Editorial
Von Roland S. Süssmann - Chefredakteur
Liebe Leserinnen, liebe Leser,


Es war ein harter Winter. Das jüdische Volk wurde von furchtbaren Ereignissen erschüttert, das Grauen hat von Israel Besitz ergriffen.

Die Ermordung von Itzchak Rabin, die ich entschieden verurteile, stellte die erste Tragödie dar. Die Tat des Mörders kennt keine Entschuldigung, sein Verbrechen verkörpert alles, was das echte Judentum ablehnt.

Der zweite Schock entstand aus der unbeschreiblichen Hexenjagd nach der Ermordung des Premierministers. In Israel und in der Diaspora wies die israelische und jüdische Linke anklagend und ungerecht auf alle praktizierenden Juden und auf all jene, die sich gegen die Politik des sogenannten "Friedensprozesses" ausgesprochen hatten. Sie alle wurden als "Verschwörer" bezeichnet, ja sogar als "Komplizen des Mörders". Die israelische Linke bekam starken Aufwind und ihr Sieg anlässlich der nächsten Wahlen schien festzustehen. Doch die harte Wirklichkeit hat die Illusionen von Schimon Peres, der sich nun für politisch unbesiegbar hielt, rasch hinweggefegt.

Da traf die dritte Welle des Schreckens ein. Erneut wurde Israel von arabischen Attentaten heimgesucht. Zerfetzte Körper tränkten die Strassen von Jerusalem, Aschkelon und Tel Aviv mit ihrem Blut, Unglück und Zerstörung prägten einmal mehr das jüdische Volk. In diesen Augenblicken wird einem das Ausmass der von der sogenannten "Friedenspolitik" hervorgerufenen Katastrophe bewusst, die zu den Osloer Abkommen geführt hat. Der Krieg der Araber gegen die Juden hat nie aufgehört. Alles Geschwätz im Hinblick auf einen möglichen "gegenwärtigen", "zukünftigen" oder "tapferen" Frieden zerstob innerhalb von Sekunden. Seit dem schändlichen Handschlag des 13. Septembers 1993 wurden in Israel mehr Juden ermordet als während jeder anderen Phase der Staatsgeschichte. Oslo I und II beschränken sich eigentlich auf den einseitigen Abzug israelischer Streitkräfte. Die PLO hat nun die Kontrolle über Gaza und eine weitgehende Autonomie in Judäa-Samaria, sowie unerwartete internationale Anerkennung, nicht zu vernachlässigende finanzielle Hilfe, eine "Polizei" mit 30'000 bewaffneten Terroristen und freie Wahlen erworben. Israel, das angesichts des Drucks des arabischen Terrorismus kapituliert und die jüdischen Bewohner von Judäa, Samaria und Gaza auf den Index gesetzt hat, "gewann" seinerseits in den Kanzleien der westlichen und sonstigen Welt ein wenig mehr Sympathie, auch wenn sie von den Arabern noch mehr Gewalt, Unglück und Tote erhielt.

Arafat hingegen ist trotz seiner von der internationalen Staatengemeinschaft verliehenen Aura der Vertrauenswürdigkeit immer der kleine Terroristenchef geblieben, der u.a. das Massaker an den israelischen Sportlern bei den Olympischen Spielen von München anordnete. Arafat, der durch die Wahlen zum Rang eines Präsidenten einiger, dem Terrorismus als Anhaltspunkte dienender Enklaven erhoben wurde, macht keinen Hehl aus seinen Absichten, welche der nie aufgehobenen Charta zufolge die Zerstörung des jüdischen Staates bezwecken. In einer im vergangenen Februar für eine geschlossene Gesellschaft von arabischen Diplomaten in Stockholm gehaltenen Rede, erläuterte er seinen Fünfjahresplan: "Wir, Palästinenser, werden alles erobern, auch Jerusalem. Innerhalb von fünf Jahren werden wir sechs oder sieben Millionen Araber zur Niederlassung nach Jerusalem und Cisjordanien gebracht haben. Dann machen wir das Leben der Juden durch einen psychologischen Krieg (sprich: Terror) sowie durch eine Bevölkerungsexplosion unseres Volkes unerträglich. Wir planen die Auflösung des Staates Israel und die Schaffung eines palästinensischen Staates."

Arafats Vision des "Neuen Mittleren Ostens" unterscheidet sich in jeder Hinsicht von derjenigen von Peres.

