Montmartre vivant 'Von Toulouse-Lautrec zu Utrillo' | |
Von Oscar Ghez, Präsident und Gründer des Museums Petit-Palais in Genf | |
Es ist mir eine Freude, mich heute mit diesen Zeilen an Sie zu wenden, um Ihnen mitzuteilen, dass am 15. Februar dieses Jahres eine Ausstellung mit dem Titel "Montmartre vivant- de Toulouse-Lautrec à Utrillo" im Museum Petit-Palais in Genf eröffnet wurde. Diese Ausstellung umfasst über einhundert Bilder, Plakate, Stiche, Photos, Zeitungen und sonstige Dokumente und lässt jene faszinierende Zeit wieder auferstehen, in welcher die Kunst trotz miserabler Lebensbedingungen der meisten Künstler eine ihrer dichtesten und kreativsten Epochen erlebte. Zu den ausgestellten Künstlern gehören beispielweise folgende: Bonnard, Chéret, Degas, van Dongen, Forain, Utrillo, Toulouse-Lautrec, Valadon, Vallotton, Vuillard, Max Jacob...
Montmartre, ein für die Kunst des 20. Jahrhunderts mythischer Ort, wurde sowohl auf künstlerischer als auch auf gesellschaftlicher Ebene durch diese aussergewöhnliche Gemeinschaft von Malern, Dichtern, Liedermachern, Plakatzeichnern oder auch Karikaturisten zur Wiege der Moderne, wie wir sie heute kennen. In Montmartre, damals noch ein Dorf, wurden manche Vorurteile zerstört und die Akademie der Kunst vernichtet, zwischen der Place Clichy und der im Bau befindlichen Kirche Sacré-Coeur, zwischen dem Moulin-Rouge und dem Lapin Agile oder dem Chat-Noir oder auch am Bateau-Lavoir. Die meisten Künstler trafen in Montmartre ein und da sie im allgemeinen nur über wenige Mittel zum Leben verfügten, stellte der Bateau-Lavoir, ein merkwürdiger, veralteter und elender Bau, der diesen Namen von Max Jacob erhielt, eine beinahe obligatorische Etappe dar. Von Modigliani bis Picasso, von Van Dongen zu Pascin, fast alle wohnten nach ihrer Ankunft in Paris eine Zeit lang dort. Vergessen wir nicht, dass er im Bateau-Lavoir lebte, als Picasso 1907 das Bild "Demoiselles von Avignon" malte, mit dem der Kubismus begründet wurde. Max Jacob besass das dunkelste und erbärmlichste Atelier im Untergeschoss des Bateau-Lavoir. Max Jacob, ein Dichter voller Originalität und Schaffenskraft, war auch ein begabter Maler, der ein bedeutendes Werk hinterlassen hat. Man verdankt ihm insbesondere Aquarelle und Gouachen und einige wenige Ölbilder. Er bevorzugte Landschaften, insbesondere Ansichten von Paris und der Bretagne, die Welt der Bühne oder auch religiöse Szenen als Motive. Max Jacob wurde in einer jüdischen Familie in Quimper geboren und beschloss 1909 nach der Erscheinung eines "Christischen Wesens" in einer von ihm gemalten Landschaft auf der Wand seines Zimmers, sich zum Katholizismus zu bekehren; er wurde 1915 in Gegenwart seines Paten Picasso getauft, mit dem ihn bis zu seinem Tode eine freundschaftliche und brüderliche Beziehung verband. Er hielt sich öfters im Kloster vom Saint-Benoît-sur-Loire auf und zog sich dort 1935 endgültig zurück. Bei Ausbruch des Kriegs verliert er seinen älteren Bruder und seine jüngste Schwester, die beide nach Auschwitz deportiert wurden, woher sie nie zurückkamen. Er selbst wird am 24. Februar 1944 in Saint-Benoît-sur-Loire verhaftet und vier Tage lang im Militärgefängnis von Orléans eingesperrt. Er fährt am 28 Februar nach Drancy. Jean Cocteau und andere Freunde setzen sich für seine Befreiung ein, die jedoch erst am Tag nach seinem Tode am 5. März 1944 in Drancy erfolgt. Jean Cocteau gibt ihm daraufhin den Namen: "der zerschmetterte Erzengel". Die Ausstellung versucht, die verschiedenen, von den Künstlern in Montmartre vertretenen ästhetischen Tendenzen zu zeigen, welche die Grundlagen der modernen Kunst bilden, den Austausch zwischen Kunstschaffenden aller Art und dem Leben in Montmartre selbst, ihre Strassen, Kabaretts und ungewöhnlichen Persönlichkeiten. |