Zwischenstation in Beth El
Von Roland S. Süssmann
"Und er fürchtete sich und sprach: Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als G'ttes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels... und er [Jakob] nannte die Stätte BETH EL (Haus G'ttes)." (Genesis XXVIII, 17-19).
Im Verlauf unserer Reise durch das jüdische Territorium von Judäa, Samaria und Gaza machen wir heute in BETH EL halt, einer über hundertmal in der Bibel erwähnten Stadt, wo Jakob seinen berühmten Traum von der Himmelsleiter träumte und dem Ewigen begegnete. Wir wurden sehr herzlich vom Bürgermeister der Stadt, URI ARIEL, empfangen, der auch Vorstandsmitglied des Rates jüdischer Gemeinden von Judäa-Samaria-Gaza (YESHA) ist. Wir sprachen zunächst von seiner Gemeinde, bevor wir das Thema der allgemeinen Situation der Juden anschnitten, die fünf Jahre nach der Unterzeichnung der folgenschweren Osloer Abkommen in den Gebieten leben.


Können Sie uns in wenigen Worten die Stadt Beth El und ihre heutige Situation beschreiben?

Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass zu jeder Zeit Juden in Beth El gelebt haben. An diesem Ort herrscht eine ganz besondere Atmosphäre und er ist weltweit bekannt dank einer Legende, die besagt, dass sich ein aus Beth El stammender Felsblock unter dem Thron der Königin von Grossbritannien befindet. Dieser soll dorthin gelegt worden sein, um die enge Beziehung zwischen dem englischen Königreich und dem Ort auszudrücken, wo Jakob seine Begegnung mit G'tt hatte. Seit zwanzig Jahren ist Beth El nämlich zu ihrer ersten Bestimmung zurückgekehrt, eine jüdische Stadt zu sein. Viertausend Menschen leben hier heute, davon sind ca. die Hälfte Kinder. In bezug auf die demographische Entwicklung stehen wir landesweit an erster oder zweiter Stelle. Wir unternehmen demnach eine besondere Anstrengung im Bereich der pädagogischen Infrastruktur, denn wir müssen ungefähr 2000 Jugendlichen ab dem Kindergarten eine vollständige, sowohl weltliche als auch religiöse Ausbildung anbieten. Diese erzieherische Tätigkeit schafft Arbeitsplätze, so dass zahlreiche Personen in Beth El selbst einer Beschäftigung nachgehen können. Dazu kann man interessanterweise hervorheben, dass fast 50% der erwerbstätigen Bevölkerung ihren Beruf in Beth El ausübt. Wir besitzen mehrere Industriebetriebe, wobei die bedeutendste unsere grosse Tefillin-"Fabrik" ist; die Gebetsriemen werden in die ganze Welt exportiert, da das Produkt aus Beth El eine Garantie für Qualität und Seriosität darstellt. Die Werkstätte kann besichtigt werden, so entdecken die Besucher den Herstellungsprozess. Ich möchte betonen, dass die Studios von Radio "Arutz 7" (siehe Shalom Vol. 18) sich ebenfalls in Beth El befinden, obwohl die Sendungen auf einem Schiff ausserhalb der Hoheitsgewässer Israels produziert werden.
Für die unmittelbare Zukunft haben wir eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb der kommenden vier Jahre geplant, was bedeutet, dass sich jährlich im Durchschnitt 150 bis 200 neue Familien bei uns niederlassen werden, eine Zahl, die im Moment auch erreicht wird.


Geographisch gesehen liegt Beth El in der Nähe zahlreicher arabischer Dörfer und der Stadt Ramallah, wo sich auch das palästinensische Lager El Bireh befindet. Wie sehen Ihre Beziehungen zu Ihren arabischen Nachbarn aus?

