Das Menachem Begin Institut | |
Von Roland S. Süssmann | |
Kürzlich erzählte mir ein pensionierter Concierge des berühmten King-David-Hotels in Jerusalem folgende Geschichte: In den Tagen nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten wohnte Menachem Begin im Hotel, weil an seinem offiziellen Wohnsitz einige Renovierungsarbeiten durchzuführen waren. Zusammen mit seinem Frühstück lieferte man ihm in der Regel die Tageszeitungen. Als eines Tages die Zeitungen ausblieben, rief einer seiner Assistenten den Concierge an, damit dieser sie rasch ins Zimmer bringe. Doch nichts geschah. Da griff Menachem Begin persönlich zum Telefon und sagte scherzhaft: «Muss ich das Hotel ein zweites Mal in die Luft sprengen, damit meine Wünsche erhört und meine Zeitungen geliefert werden?». Er konnte sich als ehemaliger Befehlshaber der Irgun wohl als einziger Mensch auf der Welt derartige Worte erlauben. In den letzten Jahren wurden in Israel mehrere Institutionen neu eröffnet, deren Ziel darin besteht, die Lehre und die politische Botschaft verstorbener Persönlichkeiten fortzuführen, welche die jüngere Geschichte des jüdischen Staates geprägt haben. So gibt es Zentren, die auf den Namen Mosche Scharret, David Ben Gurion, Yigal Alon, Itzchak Rabin usw. lauten. Diese Institutionen funktionieren ein wenig wie die grossen amerikanischen Präsidentenbibliotheken: Sie stehen der Öffentlichkeit zur Verfügung und erfüllen parallel dazu eine pädagogische Funktion, die im Allgemeinen in der Veröffentlichung von Werken im Zusammenhang mit der betreffenden Persönlichkeit oder mit Projekten von nationaler oder internationaler Bedeutung zum Ausdruck kommt, mit denen sich diese Staatsmänner befasst hatten. Zu einem Zeitpunkt, da die wichtigste Partei des nationalistischen Lagers in Israel, der Likud, an Terrain verliert und einen grossen Teil seines Einflusses auf dem politischen Parkett eingebüsst zu haben scheint, erachten wir es als notwendig, kurz in Erinnerung zu rufen, für welche Ideologie er eigentlich steht. Zu diesem Zweck möchten wir eine Reportage über das Menachem Begin Heritage Center von Jerusalem veröffentlichen. Dieses Institut, eine eigentliche lebendige Gedenkstätte für einen der grössten Staatschefs von Israel, dient zugleich als Museum, Forschungszentrum, Bibliothek und Ausbildungsstätte. Als fester Bestandteil des Staatsarchivs besitzt es alle Schriften und Elemente, die in einem direkten und indirekten Bezug zu den Tätigkeiten von Menachem Begin stehen. Es ist unmöglich, das Leben und Wirken von Menachem Begin in einem einzigen Artikel zusammenzufassen, doch es kann nicht schaden, die wichtigsten Etappen seines Lebens und die wesentlichen Punkte seiner politischen Tätigkeit in Erinnerung zu rufen. Begin, im Jahr 1913 in Brisk (Brest-Litowsk) in Polen geboren, wurde 1940 in Wilnius, wo er Anführer des Betar war, von den Sowjets verhaftet und wegen antisowjetischer Tätigkeit zu acht Jahren Gefängnis in einem sibirischen Arbeitslager verurteilt. Nach seiner Befreiung traf er 1942 in Eretz Israel ein, und zwar in Uniform und als Mitglied der freien polnischen Armee. Sein Kampf von 1943 bis 1948 im Untergrund in der Gruppe Etzel (Irgun Tsvaï Leumi), seine politische Tätigkeit in der Opposition gleich nach der Staatsgründung bis zu seiner Wahl in das höchste Amt des sechsten Ministerpräsidenten 1977, die Unterzeichnung des Friedensvertrags mit Ägypten (1979), die Bombardierung der nuklearen Anlagen von Osirak im Irak (1981), der Libanonkrieg (1982) und schliesslich sein Rücktritt (1983) nach dem Tod seiner Ehefrau Aliza, diese Ereignisse sind in die Geschichtsbücher eingegangen. Das herausragende Merkmal seines gesamten Wirkens bleibt jedoch zweifellos die beständige Erinnerung an das unantastbare Recht der Juden auf das gesamte Gebiet von Israel und die konkrete Umsetzung dieses Gedankens vor Ort. Zur Verwirklichung seiner Idee rief Menachem Begin die Siedlungsbewegung in Judäa-Samaria und im Bezirk Gaza ins Leben. Trotz der vor kurzem erfolgten Auflösung der jüdischen Ortschaften in dieser Region leben heute