Editorial | |
Von Roland S. Süssmann - Chefredakteur | |
Liebe Leserinnen und Leser,
Es ist nur noch eine Frage des Datums ! Für die einen ist es der 4. Mai 1999, für die anderen ein späterer Zeitpunkt, doch jetzt ist es unvermeidlich. Was denn ? Die Schaffung des PLO-Staates auf den jüdischen Gebieten von Judäa-Samaria-Gaza. Sowohl in den Regierungen der westlichen Länder als auch innerhalb der linken Parteien Israels, ja sogar bei gewissen rechtsstehenden Gruppierungen geht man allgemein davon aus, es handle sich dabei um ein Wunderheilmittel, einen „Akt der Gerechtigkeit“, das einzige Element, das noch die Hoffnung auf einen langersehnten Frieden zulässt. Bleibt nur noch die umstrittene Frage des Datums. Wenn Arafat «seinen Staat» am 4. Mai 1999 ins Leben ruft, könnte dies Netanyahu zugute kommen und die Palästinenser für den Sieg eines sowohl dickschädligen als auch verhassten israelischen Ministerpräsidenten verantwortlich machen. Dadurch könnte die „Freundschaft“ zwischen Arafat und Clinton gefährdet werden, die sich auf Kosten Israels entwickelt und dermassen an Bedeutung gewonnen hat, dass der amerikanische Präsident sich heute nach Kräften bemüht, die Entscheidung des Kongresses, die amerikanische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, rückgängig zu machen … Plötzlich katzbuckeln alle vor Arafat, damit er sich „noch ein wenig gedulden möge“, bevor er das ihm Zustehende fordert, den umstrittenen PLO-Staat. Die einen bieten ihm Geld an, die anderen territoriale Vorteile usw. Um ihn zu beruhigen, schreckt der jüdisch-amerikanische Unterhändler Dennis Ross nicht davor zurück zu sagen, dass die jüdischen Städte und Dörfer der Gebiete ein „für die Durchsetzung des Friedens zerstörerisches Element“ darstellen, obwohl er genau weiss, dass die Vereinigten Staaten den PLO-Staat nicht anerkennen können, da das Senat am 11. März 1999 seine einseitige Erklärung in einer Abstimmung mit 98 zu einer Stimme abgelehnt hat. Doch worum geht es denn nun eigentlich ? Um dies zu verstehen, muss man sich über die Verfassung der Fatah informieren (nach der angeblichen Streichung der Artikel betreffend die Vernichtung Israels aus der PLO-Charta) (www.fateh.org), diese Organisation, die sich harmlos als „militärischen Arm“ der PLO bezeichnet, jedoch in Wahrheit eine Terroristenarmee ist, die von Arafat gegründet und ausgebildet wurde und vollständig unter seiner Kontrolle steht. Unter der allgemeinden Rubrik „Ziele“ besagt §.12 eindeutig : „Die umfassende Befreiung Palästinas und die Auslöschung jeder wirtschaftlichen, politischen, militärischen und kulturellen zionistischen Existenz.“ Und unter dem Titel „Methoden“, heisst es in §.17: „Die bewaffnete Revolution ist das unvermeidliche Mittel zur Befreiung Palästinas.“ Was könnte ein auf diesen Grundsätzen erschaffener Staat wirklich zum Frieden beitragen ? Würde er wenigstens das Flüchtlingsproblem lösen ? Erinnern wir daran, dass die PLO seit der Unterzeichnung der Osloer Abkommen nichts unternommen hat, um die Flüchtlinge in die Gesellschaft zu intergrieren oder sie aus den slumähnlichen Lagern zu befreien, in denen sie seit Jahrzehnten in Gaza, in Judäa-Samaria, in Jordanien, im Libanon und in Syrien dahinvegetieren. Der 4. Mai erscheint zwar als wichtiges Datum, noch bedeutender ist jedoch der 17. Mai 1999, da sich die Israelis an diesem Tag an die Wahlurnen begeben, um über die neue Knesset und ihren Ministerpräsidenten zu entscheiden. Sprechen wir im Klartext : der Wettstreit zwischen Linker und Rechter wird da nicht stattfinden ! Auch wenn man dies nach einer oberflächlichen Analyse der rauhen und scharfzüngigen israelischen Wahlkampfszene annehmen könnte, spielt