Tatsachen vor Ort
Von Roland S. Süssmann
Seit ihrem Amtsantritt hat die Regierung Barak wiederholt Friedenserklärungen abgegeben, so dass sie sich jetzt zu Verhandlungen mit der PLO verpflichtet hat, von denen eine endgültige Lösung des Konflikts erwartet wird: alle Fragen in bezug auf die jüdischen Gebiete von Judäa-Samaria-Gaza sowie die heiklen Punkte der arabischen Flüchtlinge und sogar Jerusalems sollten ein für allemal beigelegt werden. Um sein Ziel zu erreichen, ist Ehud Barak bereit, zahlreiche einseitige Zugeständnisse einzuräumen, und es stellt sich nun die grundlegende Frage, was mit den jüdischen Israelis geschehen wird, die in den Städten und Dörfern der Gebiete leben. Um Genaueres über die konkrete Situation dieser Menschen zu erfahren, haben wir mit BENNY KASHRIEL gesprochen, dem Präsidenten des Rates der jüdischen Gemeinden von Judäa-Samaria-Gaza (YESHA) und Bürgermeister von Maale Adumim, der am nächsten bei Jerusalem gelegenen Ortschaft der Gebiete (siehe SHALOM Vol. 27).

Können Sie uns in wenigen Worten erklären, worin der wesentliche Unterschied zwischen der Haltung der Regierung Barak und derjenigen der Regierung Netanyahu gegenüber dem Verband von Gemeinschaften besteht, den Sie leiten?

Zur Zeit von Netanyahu hinderte uns niemand daran, Wohnbauten in unseren Gemeinden zu planen oder zu errichten oder gar neue Siedlungen in unserer Region zu gründen. Wir konnten auf diese Weise 42 neue Ortschaften schaffen, obwohl Benjamin Netanyahu parallel dazu der PLO zahlreiche Vorteile zugestanden hat. Die Entscheidungen in der Regierung Barak sind in erster Linie von den Bemühungen seiner Minister geprägt, ihn zum Verzicht auf möglichst viele Gebiete zu drängen, um das Wohlwollen der PLO-Führungskräfte zu erwerben und die Verhandlungen mit Yasser Arafat voranzutreiben. Benjamin Netanyahu hat sich nie mit Ministern umgeben, die unsere Baubudgets reduzieren oder unsere Sicherheit einschränken wollten, wie dies heute der Fall ist.

Welche konkreten Konsequenzen ergeben sich aus diesen Budgetkürzungen?

Für die Entwicklung einer Gemeinschaft ist die Errichtung von Infrastrukturen und das Angebot von Dienstleistungen wie Kindergärten, Gesundheitszentren, Synagogen usw. für die Bewohner von grundlegender Bedeutung; dies alles kostet aber viel Geld, was der Regierung Barak sehr wohl bewusst ist. Natürlich können wir überall auf der Welt auf die Unterstützung von guten Freunden zählen, doch wir können unsere Zukunft nicht ausschliesslich auf freiwilligen Spenden aufbauen. Diese Minister wissen ebenfalls, dass viele Gemeinden sich verlassen und isoliert fühlen werden, wenn noch mehr Gebiete und vor allem noch mehr Hauptstrassen an die PLO abgetreten werden. Die Einwohner dieser Zonen schicken ihre Kinder bestimmt nicht auf die Strassen, die sich in der Hand der Araber befinden, in die regionalen Schulen. Es handelt sich folglich um die allmähliche Durchsetzung einer Entmutigungspolitik, dank der die Einwohner letztendlich diese Zonen verlassen sollen. Noch schlimmer ist die Tatsache, dass diese Regierung einen Teil der Soldaten zurückgerufen hat, die uns sowohl in den Ortschaften als auch auf den Strassen beschützte. Niemand möchte mehr in dieser Gegend leben, die zu gefährlich geworden ist und nicht einmal mehr ein Mindestmass an Schutz erhält. Die Regierung Barak unternimmt alles, um den Einwohnern der Gebiete das Leben schwer zu machen. Zur Veranschaulichung meiner Worte möchte ich ein Beispiel unter vielen anführen. Mitte Februar wurden wir vom Nachrichtendienst der Armee gewarnt, in einer unserer Siedlungen werde wahrscheinlich ein schwerer Sabotageakt stattfinden. Normalerweise versucht die Armee in diesen Fällen mit allen Mitteln, den Versuch eines Terroranschlags zu vereiteln, um die betroffene Bevölkerung möglichst gut zu beschützen. Es wurde jedoch nichts dergleichen getan. Wir haben folglich beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und private Schutzgesellschaften zu engagieren, was uns sehr teuer zu stehen kommt.


Es leuchtet kaum ein, dass die Staatbürger, die ihre Steuern zahlen wie alle anderen, nicht in den Genuss derselben Rechte und Vorteile kommen wie die anderen Bewohner des Landes, vor allem, wenn es um ein Minimum an Schutz geht. Wie erklären Sie sich dies?

