Muslimischer und Arabischer Antisemitismus | ||
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Von Professor Robert S. Wistrich * | ||
Der Antisemitismus in den arabischen Gesellschaften und im Iran gehört heute zu den bösartigsten und gefährlichsten Formen der Feindseligkeit gegenüber Juden. Seit mehreren Jahrzehnten, noch verstärkt ab dem Jahr 2000, ist dieser Antisemitismus im Islam fester Bestandteil des politischen Diskurses. In den renommiertesten Zeitungen und Magazinen der arabischen Welt erscheinen regelmässig hasserfüllte Artikel gegen die Juden, ausserdem überschwemmt eine widerwärtige antisemitische Propaganda die Fernsehprogramme des Nahen und Mittleren Ostens und erreicht beängstigende Ausmasse. Antisemitische Aussagen treten als Andeutungen in den Reden von Regierungsvertretern auf, sind bei religiösen Predigten, Radiosendungen und auf islamistischen Websites zwischen den Zeilen zu finden und gehören in der gesamten arabischen Welt zu den Lieblingsthemen von Karikaturisten. In diesen bildlichen Darstellungen erscheint die Figur des Juden unweigerlich verzerrt und entmenschlicht und wird als Fratze mit krummer Nase, als schmutzige, gierige, grausame und rachsüchtige Person gezeigt. Dieses extrem negativ gezeichnete visuelle und verbale Stereotyp, ein Gemeinplatz in der arabischen Presse und Literatur, hat die öffentliche Meinung im Nahen und Mittleren Osten nachhaltig und auf gefährliche Weise vergiftet. Dies bestätigt ein Blick auf die groteske Darstellung von israelischen und amerikanischen Juden, die systematisch mit den gemeinsten Charakterzügen in Verbindung gebracht werden: Hinterlist, Habsucht, Brutalität und Unmenschlichkeit. Im Verlauf der letzten 20 bis 30 Jahre wurden insbesondere die Israelis als die Verkörperung des Bösen hingestellt und werden landläufig als aggressiv und usurpatorisch präsentiert, als sadistische Besatzer, Mörder und Barbaren, denen man nicht trauen kann. Der jüdische Staat gilt dabei nicht nur als Kolonialmacht, als Kehrseite des westlichen Rassismus, oder (noch perverser) als siamesischer Zwilling des Nationalsozialismus, seine Verbrechen sollen auch bei weitem schlimmer sein als alle Grausamkeiten des Dritten Reichs. Die unaufhörliche Diabolisierung der israelischen Juden als "Nazis" hat es auch ermöglicht, Millionen von Arabern im gesamten Nahen und Mittleren Osten mit einer Botschaft voller Gift und Galle zu bombardieren. Daher ist es kaum verwunderlich, dass derart bösartige Karikaturen ein Gefühl geschürt haben, das ein beliebtes Lied mit dem Titel "Ich hasse Israel" hervorbrachte. Dieser Song war vor wenigen Jahren ein Hit in Kairo, Damaskus und Ostjerusalem. Es wird heute allgemein "akzeptiert", dass israelische Politiker wie Golda Meïr, Ehud Olmert, Mosche Dayan, Ariel Sharon und Ehud Barak als Monster in Naziuniformen dargestellt werden, mit blutigen Händen und umgeben von einem Heiligenschein aus Hakenkreuzen. Die Medien verbreiten diese Art von hetzerischer Provokation täglich an ein riesiges Publikum und in unzählige arabische Haushalte. Fernsehstationen wie z.B. Al-Jazeera verstärken immer wieder das teuflische Bild vom Staat Israel: Letzterer sei nicht nur für die Ermordung hilfloser arabischer Kinder verantwortlich, sondern verbreite auch bewusst Drogen, tödliche Viren, Laster und Prostitution in der arabischen Welt oder versuche Nahrungsmittel und Trinkwasser der Palästinenser zu vergiften. Das Protokoll der Weisen von Zion, das bekannteste gefälschte, antisemitische Dokument der Geschichte, galt lange als Bestseller in der arabischen Welt. 2002 diente es als Grundlage für eine Filmserie, die für einen Millionenbetrag für das ägyptische Fernsehen produziert wurde. Unter dem Titel "Ritter ohne Pferd" stellte die Serie in 40 Episoden, die während des Ramadans ausgestrahlt wurden, den Zionismus als einen Teil des Komplotts dar, der ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts von den Zionisten geschmiedet wurde, um die Kontrolle über die Welt zu erlangen. Ein Jahr später flimmerte die syrisch-libanesische Fernsehserie "Al-Shattat" (die Diaspora) über die Bildschirme. Diese neue antisemitische Produktion zeigte auch schockierende Szenen, die den Ritualmord als gängige jüdische Tradition präsentierten. Die mittelalterliche Legende von den Juden, die christliche Kinder töten und deren Blut für die Herstellung der Matze (ungesäuertes Brot) für Pessach verwenden, ist in der arabischen Welt weit verbreitet und wird von vielen für bare Münze genommen. Die immer stärkere Tendenz, die Schoah zu