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Inhaltsangabe Interview Herbst 1995 - Tischri 5756

Editorial - September 1995
    • Editorial

Rosch Haschanah 5756
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Politik
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Glaube und Gesetz

Von Roland S. Süssmann
"Die rechte Hand G'ttes". Unter dieser zugleich provozierenden und beunruhigenden Überschrift widmete die amerikanische Wochenzeitung TIME die Titelseite der Ausgabe vom 15. Mai 1995 einem Mann namens RALPH E. REED. Dieser 33jährige Vater dreier Kinder, protestantisch, besitzt ein Diplom in Geschichte und ist seit dem alter von 22 Jahren in der Politik aktiv. Bekannt wurde er als dynamischer und auch effizienter Exekutivdirektor der sehr einflussreichen "Christian Coalition", der mächtigsten Volksorganisation der USA. Handelt es sich um einen neuen Kreuzzug des 20. Jahrhunderts oder um eine Gruppe rechtsextremer religiöser Fanatiker ? Nein. Die Christian Coalition, deren Mentor und Gründer Pat Robertson ist, widerspiegelt die aktive politische Einstellung eines grossen Teils der schweigenden Mehrheit der amerikanischen Wählerschaft.
Eine vor kurzem für Newsweek durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass jeder dritte Wähler, d.h. die bescheidene Zahl von 33 Millionen Menschen, sich mit den konservativen Werten der religiösen und politischen Bewegung identifiziert ! Die Presse hat im übrigen einstimmig bestätigt, dass der Erfolg der Republikaner anlässlich der letzten Wahlen der Legislative von 1994 zu einem bedeutenden Teil auf die Christian Coalition zurückzuführen war. Man sprach nicht nur vom Erfolg einer Partei, sondern vom Sieg bestimmter Ideen oder eines Ideals, das in wenigen Worten so zusammengefasst werden könnte: für das Leben (gegen Abtreibung), für die Stärkung der Familie, für niedrige Steuern und die Wiedereinführung der traditionellen Werte und der klassischen konservativen Ideen. Die Mitglieder oder Sympathisanten der Christian Coalition stammen grösstenteils aus der amerikanischen "middle class", wobei zwei Drittel von ihnen protestantisch, ein Drittel römisch-katholisch, katholisch-orthodox oder jüdisch sind. Die Gruppe besteht zu 68% aus Frauen, von denen 50% verheiratet sind und 66% Kinder haben. Die Sorge um die Zukunft, die Sicherheit, den Schutz und die Erziehung ihrer Kinder steht im Vordergrund. Die Christian Coalition geht davon aus, dass die Stimme eines so grossen Teils der Wählerschaft in einer Demokratie im Rahmen des bestehenden politischen Umfelds nicht ungehört verhallen sollte, dass die Schaffung einer dritten politischen Partei jedoch nicht notwendig ist. Aus diesem Grund hat diese Organisation ein Programm der "Wählererziehung" lanciert, das mit allen modernen Mitteln der Kommunikation vertrieben wird: dazu gehören die Massenmedien, aber auch Internet, Fax, Telefonkampagnen und intensives Mailing. Die Informations-, Unterstützungs- oder Verunglimpfungskampagnen werden mit viel Aufwand betrieben, und die 1'600'000 aktiven Mitglieder könnten innerhalb einer Stunde mobilisiert werden. So hat man beispielsweise die Ernennung von Dr. Henry Foster, einem schwarzen Gynäkologen, zum Surgeon General vereitelt, da er zugab, innerhalb von 38 Jahren Karriere 39 Abtreibungen durchgeführt zu haben. Die von Ralph E. Reed gegen Foster gerichtete Kampagne in Presse und Politik war dermassen überwältigend, dass der republikanische Senator Bob Dole drohte, die Durchführung der Abstimmung über die endgültige Nomination von Bob Foster nicht im Senat stattfinden zu lassen.
