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Inhaltsangabe Interview Frühling 2000 - Pessach 5760

Editorial - Frühling 2000
    • Editorial

Pessach 5760
    • Unabhängigkeit und Spiritualität

Politik
    • Schmale Öffnung oder Geschlossene Tür ?

Interview
    • Frieden… Welchen Frieden?
    • Golan - Der Widerstand organisiert sich

Strategie
    • Israel – Syrien. Welches Risiko eingehen ?

Judäa – Samaria – Gaza
    • Tatsachen vor Ort

Kunst und Kultur
    • Jacob Kramer (1892-1962)
    • Judaica und Hebraica in der königlichen Bibliothek Dänemarks
    • Jüdische Kunst in Dänemark
    • Das Symphonieorchester von Jerusalem

Wissenschaft und Technologie
    • BATM Advanced Communications  
    • Israel im CERN
    • Geheimnisvolle Heilkraft

Reportage
    • Jerusalem und Kopenhagen
    • Juden in Dänemark
    • Dänische Fakten

Reisetagebuch 
    • Versiegte Quellen

Ethik und Judentum
    • Die Kommerzialisierung des menschlichen Körpers

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Frieden… Welchen Frieden?

Von Roland S. Süssmann
Als er noch in den Kerkern des sowjetischen Gulags schmachtete, träumte NATHAN SCHTARANSKY von zwei einfachen Dingen: ein freier Mensch zu sein und zu seiner Frau Awital nach Israel reisen zu können. In seinen kühnsten Vorstellungen hätte er nicht zu hoffen gewagt, nicht nur mehrmals zum Minister ernannt zu werden, sondern vor allem eine bedeutende, wenn nicht gar entscheidende Rolle in der israelischen Politik zu spielen. Dank seiner Präsenz in der Regierung von Ehud Barak hat die gegenwärtig amtierende Koalition noch einen Hauch von Glaubwürdigkeit. Um die Einstellung und die Entscheidungen von Nathan Schtaransky in Bezug auf die aktuelle Politik der Regierung, deren Innenminister er ist, besser zu verstehen, geben wir an dieser Stelle die wesentlichen Punkte eines ausführlichen und ausgesprochen herzlichen Gesprächs wieder, das wir in Jerusalem mit dem ehemaligen Gefangenen von Zion geführt haben.

Obwohl Sie nicht der politischen Familie angehören, die in Israel traditionsgemäss als linksstehend angesehen wird, und obwohl Sie dem Land bereits als Minister in der Regierung Benjamin Netanyahu gedient haben, verkörpern Sie eine zentrale Figur in der jetzigen Regierung von Ehud Barak. Mit welcher Einstellung betrachten Sie den Verlauf und die Entwicklung des Friedensprozesses, insbesondere mit Syrien?

Ich denke nicht, dass der Frieden für die politische Führung Syriens ein eigenständiges Ziel darstellt. Wie in allen totalitären Regimes liegen ihre Prioritäten in der Wahrung der Macht und der unveränderten Kontrolle des Landes. In diesem Sinne zielen die meisten ihrer Anstrengungen auf eine Überwachung ihrer Bürger, ihrer Handlungen und Gedanken ab, da ihr Erfolg in erster Linie davon abhängt, dass das Gespenst eines inneren wie auch äusseren Feindes beibehalten wird. Wenn in den westlichen Ländern ein Politiker gewählt wird, besteht seine Aufgabe darin, seinem Volk Frieden und Wohlstand zu sichern. Ein Diktator ist durch diese Forderungen nicht gebunden. Die Begriffe Krieg oder Frieden verkörpern für ihn nur die Mittel, den Fortbestand seiner Macht zu garantieren. Aus diesem Grund versorgt Präsident Assad sein Volk täglich mit widersprüchlichen Botschaften, die heute von einer kompromisslosen Haltung zeugen, morgen direkte Angriffe gegen Israel fordern und einige Tage später ein wenig versöhnlicher klingen, wenn auch immer noch «Bedingungen für jede Form der Verhandlung» gestellt werden. Da ich aus Erfahrung mit der Funktionsweise totalitärer Regimes gut vertraut bin, fällt es mir schwer zu begreifen, woher die Behauptung stammt, Assad habe friedliche Absichten uns gegenüber, weshalb man uns dies einredet und warum wir bedingungslos daran glauben.
Was mich betrifft, und so wurde die Sachlage auch innerhalb meiner Partei Israel Be’ Alyiah festgelegt, denke ich, dass tiefgreifende Veränderungen im Nahen Osten erst dann verwirklicht werden können, wenn die Regimes dieser Region die demokratischen Werte nicht mehr ablehnen. Unsere Konzessionen müssen in einem direkten Verhältnis zur Öffnung und Demokratisierung unserer Nachbarn stehen.