sich die ideologische Diskussion, welche die israelische Gesellschaft auf politischer Ebene entzweit, nicht im Bereich einer herkömmlichen Debatte zwischen links und rechts ab, wie dies in anderen Demokratien der Fall ist. Es stellt sich vielmehr die Frage nach dem grundsätzlichen Wesen des Staates Israel : handelt es sich um einen demokratischen jüdischen Staat oder einfach um eine allgemeine Demokratie, wie es deren viele gibt? Diese Kontroverse mag auf den ersten Blick unnötig oder gar sinnlos erscheinen angesichts der „ernsthaften Probleme“ des Augenblicks. In Wirklichkeit bedingt dieser wesentliche Entschluss aber alle weiteren wichtigen Entscheide. Das erklärte Ziel von Ehud Barak und seinen Anhängern ist es, einen von der letzten sozialistischen Regierung Israels in Gang gesetzten Prozess weiterzuführen : die allmähliche Entjudung des Staates. Was sich damals auf die Ideen einiger Intellektueller der extremen Linken beschränkte, ist heute zu einer politischen Plattform geworden. Der Aufruf, „Israel von seinen jüdischen Haderlumpen zu befreien“, stammt nicht mehr ausschliesslich von einigen Randfiguren. So schockierend dies auch erscheinen mag, es wird immer öfter die Forderung laut, die Flagge und die Nationalhymne auszuwechseln, damit sie weniger „jüdisch“ wirken ! Aus diesen Theorien erwächst letztendlich der leichtfertige und emotionslose Verzicht auf jüdische Gebiete. Benjamin Netanyahu jedoch und seine politische Familie sind, wie die meisten Israelis, aus einem anderen Holz geschnitzt. Sie gehen davon aus, dass die Idee eines zugleich jüdischen und demokratischen modernen Staates keinen Widerspruch darstellt. Vertritt nicht das Judentum bestimmte Werte, welche die eigentliche Grundlage der Demokratie verkörpern, wie beispielsweise die Entscheidungsgewalt der Mehrheit und die Rechte der Minderheiten, die Macht des Gesetzes und die soziale Gerechtigkeit für alle? Versuchen wir aus einem höheren Blickwinkel zu analysieren, in welchem Kontext diese Wahlen stattfinden. In Jordanien hat die Nachfolge von König Hussein eine bittere Wende eingeschlagen und kündet eine Zeit der Ungewissheit an. Wie wird sich Prinz Hassan verhalten, nachdem er von der Thronfolge ausgeschlossen wurde ? Wie wird der junge König Abdullah die Palästinenserfrage in Angriff nehmen ? Wie wird er auf die feindselige Einstellung der Syrer und Iraker reagieren? Im Irak weist nichts darauf hin, dass auf Saddam, falls er einmal ersetzt werden sollte, ein dem Westen freundlich gesinntes Regime folgen wird, es könnte sehr wohl ein schiitisches, pro-iranisches Regime seine Stelle übernehmen. Heute steht nur fest, dass Saddam sich in der gesamten arabischen Welt darum bemüht, Aufstände gegen die Erdöl-Oligarchien und gegen die Regierung von Mubarak in Ägypten zu schüren. Der Iran wiederum versorgt sich zwanzig Jahre nach der islamischen Revolution von Ayatollah Khomeiny nach irakischem Vorbild mit Atomwaffen und Marschflugkörpern, die mit chemischen Sprengköpfen versehen Israel mitten ins Herz treffen können. Vor diesem spannungsgeladenen und bedrohlichen Hintergrund (Libanon) wird die israelische Bevölkerung zu den Urnen gerufen. Das Wahlmotto von Benjamin Netanyahu lautet : „Ein starker Leader für ein starkes Volk“. Es zweifelt niemand daran, dass Israel genau das braucht. Diese Devise stammt übrigens aus einer pazifistischen Botschaft jüdischen Ursprungs, die besagt : Der Ewige wird seinem Volk Kraft geben - Der Ewige wird sein Volk im Frieden segnen ! Zuerst Entschlossenheit – dann erst Friede ! In diesem Sinne wünscht Ihnen das gesamte SHALOM-Team alles Gute für die Pessach-Festtage. Roland S. Süssmann Chefredakteur Athen, 1999. |