln zu arbeiten, ohne aber dies zu seinem Beruf machen zu wollen. Nach dem Militärdienst bot ihm ein anderer Verwandter, der damals Chefkonditor im Tel Aviv Hilton war, an sich mit ihm zusammen zu tun und sich ein Jahr lang in einer Berufsschule zum Koch ausbilden zu lassen. Avi vervollständigte seine Ausbildung anschliessend durch praktische Erfahrung und trat ab 1985 in die Hotelkette Dan ein, wo er in Cäsaräa, Tel Aviv und Jerusalem als Praktikant tätig war. Nach der Ausbildung reiste Avi Steinitz in die Schweiz in ein Etablissement, das er selbst als einen Ort bezeichnet, «der nicht zu den besten Küchen der Welt gehört», nämlich das Institut Etania in Davos. Dank dieser Erfahrung hat er aber gelernt, sich allein in einer Küche durchzuschlagen und die Verantwortung für die Arbeit innerhalb einer Gemeinschaft zu tragen. Nach anderthalb Jahren beschloss er nach Israel zurück zu kehren, um dort wieder in die Hotelindustrie einzusteigen. Da dieser Wunsch sich nicht sofort verwirklichen liess, begnügte er sich ein Jahr lang mit einem Job in einem kleinen Fallafel-Restaurant, bevor er erneut Mitarbeiter der Dan-Hotels wurde und dort allmählich die Hierarchie vom Chef du Grill des Dan Tel Aviv, dann zum stellvertretenden Hotelchef und schliesslich zum Chef hochkletterte. Diesen Werdegang absolvierte er in acht Jahren, wobei er dreieinhalb Jahre lang Chef war. Während dieser Zeit absolvierte Avi Steinitz zahlreiche Weiterbildungsaufenthalte in den berühmtesten Hotels der Welt, sowohl in den Vereinigten Staaten wie auch in Europa und gar in der Schweiz, wo er in der Küche des Hotels Baur Au Lac in Zürich tätig war.
Nach Abschluss dieser Lehrzeit bot ihm die Direktion der Hotelkette an, die Eröffnung des Dan Eilat zu betreuen, und so nahm Avi eine neue abenteuerliche Herausforderung an, in der alles Neuland war: die Planung der Küche, der Essräume, der Restaurants, der Einkauf und Ersatz der Herde und Öfen, der Vorratskammern, der Weinkeller, die Küche des Room Service, kurz alles, was mit dem kulinarischen Bereich eines neuen Hotels zu tun hat, ganz zu schweigen von der Suche nach geeignetem Personal und seiner Ausbildung, um sie an die Arbeitsweise des Kochs Avi zu gewöhnen, der Entwurf von Menüs usw. Diese Erfahrung dauerte fünf Jahre, dann erhielt Avi ein neues Angebot, nämlich die Leitung der Küchen im Spitzenhaus der Kette, im King David, wo er nun seit fünfzehn Monaten das Regiment führt.


Wenn Sie nur eine einzige Mahlzeit zubereiten dürften, wofür würden Sie sich entscheiden?

Sie würde sich ganz bestimmt aus den Gerichten der Küche zusammensetzen, die ich liebe und mit der ich mich am meisten identifiziere: der mediterranen Nouvelle Cuisine.

Was umfasst sie denn? 

Heute ist es nicht mehr möglich, einzelne Gerichte unter allgemeinen Bezeichnungen wie «chinesische Küche» oder «französische Küche» anzubieten. Die Leute wissen sehr wohl, dass innerhalb von China in Kanton oder Peking nicht gleich gekocht wird, und dass sich in Frankreich die Gerichte der Provence von denjenigen der Normandie unterscheiden. Es gibt keine typische nationale Ernährung, sie ist regional oder gar lokal. In Bezug auf die ans Mittelmeer grenzenden Länder gibt es aber gewisse Gemeinsamkeiten, die nicht als spezifisch national oder regional bezeichnet werden können, eine Reihe von Zutaten, die sowohl in Frankreich als auch in Italien, Griechenland, im Libanon, in Nordafrika und in Israel verwendet werden. Die mediterrane Nouvelle Cuisine enthält Bestandteile wie Olivenöl, Auberginen, Knoblauch, Tomaten, Peperoni, Meerfisch, Lamm usw., die nach den besten Zubereitungsarten der lokalen kulinarischen Tradition zubereitet werden, stammen diese nun aus Italien, Griechenland, Israel oder aus den arabischen Ländern, wobei die Gewohnheiten der orientalischen Küche vermieden werden. Es ist eine einfache, sehr vielseitige und aussergewöhnlich schmackhafte Küche. Ich möchte betonen, dass wir in Israel über eine reiche Auswahl an Zutaten und Produkten verfügen, die auf unserem sehr fruchtbaren Boden gedeihen und in ihrer Qualität und Frische bemerkenswert sind. So koche ich am liebsten.

Die Zubereitung dieser Art von Gerichten macht Ihnen also am meisten Spass?

