Editorial
Von Roland S. Süssmann - Chefredakteur
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
In Jerusalem, in den Büros des Premierministers bläst man Trübsal. Seit Ehud Olmert angekündigt hat, dass er sich nicht zur Wiederwahl als Parteichef von Kadimah stellen wird und folglich auch als Regierungschef zurücktritt, haben sich auch Zuversicht und echte Überzeugung verabschiedet. Daran ändern auch das Tamtam und die virtuellen politischen Gesten vor den Kameras nichts, auch wenn dabei einmal Condoleezza Rice, ein anderes Mal Mahmud Abbas beteiligt sind. Mit dem Ende der Regierung Olmert wird auch eine politische Epoche abgeschlossen, in deren Verlauf die Rechte der Juden am gesamten Territorium Israels nicht nachdrücklich genug eingefordert wurden.
Auch wenn wir uns eher der Zukunft als der Vergangenheit zuwenden wollen, drängt es sich heute auf, Bilanz zu ziehen. Als Ehud Olmert an die Macht kam, bestand seine Aufgabe darin, das Beste aus den dramatischen Fehlern der vorangehenden Regierungen und ihren Folgen zu machen, zu denen die Osloer Verträge (mit dem Verzicht auf Hebron, die zweite heilige Stadt des Judentums), der voreilige Rückzug aus dem Libanon und vor allem die Ausweisung der Juden aus Gaza zählen. Diese einseitigen Konzessionen Israels haben in der arabischen Welt zu keinem einzigen Beweis der Mässigung geführt. Ganz im Gegenteil: Sie bewirkten die Stärkung der Hisbollah und des Hamas sowie die Radikalisierung der israelischen Araber.
Doch bevor ich das schwere Erbe analysiere, das der Nachfolger Olmerts antreten muss, will ich zwei positive Punkte hervorheben. Erstens hat Ehud Olmert keinen Fingerbreit des israelischen Territoriums an die Araber abgetreten. Was ihn nicht daran hinderte, eine Politik der eisernen Faust gegenüber den jüdischen Bewohnern von Judäa und Samaria an den Tag zu legen, indem er in den verschiedenen Siedlungen jede Form des Wohnungsbaus verbot, deren Bevölkerung seit seinem Amtsantritt dennoch um 14,6 % angestiegen ist. Zweitens kann ihm die Bombardierung der atomaren Einrichtungen in Syrien nicht hoch genug angerechnet werden, wobei diese defensive Aktion Israels in der internationalen Staatengemeinschaft mit keinem Wort verurteilt wurde.
Alles andere ergibt bei einem raschen Blick von Norden nach Süden eine eher negative Bilanz. Da wäre zunächst die katastrophale Art und Weise, wie der Zweite Libanonkrieg geführt wurde. Am gravierendsten ist die Tatsache, dass die Hisbollah am Ende des Konflikts dank Iran und Syrien besser bewaffnet ist denn je und eine neue Serie von Terroranschlägen, Entführungen und allgemeinen Raketenangriffen auf Israel vorbereitet. Ebenfalls im Norden rüstet Syrien weiterhin massiv auf, während es über die Wiedererlangung des Golans verhandelt. Dabei ist hervorzuheben, dass die Achse Damaskus-Teheran heute die wichtigste treibende Kraft im Krieg gegen Israel darstellt.
Geht man nun weiter nach Südwesten, stossen wir auf die PLO, besser bekannt unter dem Euphemismus „palästinensische Autonomiebehörde“. In diesem Zusammenhang lässt sich das Tun der Regierung Olmert in zwei Worten zusammenfassen: „Abbas retten“. Machen wir uns nichts vor: Dieser antisemitische Terrorist hat sich nur dank der Präsenz der IDF überall in Judäa-Samaria an der Macht halten können. Er ist auf Israel angewiesen, um die Hamas-Agenten in Cisjordanien zu verjagen, weil er nicht die geringste Absicht hat, seine Milizen für ein entschiedenes Vorgehen gegen den Hamas einzusetzen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann diese Organisation in der Region das Zepter übernimmt, falls Israel sich zurückziehen sollte. Doch welches Interesse verfolgt Israel in dieser Angelegenheit? Zurzeit geht es darum, den Hamas zu isolieren und ihn daran zu hindern, in Cisjordanien zu rasch an die Macht zu gelangen, denn der jüdische Staat kämpft im Norden und im Süden des Landes bereits gegen die Häscher des Irans und muss mit seinen Kräften haushalten.