Die Christian Coalition besitzt eigentliche Ausbildungsstätten namens "leadership schools", in denen die zukünftigen lokalen Führungskräfte für die politische Aktion, die Handhabung der modernsten aller Waffen, nämlich der Information - vor allem ausserhalb der Massenmedien, d.h. in Schulen, Kirchen, Synagogen, Versammlungszentren, lokalen Radiostationen usw. - ausgebildet werden. Ralph E. Reed sagt gerne: "Die Zukunft der Vereinigten Staaten hängt nicht von der Person ab, die im Weissen Haus in das berühmte "ovale Büro" einziehen wird, sondern von derjenigen, die sich jeweils im Direktorenzimmer jeder Schule einrichten wird."
Ein ebenso hartnäckiger wie falscher Glaube besagt, dass "die Juden in der amerikanischen Politik eine Hauptrolle spielen". In Wirklichkeit sieht dies ganz anders aus, davon zeugt insbesondere das Phänomen der Christian Coalition. Keiner der jüdischen führenden Politiker ist so umschmeichelt und gefragt wie Ralph E. Reed, und keine einzige jüdische Organisation verfügt über eine derart solide, wirksame und fest verwurzelte Infrastruktur wie die Christian Coalition. Bis heute haben ihn alle republikanischen Kandidaten im Hinblick auf die kommenden Präsidentschaftswahlen aufgesucht, um ihn um Rat zu fragen; in den meisten Fällen haben sie auch einen grossen Teil des politischen, vor allem aber des ethischen Programms der Christian Coalition übernommen. Letztere hat sich übrigens sehr deutlich zu bestimmten Themen geäussert, dazu gehört z.B. die Ablehnung der Abtreibung, die gegenwärtig in der amerikanischen Gesellschaft heftig umstritten ist. Die Christian Coalition wehrt sich ebenfalls gegen die Politisierung der homosexuellen Bewegungen sowie gegen eine Reihe anderer nachlässiger Haltungen, die heutzutage nicht nur von der amerikanischen Gesellschaft akzeptiert, sondern oft auch mit öffentlichen Geldern finanziert werden. Im Mai 1995 stellte die Organisation das Programm "Contract with the American familiy" (Vertrag mit der amerikanischen Familie) vor, deren Ziel die Stärkung der Familie und die Festigung sogenannter "vernünftiger" Werte ist. Dieses aus zehn Punkten bestehende Dokument deckt zahlreiche Aspekte des Privatlebens, der Gemeinschaft und der Politik ab, befasst sich mit der Wahlfreiheit der Schulen (dies impliziert eine vom Staat gezahlte finanzielle Kompensation für alle Kinder, die eine Privatschule besuchen), der Einschränkung der Pornographie und der vollständigen Entstaatlichung der Schönen Künste. Trotz ihres Namens nimmt die Christian Coalition nicht nur Christen auf, obwohl sie ursprünglich aus weissen Protestanten und Katholiken bestand. Sie richtet sich an alle Menschen, die guten Willens sind, unabhängig von ihrer Rassenzugehörigkeit und ihrer Religion. Frühere Führungskräfte der Organisation befinden sich an Schlüsselpositionen im Generalstab der Wahlkampagnen von Bob Dole, Phil Gramm und Pat Buchanan, doch keiner von ihnen arbeitet für Präsident Clinton. Der unaufhaltsame Aufstieg dieser christlichen Bewegung löst natürlich einige Besorgnis in gewissen Kreisen der jüdischen Gesellschaft Amerikas aus. Die Begegnung mit Ralph E. Reed schien uns daher besonders interessant; wir wollten seine innere Motivation, seine Ansichten über die jüdische Gesellschaft in den USA sowie über die Beziehungen seines Landes zu Israel kennenlernen.


Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg ?

Im Gegensatz zu dem, was üblicherweise angenommen wird, sind die grossen Probleme, denen die amerikanische Gesellschaft gegenübersteht, nicht nur wirtschaftlicher Art. Unsere Gesellschaft kämpft mit ernsthaften Schwierigkeiten im sozialen, kulturellen und moralischen Bereich. Jedes dritte Kind wird heute ausserehelich geboren, mehrere Dutzend Millionen amerikanischer Kinder wissen nicht, wer ihr Vater ist, und was noch schlimmer ist, kennen niemanden, der einen Vater hat. Jede zweite Ehe wird geschieden, jede dritte Schwangerschaft abgebrochen, jeder vierte Schüler ist am Ende seiner obligatorischen Schulzeit nicht in der Lage, sein Schulabschlussdiplom zu lesen. Gewalt und Kriminalität haben in ungeahntem Ausmass, auch bei Kindern, zugenommen. Obwohl die Religionsfreiheit gesetzlich verankert ist, wirft die öffentliche Ausübung von Religion immer noch Probleme auf. Aufgrund all dieser Faktoren besteht in unserem Land ein Konsens betreffend ein steigendes Bedürfnis nach Respekt der moralischen und religiösen Werte, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Leben. Die Amerikaner hingegen versuchen vermehrt, ein durch den Glauben bereichertes Privatleben zu schaffen. Viele von uns kehren in die Kirchen und Synagogen ihrer Jugend zurück, um ihren Kindern eine solide geistige Verwurzelung vermitteln zu können. In seiner Aprilausgabe 1994 wies Newsweek - das Magazin hatte zu diesem Anlass Jesus auf dem Titelblatt abgebildet - anhand einer Studie nach, dass 57% der Amerikaner täglich beten und 80% davon überzeugt sind, dass die Bibel von G'tt inspiriert wurde. Dabei handelt es sich nicht um ein neues Phänomen. Vor über 150 Jahren schrieb der grosse französische Historiker und Politiker Charles Alexis Clérel de Tocqueville: "Der Despotismus kann auch ohne Glauben bestehen, doch für die Demokratie ist dies unmöglich". Unser Erfolg beruht auf der Tatsache, dass wir einem im Volk tief verwurzelten Streben entsprechen, das begierig darauf wartet, sich auf individueller oder lokaler Ebene, sowie auch in der Nationalpolitik auszudrücken.


Obwohl ihre Bewegung einem Bedürfnis im Volk entspricht, kann nicht abgestritten werden, dass jeder politisch-religiösen Gruppierung heute ein bitterer Nachgeschmack anhaftet. Ob zu Recht oder zu Unrecht, wir gehen oft davon aus, dass ein Politiker sehr gut seine Religion in überzeugtem Glauben ausüben kann... im privaten Kreis; es gilt als "schlecht", wenn religiöse Überzeugungen zur Grundlage für eine öffentliche Tätigkeit werden. Dieser Politiker kommt einem dubios vor, und er bleibt oft erfolglos. Wie erklären Sie diese Realität ?