über 200'000 Juden auf dem Land ihrer Vorväter in Judäa und Samaria, verteilt auf über 150 Siedlungen. Auch wenn man schlichtweg feststellen muss, dass die gesamte politische Klasse sein Erbe verraten hat und die gegenwärtigen Spitzenpolitiker des Likud ernsthaft ins Auge fassen, bedeutende Abschnitte von israelischem Gebiet an die Araber abzutreten, wenn auch nicht einseitig, verdienen seine Ansichten unsere ganze Aufmerksamkeit, denn sie sind heute aktueller denn je. Vor diesem Hintergrund haben wir den Besuch im Begin Memorial angetreten und fordern Sie auf, uns dabei aufmerksam zu folgen. Bei seiner Ankunft im Zentrum ist der Besucher zunächst von der landschaftlichen Schönheit des Standorts überwältigt. Das moderne Gebäude, das ganz im Süden des von Sir Moses Montefiore konzipierten historischen Quartiers Yemin Mosche liegt, geniesst einen freien Blick auf die Mauern der Altstadt von Jerusalem, auf die Wüste von Judäa und bis zum Toten Meer. Die interaktive Ausstellung, in der das Leben von Menachem Begin gezeigt wird, beginnt mit einem kurzen Film, in dem ein Sprecher des israelischen Fernsehens den Tod des grossen Mannes bekannt gibt und in dem man den Trauerzug von 90'000 Menschen sieht, die ihm in der Knesset die letzte Ehre erweisen. Danach entdeckt der Besucher die verschiedenen Etappen seines Lebens, von seiner Geburt in Brisk bis zu seinem Tod, und zwar anhand von Filmauszügen, Interviews, seinen Reden in der Öffentlichkeit und vor der Knesset, wodurch einem das herausragende Rednertalent in Erinnerung gerufen wird, dank dem Menachem Begin seine Zuhörerschaft fesseln konnte. Anschliessend betritt der Besucher den Salon, in dem die Originalmöbel aus der kleinen Zweizimmerwohnung an der Rosenheimstrasse in Jerusalem zu bestaunen sind, in der die Familie Begin seit 1946 wohnte und von der Menachem jeweils sagte: «Ich werde diese Wohnung erst verlassen, um in die Residenz des Ministerpräsidenten zu ziehen.». Man verfolgt auch die Vorbereitung des Attentats gegen das Hauptquartier der britischen Streitkräfte im King-David-Hotel, es ist eine Aufnahme der telefonischen Warnung vor dem Anschlag an den englischen Kommandanten zu hören. Es folgen die Altalena-Affäre und die Rede zur Nation, die Menachem Begin am Tag der Wiederauferstehung des Staates Israel hielt. Der Besuch wird fortgesetzt mit einem Überblick über das politische Wirken des grossen Mannes in seiner Funktion als Oppositionsführer und später als Mitglied der Regierung der nationalen Union während des Sechstagekriegs bis zum Tag seines Machtantritts. Später wird man über den Empfang von Präsident Sadat in Jerusalem, die Unterzeichnung der Abkommen von Camp David, die Verleihung des Friedensnobelpreises und schliesslich seinen Rücktritt nach dem Tod seiner Frau Aliza informiert. Der Besuch des Memorials endet mit dem Betreten einer von Licht überfluteten Terrasse, von der man einen grandiosen Blick auf ganz Jerusalem, die Hauptstadt des wiedervereinigten Israels, geniesst. Um besser zu verstehen, welche Philosophie hinter dieser Gedenkstätte steht, haben wir mit ZVI H. HURWITZ gesprochen, dem Präsidenten der Menachem Begin Heritage Foundation, den seit ihrer ersten Begegnung 1946 eine tiefe Freundschaft mit Menachem Begin verband. Z. Hurwitz gehörte seit der Wahl Begins in das verantwortungsvollste und höchste Amt des Staates Israel zu seinen Mitarbeitern. Im Zusammenhang mit dem Namen Menachem Begin kommt einem als Erstes natürlich der Friedensvertrag mit Ägypten in den Sinn. Es sollte sich allerdings später zeigen, dass Ägypten nicht der friedfertige Nachbar ist, für den man es hielt. Glauben Sie, dass diese Entwicklung im Sinne der von Menachem Begin unterzeichneten Verträge erfolgt ist? Während den fünf Kriegen, die Israel innerhalb der ersten Jahrzehnte seines Bestehens überstanden hat, galt Ägypten als sein mächtigster Feind. Seit 1977 hat man jede Form des bewaffneten Konflikts mit diesem bedeutenden arabischen Staat vermieden. An der südlichen Front ist nie auch nur ein einziger jüdischer Soldat gefallen, was doch ziemlich bemerkenswert ist. Ausserdem war es auf historischer Ebene effektiv dieser Vertrag, der den Nahen Osten von Grund auf verändert und Israel die Tore der arabischen Welt geöffnet hat. Es trifft zwar zu, dass Jordanien sehr lange gebraucht hat, um seinen Friedensvertrag mit uns zu konkretisieren. Der Libanon wiederum stand kurz davor, eine solche Vereinbarung zu unterschreiben. 