Rettung des Negev | |
Von Roland S. Süssmann | |
«Der (nicht stattfindende) Friedensprozess,
ja sogar der Frieden selbst sind
in grosser Gefahr. Weshalb? Weil einige
so genannte extremistische und mit allen
andern Fehlern der Welt behaftete Juden
darauf bestehen, in Wohnwagen auf einigen
kalten, unwirtlichen Hügeln in Judäa
und Samaria zu hausen? Weil diese Nervensägen
darauf beharren und bestehen,
dass die Juden in Israel ihren Wohnort
frei wählen dürfen? Die Vereinigten
Staaten, Europa und gewisse politische
Kräfte bemühen sich, diese störenden
Elemente, welche die Hügel «besetzen»,
zum Schweigen zu bringen, vielleicht sogar
verschwinden zu lassen.» Während
all dieses Aufhebens um einige wenige
Siedlungen, die sich mit der Zeit - in den
kommenden zehn Jahren - eventuell in
anerkannte Ortschaften, in Dörfer und
Städte verwandeln werden, entwickelt
sich eine ernsthaft besorgniserregende
und vollkommen vertuschte Realität
wie ein Krebsgeschwür: die progressive
und illegale Besetzung des Negev
durch Zehntausende von Beduinen. Um weitere Informationen zu diesem Thema zu erhalten, haben wir mit SCHMUEL RYFMANN gesprochen, dem Präsidenten des Regionalrates von «Ramat Negev», dieser Wüstenregion, die 23% des israelischen Staatsgebietes umfasst und sich von der ägyptischen Grenze im Westen bis Beer Scheva im Norden, Mitzpeh Ramon im Süden und zu den Anhöhen hoch über dem Toten Meer und zur jordanischen Grenze im Osten erstreckt. Können Sie uns Ihre Region in wenigen Worten schildern? Unser Regionalrat wurde 1954 geschaffen und ist der grösste in ganz Israel, da wir 30% der südlichen Region des Landes umfassen. Es gehören elf Siedlungen dazu, in denen leider nur 4000 Einwohner leben, und das verteilt über eine Fläche von 443’200 Hektaren. Obwohl wir in einer Gegend wohnen, die als Wüste gilt, ist die Witterung hier trocken und angenehm und wir verfügen über riesige unterirdische Salzwasservorkommen. In Bezug auf die Klimafrage im Negev muss man sich klar machen, dass diese Region im Allgemeinen unter einem einzigen Oberbegriff gesehen wird, nämlich demjenigen der glühend heissen und unfruchtbaren Wüste. Wir leben aber in einem Gebiet, das sich auf 300 m bis 900 m über Meer befindet, und das Klima verändert sich je nach der Höhe. Wir profitieren von zahlreichen Vorteilen, von denen ich nur folgende erwähnen möchte: die Schönheit der Wüste, die archäologischen Fundorte, unsere hoch entwickelte Landwirtschaft, unsere Fischzuchten usw. Alle diese Stärken bewirken, zusammen mit vielen anderen Vorzügen und der Tatsache, dass wir uns genau an der Schnittstelle zwischen dem Zentrum von Israel, Ägypten und Jordanien befinden, dass wir über ein enormes Entwicklungspotenzial verfügen. Ausserdem möchte ich an dieser Stelle in Erinnerung rufen, dass Ben Gurion in den Negev kam, als er den Staat Israel gründete, um diese Region zu bevölkern und sie zu entwickeln. Leider haben sich seit der Staatsgründung viel zu wenig Juden hier niedergelassen. Der Negev macht ca. 60% der Fläche des Landes aus, und nur einige Tausend Juden leben hier! Wir haben daher keine andere Wahl als neue Siedlungen zu gründen und alles zu unternehmen, damit sich immer mehr Juden in unserer Region niederlassen. Ich glaube, dass die fromme Bevölkerung in Israel auf der Suche nach neuen Herausforderungen ist. Ich bin überzeugt, dass die Besiedlung des Negev eine dieser Aufgaben darstellt. Sie kann relativ leicht verwirklicht werden, da es keinerlei politische Opposition gegenüber diesem Vorhaben gibt, ganz im Gegenteil. In diesem Sinne habe ich ein neues Dorf für Religiöse namens «Rechavam» gegründet, das heute 25 Familien beherbergt. 