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Inhaltsangabe Analyse Frühling 1999 - Pessach 5759

Editorial - Frühling 1999
    • Editorial

Pessach 5759
    • Vermittlung des Judentums

Politik
    • Alle im Zentrum
    • Die Zersplitterung der Knesset

Interview
    • Grundsätze und Realpolitik

Analyse
    • Treibsand

Judäa – Samaria – Gaza
    • Efrat

Kunst und Kultur
    • Hebräische Manuskripte aus dem Mittelalter in der British Library
    • Arthur Szyk
    • Die musikalische Sprache der Torah

Reportage
    • Athen und Jerusalem
    • Griechisches Judentum - Quo Vadis ?
    • Saloniki

Gesellschaft
    • Eine moralische Verpflichtung

Wirtschaft
    • Die Welt der Formen öffnet sich den Blinden

Tsedaka
    •  Bereitschaft - Kompetenz - Hingabe

Ethik und Judentum
    • Die Risiken der Prävention

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Treibsand

Von Zvi H. Hurwitz*
Als Datum für die nächsten israelischen Wahlen wurde der 17. Mai dieses Jahres festgelegt, ein ausgezeichneter Tag für den Likud. Es werden nämlich auf den Tag genau 22 Jahre her sein, dass Menachem Begin seine erste Wahl gewann, nachdem er fast 30 Jahre in der Opposition verbracht hatte, und Israel auf diese Weise den ersten nicht sozialistischen Ministerpräsidenten verschaffte. Vielleicht besteht für diejenigen unter uns, die gerne mit Zahlen jonglieren, eine Beziehung oder eine Bedeutung in den Zahlen 1977, 1999 und 22.
Im Verlauf dieser 22 Jahre stand der Likud 16 Jahre lang an der Macht, war zwei Jahre lang an einer Regierung der nationalen Einheit beteiligt und verbrachte danach vier Jahre in der Opposition. Den Höhepunkt erreichte die Partei mit 46 Sitzen in der Knesset und sank nach den Wahlen von 1996 mit nur 22 Abgeordneten in ein Wellental. Nur dank seiner Verbindung mit den Parteien Gescher (David Levy) und Tsomet (Raphaël Eytan), die jede über 5 Sitze verfügte, gelang es dem Likud, einen Block mit 32 Sitzen zu bilden.
Vor kurzem haben einige bedeutende Persönlichkeiten den Likud verlassen : David Levy, dessen politische Zukunft heute unsicher musste sich schlussendlich der Arbeitspartei anschliessen wird ; Dr. Benjamin Begin, der seine eigene Partei mit dem historischen Namen Cheruth  gegründet hat; Dan Meridor, der Gründungsmitglied und einer der Leiter der neuen Zentrumspartei geworden ist; Yaakov Neeman, der in seine Anwaltskanzlei zurückkehrte; Itzchak Mordechai, der sich der Zentrumspartei anschloss, deren Leitung man ihm angeboten hat und die ihn als Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vorschlug. Sie alle sind aus dem Likud ausgetreten, weil sie dem Ministerpräsidenten verschiedene Dinge vorwerfen : die einen klagten über persönliche Streitereien, die anderen über politische oder ideologische Meinungsverschiedenheiten. Für die einen war Benjamin Netanyahu zu extrem, für die anderen zu nachgiebig. Mehrere Persönlichkeiten des Likud haben beschlossen, Benjamin Netanyahu auf eigenem Grund und Boden entgegenzutreten, und zwar anlässlich der internen Parteiwahlen. Dieses Vorgehen ist für eine demokratische Partei, die dieser Bezeichnung würdig ist, durchaus legal und an der Tagesordnung. Es wäre in Israel sowohl auf Partei- als auch auf Landesebene undenkbar, eine ähnliche Situation zu erleben wie das Nachbarland Syrien, wo der Präsident mit 99,98% der Stimmen „wiedergewählt“ wurde.
