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Inhaltsangabe Kunst und Kultur Frühling 2000 - Pessach 5760

Editorial - Frühling 2000
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Jüdische Kunst in Dänemark

Von Mirjam Gelfer-Jørgensen *
Der Begriff der jüdischen Kunst ist als Konzept unklar und zweideutig, ausserdem existiert keine umfassende Definition dieses Begriffs. Im besten Fall kann man von verschiedenen Definitionen sprechen, da aufgrund von Zeit und Ort bestimmte Anforderungen erfüllt werden und gewisse Merkmale vorhanden sein müssen, bevor Kunst oder Kunstgewerbe als jüdisch bezeichnet werden kann. Die Definitionen fallen je nach Epoche und Ort sehr unterschiedlich aus, doch sie sind ebenfalls von unserer individuellen Auslegung abhängig. Es ist allgemein bekannt, dass ein Konzept, mit dem wir jeden Tag arbeiten, nicht auf eine einfache Formel reduziert werden kann, und dies ist an und für sich auch nicht bedauerlich, falls wir uns bewusst sind, dass wir es mit einem zweideutigen Begriff zu tun haben. So muss jeder einzelne Autor den Begriff und seine Bedeutung durchdenken und abwägen. Die Bezeichnung «jüdische Kunst» ist keinesfalls ein kunsthistorisches Instrument für die Klassifizierung von Kunstobjekten und -gegenständen, die in irgendeiner Weise als jüdisch bezeichnet werden können.
Es wäre fast einfacher die Definitionen zu eliminieren, die nicht verwendet werden dürfen. Jüdische Kunst ist nicht nur Kunst, die von Juden erzeugt wurde. Vom Altertum bis zum heutigen Tag sind unzählige Werke in Kunst und Kunstgewerbe von Nichtjuden für die Verwendung durch Juden geschaffen worden. So umfasst jüdische Kunst unter anderem auch Kunst, welche Teil des jüdischen Lebens ist und eine “Funktion” darin erfüllt. Von Juden erschaffene Kunst ist nicht zwangsläufig als jüdische Kunst zu bezeichnen, obwohl in diesem Bereich eine neue Interpretation ein Werk sozusagen einer neuen Kategorie zuordnen könnte. Ein Werk, das als “neutral” angesehen wurde, kann jedoch nach einer neuen Interpretation plötzlich als jüdische Kunst bezeichnet werden, wie dies für mehrere Künstler des 20. Jhds. der Fall gewesen ist, wie z.B. Barnet Newman, oder auch einige dänische Kunstschaffende.
Als nächstes stellt sich die unvermeidliche Frage, wer denn in diesem Kontext als jüdischer Künstler gilt. Ist es jemand, dessen Mutter Jüdin ist, wie das jüdische Gesetz die Bezeichnung «Jude» definiert? In diesem Fall gilt die Definition auch für assimilierte Juden. Was passiert jedoch mit einem Künstler, der sich zwar als Jude fühlt, jedoch nach dem Gesetz kein Jude ist?