verleugnen, die vom iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad zur Staatsdoktrin erhoben wurde, ist nicht weniger unheilvoll. Erinnern wir auch daran, dass der syrische Präsident Baschir El-Assad, ein Alliierter des Irans, den Besuch von Papst Johannes Paul II. vor 5 Jahren zum Anlass nahm, eine öffentliche Hetzrede gegen die Juden zu halten, und dabei erklärte, diese hätten alle Grundsätze des göttlichen Glaubens mit Füssen getreten und dabei dieselbe subversive Haltung an den Tag gelegt, mit der sie bereits Jesus Christus verraten und gefoltert und später den Propheten Mohammed niederträchtig hintergangen hätten. Es wäre zu einfach, dieses judenfeindliche Gift als Kollateralschaden des israelisch-arabischen Konflikts zu bezeichnen. Sein Ursprung liegt in der islamischen Tradition und wird auch von jahrhundertealten antisemitischen Vorurteilen, Bildern und Vorwürfen des europäischen Christentums genährt. Der scharfe, beleidigende Unterton ist schockierend, und der bewusste Aufruf zur Gewalt lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Folgende Worte des bedeutenden saudischen Scheichs Al-Rahman Al-Sudayyis, Imam der Ka'aba-Moschee in Mekka (des wichtigsten Heiligtums des Islams), sind nur ein Beispiel für Tausende von ähnlichen Predigten, die regelmässig in der arabischen Welt verkündet und verbreitet werden: "Die Juden der Gegenwart sind eine verabscheuungswürdige Sippe von Ungläubigen, sie verdrehen das [göttliche] Wort, beten das Goldene Kalb an, sind Meuchelmörder? kurz, menschlicher Abschaum, von Allah verflucht und in Affen und Schweine verwandelt?". Weder die Friedensabkommen mit Ägypten und Jordanien noch die Osloer Verträge mit der palästinensischen Autonomiebehörde haben das Ausmass, die Intensität und die ungeheuerliche Boshaftigkeit dieser antisemitischen Hasstiraden abschwächen können. Sie beweisen, dass die arabischen Staaten die Existenz Israels auch über 60 Jahre nach dessen Gründung noch nicht anerkannt haben. Betrachtet man ausschliesslich die Quantität dieser antisemitischen Äusserungen (insbesondere in Ägypten), sieht man, dass das Ausmass der Feindseligkeit sich mit der Zeit keinesfalls verringert, sondern vielmehr vergrössert hat. Besonders bedauerlich ist die Tatsache, dass auch Theologen, Intellektuelle, Künstler und andere bekannte Persönlichkeiten aktiv an der Verbreitung dieser rassistischen Stereotype beteiligt sind. Die Vorhut dieser Hasskampagnen bilden die Chefredaktoren renommierter Zeitungen, Erfolgsautoren, Universitätsprofessoren und weitere selbsternannte Experten für das Judentum, die Juden und Israel. Der arabische Antisemitismus ist, in anderen Worten, nicht nur das Produkt einer staatlichen Manipulation oder das Resultat islamischer Demagogie, einer organisierten Propaganda, einer wenig fortschrittlichen Gesellschaft oder eines primitiven Hassgefühls, auch wenn all diese Elemente vorkommen. Er geniesst eben auch kulturelle und intellektuelle Legitimität. Der Hass und der Fanatismus, die sich aus diesem gnadenlosen Antisemitismus ergeben, übertreffen in ihrer Allgegenwärtigkeit alles, was in der Geschichte bereits vorkam: das christliche Mittelalter, die spanische Inquisition, die Dreyfus-Affäre, die Judenfeindlichkeit im zaristischen Russland. Das einzige Beispiel, das einem Vergleich standhält, ist Nazi-Deutschland, da in dessen Antisemitismus ebenfalls die "Vernichtung" gefordert wurde, die letztlich zum Völkermord der Schoah führte. Die Ähnlichkeiten zwischen dem Antisemitismus der Nazis und der Araber (insbesondere, aber nicht ausschliesslich, in seiner islamischen Ausprägung) sind effektiv augenfällig. In beiden Fällen besteht das oberste Ziel in der Vernichtung der Juden, sowohl als Rasse, als auch als Nation, Staat oder sonstige Gemeinschaft. Es ist derselbe Fanatismus zu beobachten, dieselbe Paranoia und dieselbe Überzeugung, man habe es mit einer weltweiten jüdischen Verschwörung zu tun, deren Ziel die Herrschaft über den Planeten sei. Diese Parallele ist nicht weiter erstaunlich, wenn man bedenkt, dass der moderne arabische Nationalismus und Islamismus dann entstanden, als der Nationalsozialismus in den 1930er Jahren immer erfolgreicher wurde. Man vergisst oft, dass die arabische Welt schon vor 70 Jahren zutiefst von der antisemitischen Ideologie der Nazis durchdrungen war. In Ägypten, Syrien, im Libanon, Irak und in Palästina wurde Hitler sehr bewundert, die Araber identifizierten sich mit dem Nationalsozialismus und arbeiteten aktiv mit ihm zusammen. Der Einfluss der Nazi-Ideologie auf die 