Karnei Schomron | ||
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Von Roland S. Süssmann | ||
Als "Hindernisse für den Frieden" werden die jüdischen Siedlungen in Judäa und Samaria im Allgemeinen bezeichnet. In Wirklichkeit handelt es sich vielmehr um Hindernisse für den Krieg. Die Bestätigung dafür liefert ein Besuch in Gusch Karnei Schomron. Der Ort ist von strategisch höchster Bedeutung: Schchem (Nablus) liegt 22 km entfernt, Kalkilia 10 km? und zu den Stränden von Herzlia sind es 30 km! Einer der Hügel der Ortschaft überragt genau die Stadt Tel Aviv und ihre Vororte, die Strassen im Norden und im Süden von Karnei Schomron müssen zwingend von jeder Armee passiert werden, die von Jordanien her in Israel eindringen und die Küstenstädte des Landes besetzen möchte. Wir wollten besser verstehen, was Karnei Schomron darstellt, wie diese Siedlung organisiert ist, wie sich ihre Bevölkerung zusammensetzt und mit welchen Problemen sich die Verantwortlichen heute befassen müssen, und haben daher ein Gespräch mit HERZL BEN-ARI geführt, dem Präsidenten des Regionalrates von Karnei Schomron. Trotz ihrer strategischen Bedeutung und ihrer Nähe zu den grossen Zentren an der Küste Israels ist Karnei Schomron kaum bekannt. Können Sie uns in wenigen Worten sagen, was Ihre Siedlung so wichtig macht? Karnei Schomron wurde vor genau 32 Jahren gegründet und zählt heute 17'000 Einwohner. Die Bezeichnung "Karnei Schomron" bedeutet wörtlich "die Hörner von Samaria" und bezieht sich auf die beiden Hügel, welche die Region überragen. Der Ort liegt im Nordwesten von Cisjordanien, im Osten von Kfar Saba, 48 km von Tel Aviv und 85 km von Jerusalem entfernt. Die Bevölkerung ist recht stark durchmischt, sie besteht aus Einwanderern aus den USA, aus der ehemaligen Sowjetunion und aus Israel selbst. Ein altes Sprichwort besagt: Wenn zwei Juden zusammentreffen, gibt es drei verschiedene Meinungen. Sie können sich selbst ausmalen, welche Ideenvielfalt bei unseren 17'000 Einwohnern zusammenkommt! Dies trifft auch auf Glaubensfragen zu, so dass in der Religion alle Aspekte des modernen jüdischen Lebens vertreten sind; dasselbe gilt im Bereich der Politik. Einige unserer Bürger identifizieren sich gar mit den Thesen der linksradikalen Parteien. Es gibt zwei Quartiere, die ausschliesslich von frommen Juden bewohnt werden, die anderen sind gemischt. Das lokale Gemeindezentrum bietet eine ganze Reihe von kulturellen, religiösen und laizistischen Veranstaltungen an. Das Schwimmbad der Gemeinde hat Öffnungszeiten für den gemeinsamen Besuch von Männern und Frauen, aber auch getrennte Schwimmzeiten. So halten es auch die Sportvereine. Unser besonderes Augenmerk gilt der Erziehung, das Schulwesen ist sehr gut ausgebaut. Neben dem eigentlichen Unterricht bemühen wir uns nach Kräften, hilfsbedürftige Jugendliche bei Schulproblemen und bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen. Wir besitzen eine Jeschiwat Hesder mit 300 Studierenden (Talmudakademie, in der die Studenten einen Teil ihrer Ausbildungszeit in der Armee verbringen) sowie ein Internat für junge Mädchen in Alonei Schilo mit rund 200 Schülerinnen. Ausserdem setzen wir uns dafür ein, die Atmosphäre angenehm zu gestalten und die Lebensqualität zu erhöhen. Dies zeigt sich oft in kleinen Dingen, wie der Dekoration der Telefonkabinen, dem Aufstellen zahlreicher Skulpturen usw. Wir sind keine reiche Gemeinde, doch wir strengen uns ganz besonders an, um den Ort auch optisch zu verschönern. Gusch Karnei Schomron mit seiner Fläche von 7,5 km2 ist in sechs Quartiere aufgeteilt: Karnei Schomron, Ginot Schomron, Neve Menachem, Alonei Schilo, Mitzpe Twaim und Ramat Gilead. Die Aussicht von Ramat Gilead ist absolut atemberaubend, man hat den Eindruck, die gesamte Küste in der hohlen Hand zu halten, obwohl in dieser Region immerhin fast drei Millionen Israelis leben. Man muss sich also Folgendes klar machen: Wenn wir diesen Ort aufgeben und es zulassen, dass sich hier eine arabische Siedlung bildet, dann liegt die gesamte Küstenbevölkerung in Reichweite der feindlichen Geschütze. Im Gegensatz zu Gaza, wo