Wie bereits erwähnt, gibt es unzählige Definitionen dafür, was der Begriff jüdische Kunst bezeichnet. Ungeachtet früherer Autoren, welche die Existenz des Konzepts rundweg leugnen, gab es im Verlauf des letzten Jahrhunderts so viele Definitionen der jüdischen Kunst, dass es verlockend wäre, ganz einfach auf dieser Grundlage zu entscheiden, dass jüdische Kunst letztendlich ein Konzept ist. Es geht dabei verständlicherweise besonders um Künstler, welche sich den Versuchen widersetzten, sie einfach aufgrund ihrer persönlichen Geschichte alle zusammen unter dem Hut “jüdische Künstler” zu vereinen. Dieses Gleichgewicht ist sehr schwer zu erreichen, so wie es auch bei den meisten Künstlern unmöglich ist, sie eindeutig der einen oder anderen Kategorie zuzuordnen. Einige Kunstschaffende haben ihre jüdische Abstammung anerkannt, wie beispielsweise der dänische Maler David Monies. Er wurde in «Danish Jewish Art» aufgenommen, da er natürlich hinein gehört, doch ich würde mich hüten, sein Werk in irgendeiner Art und Weise in Bezug zum jüdischen Konzept zu definieren. Er malte sowohl dänische Juden als auch Nichtjuden. Andererseits wurde Theodor Philipsen, der ebenfalls aus einer jüdischen Familie stammt, nicht in das Buch aufgenommen. Seine Motive, Landschaften und Tiere, enthalten nicht den mindesten jüdischen Aspekt, so wie auch er sich, soweit dies bekannt ist, keinesfalls mit dem Judentum verbunden fühlte. Wir hätten die Definition erweitern müssen, um ihn in diesem Buch aufzuführen. Desgleichen für den Architekten Arne Jacobsen, ganz zu schweigen von Pissaro, der formell als “dänischer Jude” bezeichnet werden kann, da er von jüdischen Eltern auf den dänischen westindischen Inseln zur Welt kam. Eine dritte Kategorie betrifft die Künstler, die sich bewusst von einem jüdischen Umfeld abwenden, das aber weiterhin in ihrem Werk zum Ausdruck kommt.
Einige jüdische Autoren haben das Konzept auf der Basis der ethnischen Zugehörigkeit definiert; wenn englische Kunst als Kunst bezeichnet werden kann, die von Engländern erschaffen wird, auch wenn sie ein sehr weitgefächertes Spektrum umfasst, dann muss es doch auch möglich sein, eine Kategorie zu schaffen, welche alle jüdischen Künstler umfasst, ganz egal ob sie aus Afghanistan oder New York stammen. Und von solchen Gedanken ausgehend wurden Versuche unternommen, einen besonderen jüdischen Stil auszumachen.
Es ist keinesfalls meine Absicht, eine eindeutige Definition von dänisch-jüdischer Kunst zu geben. Dies bedeutet andererseits jedoch nicht, dass ich die Existenz dieses Konzepts verleugne. Schon nur die Tatsache, dass ich von der Gesellschaft für die Veröffentlichung dänischen Kulturschaffens (Selskabet til Udgivelse af Danske Mindesmærker) gebeten wurde, über die «jüdische Kunst in Dänemark» zu schreiben, weist selbstverständlich auf die Existenz des Konzeptes, wenn nicht gar auf seine mangelnde Klarheit hin. Ausgangspunkt für «Danish Jewish Art» ist demnach nicht der Wunsch, die Künstler und Kunstwerke ihrer Position als dänische Künstler, die dänische Kunst schaffen, zu berauben, sondern vielmehr das Hervorheben der Aspekte ihrer Kunst, die sich mit den Juden und dem Judentum befassen. Analog dazu betrachten wir die Kunst in einem besonderen Licht, wenn wir z.B. die Künstler einer Stadt oder einer Region, bürgerliche Kunst, Kirchenkunst, von Frauen geschaffene Kunstwerke oder die Kunst des Goldenen Zeitalters Dänemarks untersuchen. Die Entscheidung für diese Kategorien, die in gewissem Sinne das Blickfeld einschränken, erfolgt in der Hoffnung, dass ein neuartiger Ansatz Aspekte erkennen kann, die ansonsten verlorengehen.
Ein weiteres Ziel dieses Buches ist es, die Geschichte einer Minderheit zu beleuchten, in diesem Fall der jüdischen Minderheit, die nach 300 Jahren engen Kontakts mit der Bevölkerungsmehrheit ein Teil der dänischen Geschichte geworden ist; diese Minderheit hat sich zwar integriert, ohne zwangsläufig assimiliert zu werden.