1981 traf Begin heimlich mit Baschir Jemayel zusammen, mit dem man sich über einen Friedensvertrag geeinigt hatte. In allerletzter Minute weigerte sich der um sein Leben fürchtende libanesische Staatschef seine Unterschrift unter den Vertrag zu setzen. Kurze Zeit später wurde er im Libanon ermordet. Begin wurde durch diese Angelegenheit stark erschüttert. Was Syrien betrifft, so ist keinerlei Verhandlung ohne Abtretung der Golanhöhen möglich, es ist also nichts zu wollen. Weshalb hat Begin Judäa, Samaria und Gaza nie annektiert? Weil seine Regierung dabei nicht hinter ihm gestanden wäre. Wieso hat er die Golanhöhen und Gusch Katif nicht massiv besiedelt? Das hat keine einzige Regierung getan, und ich denke, dass dies ein schwer wiegender nationaler und ideologischer Irrtum war. Die Ausweisung der Juden aus Gusch Katif stand in einem völligen Widerspruch zur Ideologie und zur Doktrin von Menachem Begin. Während der gesamten Zeitspanne vor dieser Zwangsevakuierung hat sich Ihre Institution jedoch erstaunlich diskret verhalten und eigentlich keinerlei Kommentar abgegeben. Warum? Wir haben offiziell verlauten lassen, dass wir uns an der politischen Debatte, die im Land zu diesem Thema ausgebrochen war, nicht beteiligen würden. Wir haben aber alle betroffenen Parteien mit Nachdruck an die Botschaft von Menachem Begin erinnert, der dazu aufrief, um jeden Preis jegliche Form der Gewalt zwischen Juden zu vermeiden. Ich möchte darauf hinweisen, dass der Chef der Irgun während der Affäre der Altalena (siehe SHALOM Nr.43) jede Art des bewaffneten Widerstands abgelehnt hatte, da er davon überzeugt war, dies würde einen Bürgerkrieg provozieren. Ich denke, ich kann ohne falsche Bescheidenheit behaupten, dass die Operation von Gusch Katif auch deswegen ohne Gewalt abgelaufen ist, weil wir unser Scherflein dazu beigetragen haben, indem wir beständig an diese grundlegende Botschaft von Begin erinnert haben: «Niemals Bürgerkrieg unter Brüdern in Israel». Sie haben im Verlauf der vielen Jahre, in denen Sie in Kontakt mit dem grossen Mann standen, zusammen mit ihm zahlreiche aussergewöhnliche Situationen erlebt. Können Sie uns kurz von ihrer schönsten Erinnerung berichten? Während den Verhandlungen zur Unterzeichnung des Friedensvertrags mit Ägypten reiste US-Präsident Carter zwischen Jerusalem und Kairo hin und her. Zu einem bestimmten Zeitpunkt waren nur noch wenige Streitpunkte offen. Der amerikanische Präsident begab sich also zum Flughafen von Kairo, um dort den Präsidenten Sadat zu treffen. Menachem Begin war nach Hause gereist, nach Jerusalem, wo meine Frau Freda und ich selbst mit ihm zusammentrafen. Irgendwann klingelte das Telefon und meine Frau nahm ab. Es war Präsident Carter, der aus Kairo anrief. Menachem Begin nahm den Hörer und wir hörten, wie er dem Präsidenten mehrmals dankte. Dann legte er auf, kehrte zu uns zurück und sagte mit Tränen in den Augen: «Nun haben wir Frieden». Aus politischer Sicht gilt heute als erwiesen, dass es Menachem Begin war, der durch das Anschneiden des Themas Autonomie für die Palästinenser die Grundlagen für einen potentiellen Palästinenserstaat gelegt hat. Ist dies wirklich der Fall? Dies entspricht überhaupt nicht der Realität. Begin hatte ein Programm vorgestellt, in dem von einer Form der Autonomie für die in Eretz Israel lebenden Araber die Rede war. Er dachte an einen administrativen Rat mit 13 Bezirken. Er hat nie die Idee aufgeworfen, ein Parlament zu schaffen, Minister, einen Präsidenten oder alle anderen Institutionen der Palästinenser einzusetzen, wie dies die Regierungen der israelischen Linken eingeführt haben. Seit ihrer Machtübernahme 1992 hat die israelische Linke der Schaffung einer Behörde den Weg