Diese Herausforderungen sind nicht nur rechtmässig, sondern auch wünschenswert. Ich erinnere mich daran, dass Menachem Begin sich während zahlreicher Jahre, als er an der Spitze des Likud stand, regelmässig dieser Art von Prüfung gegenübersah, was bewies, dass seine Wahl nicht einstimmig gutgeheissen wurde. Als Itzchak Shamir 1983 an die Parteispitze gewählt wurde, kandidierte ein völlig Unbekannter gegen ihn, der nur eine Stimme erhielt… seine eigene. Uzi Landau war der erste, der Benjamin Netanyahu für die Leitung des Likud herausforderte, gefolgt von Mosche Arens, der anlässlich der internen Wahlen recht erfolglos blieb.
Auch die Arbeitspartei hat eine ähnliche Situation erlebt. Ihr Leadership musste sich einem internen Kampf um die Parteileitung stellen, und der Sieg von Ehud Barak stösst bei weitem nicht auf Einstimmigkeit. Zahlreiche führende Politiker der Arbeitspartei sind mit der Art und Weise, mit der er die Parteiangelegenheiten betreut, nicht zufrieden, wobei die schlechten Ergebnisse seiner persönlichen Entscheidungen noch negativer geworden sind, seitdem er einen amerikanischen « Sonderberater » eingestellt hat. Dieser Fachmann hat Ehud Barak, der eigentlich ein recht angenehmer Mensch ist, in einen frustrierten und neurotischen Politiker verwandelt. Zahlreiche hochstehende Parteifunktionäre haben die Arbeitspartei verlassen und sind der neuen Zentrumspartei oder einer anderen neugegründeten Partei beigetreten. So haben sich Chagaï Merom, Nissim Zvilli und auch Uri Savir (ehemaliger Direktor des Aussenministeriums in der Zeit der Osloer Abkommen), alle drei Stützpfeiler der Partei, der neuen Zentrumspartei angeschlossen. Die Frau, welche an der Spitze der Sektion Frauen dieser Partei stand, hat sich mit Pnina Rosenbloom zusammengetan, dem ehemaligen Topmodell, das eine Partei gegründet hat. Amir Peretz, der die Gewerkschaft Histadrut leitet, hat wiederum als Abtrünniger der Arbeitspartei die neue Partei der Arbeiter geschaffen. Interessanterweise kann beobachtet werden, dass die „Kronprinzen“ der Arbeitspartei, die Kinder des verstorbenen Itzchak Rabin, der Partei ebenfalls den Rücken gekehrt haben. Sein Sohn Yuval leitet seine eigene Organisation und seine Tochter Dalia Rabin-Pelosoff ist der Zentrumspartei beigetreten.
Letztere ist in der israelischen Politik eigentlich keine neue Erscheinung. Bereits anlässlich der Wahlen von 1977 war eine ähnliche Partei aufgetaucht. Auch damals war sie schon von bekannten Persönlichkeiten und Generälen gegründet und geleitet worden : Yigal Yadin, Meir Amit, Shmuel Tamir usw. Es hat schon immer mehr oder weniger erfolgreiche „Zentrumsparteien“ gegeben.
Der Treibsand, auf dem sich die Wahlen 1999 abspielen, entstand in direkter Konsequenz aus einer Abänderung des Systems, die kurz vor der Wahl von 1996 in Kraft trat. Dieses Verfahren gibt dem Wähler die Möglichkeit, getrennt für den Ministerpräsidenten und für eine Partei zu stimmen, die nicht in jedem Fall mit der Partei dieses Kandidaten übereinstimmen muss. Durch dieses neue System werden die politischen Parteien in Israel aufgesplittert. Bei seiner Einführung dachten alle, oder hofften es zumindest, dass dadurch die kleinen Parteien eliminiert werden könnten. Es ist jedoch genau das Gegenteil eingetreten : die Zahl der kleinen Parteien ist deutlich angestiegen. Im Grunde ist diese Methode ziemlich eigenartig. Dem Wähler werden zunächst mehrere Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vorgeschlagen, dann kann er sich frei für eine Partei entscheiden, ganz egal, wie winzig und unbedeutend sie ist. Auf diese Weise erhielt Benjamin Netanyahu bei den Wahlen von 1996 die Stimmenmehrheit für das Amt des Ministerpräsidenten (ein grosser Teil stammte von der religiösen Wählerschaft), während gleichzeitig seine Partei, der Likud, einer Koalition zustimmen musste, in der sie nur 22 eigene Sitze besass.
