Electric Fuel | |
Von Roland S. Süssmann | |
In einem seiner berühmtesten humoristischen Sketchs spielte der französische Komiker Fernand Raynaud den neugierigen Sohn, der seinen unwissenden Vater mit Fragen bombardiert: "Wie funktioniert denn das ?" Der Vater, der kaum oder gar nicht antworten kann, erwidert zunächst geduldig und dann immer unwirscher: "Ach... das kann doch gar nicht anders funktionieren !" Dasselbe Gefühl beschleicht einem bei der Besichtigung der Gesellschaft ELECTRIC FUEL, die 1990 in Jerusalem entstanden ist. Sie hat nämlich mit grossem Erfolg eine Elektrobatterie für Fahrzeuge entwickelt, deren Funktionsweise trotz der ausführlichen Erklärungen sowohl des Pressebeauftragten als auch des Präsidenten der Gesellschaft, Robert S. Ehrlich, uns auch zum Schluss etwas geheimnisvoll, wenn nicht gar absolut unverständlich erscheint. Da es sich aber um ein interessantes, erfolgreiches und vielversprechendes Projekt handelt, wollen wir unsere Phantasie anstrengen, um annähernd zu begreifen, worum es @tn:geht, wenn wir schon nicht verstehen, "wie es funktioniert".
Stellen wir uns doch ein elektrisches Auto vor, das dank seiner Batterie über dieselbe Autonomie verfügt wie ein herkömmlicher Dieselwagen, darüber hinaus schnell und wetterunabhängig fährt. Gehen wir dann davon aus, dass dieses Fahrzeug in weniger als zwei Minuten... Energie tankt, und dass es sich ausserdem um eine Technik handelt, die sich als sauber und umweltfreundlich erweist. Genau dies bieten, in wenigen Worten ausgedrückt, das System und die Lösung von Electric Fuel: die Batterie beruht, je nach Anwendung, aus einem Gemisch von Zink und Luft oder von Zink und Wasserstoff. Dieses kleine israelische Unternehmen hat tatsächlich ein Elektrofahrzeug mit rascher Auflademöglichkeit entwickelt. Es ist nicht das einzige Modell, das in dieser Art auf der Welt existiert, es erlaubt jedoch das problemlose Zurücklegen von Distanzen von 300-400 km, während andere elektrische Wagen bereits nach 100 km wieder aufgeladen werden müssen. Ein Fahrzeug von Electric Fuel kann bis zu acht Stunden lang autonom fahren, und die berühmte israelische Batterie ist innerhalb einer Ladezeit von einer Minute und vierzig Sekunden wieder fahrbereit. Sie wird nämlich nicht im eigentlichen Sinne wieder aufgeladen: die Moduln oder Kassetten werden einfach ausgetauscht, entladen und durch geladene Elemente ersetzt (eine Batterie wiegt ca. 80 kg und besteht aus 4 bis 6 Moduln). Dieser Vorgang findet in speziell zu diesem Zweck erstellten und entwickelten Stationen, sogenannten "Ladestationen" statt. Die aus mehreren dieser Kassetten bestehende Batterie muss daher nicht neu geladen werden. Die leeren Kassetten gelangen hinterher in ein "Regenerationszentrum", wo sie in einem chemischen Verfahren regeneriert und wieder in Umlauf gebracht werden. Sowohl die Ladestation als auch die Regenerationszentren wurden von Electric Fuel erfunden und heute auch hergestellt. Die Batterie wurde vor kurzem von den schwedischen und deutschen Postbetrieben ausführlich getestet. Anlässlich eines kürzlich in Schweden durchgeführten Versuchs legte ein mit dieser Batterie ausgerüstetes elektrisches Auto 689 km mit einer Geschwindigkeit von 62 km/h zurück. Die deutsche Post wird 50 Kastenwagen testen und plant die Einrichtung von Ladestationen in 86 Postzentralen. Mit einer Ladung von 1700 kg Ware erreichen diese kleinen Lastwagen Geschwindigkeiten von 110 km/h. Vor kurzem hat der grösste italienische Energieverteiler, die Gesellschaft Edison SpA, 7 Millionen Dollar in die Ausrüstung für diese Batterie und in die exklusiven Vertriebsrechte in Italien, Frankreich, Spanien und Portugal gesteckt. Ein Konsortium deutscher Unternehmen, darunter insbesondere die Post, Siemens AG, Mercedes-Benz AG und Adam Opel AG, hat 25 Millionen DM in ein zweijähriges Testprogramm auf der Strasse investiert. Sollten diese Versuche positiv ausfallen, wird Electric Fuel ab 1998 unter Umständen die 40'000 Fahrzeuge der deutschen Post und der deutschen Telekom ausrüsten. Die schwedische Post, Vattenfall AB, schliessen sich den in Deutschland durchgeführten Tests an, um später die Rechte für eine strategische Partnerschaft mit Electric Fuel in Skandinavien erwerben zu können. Diese Zusammenarbeit setzt den Bau einer Regenerationsfabrik sowie die Einrichtung von Ladestationen voraus, um