die Kassamraketen aus flachem Terrain in ein anderes flaches Terrain abgeschossen werden, würden unsere Angreifer an dieser Stelle von einem Standort profitieren, wo sie von einem höher gelegenen Hügel aus in die Ebene zielen können. Welche Entwicklung sehen Sie für Ihre Siedlung voraus? Wir leiden, wie ganz Judäa-Samaria, unter den Verboten der Regierung Scharon und später der Administration Olmert, die Region weiter auszubauen. Seit sechs Jahren haben wir keine Baugenehmigung mehr erhalten, obwohl hier jedes Jahr rund 120 Eheschliessungen gefeiert werden. Nehmen wir z.B. meine eigene Familie. Ich habe sechs Kinder, von denen vier verheiratet sind, und keines der jungen Paare konnte hier eine Wohnung finden. Die Nachfrage ist dermassen hoch, dass ich morgen 500 neue Wohneinheiten bauen und diese ohne Anzeige in der Presse problemlos belegen könnte. Wenn sich die Lage nicht verändert, wird Karnei Schomron in etwa 40 Jahren zu einer Rentnersiedlung. Wie lange können Sie unter den jetzigen Umständen durchhalten? Sie können sich ja denken, dass wir es nicht zulassen werden, dass sich die Situation dermassen verschlechtert. Wenn mir klar wird, dass die israelische Regierung die Verbote beibehält, bleibt mir keine andere Wahl, als unser Hochbauamt, das alle Fragen des Wohnungsbaus regelt, zu schliessen und jeden nach Gutdünken schalten und walten zu lassen. Dann können die Leute dort bauen, wo sie wollen, wie sie wollen und was sie wollen. Meine Aufgabe ist es, für Recht und Ordnung zu sorgen, solange diese Vorschriften logisch sind und ein normales Leben ermöglichen. Doch wenn sogar die natürliche Entwicklung unserer Bevölkerung gefährdet wird, kann ich sie nicht mehr erfüllen und der Regionalrat muss diese Verantwortung abgeben. Zurzeit sind wir zum Glück nicht gezwungen, derart radikale Entscheidungen zu treffen. Uns ist natürlich bewusst, dass der Premierminister unter starkem Druck steht, doch er weiss ebenso gut wie wir, dass Konzessionen in Bezug auf den Wohnungsbau für junge Familien als Zeichen der Schwäche interpretiert würden und erneuten Druck nach sich zögen. Der Dominoeffekt würde nicht auf sich warten lassen, und der Ruf nach der Schaffung eines palästinensischen Staates auf unserem Land mit einer Hälfte von Jerusalem als Hauptstadt ist dann nur noch eine Frage der Zeit. Ich denke aber nicht, dass die Zukunft so düster ausfallen wird, wie man oft befürchtet. Ich lebe seit über dreissig Jahren hier und ich erinnere mich noch, wie Ezer Weizmann bei den Vertragsgesprächen mit Sadat sagte, dass wir den grössten Teil der jüdischen Siedlungen in unserer Region aufgeben müssten, wenn wir in Frieden leben wollten. Damals standen wir vor der Frage, ob wir die Wohnwagen durch feste Häuser ersetzen sollten. Wir haben für uns die Häuser entschieden und zählen heute 17'000 Einwohner, von denen nur noch etwa fünfzig in Wohnmobilen leben. Trotz der Schwierigkeiten in den vergangenen fünf Jahren sind ca. 500 Familien hierher gezogen. Wir haben nicht gejammert, sondern haben nach Lösungen gesucht. So haben beispielsweise diejenigen, die ein zweistöckiges Haus besassen, ein Stockwerk vermietet, andere haben einen Wohnwagen in ihren Garten gestellt und Ähnliches mehr. Wie steht es mit der Sicherheit in Ihrer Region? Sie entspricht im Grossen und Ganzen derjenigen in ganz Judäa-Samaria. Seltsamerweise stehen wir vor einem unvorhergesehenen Problem, das sich aus dem Bau der Sicherheitsmauer ergeben hat, die nicht durch unsere Region führt. Da die Terroristen nicht mehr dort über die Grenze kommen, wo sich der Zaun befindet, versuchen sie nun bei uns ins Land einzudringen. Wir müssen also extrem auf der Hut sein und eng mit der Armee zusammenarbeiten. Abschliessend kann ich sagen, dass wir hier einen Ort geschaffen haben, wo das Leben angenehm ist, wo die Bevölkerung friedlich zusammenlebt, obwohl sie stark durchmischt ist, und wo wir ein gemeinsames Ziel verfolgen, nämlich immer weiter zu wachsen, zu wachsen und? noch weiter zu wachsen. Diese Herausforderung möchten wir bewältigen, dies ist unsere Aufgabe und unsere Hoffnung. |