«Danish Jewish Art» befasst sich nicht mit der gesamten jüdischen Kunst in Dänemark, jedoch ausschliesslich mit dänisch-jüdischem Kunstschaffen. Es ist daher sehr viel schwieriger sich auf eine Definition festzulegen, wenn das Konzept der jüdischen Kunst mit dem Begriff einer Nationalität wie der dänischen verbunden werden muss, die allein schon Unklarheiten beinhaltet. Scania, Halland und Blekinge gehören in diesem Zusammenhang im allgemeinen nicht mehr dazu, doch Altona, ehemals dänisches Staatsgebiet, war eine wichtige Zwischenstation für die jüdische Immigration und die Niederlassung in einer Reihe von grösseren dänischen Städten, so dass ein Teil der hier entstandenen frühen jüdischen Kunst in den Begriff der dänisch-jüdischen Kunst eingeschlossen werden muss, wie dies in der Geschichte der dänischen Keramik der Fall ist, die auch Porzellan umfasst, das in den heute zu Deutschland gehörenden Herzogtümern entstanden ist.
In bestimmten Bereichen fanden wir es von Interesse, so umfassend wie möglich über das Kunstschaffen von dänischen Juden zu berichten. Auf anderen Gebieten wäre es hingegen absurd gewesen, diese umfassende Übersicht anzustreben.
Es wurde jedoch auch alles berücksichtigt, was in der einen oder anderen Art ein neues Licht auf das Leben und die Geschichte der Juden in Dänemark werfen konnte. So haben wir auch Künstler und dekorative Kunst eingeschlossen, die vollumfänglich der dänischen Kunst angehören, immer als dänische Kunst angesehen wurden und auch weiterhin als solche gelten werden. Dieses Buch soll sich, wie bereits gesagt, mit jedem jüdischen Element befassen, und sei es auch noch so klein.
Doch neben der als dänisch-jüdisch bezeichneten Kunst führt dieses Buch ein weiteres Kapitel in der dänisch-jüdischen Kunstgeschichte ein, nämlich das jüdische Porträt. Dafür gibt es mehrere Gründe, insbesondere da dieser Aspekt der dänischen Kunst im allgemeinen bisher noch nie behandelt wurde. Der Widerstand, der in Bezug auf diesen Aspekt der Kunst und Kultur in jüdischen Kreisen zu spüren war, wurde in den vergangenen 10 bis 20 Jahren weitgehend überwunden, und obwohl einige weiterhin der Ansicht sind, diese Einschränkung sei zu eng gefasst, glauben wir, dass ein Zusammenhang besteht zwischen den verschiedenen Ansatzpunkten dieses Buches zur dänischen Kunst, und dass auch diese ein neues Licht auf bestimmte Aspekte des dänisch-jüdischen Lebens und letztendlich der dänischen Kultur werfen können.
Da das übergeordnete Thema die Untersuchung des jüdischen Aspekts in der dänischen Kunst betrifft, haben wir eine Auswahl von Porträts dänischer Juden eingeschlossen ; das Studium dänisch-jüdischer Gemälde hatte nämlich rasch ergeben, dass eine grosse Zahl von Porträts von jüdischen Männern, Frauen und Kindern existierte. Dies ist einerseits als Ausdruck der eindeutigen Tendenz anzusehen, dass Juden sich ungeachtet religiöser Verbote von Bildnissen und entsprechender Hemmungen wie alle anderen Bürger des Landes gern porträtieren liessen. Wir waren der Ansicht, auch dies sei ein interessanter Aspekt der jüdischen Einstellung gegenüber der Kunst, so dass diese Porträts ebenso gut in dieses wie in andere Kapitel aufgenommen werden konnten. Wir wurden verschiedentlich davor gewarnt; drohende Finger wurden erhoben und es wurde die Meinung laut, dies sei ebenso gefährlich wie ausschliesslich über Frauenkunst zu berichten. Vielleicht besteht hier eine Parallele, doch heutzutage geht der Trend dahin, die jüdische Kultur nicht nur als unabhängiges Phänomen zu betrachten, sondern sie ständig in einen Zusammenhang mit der umgebenden Gemeinschaft zu stellen. Ein winziger Teil des riesigen Gebiets, das vom Begriff dänische Kunst abgedeckt wird, kann auch unter der Bezeichnung dänisch-jüdische Kunst betrachtet werden, d.h. als eine Art ikonografischen Standpunktes, wie auch andere Themen in der Kunstgeschichte immer wieder aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden.