die gebrauchten Batterien umtauschen zu können, ganz zu schweigen von der Suche nach neuen Benutzern, denen man natürlich einen Kunden- und Reparationsdienst anbieten muss. Ausserdem hat Electric Fuel soeben einen Kooperationsvertrag mit der deutschen Militärindustrie STN Atlas Elektronik GmbH unterzeichnet, um schnellere Torpedos mit grösserer Reichweite als die heutigen Modelle zu schaffen, die mit einer Batterie auf der Grundlage der Silber-Zink-Technologie betrieben würden. Diese Forschungsarbeiten werden vollumfänglich vom deutschen Verteidigungsministerium finanziert... Viele bezeichnen den daraus entstehenden bitteren Nachgeschmack als Ironie der Geschichte. Es leuchtet ein, dass die Batterie zahlreiche ökologische Vorteile auf höchstem Niveau aufweist und langfristig zur effizienten Bekämpfung der Umweltverschmutzung beitragen wird. Wir haben ROBERT S. EHRLICH, den Präsidenten und Finanzchef von Electric Fuel kurz um weitere Auskünfte gebeten. Können Sie mir neben dem rein ökologischen Aspekt Ihrer Erfindung sagen, weshalb elektrische Fahrzeuge notwendig sind, obwohl es heute Erdöl in Hülle und Fülle gibt ? Im Verlauf der letzten Jahre traf eine Nachfrageflut betreffend Erforschung und Herstellung von Elektrowagen aus Kalifornien ein. Ein 1998 in Kraft tretendes Gesetz dieses amerikanischen Bundesstaats verlangt, dass 2% der verkauften Fahrzeuge so ausgerüstet sind, dass "0% Schadstoffemissionen" entstehen, d.h. dass sie mit Strom betrieben werden, um so das Problem der Verschmutzung zu bekämpfen. In europäischen Städten wie Mailand, Stockholm oder Athen ist der Autoverkehr während bestimmten Tageszeiten verboten. Unser Markt betrifft demnach nicht die Personenwagen, sondern den öffentlichen Verkehr, kleine Lastwagen für die Warenverteilung, Busse oder eventuell Taxis. Ist es Ihr Ziel, das Erdöl letztendlich zu ersetzen ? Nein, auf jeden Fall nicht sofort. Unser System funktioniert eigentlich analog zum Vertrieb von Erdöl, wo der Weg von der Raffinerie über die Tankstelle bis zum Auto reicht. Wir bieten eine Regenerationszentrale, eine Ladestation (für das Auswechseln der Moduln) und am Ende der Kette den elektrischen Wagen an. Unser Produkt ist eigentlich nur eine andere, sauberere Form der Energie, und wir hoffen, die grossen Erdölgesellschaften demnächst in unser System einbinden zu können. Wir werden heute sowohl von den Erdölgesellschaften als auch von den Autoherstellern häufig angegriffen. Was werfen Ihnen denn die Autohersteller vor ? Sie haben hohe Summen in die Fabrikation von Motoren gesteckt. Ein Luxuswagen unterscheidet sich, neben der Inneneinrichtung, von einem normalen Personenwagen vor allem durch den Motor. Unser Vorschlag besteht nun darin, den Motor einfach durch Batterien zu ersetzen, wodurch die gesamte Autoindustrie langfristig in Frage gestellt wird. Stammen die "genialen Köpfe" und Ingenieure, die Ihre Produkte entwickeln, vor allem aus Israel oder aus dem Ausland ? Wir verfügen in Israel über zahlreiche Talente, doch ein Teil unserer Mitarbeiter stammt aus der UdSSR und den Vereinigten Staaten. Es ist für uns mit Schwierigkeiten verbunden, die Leute von einer Stelle in Jerusalem zu überzeugen, denn die israelische Industrie befindet sich in der Region von Tel Aviv. Heute beschäftigt Electric Fuel 93 Personen und ist dabei, zwischen Tel Aviv und Jerusalem, eine neue Produktionsstätte zu eröffnen. Die Grundlagen und die Entwicklung der von der Gesellschaft erarbeiteten und vertriebenen Technologie sind eigentlich das Werk zweier Männer: Yehuda Harats und Menachem Korall, die gegenwärtig mit ihren Teams unter Einsatz aller Kräfte daran arbeiten, die Effizienz, die Qualität und die Produktpalette der angebotenen Batterien zu verbessern und zu erweitern. Die Aktien der Gesellschaft werden an der New Yorker Börse auf dem NASDAQ Markt unter dem Kürzel EFCX gehandelt. Das Projekt ist vielversprechend, das Wertpapier wird von einigen Analysten empfohlen, andere sind der Ansicht, es seien zur Entwicklung der Gesellschaft noch zahlreiche finanzielle Investitionen nötig und sie werde bestenfalls ab 1997 gewinnbringend sein, wenn die in Europa durchgeführten Tests positiv ausfallen. Für diejenigen, die an das Projekt glauben, ist der Preis der Anteile gegenwärtig recht günstig und kann eine interessante Diversifizierung eines Portfolios darstellen. |