1928 von Hassan al-Banna gegründete Bewegung der Muslimbruderschaft in Ägypten veranschaulicht diese Symbiose sehr deutlich. Anderes bekanntes Beispiel: die palästinensische Nationalbewegung unter der Leitung von Hadj Amin al-Husseini, einem engen Verbündeten Hitlers und fanatischen Antisemiten. Gegenwärtig ist die giftige Frucht dieses von den Nazis geprägten arabischen Antisemitismus in den Bevölkerungen von Staaten wie Iran, Syrien, Ägypten und Saudi-Arabien sowie in Terrororganisationen wie der palästinensischen Hamas, dem Hisbollah, dem islamischen Dschihad und der Al Kaida zur Reife gelangt. In allen oben genannten Fällen sind der Dschihad, der institutionalisierte Kult des Todes, die totalitären Methoden und der Hass gegenüber dem Westen (in erster Linie gegen die USA) untrennbar mit einem radikalen Antisemitismus verbunden. Vor allem die Islamisten streben entschlossen eine "Endlösung" an, die den Nahen Osten ein für allemal vom jüdisch-israelischen Krebsgeschwür heilen soll. Dieses Mal geht es nicht mehr um einen Befehl des Führers, sondern um ein Gebot von Allah selbst, das mit Hilfe eines heiligen Kriegs (Dschihad) erfüllt werden muss. Es geht dabei um die gnadenlose Zerstörung Israels, des Christentums und des ungläubigen jüdisch-christlichen Westens. Einzig die Abschreckungskraft Israels (mit den USA im Rücken) verhindert zurzeit die Umsetzung dieser Völkermordpläne in die Realität. Doch wie lange noch? Die arabischen Karikaturen geben dazu recht deutlich Aufschluss. Die visuelle Gleichstellung der Juden mit dem Teufel geht über den Vergleich mit den Nazis hinaus und schafft dadurch die entsprechenden Voraussetzungen für die Vernichtung eines universellen, "unmenschlichen" Feindes. Diese Spottbilder giessen absolut schamlos Öl ins Feuer aus Angst und Hass gegenüber Israel und den Juden (und auch gegen die USA), indem sie andeuten, dass das Ausradieren dieser Dämonen mit menschlichen Zügen eine moralische und gerechte Tat wäre. Eine gründlichere Analyse zeigt, dass die überspitzten Darstellungen der Juden als unheimliche, verschlagene und blutrünstige Kreaturen noch expliziter antisemitisch ausfallen als die Zeichnungen, die vor 1945 regelmässig im nationalsozialistischen Wochenblatt "Der Stürmer" erschienen. Die Figur des Juden wird immer wieder mit dem Hakenkreuz in Verbindung gebracht; damit verstärken die zeitgenössischen Karikaturisten das Abstossende an diesen Figuren und machen sie zur Inkarnation des Bösen. Diese widerwärtige Feindseligkeit, die unermüdlich nach der Zerstörung Israels schreit, wird im Iran ganz unverblümt geäussert. Im Dezember 2006 gab Präsident Ahmadinedschad bekannt, das zionistische Regime solle hinweggefegt und die Menschheit befreit werden. Die politische Führung Irans hat sich nicht einmal bemüht, seine Vernichtungswünsche zu vertuschen. Angesichts des unerbittlichen Rüstungswettlaufs um Atomwaffen, der Verbreitung des weltweiten Terrorismus, des Dschihads und des Märtyrertums, erahnt man, dass die Kombination all dieser Faktoren apokalyptische Züge annehmen könnte. In den Medien im Iran sowie in anderen arabischen Staaten wird der Antisemitismus systematisch geschürt, die Vernichtung Israels ist Teil einer weltweiten Revolution, in der es um das Schicksal der Menschheit geht und bei der letztendlich der Islam siegen soll. Im Iran wie auch in der übrigen arabischen Welt wird die Schoah einerseits verleugnet und andererseits instrumentalisiert, da sie als Quelle der Inspiration für die Zerstörung des jüdischen Staates herhalten muss. Diese Verschmelzung anscheinend so irrationaler und widersprüchlicher Ideen wird durch die Theorie von der antisemitischen Verschwörung ermöglicht, die nun fest in der Vorstellung von Millionen Muslims verankert ist. Seit dem Sieg der iranischen Revolution 1979 unter der Führung von Ayatollah Khomeini hat der schiitische Islam im Iran folgende Ideen als absoluten Grundsatz anerkannt: Die Juden kontrollieren die USA und die Vernichtung der Muslims ist Teil ihres geheimen Plans zur Übernahme der Weltherrschaft. Hier, aber auch in den sunnitisch geprägten Regionen, nährt diese verrückte Vision einen unerbittlichen ideologischen Antisemitismus, der untrennbar mit dem Heiligen Krieg gegen Israel und den Westen verknüpft ist. Der Kampf gegen die angebliche Beherrschung der Welt durch den politischen Zionismus ist zum tragenden Argument im arabischen und muslimischen Weltuntergangsszenario geworden; das Schreckensbild einer gegenseitigen Vernichtung droht eines Tages sehr wohl Wirklichkeit zu werden. |