Wie können Sie unter diesen Umständen ernsthaft daran glauben, erfolgreich verhandeln zu können, während Ihre Regierung bereit scheint, ihrem totalitären Gesprächspartner riesige Zugeständnisse zu machen?

Der gegenwärtige Ansatz, der darin besteht, insbesondere im Hinblick auf den Rückzug vom Golan jeder Forderung Syriens Folge zu leisten, erscheint mir falsch, gefährlich und wird nie zu einem echten Frieden führen. Zu Beginn der Verhandlungen befand ich mich innerhalb der Regierung in einer Oppositionsminderheit, doch mit der Zeit stiegen bei immer mehr Ministern und Politikern Zweifel an den wahren Absichten der Syrer auf. Im Rahmen der eigentlichen Verhandlungen stellen wir darüber hinaus fest, dass unser Ministerpräsident mit… einem Aussenminister diskutiert. Mit diesem Ungleichgewicht machen die Syrer sehr deutlich, wie wenig Wert sie diesen Verhandlungen und damit Israel beimessen. Ich bin keineswegs davon überzeugt, dass die gegenwärtigen Gespräche erfolgreich verlaufen werden.

Ihre Grundsätze und Ihre Ideologie scheinen letztendlich weit entfernt von denjenigen Ehud Baraks zu sein. Wo liegt Ihrer Ansicht nach der Punkt, ab dem Sie sich nicht mehr mit seiner Regierung identifizieren könnten?

Wenn wir ein Abkommen abschliessen, der die fast vollständige Abtretung des Golans an die Syrer vorsieht, während wir im Gegenzug das Recht erhalten, einige elektronische Warnstationen auf dem Berg Hermon aufzustellen, die von wenigen Israelis bedient werden, unternehme ich selbstverständlich alles in meiner Macht Stehende, damit diese Entscheidung vom Volk abgelehnt wird, und ich würde sofort aus der Regierung austreten. Ich hoffe jedoch, dass die demokratische Botschaft, welche die Bevölkerung Israels heute dem Ministerpräsidenten zukommen lässt, von diesem erhört wird, dass die öffentliche Meinung berücksichtigt und ein derartiger Vertrag nicht Gegenstand eines Referendums wird. Dadurch würde mir das soeben ausgemalte Dilemma erspart.

Wie stellen Sie sich zum Verlauf der gegenwärtig mit der PLO geführten Verhandlungen?