Die Religion wurde mit Fanatismus, der orthodoxe Glaube mit Faschismus gleichgesetzt, und gläubige Politiker gelten als Aufwiegler. In unserer Gesellschaft halten viele die Religion für etwas Subversives, da sie die absolute Wahrheit für sich in Anspruch nimmt. Stellt die Religion aber nicht das beste Gegengift gegen den Faschismus dar, da sie den Regierenden die Ehren verweigert, die sie nur G'tt vorbehält ? Hat uns die Religion nicht die wichtigsten, absoluten Wahrheiten der Geschichte überliefert, die darüber hinaus Gesetzeskraft erlangt haben, wie z.B. die Tatsache, dass Weisse und Schwarze gleichwertig sind, weil G'tt alle Menschen nach seinem Bild geschaffen hat, dass Sklaverei zu verurteilen ist, und natürlich die Heiligkeit des Lebens ? In gewissen "kulturellen" Kreisen gelten solche Begriffe natürlich schon fast als anstössig. Hier liegt die Bedeutung unserer Aktion, denn sie ermöglicht es gläubigen Menschen oder den Verfechtern traditioneller und konservativer Werte gewählt zu werden. Es wird vom Wähler nicht verlangt, dass er sich zum selben religiösen Glauben bekennt; er soll ihr politisches Programm unterstützen, ohne dass ihre persönlichen Überzeugungen ein Stein des Anstosses oder gar ein unüberwindliches Hindernis darstellen. Dies trifft übrigens nicht nur für Protestanten oder Katholiken zu, sondern für alle gläubigen Menschen oder Agnostiker. Der religiöse Politiker stützt sich bei seiner Arbeit auf seinen Glauben, doch er vertritt eine tolerante Einstellung und zeichnet sich durch den Respekt und die Achtung seiner Mitmenschen aus. Die religiösen Menschen verkörpern nicht den grössten Teil der Probleme, mit denen die Vereinigten Staaten konfrontiert sind, sondern stellen vielmehr ein wichtiges Element im Hinblick auf die Lösungen dar, die sich unserer Nation darbieten. In jeder Religion sind in einer kleinen Randgruppe kriminelle Elemente vorhanden, die im Namen G'ttes schreckliche Verbrechen begehen. Diese Ausnahmen sind bestimmt nicht die Aushängeschilder des jeweiligen Glaubens. Die Medien stürzen sich natürlich immer mit besonderer Vorliebe auf diese Auswüchse religiöser Gewalt, um die dunkle und fanatische Seite des Glaubens zu zeigen.


Fordern Sie in gewissem Sinne nicht die Errichtung einer Theokratie in den Vereinigten Staaten ?

Keinesfalls ! Wir sprechen uns für eine vollständige und endgültige Trennung von Kirche und Staat aus. Wir möchten ein Land, in dem jedermann seinen Glauben völlig frei ausüben kann, und keine Nation, welche ein Kind durch die Regierung zum Aufsagen eines Gebets zwingen kann, mit dem es sich nicht identifiziert. Wir sind aber eine zutiefst religiöse Nation. Die Gründer der Vereinigten Staaten lehnten "die Tyrannei über den menschlichen Geist", wie Thomas Jefferson sich ausdrückte, ab, wie auch wir sie ablehnen.


Welches ist Ihre Einstellung gegenüber den Juden ?

Im vergangenen Januar bin ich zum ersten Mal nach Israel gereist. Ich habe das ganze Land besichtigt, einschliesslich Judäa, Samaria und die Golanhöhen. Ich bin zahlreichen Persönlichkeiten begegnet und habe selbstverständlich die heiligen Stätten des Christentums aufgesucht. Der ergreifendste Moment war bestimmt der Besuch von Yad Vashem, dieses quälende Erlebnis hat mich an die offizielle Politik der USA gegenüber Nazi-Deutschland erinnert: die Gleichgültigkeit angesichts der Vernichtung der Juden und der Todeslager, deren Existenz allen bekannt war. In meiner Eigenschaft als Direktor einer der wichtigsten amerikanischen Organisationen fühle ich mich verpflichtet und dafür verantwortlich, allen unseren Mitgliedern und Sympathisanten über diesen Abschnitt unserer Geschichte, mag er für uns noch so beschämend und unerträglich sein, die Augen zu öffnen. Wir werden die Leiden der Juden niemals vergessen, und ich werde alles in meiner Macht Stehende unternehmen, damit die Juden nie wieder zu Opfern von Hass und Diskriminierung werden. Als Historiker ist mir der ausserordentliche Beitrag des jüdischen Volkes zur Entwicklung Amerikas in allen Bereichen ständig bewusst. Es geht darum, in einer weltlichen Gesellschaft ein lebendiges und ergreifendes religiöses Leben aufrechtzuerhalten. Gefahr droht uns nicht nur durch die Aggressivität der Verfechter einer weltlichen Kultur, sondern auch durch die Gleichgültigkeit und Apathie, mit denen einige unserer Gemeinden den Problemen der gemischten Ehen und der Assimilierung begegnen. Ich denke nicht, unsere beiden Bewegungen zu einer einzigen verschmelzen könnten, auch wenn ich weiterhin davon überzeugt bin, dass wir zur Fortführung unseres gemeinsamen Kampfes die Konfrontation in Kooperation, das Misstrauen in Vertrauen und die Furcht in gegenseitiges Verständnis verwandeln müssen. Einige Punkte der Uneinigkeit werden natürlich weiterhin bestehen bleiben.