Seit dem Abschluss der Osloer Abkommen ist die Wirtschaftslage sehr schlecht geworden. Die Stadt Ramallah liegt innerhalb der sogenannten Zone A, d.h. die Araber sind sowohl für die zivile Verwaltung als auch für die Fragen der Sicherheit verantwortlich. Um die Situation in diesen Gegenden zu beschreiben, kann ich die Worte unseres Ministerpräsidenten zitieren, der sie als "Schlupflöcher für Terroristen" bezeichnete. Leider ist dies kein leeres Wort, sondern die genaue Beschreibung der Wirklichkeit. Vor einem Jahr wurden Ita Tsur und ihr Sohn Ephraïm in der Nähe von Beth El ermordet und ihre Mörder flohen nach Ramallah, wo sie unbehelligt, fast als Helden weiterleben. Man muss nämlich wissen, dass heute 98% der arabischen Bevölkerung von Judäa-Samaria unter palästinensischer Verwaltung leben, die restlichen 2% sind nomadisierende Beduinen. Alle umliegenden Dörfer befinden sich in Zone B (ausser Ramallah), d.h. ihre Bewohner unterstehen zwar der zivilen Verwaltung der PLO, die Sicherheit wird jedoch von Israel gewährleistet. Man muss sich im klaren sein, dass wir, wenn wir von "Rückzug" sprechen, damit nur einen beschönigenden Ausdruck dafür verwenden, dass wir die in Zone B liegenden Gebiete den Arabern übergeben werden, welche damit die totale militärische Kontrolle über sie erhalten. Wir sprechen uns sowohl auf ideologischer als auch auf praktischer Ebene gegen diese Bewegungen aus. Vergessen wir nicht, dass die PLO sich anlässlich der Unterzeichnung der Abkommen von Hebron verpflichtet hatte, die Verbrecher, die Juden in Israel ermordet haben, unwiderruflich auszuliefern. Bisher hat keine einzige Auslieferung stattgefunden, darüber hinaus hat man diese Kriminellen an entscheidende Posten in der Armee Arafats (Polizei genannt) berufen, wo sie ihrem Rang entsprechende Ehren und Privilegien geniessen. Dies ist natürlich inakzeptabel.
Es muss ebenfalls betont werden, dass die PLO seit der Übernahme der Verantwortung für Ramallah das am Eingang der Stadt liegende palästinensische Lager nicht aufgelöst hat; keiner der dort lebenden "Flüchtlinge" ist in das normale Leben von Ramallah integriert worden. Daraus folgt, dass die Rachsucht dieser Lagerbewohner gegenüber Israel bewusst geschürt und angefacht wird, was für uns eine bedrohliche Gefahrenquelle darstellt. Unsere Mitbürger werden regelmässig durch Steinwürfe oder Molotow-Cocktails tätlich angegriffen.


Dieser letzte Punkt führt uns direkt zur Frage der Umfahrungsstrassen. Es scheint, dass Benjamin Netanyahu seit seinem Amtsantritt nichts unternommen hat, um das von den früheren Regierungen erstellte Strassennetz zu verbessern. Entspricht dies der Realität?

Erinnern wir daran, dass nicht alle Strassen, die von den Regierungen Rabin und Peres gebaut wurden, die Lebensbedingungen der jüdischen Bewohner der Gebiete verbessern, sondern vielmehr den sogenannten "Friedens"-Prozess beschleunigen sollten, der die Abtretung jüdischer Territorien an die Araber vorsah. Nichtsdestotrotz muss man anerkennen, dass die vorangehende Regierung innerhalb von nur anderthalb Jahren in Judäa-Samaria ein beachtliches Strassennetz geschaffen hat, dank dem die Einwohner dieser Regionen sich fast nie den arabischen Siedlungen nähern müssen. Sie können also von einem Ort zum anderen gelangen oder gar nach Jerusalem fahren, ohne deswegen in ständiger Sorge zu sein.
Benjamin Netanyahu hingegen scheint den Amerikanern versprochen zu haben, dass es im Hinblick auf den Bau neuer Umfahrungsstrassen keine Enteignungen geben werde. Überall auf der Welt, selbst in Israel innerhalb der grünen Linie ist es jedoch gang und gäbe, Privatpersonen für den Bau einer Strasse zu enteignen. Diese Entscheidung erweist sich als äusserst gefährlich, denn sie gefährdet das Leben zahlreicher Menschen. Wir werden dieses Problem lösen müssen, doch es hindert die Einwohner von Beth El nicht daran, grossen Mut an den Tag zu legen und die bestehenden Strassen zu benützen, die an einigen Stellen dicht an den arabischen Dörfern vorbeiführen. Bei jedem Haus jedoch, an dem wir nahe vorbeifahren müssen, besteht die Gefahr einer Aggression, seien es Steinwürfe oder Molotow-Cocktails oder gar Gewehrschüsse. Diese Realität verhindert nicht, dass neue Familien nach Beth El ziehen, und heute schätze ich mich glücklich zu sagen, dass alle unsere Wohnwagen bewohnt sind. Ich hoffe, dass die Region von Beth El im Falle eines neuerlichen Rückzugs nicht direkt davon betroffen ist, denn unsere Lage ist bereits sehr hart. Keiner von uns wird jedoch Beth El verlassen, wir sind daran gewöhnt, unsere Verantwortung auch bei Schwierigkeiten wahrzunehmen und mit unangenehmen Situationen fertigzuwerden. Wir sollten nie vergessen, dass wir nur ein winzig kleines Glied in der langen Kette der jüdischen Geschichte verkörpern und unser Möglichstes tun, um für die künftigen Generationen eine bessere Zukunft vorzubereiten, die ihrerseits die Arbeit fortsetzen werden, die wir begonnen haben. Beth El ist erst eine kleine Siedlung, doch unser Ziel ist es, eine grosse Stadt zu werden. Uns stehen alle Möglichkeiten zur Verfügung, diesen Plan zu verwirklichen, auch wenn dies nur das Gemeindegebiet betrifft, das wir gegenwärtig besitzen.