Obwohl verlässliche Quellen für die in Dänemark lebenden Juden nur bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen, existieren Bilder von Juden seit dem Mittelalter. Mittelalterliche Wandmalereien in dänischen Kirchen belegen diesen bisher nicht beachteten Aspekt. Es leuchtet daher ein, dass dieses Thema und diese Motive ins Buch aufgenommen wurden, da sie sowohl dänische als auch ausländische Leser interessieren werden.
Der jüdische Beitrag zur dänischen Kunst war von bedeutendem Ausmass. Dies kommt unter anderem im Wunsch wohlhabender Juden zum Ausdruck, dänische Kunst zu erwerben und das dänische Kunstschaffen zu unterstützen. Ein nicht unwichtiges Kapitel in der Geschichte der dänischen Kunstmäzene betrifft eine Gruppe jüdischer Gönner und Kunstsammler. Auch dieser Aspekt wurde zu Recht ins Buch aufgenommen.
Die ganz besondere Situation Dänemarks verkörpert den geeigneten Hintergrund für diesen Versuch, so viele verschiedene Aspekte unter einen Hut zu bringen. Es wurden nicht nur fast alle dänischen Juden gerettet, sondern auch jüdische Kunstwerke, darunter auch Gebäude, entgingen der Zerstörung die in anderen Ländern unter deutscher Besetzung viel Unheil anrichtete. Es gleicht einem Märchen von Hans Christian Andersen, wie die zahlreichen herrlichen Torahrollen aus der Kopenhagener Synagoge in Ambulanzen transportiert wurden, um in der Krypta der Dreifaltigkeitskirche in sicheren Gewahrsam zu gelangen. Unter einem roten Herzen auf der Aussenmauer des Kirchturms, des von Christian IV. erbauten und 1642 vervollständigten Rundturms, steht der Wahlspruch des Königs: “Bring, oh Herr, Weisheit und Gerechtigkeit in das Herz Königs Christian IV.”; der Name G’ttes erscheint in goldenen hebräischen Lettern. So sind 300 Jahre dänischer und jüdischer Geschichte eng miteinander verbunden.
Das Schicksal der Juden in Dänemark ist nicht nur in der jüdischen Geschichte, sondern auch in der europäischen Geschichte ungewöhnlich. Auch sie hat finstere Zeiten durchgemacht, doch im Vergleich mit den Verfolgungen, Erniedrigungen und der vollständigen Vernichtung, die im 19. Jhd. in Osteuropa und im 20. Jhd. sowohl in Ost- als auch in Westeuropa stattfanden, leuchtet die Geschichte der dänischen Juden wie ein sanftes Licht im Dunkel.
Jahrelang haben wir aus diesem Grund die Hoffnung gehegt, Dänemark möge, wie andere Länder auch, ein jüdisches Museum gründen. Es sollte, wie auch dieses Buch, darüber berichten und zeigen, wie die - vielleicht nicht immer harmonische, aber im allgemeinen doch friedliche – Koexistenz nicht nur zu einer fruchtbaren Assimilierung geführt hat, sondern auch zu einer Integration, die seitens der Dänen nicht in der Bitte gipfelte, sämtliche Schranken und Angrenzungen abzuschaffen. Dieses Buch zeugt demnach auch davon, wie es einer Minderheit gestattet wurde, ihr eigenes ruhiges Leben “innerhalb eines grossen Ganzen” zu führen, und die gleichzeitig dank individueller Beiträge in der Lage war, die dänische Geschichte und Kultur in mancher Hinsicht nachhaltig zu prägen. In einer Zeit des zunehmenden Rassenhasses und des Nationalismus’ ist dieser Aspekt bestimmt nicht ganz unwichtig.

*Dr. Mirjam Gelfer-Jørgensen, Hauptbibliothekarin des «Museum of Decorative Art» in Kopenhagen, Leiterin und Ko-Autorin des Werkes «Danish Jewish Art».


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