Die Arbeitspartei erlitt ein ähnliches Schicksal. Ihr Kandidat für das höchste Amt wurde mit 30’000 Stimmen geschlagen, und die Partei als solche erhielt dennoch insgesamt 36 Sitze. Auch jetzt ist die Arbeitspartei wieder in Sorge. Sie hat die Farben ihrer Flagge gewechselt, da Rot in Israel nicht mehr beliebt ist, und hat ebenfalls ihren Namen in Ein Israel abgeändert, in der Hoffnung, unter diesem Banner die Parteien Gescher von David Levy und Meimad zu vereinen, eine kleine religiöse Gruppierung, die sich von der nationalreligiösen Partei abgetrennt hat. Diese drei Gruppen haben nichts gemeinsam ausser dem innigen Wunsch, den Platz der gegenwärtigen Regierung einzunehmen und vor allem Benjamin Netanyahu loszuwerden.
Bis heute hat sich kein allgemeines Bild herauskristallisiert, das im Vorfeld der Wahlen dominieren wird. Einige der neuen Parteien und Gruppierungen werden ihre Ambitionen vor dem 17. Mai aufgeben und schnell in Vergessenheit geraten. Andere werden sich zusammenschliessen und auf diese Weise den Stimmenanteil erhalten, der für den Einzug in die Knesset erforderlich ist. Nach dem gegenwärtigen System wird jede Partei eliminiert, die nicht 1% der Stimmen erhält, und die errungenen Wählerstimmen sind nicht übertragbar und folglich verloren. Daher kann davon ausgegangen werden, dass sich am Wahltag nicht 50 Parteien präsentieren werden, sondern bedeutend weniger. Letztendlich wird der Kampf zwischen den Hauptteilnehmern an der Wahl stattfinden, nämlich dem Likud, der Arbeitspartei, der Zentrumspartei, den religiösen Elementen und den israelischen Arabern.
Es besteht wenig Aussicht, dass einer der Kontrahenten für das Amt des Ministerpräsidenten die Wahlen im ersten Durchgang für sich entscheidet, da er dazu 50% der Stimmen erlangen muss. Es wird also zu einem zweiten Durchgang kommen, der am 1. Juni 1999 stattfinden wird, aller Voraussicht nach zwischen Benjamin Netanyahu und Ehud Barak. Die Anhänger des Likud und diejenigen der religiösen Parteien, die im ersten Wahlgang für Itzchak Mordechai oder für Benjamin Begin stimmen werden, übertragen ihre Stimmen danach wohl auf Benjamin Netanyahu. Es wird letztendlich nur sehr wenige Lagerwechsel geben.
Zum Schluss eine interessante Feststellung. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben alle Parteien ihre Kandidatenlisten für die nächste Knesset aufgestellt. Alle haben in irgendeiner Weise erste Wahlen abgehalten. Die Likudliste umfasst neben erfahrenen Ministern und Parlamentariern auch eine ganze Reihe junger Leute, die grösstenteils hochrangige Akademiker sind. Unter ihnen befinden sich mehrere Frauen und einige Neuzuzüger sephardischer oder orientalischer Herkunft. Benjamin Netanyahu wird durch diese Likudliste sichtlich zum Favoriten, die Presse ist sich überdies einig darüber, dass die Partei eine vielversprechende Auswahl junger Politiker präsentiert. Die Arbeitspartei hingegen schlägt eine Liste mit einer eindeutigen Linkstendenz vor, wobei einige wichtige Minister und Leader der Partei zurückgestellt wurden. Es fällt aber auf, dass dieser Liste die Begeisterungsfähigkeit und die Energie fehlen, welche die Likudliste mit der neuen Generation junger Kandidaten ausstrahlt.

* Zvi H. Hurwitz ist Generaldirektor der Menachem Begin Heritage Foundation.

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