Am 3. April dieses Jahres haben Sie sich an die Anti-Defamation-Leage des Bnai Brith gewandt. In Ihrer Rede kam folgender bemerkenswerter Satz vor: "Es stimmt, dass der Mangel an Verständnis und Takt einiger unserer Mitglieder in den USA zur Entwicklung einer Art falschen paternalistischen Philosemitismus geführt hat, dank dem die Tatsache allein, für Israel eingestellt zu sein, bereits eine völlige Gefühllosigkeit gegenüber den Problemen der jüdischen Gemeinschaft in Amerika zulässig macht." Könnten Sie Ihren Gedankengang etwas genauer ausführen ?

Wir müssen in erster Linie zeigen, dass wir uns durch die Besorgnis der jüdischen Gemeinschaft im Hinblick auf eventuelle Diskriminierung oder Verfolgung betroffen fühlen. Ich denke dabei insbesondere an die Glaubensfreiheit, an die freie Wahl der Schule, an das Gebet in der Schule usw. Wir müssen ein offenes Ohr für die Bemühungen und Forderungen der Juden auf diesem Gebiet haben. Meiner Ansicht nach ist es unmöglich, pro Israel und gleichzeitig zutiefst antisemitisch zu sein. Es geht um zwei ganz unterschiedliche Dinge: einerseits um eine Frage der Aussenpolitik, und andererseits um einen Aspekt der Innenpolitik. Es ist unsere Pflicht, die Stimme der Juden im Rahmen der amerikanischen Innenpolitik anzuhören. Auf praktischer Ebene könnte die objektive Information über die jüdisch-christlichen Beziehungen, die Leiden der Juden in den "christlichen" Ländern und natürlich den Holocaust einen ersten Schritt darstellen, dem viele weitere folgen sollten. Meiner Ansicht nach ist die Zusammenarbeit in der gegenseitigen Achtung zwischen Christen und Juden möglich. Es gibt viel mehr verbindende als trennende Elemente. Wir entstammen ursprünglich demselben Glauben und beten zum selben G'tt. Immer mehr junge amerikanische Juden unter 45 Jahren identifizieren sich je länger je weniger mit dem linken Flügel der demokratischen Partei und sind womöglich viel gläubiger und aktiver als ihre Eltern. Heute haben sie selber Kinder und sorgen sich um die Entwicklung unserer Gesellschaft, vor allem auf kultureller und erzieherischer Ebene. Mit diesem Teil der jüdischen Gesellschaft, der zwischen 250'000 und einer Million Menschen umfasst, können wir zusammenarbeiten. Sie sind sicher nicht mit allen Punkten unseres Programms einverstanden, doch sie können sich bestimmt mit zahlreichen Zielen identifizieren. Es wäre denkbar, strategische Koalitionen zu schaffen, um uns gemeinsam für gewisse Forderungen, wie beispielsweise die freie Schulwahl, einzusetzen.


In Ihrem Buch heisst es, Sie seien Itzchak Schamir begegnet und hätten ihm gegenüber ihre Besorgnis angesichts des im Mittleren Osten gegenwärtig stattfindenden sogenannten "Friedensprozesses" zum Ausdruck gebracht. Welches ist Ihre grösste Befürchtung in diesem Zusammenhang ?