Die Gespräche mit den Palästinensern unterscheiden sich deutlich von denjenigen mit den Syrern. Israel ist das Land der Menschenrechte, in dem der Oberste Gerichtshof eine entscheidende Rolle spielt. Als wir mit der Intifada konfrontiert waren, befanden wir uns in einer unmöglichen Situation, denn wir entschieden über das Leben der palästinensischen Bevölkerung. Wir mussten eine Lösung für dieses Problem finden, indem wir den Palästinensern eine Form der Autonomie zugestanden, um nicht mehr die Verantwortung für ihr Leben zu tragen. Die Frage, ob dies über die Osloer Abkommen geschehen musste, bleibt offen. Der Grundgedanke dieses Vorgehens bestand darin, ein echtes, gegenseitiges Vertrauen zwischen beiden Parteien aufzubauen, indem die Palästinenser nach und nach bestimmte Gebiete und die Kontrolle über ihre Bevölkerung erhielten. Es hat aber nicht funktioniert. Wir stehen heute fast am Ende des Prozesses, und das Vertrauen ist immer noch nicht vorhanden. Meiner Meinung nach ist dies auf die Tatsache zurückzuführen, dass wir von Anfang an nicht auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beharrt haben, denn der Geist, in dem man die Osloer Abkommen konzipiert hat, wurde vollkommen verfälscht. Da Arafat geschwächt war, wollte man nicht zuviel von ihm verlangen, unabhängig von den Abkommen, für die er sich verpflichtet hatte. Dies bedeutet in anderen Worten, dass Israel seine Verpflichtungen bis ins letzte Detail erfüllen musste, während Arafat nur sein Bestes zu leisten hatte, auch wenn seine Taten weit hinter seinen Versprechungen zurückblieben. Dieses Konzept reichte aber noch viel weiter, denn es besagte, dass Israel Arafat dank immer mehr Zugeständnissen bestärken solle und der jüdische Staat seinerseits nicht auf eine Einhaltung der Verpflichtungen Arafats bestehen dürfe. Die in Wye Plantation unterzeichneten Verträge haben es ermöglicht, dass der Begriff der Gegenseitigkeit wieder berücksichtigt wird. Ich war an den Verhandlungen zu diesen Verträgen beteiligt, ich weiss, dass sie bestimmt nicht fehlerlos sind und noch viele Lücken enthalten, doch in diesem wesentlichen Punkt stellen sie einen echten Erfolg dar. Es ist uns in Wye eigentlich gelungen, die Idee eines «schwachen Arafats» zu widerlegen, obwohl uns dazu nicht nur die Palästinenser, sondern auch die Amerikaner widersprachen. Selbst als wir es endlich geschafft hatten, ein Zugeständnis der Palästinenser zu erhalten, stellten die Amerikaner alles wieder in Frage und behaupteten, wenn Arafat sich als zu nachgiebig uns gegenüber erweise, werde er nach seiner Rückkehr womöglich gefährdet sein! Sobald die Delegationen in der Region eingetroffen waren, zog sich Arafat von der gesamten Forderung der Gegenseitigkeit zurück, die auch von der Regierung Barak sofort nach ihrem Amtsantritt aufgegeben wurde. Als wir uns um eine Teilnahme an der Regierung bemühten und ich insistierte, diesen Begriff als Grundprinzip der Vehandlungen beizubehalten, widersetzte sich die Gruppe um Ehud Barak vehement dieser Idee, unter dem Vorwand, es handle sich um einen Begriff mit «schlechtem Ruf». Dies bedeutete im Klartext, diese Forderung habe Israel und vor allem der abtretenden Regierung als Ausrede gedient, die Verhandlungen einzustellen und den Palästinensern keine Zugeständnisse mehr zu machen, kurz, um keinen Vertrag mit ihnen zu unterzeichnen. Die ist natürlich kreuzfalsch. Schliesslich wurde eine sanftere Formulierung gefunden, die lautete, jede Partei sei verpflichtet, «parallele Anstrengungen» zu unternehmen.
Was meine heutige Einstellung zu den Verhandlungen mit der PLO betrifft, so ist sie eindeutig. Ich denke, dass wir alles daran setzen müssen, um Kompromisse betreffend die Aufteilung der Gebiete zu finden, und den Palästinesern eine sehr weitreichende Autonomie einräumen müssen: zahlreiche Rechte ausser demjenigen, uns zu vernichten. Gleichzeitig sollten wir jedoch für einen erfolgreichen Abschluss des Friedensprozesses auf der Forderung nach Gegenseitigkeit bestehen. Es ist durchaus denkbar, eine Form der friedlichen Koexistenz zu erarbeiten, auch wenn wir beim gegenwärtigen Stand der Dinge weit davon entfernt sind. Anlässlich der Unterzeichnung der Abkommen von Sharm-El-Sheik, wo wir den Begriff der Gegenseitigkeit aufgegeben hatten, haben wir den Palästinensern einige zusätzliche, in den Abkommen von Wye nicht vorgesehene Konzessionen zugestanden, um einen Rahmenvertrag abzuschliessen und eine Einigung über den bleibenden Status zu finden. Dieser hätte am 13. Februar 2000 unterschrieben werden sollen, was nicht geschehen ist. Noch müssen uns die Palästineser beweisen, dass sie tatsächlich den ernsthaften Wunsch hegen, in Frieden mit uns zu leben. Wenn wir jedoch sehen, was an den palästinensischen Schulen gelehrt wird, nämlich der Hass auf die Juden und die Israelis, drängen sich grosse Zweifel auf. Dieser Punkt des Bildungswesens und der Nichtanstiftung zur Gewalt ist ein Bestandteil der unterzeichneten Abkommen und wird in den kommenden Monaten bestimmt ganz zuoberst auf der Tagesordnung der zu verhandelnden Fragen stehen.

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