75 weitere sollten bis Jahresende dazu stossen. Wir planen, insgesamt 300 Familien in Rechavam unterzubringen. Das Dorf erhielt seinen Namen in Erinnerung an den israelischen Minister Rechavam Zeevi (genannt Ghandi), der von den Arabern umgebracht und an dem Tag beerdigt wurde, an dem wir mit den Aufräumarbeiten begannen. Weshalb soll die jüdische Bevölkerung im Negev erhöht werden? Meines Erachtens handelt es sich dabei um eine der grössten Herausforderungen des jüdischen Staates in den nächsten fünfzig Jahren. Man muss sich bewusst sein, dass ich ein vehementer Befürworter der jüdischen Besiedlung von Judäa-Samaria bin und mich daher sehr glücklich schätze zu sehen, dass heute 240’000 Juden in dieser Region wohnen. Wenn wir aber den Negev und auch den Galil retten wollen, müssen wir in den nächsten Jahren eine Million Juden dort ansiedeln. Dies mag Ihnen wie ein absurder Traum erscheinen, doch es ist eine echte Notwendigkeit. Zur Veranschaulichung meiner Worte möchte ich anfügen, dass wir heute ungefähr 140’000 Beduinen zählen, die sich fest und für immer im Negev niedergelassen haben! Dies stellt uns vor drei schwer wiegende Probleme: erstens erhöht sich die Zahl der Diebstähle, vor allem im landwirtschaftlichen Bereich und bei den Autos; zweitens besetzen sie Land, das der Regierung gehört, und zwar mit soviel Gewalttätigkeit, dass die Polizei sich fürchtet, bestimmte Zonen aufzusuchen; drittens sind die Umwelt und die Hygiene betroffen, die ihnen nicht besonders am Herzen liegen. Zahlreiche Autounfälle werden von Kamelen verursacht, die frei auf den Strassen herumspazieren, und es gibt zahlreiche ähnliche Beispiele. Man muss sich klar machen, dass alle diese Beduinen israelische Pässe besitzen und daher als vollwertige Bürger angesehen werden müssen, die aber das Gesetz überschreiten. Ausserdem wird ein illegal errichtetes Haus innerhalb von weniger als 24 Stunden wieder aufgebaut, wenn es zerstört wurde. Dazu kommt die Tatsache, dass viele dieser Beduinen enge Verbindungen zu den radikalsten islamistischen Bewegungen pflegen, die in Israel existieren. Darüber hinaus erfolgt ihre Niederlassung auf raffinierte Art und Weise. Von weitem sieht es nämlich so aus, also ob sie in provisorischen Zelten leben würden. Unter den Zeltplanen haben sie aber richtige, feste Häuser mit Wasserleitungen, Toiletten usw. errichtet. Sie sagen, diese Beduinen besässen die israelische Staatsbürgerschaft. Heisst dies, dass ihnen alle sozialen Vorteile zustehen? Natürlich, und diese können sehr weit reichend sein. Es kommt nicht selten vor, dass ein Mann sechs Ehefrauen hat: zwei im Negev, zwei in Gaza und zwei in Hebron. Jede von ihnen hat im Schnitt neun Kinder, so dass er Familienzulagen für 54 Kinder erhält. Unsere Regierung ist absolut nicht bereit, etwas gegen diese Realität zu unternehmen. Wir müssen mit diesem Problem leben, das wir nicht aus der Welt schaffen können, dessen negative Auswirkungen wir aber begrenzen wollen. Aus wem setzt sich die Gesellschaft der Beduinen zusammen? Ein Teil dieser Bevölkerung lebt vom Drogenhandel mit Ware aus dem Sinai. Natürlich zahlen die Beduinen keine Steuern auf diese Art von Einkommen. Ein weiterer Teil ernährt sich von der Kamelzucht für die Fleischproduktion, da die Einwohner der Region von Hebron dieses Fleisch sehr schätzen. Der Besitzer einer Kamelherde ist ein reicher Mann, der in einem Zelt leben und in einer Luxuslimousine herumfahren kann. Glauben Sie, dass es mit der Zeit möglich wäre, dass die Beduinen zunächst die Autonomie und später die Unabhängigkeit des Negev verlangen, was in Wirklichkeit bedeuten würde, dass Ihre Region für Israel verloren ginge? Diese