Ja, denn wenn die Zutaten frisch und von bester Qualität sind, erweist sich eine einfache Küche als die angenehmste; gleichzeitig wird sie auch den Ansprüchen einer verwöhnten Kundschaft gerecht. Es erfüllt mich mit besonderer Freude, die traditionellen Gerichte der jüdischen Küche zuzubereiten, wie den Tschulend, die Knisches usw. Ich weiss, dass es zum guten Ton gehört zu behaupten, man koche gern mit Trüffeln aus dem Périgord, was natürlich gut schmeckt, aber kreuzfalsch ist. Meines Erachtens haben diese Produkte in der Restauration in Israel nichts verloren. Der gewiefte Reisende geniesst Trüffel aus dem Périgord im Périgord, Sauerkraut in Strassburg und israelische Speisen in Israel.

Verstehen Sie unter typischer jüdischer Küche auch die klassischen Gerichte der sephardischen Juden?

Natürlich, doch mein grösstes Glück besteht darin, die Gerichte meiner Grossmutter nach zu kochen und so eine dahinschwindende Tradition aufrecht zu erhalten.

Bilden Sie auch junge Köche aus und lehren Sie in den Kochschulen?

In Eilat habe ich zahlreiche junge Köche ausgebildet und war auch als Dozent tätig. Seit ich in Jerusalem arbeite habe ich keine Zeit mehr für diese Aufgabe und bedaure dies zutiefst.

Gibt es Neuschöpfungen «Avi Steinitz», die von Ihnen erfunden wurden?

Beim Kochen ist es sehr riskant zu behaupten, man sei der Erste, der ein Gericht so präsentiert oder zubereitet, oder ihm gar seinen Namen zu geben. Ich habe viele einzigartige Gerichte kreiert, die für ihre Schmackhaftigkeit geschätzt werden, doch nie wäre es mir in den Sinn gekommen , sie «Kreation Steinitz» zu nennen. Darüber hinaus bin ich überzeugt, dass in der Küche die meisten Gerichte bereits existieren und dass sich nur die Zubereitungsart ändert. In Eilat hatte ich eine Spezialität entwickelt, das in Ingwer und Orangensaft marinierte Hähnchen, das anschliessend kross gegrillt und auf einem Bett von Couscous und Gemüse serviert wird. Das schmeckte sehr gut, war sehr beliebt, doch seien wir ehrlich: Tausende von Frauen haben vor mir Couscous und Hähnchen gekocht!

Verwenden Sie in Ihrer Küche viele Gewürze, und wenn ja, welche?

Das hängt davon ab, nach welcher Küche ich koche. Gewürze sind ein sehr wichtiger Bestandteil der Küche, doch sie sollten den Eigengeschmack der Produkte nicht überdecken. Sie dienen ausschliesslich als Zusatz, der die Gerichte auf raffinierte Art verfeinern sollen, denn die Rolle eines guten Kochs besteht darin, den eigentlichen Geschmack eines Produkts hervorzuheben, ohne ihn durch übermässig viel Salz oder Pfeffer zu verstecken. Die meisten dieser Zusätze können übrigens vom Gast selbst nach dem Servieren des Gerichts hinzugefügt werden. Es geht selbstverständlich nicht um fades Kochen, sondern vielmehr um das ausgewogene Gleichgewicht zwischen der Betonung des ursprünglichen Geschmacks der Speisen und der logischen und überlegten Verwendung von Gewürzen. Das Geheimnis liegt letztendlich darin, diese während des Kochvorgangs gezielt einzusetzen und eine harmonische Gaumenfreude zu schaffen. Man darf auf keinen Fall ein Gericht servieren, bei dem man den Zusatz von Gewürzen heraus spürt, sie verkörpern allein einen Duft.

Viele Leute sind überzeugt, es sei unmöglich qualitativ hochstehende koschere Küche zu servieren. Sind Sie derselben Meinung?

Keinesfalls! Ich kenne zahlreiche bekannte nichtkoschere Restaurants, in denen man furchtbar schlecht isst, so wie ich auch einige ausgezeichnete koschere Lokale kenne. Die koschere Küche hat, wie alle anderen, ihre Grenzen. Es existieren bestimmte Gerichte, die man einfach nicht auf koschere Weise zubereiten kann. Dabei denke ich insbesondere an die traditionellen Rezepte aus Nordfrankreich, bei denen alles mit Butter und Sahne angereichert wird. Diese Küche kann nicht koscher gemacht werden, denn Butter und Rahm können für «Nachahmungen» nicht durch Olivenöl und Margarine ersetzt werden, das ist sinnlos und falsch. Andere Gerichte wiederum können wunderbar mit Zutaten hergestellt werden, die aus der koscheren Küche stammen. So zum Beispiel ein einfaches Filet, das mit Nüssen, Tomaten, Kräutern und Senf in Honig angebraten wird, vielleicht gar mit etwas Balsamico-Essig: ein Gedicht! Es besteht keine Notwendigkeit, ein falsches Filet Stroganoff mit Sahne auf Sojabasis herzustellen, das sowieso keinen Geschmack aufweist und schliesslich sogar die Illusion zerstört, man esse ein Filet Stroganoff. Desgleichen wehre ich mich strikt gegen alle Ersatzprodukte für nicht koschere Zutaten, die als künstliche "koschere" Produkte verkauft werden, wie beispielsweise Krevetten oder Tintenfisch aus Seehecht- oder Kabeljaufleisch, die ich in meiner Küche strikte ablehne und die Sie auch nie auf einem meiner Buffets finden werden. Natürlich ist die koschere Küche während Pessach etwas eingeschränkter, doch es gibt immer noch eine reichhaltige Auswahl an schmackhaften Rezepten, die problemlos verwendet werden können.