geebnet, die quasi der Regierung eines potentiellen Staates entspricht. Die Autonomie, die Begin ins Auge gefasst hatte, beschränkte sich jedoch auf die lokale Bevölkerung und betraf einzig und allein die Bereiche Wirtschaft, Bildung usw. Es stand nie zur Debatte, den dort lebenden arabischen Einwohnern die Autonomie über die Gebiete von Eretz Israel zuzugestehen. Sie leiten heute das Menachem Begin Heritage Center, an dessen Gründung, Schaffung, Bau und Einrichtung Sie seit 1992 massgeblich beteiligt waren. Welches ist der wichtigste Zweck, den Ihre Institution erfüllt? Wir führen zahlreiche Tätigkeiten durch, doch in meinen Augen besteht unsere wesentliche Aufgabe aus einer pädagogischen Funktion, deren Ziel die Verstärkung der heiligsten und grundlegendsten Elemente ist, welche die Basis des jüdischen Staates darstellen. Mit Hilfe des Museums können wir das Leben und Wirken von Menachem Begin auf moderne und effiziente Weise zeigen, d.h. anhand von kurzen Multimedia-Sequenzen. Unser Forschungsinstitut ist in erster Linie auf die Untersuchung verschiedener Aspekte der israelischen Gesellschaft ausgerichtet, wobei die Integration neuer Einwanderer aus der ehemaligen UdSSR und aus Äthiopien ein wichtiges Element darstellt. Wir bieten Seminare, Kurse, Vorträge und sogar ein Stipendiensystem für Studierende oder Forschungsprojekte an. Einmal jährlich verleihen wir den Preis Begin, mit dem Personen ausgezeichnet werden, die sich durch ihren Einsatz und ihr Engagement für die jüdische Sache und Israel hervorgetan haben. Darüber hinaus betreiben wir eine einzigartige Einrichtung in Israel, nämlich die Knesset für junge Leute. Es handelt sich um eine eigentliche Reproduktion des Knessetsaals in unserem Auditorium, wo Gymnasiasten oder Akademiker über ein bestimmtes Thema debattieren können. Diese Aktivität findet ganz im Sinne von Menachem Begin statt sowie in derselben Art und Weise, wie er am politischen Leben teilnahm, nämlich mit Entschlossenheit und im ständigen Respekt seiner Gegner. Das Zentrum umfasst ebenfalls eine aktive Synagoge, in der drei Mal täglich Gottesdienste stattfinden und die auch als Raum für religiöse Kurse und Vorträge dient. Als er noch Ministerpräsident war, hatte Menachem Begin eine Gruppe für das Bibelstudium gegründet, die sich jeden Samstagabend nach dem Schabbat bei ihm zu Hause traf. Jede Woche hielt ein Rabbiner oder ein bedeutender Denker eine Vorlesung über die Parascha der Woche ab, an der Begin persönlich teilnahm, auch Fragen stellte und seine Kommentare abgab. Vor einigen Jahren rief mich jemand an und wollte mich treffen, und zu meiner Verblüffung brachte er mir zwei Kartonschachteln mit 120 Audiokassetten, auf denen er alle Vorlesungen aufgenommen hatte. Jeden Donnerstagabend halten wir also eine Vorlesung zur Parascha der Woche ab, die von Micha Gutman, einem jungen Professor der Hebrew University von Jerusalem, geleitet wird und an der im Schnitt 80 bis 120 Personen teilnehmen. Wegen der grossen Teilnehmerzahl finden diese Vorlesungen zurzeit in unserem Auditorium statt. Abschliessend möchte ich hinzufügen, dass wir seit der Eröffnung Tausende von Besuchern empfangen haben und dass es nicht selten vorkommt, dass an bestimmten Tagen bis zu 300 Soldaten zu uns kommen, die sich in der Offiziersausbildung befinden. Ich bedaure, dass der Besuch des Museum noch nicht zum obligatorischen Lehrplan der Schulen gehört, obwohl es natürlich regelmässig von zahlreichen Schülern aus allen Teilen von Eretz Israel besichtigt wird. Das Zentrum Menachem Begin ist ganz offensichtlich einen Besuch wert. Hören wir zum Schluss einen Auszug aus der Rede zur Verleihung des Nobelpreises, in dem der Geist von Menachem Begin, dem Kämpfer, Revolutionär, Staatsmann, Parlamentarier und begnadeten Redner, der sein gesamtes Wirken geprägt hat, besonders gut zum Ausdruck kommt: «Ich bin aus dem Land Israel gekommen, aus dem Land Zions und Jerusalems. Ich stehe hier in aller Bescheidenheit und fühle mich geehrt als Sohn des jüdischen Volkes und Mitglied der Generation der Schoah und der Erlösung». |