Wer sind die Menschen, die sich in Beth El niederlassen?

Unsere Siedlung setzt sich in erster Linie aus Familien nationalreligiöser Ausrichtung zusammen, das durchschnittliche Alter beträgt zwischen 25 und 30 Jahren. Wir zählen demnach eine grosse Mehrheit von Neuankömmlingen, die aus ideologischen Gründen hierher ziehen oder eine gesunde Umgebung suchen, die ihnen entspricht und wo sie eine schulische Infrastruktur vorfinden, mit der sie sich identifizieren können. Darüber hinaus liegt Beth El heute nur 25 Minuten Autofahrt von Jerusalem und 45 Minuten von Tel Aviv entfernt.


Auf politischer Ebene haben Sie das Fundament für eine neue Partei gelegt, die den Namen "Tekuma" (Wiedergeburt) tragen soll. Unter welchen Bedingungen sähen Sie den Nutzen, diese neue Partei zu lancieren?

Wir befinden uns in einer etwas eigenartigen Situation. Bisher haben wir unsere politische Tätigkeit an zwei Fronten geführt: einerseits haben wir die Position des Ministerpräsidenten verstärkt, andererseits arbeiteten wir eng mit der nationalreligiösen Partei Mafdal zusammen, deren ideologische Plattform sich gegen jede Form der Abtretung von Territorium ausspricht. Einige Mitglieder des Mafdal scheinen heute aber bereit zu sein, dem Plan von Benjamin Netanyahu zuzustimmen und einen erneuten Rückzug zu akzeptieren. Wir können unsererseits jedoch eine Partei, die sich national und religiös nennt und es einem rechtsstehenden Ministerpräsidenten gestattet, den Arabern bestimmte Regionen im Zentrum von Eretz Israel abzutreten, weder unterstützen noch weiterhin mit ihr zusammenarbeiten. Wenn die Verantwortlichen dieser Partei meinen, sie könnten ungestraft in dieser Weise vorgehen, täuschen sie sich gewaltig, denn sie werden in den nächsten Wahlen einen guten Teil ihrer Sitze verlieren, falls ihre Partei infolge dieser Affäre nicht ganz zersplittert oder gar aufgelöst wird! Sollte der Mafdal uns fallenlassen, müssen wir über eine Alternative verfügen, dank der wir handlungsfähig bleiben und den politischen Kampf auf der von uns beschlossenen ideologischen Linie fortführen können. Wir treffen also technische, finanzielle und politische Vorbereitungen. Im Moment existieren wir noch nicht als aktive Partei und hoffen, dass dies letztendlich nicht nötig sein wird. Wir sind allerdings gegen das Eintreten jeder neuen Situation gewappnet.
Zum Schluss möchte ich sagen, dass wir zwar unsere Tätigkeit auf politischer Ebene fortsetzen, dass der bedeutendste Teil unserer Arbeit jedoch vor Ort stattfindet. Für uns bleiben der Wohnungsbau und die Besiedlung aller jüdischen Gebiete von Eretz Israel weiterhin unsere zentrale Aufgabe und wichtigster Aspekt unseres Kampfes, den wir zwar unter Schwierigkeiten, aber nicht ohne Erfolg fortsetzen.