Und schliesslich zeigt uns ein flüchtiger Blick auf die Vorgänge im „judenreinen“ Gaza, dass alle terroristischen Organisationen, mit Ausnahme der Fatah, die an die Macht will, dort unter der Gerichtsbarkeit des Hamas eine uneingeschränkte Handlungsfreiheit geniessen. Dort können sich der Al Kaida nahe stehende Gruppierungen, wie z.B. Jaisch-al-Islam oder der direkt mit dem Iran verbundene islamische Dschihad, insgesamt 16 Organisationen des islamischen Terrors, oft unterstützt durch die ägyptischen Muslimbrüder, ausrüsten, trainieren und alles unternehmen, um Israel zu bekämpfen und das Regime von Abbas zu stürzen. Ihr Ziel ist zunächst die Schaffung einer neuen Terrorzelle in Judäa-Samaria.
So sieht im Wesentlichen die Situation aus, die Ehud Olmert am Ende seiner Amtszeit hinterlässt… Und nun? Darauf gibt es keine einfachen oder schnellen Antworten, die sich in einem Editorial erschöpfend darlegen liessen. Doch einige richtungweisende Empfehlungen drängen sich dennoch auf. Auf politischer Ebene müssen einige wesentliche Überlegungen wieder in den Vordergrund rücken und daran erinnern, dass der Nahostkonflikt nicht territorialer, sondern ideologischer Natur ist, dass es dabei um den Kampf des radikalen Islamismus gegen die jüdischen moralischen Werte und die westlichen Freiheiten geht, und dass das Existenzrecht Israels keine Selbstverständlichkeit darstellt, auch nicht für westliche Regierungen. Der politische Diskurs muss von Grund auf überarbeitet werden, trügerische Begriffe wie Palästinenservolk, besetzte Gebiete, Palästinenserstaat, Teilung Jerusalems, Gebiete im Tausch gegen Frieden, Friedensprozess usw. müssen verbannt werden. Der islamische Faschismus wird durch Konzessionen wie jene, die man den Arabern seit den Osloer Verträgen und bis zu den Verpflichtungen von Annapolis zugesteht, nicht aus der Welt geschafft. Diese Zugeständnisse führen nur zur erbitterten Ablehnung von Israel, dem neuen Leitmotiv der so genannten „gemässigten“ Araber. Zu guter Letzt, und dies ist entscheidend, muss man der Idee den Garaus machen, die in Washington, Moskau, London, Paris und Brüssel zum Grundsatz erhoben wurde und besagt, dass die Lösung des „Palästinenserproblems“ (Übersetzung: Ausweisung der Juden aus Judäa-Samaria, Ansiedlung von 4 Millionen Arabern, angeblichen „Flüchtlingen“, in Israel, Schaffung eines PLO- oder Hamas-Staates in Cisjordanien mit Jerusalem als Hauptstadt) eine Garantie für die Stabilität im Nahen Osten darstellt. Dies ist völlig abwegig, denn dabei ignoriert man die Tatsache, dass der Nahe Osten vom Iran und seiner Dschihad-Politik, die in der gesamten arabischen Welt immer mehr an Boden gewinnt, destabilisiert wird. Gemeinsames Ziel ist die Vernichtung Israels. Dieser Verschlechterung kann man mit einer wirksamen Massnahme begegnen, nämlich der massiven Erhöhung der israelischen Bevölkerung in sämtlichen jüdischen Territorien zwischen Mittelmeer und Jordan, sowie einer militärischen und zivilen Rückkehr nach Gaza. Mit Hilfe dieses einen Schlüsselelements wird Israel den Kampf um sein Überleben weiterführen können.
In diesem Herbst begehen wir drei traurige Jahrestage: 70 Jahre sind seit der Kristallnacht vergangen, 35 Jahre nach dem Jomkippurkrieg und 15 Jahre nach dem schändlichen Händedruck zwischen Rabin und Arafat. Welches ist der gemeinsame Nenner dieser drei nicht vergleichbaren Ereignisse? Sie alle standen am Anfang einer langen Epoche mit vielen Toten und viel Leid für das jüdische Volk.
Hoffen wir, dass dieses neue Jahr, das in einem Klima der politischen Unsicherheit in Israel, in den USA und im Kaukasus anbricht, den Beginn eines neuen Zeitalters voller Freude und Glück für Israel und das ganze jüdische Volk markiert und dass Gilad Schalit endlich befreit wird.
In diesem Sinne wünscht Ihnen das gesamte Team von SHALOM, das nun seit 20 Jahren dieses Magazin herausgibt, ein gutes und erfolgreiches neues Jahr.

Roland S. Süssmann
Chefredakteur