Ihre Buffets sind berühmt, auch wenn uns ein bestimmter Bereich von ihnen besonders üppig erscheint, nämlich die Nachspeisen. Welches ist Ihre Spezialität auf diesem Gebiet?

Sie können sich unschwer vorstellen, dass ich als jemand, der mit den Händen im Teig und im Zucker gross geworden bin, eine ausgeprägte Schwäche für Desserts besitze. In Bezug auf diese Speisen, die am Ende eines Menüs serviert werden, gebe ich allerdings bei weitem rohen Zutaten den Vorzug vor gekochten. Ich liebe Obstsalate und frische Früchte, aber ich bereite auch Kompott, Kuchen und Gebäck zu. Leider habe ich in meiner Eigenschaft als Chefkoch keine Zeit mehr, die Nachspeisen selbst zu kreieren und muss mich dabei auf die Hilfe eines Konditors verlassen. Es zählt auch kein Dessert zu meinen Spezialitäten.

Ein Artikel zu einem gastronomischen Thema wäre unvollständig ohne die Erwähnung der Weine, die ein feines, von Ihnen komponiertes Essen begleiten können. Was halten Sie von den israelischen Weinen?

Im Verlauf der letzten fünfzehn Jahre haben unsere Weine grosse Fortschritte erzielt, was insbesondere auf die Entwicklung des Weinanbaugebiets am Golan zurückzuführen ist. Dabei sprechen wir aber von einem lokalen Wein, Israel kann nicht mit dem Bordelais, dem Burgund oder Kalifornien verglichen werden. Die israelischen Weine gehören in dieselbe Kategorie wie einige italienische oder australische Weine.

Können Sie uns die Namen einiger international bekannter Persönlichkeiten nennen, die von Ihnen bekocht wurden?

Die Auswahl ist umfangreich und vielfältig, doch als Beispiele für meine VIP-Kundschaft kann ich sowohl Michael Jackson angeben, der nur Pizza ass, als auch den Feinschmecker François Mitterrand, aber auch Hillary Clinton (die ein paar Kostproben für ihren Mann mitnahm), Madonna und zahlreiche Staatschefs und Politiker jeder Couleur, einschliesslich des Chefredakteurs von SHALOM.

Gehören Sie zu den Köchen, die um fünf Uhr morgens auf dem Markt stehen, um die Qualität der gekauften Produkte zu prüfen?

Nein, zu denen gehöre ich nicht, denn diese Chefköche gibt es nicht. Es sind zahlreiche Legenden über Köche im Umlauf, die entweder persönlich auf den Markt gehen oder aber eigenhändig Kräuter zum Würzen ihrer Gerichte pflücken oder gar die Zitronen auf den Bäumen im Hotelgarten aussuchen. Unsere Arbeitsweise macht dieses Vorgehen unmöglich. Dies erledigen meine Einkäufer, und ich prüfe die Qualität der Waren, die im Hotel eintreffen. Ab und zu suche ich die Lieferanten auf um Neues zu entdecken.

Europa leidet sehr unter der BSE-Krise und neuerdings auch unter der Maul- und Klauenseuche. In Israel scheint dieses Problem nicht zu existieren. Wie erklären Sie sich dies?

Im März, April und Mai dieses Jahres ist der Verzehr von Rindfleisch in Israel stark angestiegen. Die Nachfrage stammte natürlich von Ausländern, die das Fleisch hier bedenkenlos verzehren können. Doch diese Euphorie wird kaum lange anhalten, denn die Einfuhr wird teurer und die lokale Produktion, insbesondere für koscheres Fleisch, reicht bei weitem nicht aus. Dazu muss man wissen, dass 70% des lokalen Schlachtfleisches von der arabischen Bevölkerung konsumiert wird, da diese das Einfrieren des Fleisches ablehnen und nur frisches essen. Von den übrigen 30% entsprechen nur 30% ausreichenden Kriterien, um zu koscherem Fleisch zu werden. Daher sind wir auf Importe angewiesen, die heute aus Südamerika stammen.

Könnten Sie uns abschliessend sagen, woraus Ihrer Ansicht nach eine gute Mahlzeit besteht?

Meine Aufgabe ist es Speisen zuzubereiten; niemals würde ich einem Gast sagen, dieses oder jenes Gericht könne nicht serviert werden. Eine gute Mahlzeit ist ein Feuerwerk für die Zunge, sie ist appetitlich und lecker, aber in erster Linie muss sie dem Kunden schmecken und ihm zusagen, damit er zufrieden vom Tisch aufsteht und... wiederkommt.


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