Gefahr besteht in der Tat, und wir müssen dringend etwas unternehmen. Dazu müssen wir die Beduinenbevölkerung besser ausbilden. Die Statistik hat gezeigt, dass eine Hirtin, die heiratet, im Schnitt zwölf Kinder bekommt, während eine junge Frau mit normaler Schulbildung höchstens fünf Kinder hat. Da die Beduinen israelische Staatsbürger sind, ist der Schulbesuch ihrer Kinder auch für sie obligatorisch, doch sie halten sich nicht daran und niemand kümmert sich darum. Es gibt aber in den Regionen, wo die Beduinen wohnen, überall Schulen. Wir haben ebenfalls festgestellt, dass sich diese Bevölkerung alle zehn Jahre verdoppelt. Wenn das so weiter geht, können wir mit einer einfachen Rechnung ermitteln, wie viele sie im Jahr 2020 oder 2030 sein werden! Wir machen uns grosse Sorgen in dieser Hinsicht und ich komme auf meinen ersten Vorschlag zurück, der darin besteht, dass wir den Negev nur retten können, wenn wir ein Förderprogramm für die Niederlassung einer Million Juden in diesem Gebiet erarbeiten. Wir arbeiten daran und bemühen uns, die Unterstützung der Regierung zu erhalten. Wie sehen Ihre Beziehungen zu den Beduinen aus? Trotz den beiden Intifadas kam es zu keiner Explosion der Gewalttätigkeit uns gegenüber seitens der Beduinen. Wie ich bereits sagte, sind unsere Schwierigkeiten mit ihnen anderer Art, und das Problem der Kriminalität und der landwirtschaftlichen Diebstähle ist sehr schwer wiegend. Sie erfahren aber nicht direkt den schlechten Einfluss, den die in Judäa, Samaria und Gaza lebenden Araber auf sie ausüben könnten. Da sie aber keine Lehrer ausbilden konnten, die aus ihren eigenen Reihen stammen, sind nun Lehrpersonen aus dem Galil bei ihnen tätig, die Israel gegenüber äusserst aggressiv eingestellt sind. Welche Gründe könnten ein junges Paar bewegen, sich in Ihrer Gegend niederzulassen, obwohl die Regierung nichts unternimmt, um diese Form der internen Migration zu unterstützen oder gar neue Einwanderer hier anzusiedeln? Leider investieren die Regierungen nur in zwei Arten von Regionen: in diejenigen, die auf politischer Ebene in Frage gestellt werden, da sie in der Presse für Schlagzeilen sorgen, und die den Politikern ermöglichen sich zu profilieren, sowie in diejenigen mit einer zahlreichen Wählerschaft. Der Negev entspricht weder der einen noch der anderen Kategorie. Ich muss aber zugeben, dass sich die Regierung der Tragweite des Problems bewusst wird und allmählich eine Kampagne plant, um die jungen Leute dazu aufzufordern, sich bei uns niederzulassen. Natürlich kann nicht jeder auf dem Land leben und in der Landwirtschaft tätig sein, doch Beer Scheva mit ihren heute 200’000 Einwohnern kann problemlos noch weitere 400’000 aufnehmen und allen Arbeit bieten. Es geht nicht darum, einen «Marshallplan» für den Negev einzuführen, sondern darum, einen gemeinsam mit der Industrie, dem Schulwesen und dem Wohnungs- und Häuserbau durchgeführten Plan zur Besiedlung des Negev durchzusetzen. Unsere Erfahrung und die Entwicklung der letzten Jahre haben uns gezeigt, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Noch vor wenigen Jahren gab es keine Eisenbahn im Negev. Heute verkehren täglich 38 Züge zwischen Tel Aviv und Beer Scheva. Zusätzliche Eisenbahnlinien sind bereits in Planung, wobei die wichtigste von ihnen den Flughafen von Lod mit der Hauptstadt der Wüste verbinden wird. Sie müssen verstehen, dass mein Vorschlag, eine Million Juden im Negev anzusiedeln einer langfristigen Planung bedarf. Ich glaube aber sinnvollerweise annehmen zu können, dass jährlich sechs- bis siebentausend Juden in unsere Region ziehen werden, was bereits einer positiven Entwicklung entspräche. |