Meine Sorge ist es, dass Israel im Namen des Friedens die Gebiete an eine Organisation abtritt, die eine terroristische Vergangenheit und Grundlage besitzt, die sie noch nicht aufgegeben hat. Die Absichten Arafats sind mit den meisten Interessen im Zusammenhang mit der Sicherheit Israels nicht zu vereinbaren. Ich bin nicht davon überzeugt, dass der Friedensprozess in seiner heutigen Entwicklung der Sicherheit Israels wirklich zuträglich ist. Nach dem Abtritt der Gebiete wird es sehr schwierig sein, die Schaffung eines palästinensischen Staates innerhalb der israelischen Landesgrenzen zu verhindern. Der Prozess gefährdet Jerusalem und ihren Status als vereinigte Hauptstadt des jüdischen Staates.


Wie situieren Sie sich auf dem Spielbrett der amerikanischen Politik ? Zahlreiche Stimmen verdächtigen Sie, der extremen Rechten etwas zu nahe zu stehen.

Meiner Ansicht nach ist dies nicht der Fall. Die grosse Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung vertritt dieselben Ideen wie wir und identifiziert sich mit den von uns verteidigten Werten. Wir wünschen uns beispielsweise, dass Kriminalität und Drogenmissbrauch mit härteren Gesetzen bestraft werden: 65-70% der Bevölkerung sind in diesem Bereich derselben Meinung wie wir. Zahlreiche Menschen, die ebenso denken wie wir, bezeichnen sich nicht als Anhänger unserer Bewegung, unterstützen aber dennoch unsere Vorschläge. Im Rahmen der jüdischen Gemeinschaft teilt die sehr aktive und ständig wachsende orthodoxe Gemeinde zweifellos unsere grundlegenden Vorstellungen, wie z.B. die Heiligkeit des Lebens, die Bedeutung der Familie und des religiösen Unterrichts. Zahlreiche Juden, welche in der Politik konservative Thesen vertreten, identifizieren sich mit unserem landesweiten Programm.


Welche Beziehungen pflegen Sie zum Vatikan, insbesondere mit seiner politischen Abteilung ?

Wir besitzen keine direkten Beziehungen oder gemeinsame politische Aktivitäten mit dem Vatikan, doch wir stehen in ständigem Gespräch mit der amerikanischen Bischofskonferenz. Es ist nichts weiter als ein Dialog, und es herrscht zwar Einigkeit über viele Fragen, doch es sind auch Streitpunkte vorhanden. Im grossen und ganzen verstehen wir uns sehr gut.


Beinhaltet Ihre politische Tätigkeit auch den Aspekt der Bekehrung ? Wenn dies zutrifft, geht aus Ihrem Buch und Ihren Äusserungen hervor, dass diese Bemühungen sich nicht an die Juden richten. Wünschen Sie sich ein religiöseres Amerika ?

Wir sind keine Kirche, sondern eine politische Organisation. Mir läge jedoch am Herzen, dass die Regierung eine Politik zur Anwendung bringt, welche die Wünsche und Hoffnungen des amerikanischen Volkes tatsächlich widerspiegelt, wenigstens was Familie und Religion betrifft.
Unser Ziel besteht darin, aktiv und positiv für unser Land tätig zu sein und unsere Anhänger mitzureissen. Unsere Botschaft ist sehr überzeugend, es ist diejenige der Sieger. Am wichtigsten ist es jedoch, weiterhin unsere Ideen zu verbreiten und unsere Basis zu verstärken. Ich hoffe, dass unsere Bewegung am Ende des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrtausend anerkannt, akzeptiert und als Sprecherin von Millionen Amerikanern respektiert wird.

Die politische Aktivität von Ralph E. Reed ist an sich schon sehr erstaunlich. Sein Erfolg beweist, dass sie einem Bedürfnis entspricht. In der heutigen unsicheren Zeit stimmt eine so tief konservative Bewegung, ein derart mächtiger Apparat nachdenklich. Jedermann denkt insgeheim an die möglichen Konsequenzen eines politischen Kurswechsels oder an die Gefahren, die eine solche Organisation für die jüdische Bevölkerung der Vereinigten Staaten, für Israel und für die freie Welt im allgemeinen beinhaltet, wenn sie in schlechte Hände fiele...



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