Diese Rede erklärt auch, weshalb er den Hamas nicht bekämpft, sondern ermutigt. Diese Worte sollten uns als Warnung dienen. Nach der lächerlichen Inszenierung der Konferenz in Sharm El-Sheik könnte man daran zweifeln. Arafat im Kampfanzug (wozu ?) und Saudiarabien, der grosse Geldgeber des Hamas, unterzeichnen ein Abkommen gegen den Terrorismus; dieser Anblick widerspiegelt das echte Bild dieser Konferenz. Klar ausgedrückt hat sich bisher eigenartigerweise nur Boris Jelzin : "... der Terrorismus muss brutal niedergeschlagen werden, unabhängig vom Etikett, mit dem einer seine Verbrechen begeht...". Man darf die Bedeutung dieser Zusammenkunft nicht unterschätzen. Israel nahm daran als Opfer (des Terrorismus), als Held (des Friedens) und als Folterer (verantwortlich für die Abriegelung der Gebiete und die Aushungerung der palästinensischen Bevölkerung) teil. Schimon Peres ging so stark wie nie aus diesen Gesprächen hervor und ist felsenfest entschieden, den Osloer Prozess weiterzuführen. Entschlossenheit oder Falle ? Es weist alles darauf hin, dass Israel sich nach den Solidaritätsbeteuerungen mit dem Friedensprozess (von Ägypten verwendeter Euphemismus, um Israel in die Grenzen des Waffenstillstands von 1949 zurückzudrängen) und Clintons Besuch in Jerusalem in einer Situation zu befinden droht, in der es den "konkreten Beweis seiner Solidarität" vorbringen muss. Israel wird gezwungen, den Rückzug aus den Gebieten, die es noch kontrolliert, zu beschleunigen und wird dadurch verletzbarer.

Das Fehlen Syriens an der Konferenz von Sharm El-Scheik ist vielsagend. Damit gibt Assad zu verstehen, dass es den Hisbollah und die palästinensischen Terroristengruppen weiterhin aktiv unterstützen wird. Syrien hofft dennoch von Israel die totale Räumung des Golans ohne Gegenleistung zu erhalten.

Israel bereitet sich auf neue Wahlen vor. Die Rechte, notdürftig wieder zusammengeführt, erhält in den Umfragen wieder bessere Resultate. Ihr Sieg scheint nicht mehr vollkommen utopisch zu sein. Die Tatsache, dass ihre Beliebtheit nach einer Welle von Attentaten eher gestiegen ist, wirft eine grundlegende Frage auf: Muss in Israel Blut fliessen, damit die Rechte glaubwürdig wird ? Bietet sie keine überzeugende Plattform dar, damit die Israelis auf sie vertrauen ? In diesen düsteren Zeiten, da Israel weiterhin mit einem Feind verhandelt, der täglich seinen Ehrgeiz kundtut, den Staat von der Weltkarte zu streichen und seine Strassen mit Schrecken zu füllen, erreicht uns eine Botschaft der Hoffnung. Sie stammt aus einem Brief von Esther Wachsman, deren Sohn Nachschon, Soldat, am Tag der Verleihung des Friedensnobelpreises 1994 an Rabin, Peres und Arafat von den Arabern gekidnappt und zu Tode gefoltert wurde; dieser Brief erschien anlässlich von Clintons letztem Besuch in Jerusalem in der "Jerusalem Post": "Einer meiner Söhne wird nie erwachsen werden. Können die anderen meinen Traum vom Leben teilen, als stolze, starke, freie, gläubige Juden, die in völliger Sicherheit in unserem eigenen Land leben, das uns von G'tt gegeben wurde ? Ich möchte an dieser Stelle trotz meines Kummers betonen, dass wir die Hoffnung nie aufgeben werden. Unser Volk hat die schlimmsten Prüfungen überlebt. Unsere Feinde müssen begreifen, dass wir für immer hier sind, hoffentlich auf friedliche Weise. Wir werden dieses Land nie mehr verlassen, nie mehr die Reise ins Exil antreten."

Nun, da wir Pessach feiern, das Symbol unserer Freiheit und die Geburt der jüdischen Nation, möchte das gesamte Team von SHALOM Ihnen glückliche Feiertage wünschen.

Roland S. Süssmann
Chefredakteur

Hebron, 1996.