Die Einwohner der Gebiete sind nicht nur dem israelischen Recht unterworfen, das für das gesamte Land gilt, sondern auch einer Abteilung der Armee namens «Ziviladministration». Wenn die Regierung beschliesst, das Budget der Armee zu senken, steht es dieser völlig frei, den Schutz, den sie uns gewährt, teilweise oder eventuell gar vollständig aufzuheben. Die in Judäa-Samaria-Gaza geltende Gesetzgebung ist mit derjenigen im restlichen Land nicht identisch. Es ist beispielsweise unmöglich, einen Einwohner von Tel Aviv zu zwingen, in seinem Quartier Wache zu schieben, während in unseren Regionen jemand, der sich dem widersetzt, vor Gericht gestellt und haftbar gemacht werden kann, wenn sich in der Zeitspanne seiner Verweigerung ein schlimmer Vorfall ereignet.
Man muss sich klar sein, dass die Armee bei der Entscheidung, einen Teil ihrer Schutzmassnahmen einzuschränken, politisch beeinflusst wurde. Sogar Itzhak Rabin hat nicht auf diese Weise gehandelt. Bei der Unterzeichnung der Osloer Abkommen erklärte er, er würde Strassen bauen lassen, um unseren Schutz zu gewährleisten, was dann auch geschehen ist. Vergessen wir nicht, dass die an die PLO abgetretenen Gebiete an unser Gemeindeland angrenzen und dass keine Abzäunungen zwischen uns existieren. Der Durchgang steht demnach allen offen, auch den Terroristen. Heute wird keine einzige Umfahrungsstrasse mehr gebaut, entweder weil sie auf politischer und ideologischer Ebene nicht den Ideen der Regierung Barak entspricht, oder weil fehlende finanzielle Mittel als Grund angeführt werden…

Gemäss den jüngsten Statistiken steigt die jüdische Bevölkerung der Gebiete stetig an, auch unabhängig von einer hohen Geburtenrate. Es weist also alles darauf hin, dass die Israelis trotz der Schwierigkeiten, die Sie kurz angetönt haben, und trotz aller anderen Probleme Grundstücke in diesen Zonen kaufen. Wer sind sie?

Sie lassen sich in zwei Gruppen aufteilen. Diejenigen, die sich in den grossen Siedlungen niederlassen, tun dies wegen der besseren Lebensqualität als in der Stadt und der günstigeren Immobilienpreise. Diejenige, die in einsamere Gegenden ziehen, geben ideologische oder religiöse Gründe an.

Wie wird sich Ihrer Ansicht nach die Situation vor Ort entwickeln?

Es trifft zu, dass alle von der Regierung Barak durchgeführten Gebietsabtretungen im Moment nur der Umsetzung der von Benjamin Netanyahu in Wye River geführten Verhandlungen darstellen, und dies wird auch für den nächsten Rückzug der Fall sein, deren Modalitäten die PLO gegenwärtig noch ablehnt. Sollten diese Vereinbarungen letztendlich verwirklicht werden, haben wir auf 42% der Gebiete verzichtet, einen enormen Anteil. Der Premierminister hat mir jedoch bestätigt, dass er im Rahmen einer endgültigen Lösung breit ist, bis zu ca. 60% der Territorien abzutreten. Ich denke meinerseits, dass die Rückkehr der Flüchtlinge und das Problem Jerusalem dermassen heikle Punkte sind, dass sie ein endgültiges Übereinkommen ausschliessen.

Was unternehmen Sie, um einen grösseren Teil der israelischen Bevölkerung für Ihr Anliegen zu gewinnen?

Unser Ziel liegt in erster Linie darin, die Gebiete zu besiedeln und die bestehenden Ortschaften weiterzuentwickeln. Man muss sich klarmachen, dass YESHA heute die einzige ideologische Bewegung ist, die auch dazu steht. Wir schicken unsere Kinder in die besten Kampfeinheiten der Armee, wir sprechen weiterhin von Zionismus, von jüdischen Gebieten, von den Werten, welche die Gründerväter des neuen jüdischen Staates zu ihren Handlungen bewogen. Diese Begriffe sind sozusagen aus dem politischen Vokabular verbannt worden, und dies leider nicht nur in den linken Parteien Israels. Auf konkreter Ebene führen wir eine beständige Informations- und Aufklärungskampagne mit Hilfe von Medien, Plakaten, Demonstrationen, Petitionen usw. durch. Wir kämpfen mit Leib und Seele für die Beibehaltung des Golan und für Jerusalem. In unserem Kampf gegen eine Teilung Jerusalems haben wir uns die Unterstützung der religiösen Parteien zusichern können, die es nicht für nötig hielten, etwas für die Beibehaltung des Golans zu tun. Es ist leider so weit gekommen, dass wir den Israelis erklären müssen, dass Jerusalem nicht die Hauptstadt zweier Nationen oder zweier Völker sein kann und dass die Stadt alle Wurzeln des jüdischen Volkes verkörpert.
Abschliessend möchte ich sagen, dass wir trotz aller Schwierigkeiten, gegen die wir ankämpfen müssen, trotz der heutigen Schwächen der politischen Rechten in Israel gute Gründe besitzen optimistisch zu bleiben und unseren Kampf zugunsten der jüdischen Sache und des Zionismus weiterzuführen. Vergessen wir nie, dass die jüdische Bevölkerung in Judäa-Samaria-Gaza sich unter der Regierung Rabin, die uns bestimmt nicht günstig gesinnt war, verdoppelt hat!